Musterung der Turma I

  • Zu ad meridiem, also mit Beginn der vierten Stunde nach Sonnenaufgang, sollte sich die I. Turma der XXII. Legion auf dem Campus vor dem Legionslager von Nikopolis einfinden. So hatte es der Praefectus Legionis befohlen, denn die Turma würde einen neuen Befehlshaber bekommen. Auch wenn Tiberius Rufinus sein Kommando zunächst noch im Rang eines Duplicarius antreten würde, so sollte er die Reiterabteilung bereits an diesem Tag offiziell übernehmen. Seine Beförderung zum Decurio war gewiss nur eine Formsache, die von Rom jedoch noch abgesegnet werden musste.


    An diesem Morgen war das große Exerzierfeld vor dem Lager vergleichsweise leer. Nur eine Gruppe neu eingetroffener Probati übte in einer Ecke das Marschieren, begleitet vom unaufhörlichen Gebrüll des Optios, der sie anleitete.


    Die vierte Stunde des Tages rückte langsam näher...


  • Die Lituus der Einheit ertönten und weckte die Männer in ihren Stuben. Sofort stürmten alle 30 Mann der Turmae aus ihren Stuben.


    " Männer, schnell auf die Pferde, wir reiten zum Campus. "
    schrie der Tiberier.


    Heute musste er ihnen sagen, dass er ihr neuer Decurio sein würde. Seine Rede, war wohl überlegt. Nur wusste er immer noch nicht, wie er es den Männern klar machen sollte, dass ihr alter Decurio nun abgesetzt werden würde.
    Als seine Männer alle auf ihren Pferden saßen, ritten sie langsam zum Campus. Dort stellten sie sich in Formation auf und Rufinus ritt nach vorne, wo ein kleiner Pult augestellt, von wo aus er reden würde.


    " Praefectus, die Männer sind alle angetreten. "

  • “Danke, Duplicarius Tiberius Rufinus.“, antwortete Germanicus Corvus, der ebenfalls hoch zu Pferd auf dem Campus erschienen war.


    Er lenkte Ganymed – seinen dunkelbraunen Hengst – einmal an der vordersten Linie der angetretenen Reiter vorbei und nahm sie dabei fest in den Blick. Es waren einige Neulinge dabei, die vor noch nicht sehr langer Zeit von den Soldaten zu Fuß zu den Equites legionis versetzt worden waren.
    Aber alle angetretenen Männer machten einen ausgezeichneten Eindruck und ebenso ihre heraus geputzten Uniformen, polierten Panzer, Helme und Waffen. Was aber das Wichtigste war: Auch die Pferde sahen gut gepflegt und gesund aus.


    Germanicus Corvus zeigte sich zufrieden und lenkte seinen Hengst wieder zurück an die Seite des Duplicarius.


    “Männer...!“, rief er. “Ich bin sehr zufrieden mit euch. Die Turma I ist ein Musterbeispiel an römischem Soldatentum und Einsatzbereitschaft und eine Zierde für die Legio XXII Deiotariana.


    Ihr werdet bemerken das euer Decurio heute nicht hier ist. Memmius Pedanius Cotyla ist ein altgedienter Soldat mit großen Verdiensten. Aber er wird dem Imperium in Zukunft auf einem neuen Posten dienen, in Pelusium, wohin er auf meinen Befehl hin bereits aufgebrochen ist.


    Gaius Tiberius Rufinus folgt ihm nach. Er wird euch künftig anführen.“


    Corvus wandte sich dem angesprochenen Duplicarius zu und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er ebenfalls einige Worte an die Männer richten sollte.

  • Veratius war noch garnicht so recht wach, zwar schien die Sonne und es war angenehm warm aber das artete heute alles irgendwie in Hektik aus, zumal den Equites vorher nicht bescheid gegeben wurde, Veratius saß auf seinem Pferd und lauschte den Worten erst vom Duplicarius und dann denen des Praefectus.


  • Rufinus nickte dem Praefecten zu. Dass er nach so kurzer Zeit Decurio geworden war, störte sicherlich vielen aus seiner Turmae, da einige bereits länger dabei waren als er. Doch dies war einer der Vorteile, wenn man Patrizier war.


    " Equites der Turma I. "
    begann Gaius mit ernster Stimme.
    " Viele von euch haben schon lange unter unserem Decurio Pedanius Cotyla gedient. Auch ich durfte eine kurze Zeit unter ihm dienen. Darum ist es mir eine besondere Ehre, nun Decurio dieser Einheit zu werden, da ich weiß, was ihr... meine Männer imstande seit zu leisten. Ich werde von euch auch in Zukunft nichts abverlangen, was ich selber bereit bin, zu tun oder in der Lage bin. Doch dafür verlange ich von euch eiseren Disziplin. Wir von der Turma I, werden dafür sorgen müssen, dass die Legio XXII Deiotariana wieder zu dem Ruhm und Ehre zurückkehrt, den wir einst gehabt hatten. Für den Kaiser und für Rom stehen wir hier, für den Kaiser und für Rom sterben wir! Ich erwarte, dass auch ihr eure Pflicht tut, genauso wie ich es tun werde! Und so kämpft weiterhin gegen die Feinde Roms, auf dass sich unser Imperium an alle Enden der Welt ausstrecke!


    ROMA VICTRIX!! LANG LEBE DER IMPERATOR !! "


    Der Tiberier wusste nicht, ob diese Rede wirklich passte, da er zum erstenmal solch eine halten musste. Doch die Worte, die er sich zurecht gelegt hatte, kamen aus seiner Überzeugung heraus.

  • Verus der anfangs noch nicht wusste, dass heute Ämter verteilt wurden, gähnte.
    Die Sonne schien angenehm in sein Gesicht, wobei er beinahe wieder eingenickt war.


    Als dann Corvus mitgeteilt hatte, dass Rufinus der neue Decurio sein wird, dachte Verus:


    Na, das hab ich mir schon lange gedacht ! Ein Patrizier mit Führungsqualität... = Decurio.
    Was solls, es wird sich bestimmt nicht viel ändern.


    Dann begannen all die Formalitäten. Als der ehemalige Duplicarius seine Rede beendet hatte, schrie Verus mit den anderen Eques aus voller Kehle:


    "ROMA VICTRIX!! LANG LEBE DER IMPERATOR !! "

  • Während der Antrittsrede des neugebackenen decurios machte sich Cursor seine Gedanken.


    Ein duplicarius im Minus , ein decurio im Plus, somit zumindest eine freie Planstelle eines duplicarius.


    Beruhigt nahm Cursor die Worte des neuen decurios zur Kenntnis, daß dieser wußte, was seine Männer, also auch er, Verus und Veratius zu leisten imstande waren.


    Vor allem hoffte er, den neuen decurio niemals an seine Worte erinnern zu müssen, daß dieser von ihnen in Zukunft nichts abverlangen werde, was er selbst bereit oder in der Lage sei zu tun.


    So schloß sich Cursor den anderen equites an und versuchte noch lauter als die anderen zu rufen:


    "ROMA VICTRIX. VIVAT IMPERATOR. VIVAT NOSTER DECVRIO NOVVS."

  • “ROMA VICTRIX!“, stimmte auch der Präfekt mit ein.


    Als die Jubelrufe endeten salutierte er dem neu ernannten Befehlshaber der I. Turma und sagte:
    “Tiberius Rufus, meinen Glückwunsch.", und dann: "Deine Männer können wegtreten!“


  • Rufinus war ein wenig überrascht, weil seine Männer ihm so zujubbelten. Er fragte sich, ob es an der Rede lag oder daran, weil er nun befördert wurde. Selbst der Praefekt stimmte mit ein, was dem Tibierer sehr freute, doch zeigte er diese nicht.


    Gaius salutierte sofort, als der Praefectus dies ebenfalls tat und ihm Gratulierte.


    " Danke Praefectus... "
    Aus seiner stimme konnte man schon die freute etwas raushören.


    " Equites.... abite. " ~ wegtreten.


    Die Equites salutierten kurz vor ihrem neuen Decurio, als sie den Platz verließen.

  • Plötzlich drehte sich Cursor noch einmal um und ging auf den neuen decurio zu.


    Er nahm Haltung an und salutierte.


    "Du warst bisher unserduplicarius, bleibe nun unser decurio!"


    Cursor salutierte nochmals und verließ nach einer Kehrtwendung den campus.


    Er war sich sicher, daß ihn der neue decurio verstanden hatte.

  • Wieder einmal war es soweit und wie der Tribun den Männern bereits einen Tag zuvor angekündigt hatte, musste sie heute mit Sack und Pack samt Pferd am Campus antreten, um an der befohlenen Inspektion der Reiterei teilzunehmen. Derzeit herrschte am Appellplatz noch gähnende Leere und selbst von Silanus war weit und breit noch nichts zu sehen. Doch der angekündigte Zeitpunkt rückte unaufhörlich näher und so war es nicht verwunderlich, dass bereits kurz davor die ersten Gruppen eintrafen und Aufstellung bezogen.


  • Rufinus stand heute sehr früh auf und ließ sich von seinen Sklaven frisch machen. Heute würde der Tribun also seine erste Inspecktion durchführen, die er ja bereits gestern angekündet hatte. Da der Decurio nichts zu befürchten hatte, konnte er das ganze ruhig und gelassen angehen.


    Als er aus seiner Stube ging, stand bereits Pegasus bereit und der Patrizier saß auf, schaute zu seiner Truppe und ritt mit ihnen geschlossen auf den Campus. Es schien, als seien sie die ersten, die den Campus betraten, falls denn auch die anderen Turmae erscheinen mussten.
    Nachdem sie auf ihrerer Position standen, kamen bereits auch die anderen Decurionen und nahmen ihre Plätze ein.


    Es dauerte nicht lange, da standen alle vier Kavallerieeinheiten auf ihren Positionen. Rufinus ritt zum Tribun, salutierte militärisch korrekt und machte seine Meldung.


    " Tribun. Alle vier Turmae sind vollzählig eingetroffen. "


    Nun hieß es warten, bis der Tribun ihn wieder in seine Reihe zurück schickte.

  • "Sehr gut Decurio!"


    Der Iunier ließ seinen Blick durch die Reihen der Männer und ihrer Pferde schweifen. Er selbst saß ebenfalls hoch zu Ross und konnte daher alles gut Überblicken. Die Inspektion konnte also beginnen. Silanus stieg ab und deutete auch dem Decurio, das er absetzen sollte. Dann übergab er die Zügel seinem Adjutanten und schritt in Richtung der Reihen.


    "Folge mir Decurio. Wir werden die Männer gemeinsam insizieren."

  • Gemeinsam mit dem Rufinus schritt Silanus durch die Reihen der Männer. Immer wieder deutete er auf einen, der ihm und dem Decurio darauf hin seine Ausrüstung vorzeigen sollte. Der Tribun nickte zufrieden. Die Ausrüstung der Männer war tatsächlich im tadellosen Zustand. Der Decurio hatte nicht übertrieben. Schließlich standen die beiden Offiziere vor dem Eques Titus Decimus Cursor und er war an der Reihe seine Ausrüstung vorzuzeigen.


  • Rufinus stieg ebenfalls vom Pferd ab und folgte dem Tribun. Seine Männer hatten ihre Uniform wirklich sehr gut auf vorderman gebracht, was er ihnen anschließend auch nochmals sagen würde. Nun standen sie vor Cursor und Gaius wartete, bis dieser vortrat, damit sie seine Uniform in Augenschein nehmen konnten.

  • Wie so oft, so war es auch dieses Mal!


    Wieder hatte es Cursor instinktiv gefühlt, daß die Inspektion an seiner Person nicht ohne ihre Nebenwirkungen vorbeigehen würde.


    Nach alter Väter Sitte und wie er es gelernt und bisher mit Erfolg gehandhabt hatte, traf er die für die angesagte Inspektion Vorbereitungen: Am Abend vorher hatte er für sich nach dem Dienst eine Putzstunde angesetzt. Sämtliche Ausrüstungsgegenstände wurden, obwohl sie es sein mußten und demzufolge bereits waren, abermals auf Vordermann gebracht. Er putzte, ölte und polierte bis spät in die Nacht.


    Er war der Überzeugung, daß das Erscheinungsbild, das er abgab, das seiner turma war, ganz abgesehen von den Rückschlüssen auf den decurio, das ein schlechtes Abschließen der Inspektion nach sich ziehen würde.


    Cursor hatte Incitatus am langen Zügel gehalten. Nun nahm er die Zügel kürzer und trat mit ihm zwei Pferdelängen vor. Vor den beiden Offizieren nahm er Haltung an.


    "Eques Titus Decimus Cursor, wie befohlen zur Stelle."

  • Silanus musterte den Eques und nickte ihm schließlich zu. Ein Decimer also. Jedoch einer, von den er bisher nicht all zu viel gehört hatte. Dennoch eine Überraschung. Er streckte ihm auffordernd seine offene Hand entgegen.


    "Eques.... dein Schwert!"

  • Cursor verblieb in der Grundstellung. Er streifte die Zügel von Incitatus so über seinen linken Arm, daß er seinem Pferd im Fall des Falles eine Parade geben konnte.


    Dann zog er seine spatha, drehte sie, daß der Griff dem Offizier zugewandt war, und meldete:


    "Meine spatha, tribunus."

  • Solanus begutachtete das übergebene Schwert. Keine Ansatz von Rost oder Verunreinigungen, aber auch keine wirklichen Kanten oder Kratzer, die von einem Kampf herrühren konnten. Alles in allem schien das Schwert ziemlich neu ziemlich Neu zu sein. Dennoch war es im tadellosen Zustand. Silanus sah wieder auf und gab dem Eques das Schwert auf dieselbe Art und Weise zurück, wie er es von ihm erhalten hatte.


    "Sehr gut Eques! Du bist also ein Decima. Bist du mit den Senatoren Decimus Livianus oder Decimus Meridius verwandt?"

  • Cursor nahm seine spatha und steckte sie behutsam in ihre Scheide.


    Unsicher, aber dennoch verwundert sah er den tribunus an. Was bezweckte dieser mit seiner Frage nach der Verwandtschaft eines einfachen eques, von der der zwar gehört hatte, die er aber nicht oder noch nicht kannte.


    Cursor überlegte genau, wie und was er antwortete. So hielt er es für angebracht, die gestellte Frage des tribunus so wie gestellt zu beantworten.


    "Zu Befehl. Die Senatoren Marcus Decimus Livianus und Maximus Decimus Meridius sind mit mir verwandt, tribunus."

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