hortus | Cadhla und das Alphabet

  • "Es geben wohl nur einen Weg," sagte Cadhla nachdenklich. "Niemals geben Menschen so viel Macht alleine. Denn immer, wenn haben zu viel Macht, Macht machen Menschen schwach, und Mensch tut, was er will. Solange es geben andere Mensch, die sprechen über Grenze, über andere Mensch, dann vielleicht hilfreich. Aber man muss sein vorsichtig, sonst sich wendet Macht gegen selbst." Sie legte den Kopf schief und meint dann recht trocken: "Ihr Römer interessanten Weg habt zu verhindern dass Mensch haben zuviel Macht, ihr imer töten Kaiser, wenn machen schlechte Dinge. Aber wenn überlege, wieviele tote Kaiser es geben bisher, dann sagen, dass keine gesunde Position für Mensch ist." Livius Pyrrhus war ein Freund der Geschichte des römischen Imperiums, und als sie sich den Zettel mit dem Alphabet abgeholt hatte, hatte er über sein Steckenpferd berichtet - und ihr die oftmals blutige Geschichte der römischen Kaiser erzählt.


    Wie es schien, war die Übernahme des Kaisertitels ein ziemlicher Garant für einen schrecklichen Tod. Sein Blick wandelte sich, und zwischen Überraschung und etwas anderem, das sie nicht bestimmen konnte, schien dieser zu schwanken. War es vielleicht doch eine dumme Idee gewesen? Machte er sich jetzt etwa irgendwelche falschen Hoffnungen, sie für sich gewinnen zu können? Andererseits ... nein, diesen Gedanken wischte sie schnell weg.
    "Aber Du nicht enttäuscht, wenn nicht haben literarische Qualität." Noch so ein Begriff, den sie von Corvinus' ehemaligem Scribe aufgeschnappt hatte, und sie sprach es auch fast so aus, dass man sich an Livius Pyrrhus erinnert fühlte. Zudem, wer erwartete schon von einer Keltin, dass sie sich überhaupt über literarischen Anspruch Gedanken machte.

  • Ursus mußte unwillkürlich lachen, also sie so trocken davon sprach, daß römische Kaiser Gefahr liefen, ermordet zu werden. Nicht die Sache an sich fand er zum Lachen, sondern wie sie es sagte. Er wurde aber bald wieder ernst. "Nun, zum einen hat nicht nur der Kaiser viel Macht, zum anderen will niemand, der klaren Verstandes ist, freiwillig Kaiser sein. Oder sagen wir, ich möchte bestimmt nicht Kaiser sein. In solch einer Position gehört man nie sich selbst. Und man kann keine Entscheidungen treffen, ohne irgend jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ein Kaiser kann auch nie wissen, wer wirklich sein Freund ist."


    Als sie über literarische Qualität bezüglich ihrer Briefe sprach, mußte er abermals grinsen. "Literarische Qualität? Wer hat Dir denn so etwas gesagt? Cadhla, bei Briefen kommt es nicht auf literarische Qualität an. Literarische Qualität braucht man, wenn man vielen Menschen etwas erzählen möchte. Je besser geschrieben, umso mehr Menschen lesen es. Briefe schreibt man, weil man jemand bestimmtem etwas sagen will. Amtliche Briefe... die brauchen vielleicht auch etwas literarische Qualität. Aber private Briefe kannst Du so schreiben, wie Du möchtest. Wie Du sprechen würdest. Versuch es einfach. Du wirst es genau richtig machen, da bin ich mir ganz sicher."

  • "Ich denken, viele Menschen gerne wären Kaiser, können tun alles was wollen - und niemand darf sagen dagegen, oder sein schlecht, was tun. Es machen vieles leichter," gab sie nicht minder ernsthaft zurück. Wie es wohl sein mochte, römischer Kaiser zu sein? Allein bei der Vorstellung, dass er noch luxuriöser leben konnte als alles, was sie bisher in der villa Aurelia gesehen hatte, kam sie schon an die Grenzen ihrer Imaginationskraft.
    "Aber ist nicht so, dass kein Mensch leicht wissen, wer ist Freund und wer ist Feind? Du erst wissen, wenn anderer Mensch hat Gelegenheit, dich töten ohne dass jemand sieht. Wenn er dich lässt leben, dann er ist Freund." Zugegeben, diese Methode, die eigenen Freunde festzustellen, war eine recht drastische und sicherlich nicht unbedingt eine, mit der man allzulange überlebte, wenn man es darauf ankommen ließ. Aber es war eine Methode, die eine ziemlich letztendliche Sicherheit gewährte, und für einen Menschen, der im Krieg groß geworden war, sicher nicht erstaunlich.


    Dass er über den Ausdruck, den sie ühevoll von dem scriba ihres Herrn gelernt hatte, so sehr lachen musste, kränkte sie fast ein wenig. Immerhin hatte sich Cadhla Mühe gegeben, es richtig auszusprechen. "Es also nicht wichtig, sich geben viel Mühe, um schreiben richtig gut? Ich nicht einmal richtig sprechen Sprache von Dein Volk, es sich sicher nicht gut lesen wie Brief, die Du kennen." Sie legte den Kopf kritisch schief und betrachtete ihn aus den etwas nachgedunkelt wirkenden grünen Augen. "Ich nie denken dass schreiben überhaupt. Und vielleicht nicht haben gutes Einfall für schreiben. Aber ich überlegen."

  • "Glaubst Du das wirklich, Cadhla? Daß derjenige Dein Freund ist, der Dich nicht töten, wenn er die Gelegenheit hat? Nein, ich glaube nicht, daß dies der richtige Weg ist. Nicht jeder, der nicht Dein Freund ist, ist gleich darauf aus, Dich zu töten. Schau, jeder von euch Sklaven könnte uns jede Nacht töten. Ihr tut es nicht. Zum einen würde es euch nicht die Freiheit bringen. Zum anderen seid ihr keine Mörder. Unsere Freunde seid ihr deswegen noch lange nicht. Könnte je ein Sklave der Freund seines Herrn sein?" Ursus blickte sie fragend an. Nach ihren Worten wäre jeder Mensch ein Mörder, der sofort jeden, der nicht sein Freund war, töten würde, wenn er eine Gelegenheit bekam.


    "Derjenige ist mein Freund, der Mühen auf sich nimmt, um mir etwas Gutes zu tun, obwohl er selbst nichts von diesen Mühen hat. Jemand, der mein Leben selbstlos rettet, ist mein Freund. Jemand, der meinem Wort glaubt, obwohl alle Umstände gegen mich sprechen, der ist mein Freund. Jemand, der mir hilft, ohne zu fragen, was ich im Gegenzug für ihn tun kann, ist mein Freund. Jemand, der sich ebenso bereitwillig auch mal von mir helfen läßt, ohne ständig aufzurechnen, wer nun mehr getan hat als der andere. Der ist auch mein Freund." Vielleicht war er naiv und vertrauensselig, aber so eine negative Lebenseinstellung wie Cadhla brachte er einfach nicht zustande. Er hatte ja auch noch nicht so furchtbare Dinge erlebt wie sie.


    Lieber kam er auch wieder auf das Thema Briefe zurück. "Doch, es ist schon wichtig, sich Mühe zu geben. Je mehr Mühe Du Dir gibst, umso genauer versteht Dich der Empfänger des Briefes. Weißt Du, Worte auf dem Papier können den Ton nicht mit übermitteln. Wenn Du einen Brief schreibst und Du bist gerade sehr fröhlich, glücklich, lustig und zu Scherzen aufgelegt, dann schreibst Du einen Satz und meinst ihn lustig und lieb. Aber wenn derjenige, der ihn liest, gerade traurig und niedergeschlagen ist und von irgend jemandem gerade verletzende Worte gehört hat, dann liest er den gleichen Satz vielleicht wie eine Beleidigung. - Deshalb ist es wichtig, genau das zu sagen, was man meint. Und Gefühle deutlich zu umschreiben, um Mißverständnissen vorzubeugen."


    Er lächelte und blickte ihr in ihre gerade so dunkel wirkenden Augen. Hatte er vorhin etwas falsches gesagt? Sie schien nicht ganz glücklich mit seinen Worten. "Ich wollte Dir jetzt keine Angst vor dem Briefe schreiben machen. Ich will damit nur sagen, daß Du schon vorher überlegen mußt, was Du schreibst und was Du aussagen willst. Aber es muß kein Gedicht oder schriftstellerisches Kunstwerk werden. Du bist ein direkter Mensch. Und ich denke, mit dieser Direktheit bist Du auch beim Briefeschreiben am besten beraten. Schreib mir Briefe, Cadhla. Ich werde es Dir sagen, wenn etwas darin steht, was ich als Leser falsch verstehen könnte."

  • "Du groß geworden in Zeit mit viel Frieden, dominus, und ich groß geworden in Krieg. Wenn Krieger steht in Kampf an meiner Seite, rettet mein Leben mit seinem Speer, und ich rette seines, dann ich sagen Freund zu ihm. Wir unsere Freundschaften siegeln mit Blut, weil das ist Moment, in dem man sieht, ob jemand ist wirklich Freund oder nicht. Sagen freundliche Worte tun viele Menschen, aber Du nicht kannst verlassen auf jeden. Erst in Moment von Not Du sehen, wer wirklich ist Freund, und wer hilft Dir, wenn Du selbst nicht bist mächtig oder groß." Die Worte klangen seltsam würdevoll aus ihrem Mund, und für einen Moment wurde Cadhla der große Gegensatz zwischen ihr und dem Aurelier mit den weichen Händen wieder allzu bewusst. Hatte er überhaupt schon einmal einen blutigen Kampf miterlebt? Oder kämpfte er nur zum Spaß, um zu gewinnen oder sich zu erproben? Für diesen Augenblicke lang fühlte sie sich älter, als sie ihn einschätzte, gereift durch eine Lebenserfahrung, in der sie ihm doch einige Jahre voraus haben musste.


    "Viele Sklaven keine Hoffnung, also geben auf. Man ihnen oft sagt, dass sie nichts wert, dass sie haben keine Gelegenheit, werden wieder frei, und dann irgendwann leben nur noch vor sich hin. Aber ich denken, dass ihr seid in größter Gefahr, wenn denken, dass es kann sein immer so. Für mein Volk es wäre große Ehre töten so viele Römer wie möglich, und dann sterben in Kampf um eigenes Leben. Du nie kannst sein sicher, ob nicht anderer Sklave denken genauso, dominus. Freundschaft immer wird geprüft. Geschenke geben ist leicht, wenn Du selbst bist ohne Sorge, und ohne Not - Geschenke geben wenn Du selbst bist in Not, zeigt viel mehr wahren Menschen," wandte sie auf seine weiteren Worte ein, um dann vage zu lächeln. Er würde mit dieser Haltung im Kampf nicht lange überleben, nicht an der Grenze, nicht dort, wo es wirklich schwer wurde, gegen den Gegner zu bestehen. Aber sie wünschte ihm auch den Tod nicht ... diese dunklen, seelenvollen Augen, die so ohne Argwohn schienen, so wenig von dieser Welt gesehen hatten.


    "Ich nicht denken dass schreiben Gefühle - wenn schreiben auf Papier, dann jemand kann nehmen, der nicht soll bekommen Brief und lesen - und benutzen gegen Schreiber. Wichtige Dinge man immer nur sagen, und sagen, wenn sein allein. Das ist Weg meines Volkes," erklärte sie ihm nach einer Weile, etwas zögernd. Überhaupt wollte sie gar nicht über Gefühle schreiben. Die gingen weder ihn etwas an noch sonst irgendjemanden. "Man doch sollte schreiben Dinge die sind interessant für Mensch der liest Brief, oder?"

  • "Ich denke, Du meinst das gleiche wie ich, nur in einen anderen Rahmen gesetzt, Cadhla", lächelte Ursus und legte dabei den Kopf etwas schief. "Ja, ich bin im Frieden aufgewachsen. Ganz sicher ist meine Kindheit nicht mit Deiner vergleichbar. Nicht nur wegen des Krieges, sondern auch, weil unsere Kulturen so unterschiedlich sind. All unsere Erfahrungen dürften sich sehr stark unterscheiden." Wobei er keine Wertung vornahm. Während sie gelernt hatte, ihr blankes Leben mit aller Kraft zu verteidigen, hatte er großes Wissen angesammelt.


    "Du hast recht. Du kannst Worten nur selten trauen. Aber den meisten Taten kann man trauen. Aber in einem hast Du nicht recht: Du sagst, wer ohne Sorge ist, kann leicht schenken. Nein, das ist falsch. Beobachte die Menschen, Cadhla. Je sicherer sie sich fühlen, um so schwerer fällt es ihnen, etwas zu schenken. Die Armen, die täglich um ihre Mahlzeiten kämpfen müssen, die schenken bereitwillig an jemanden, dem es noch schlechter geht." Natürlich traf das auch nicht auf alle zu. Aber in den meisten Fällen stimmte es.


    "Du mußt nicht über Deine Gefühle schreiben, Cadhla. Ich wollte nur erklären, daß Gefühle sowohl beim Schreiben wie auch beim Lesen immer dabei sind. Weil wir nun einmal Menschen sind. Und daß Du dies beim Schreiben bedenken solltest. Weil manches eben beim Leser anders ankommt, als Du es gemeint hast. - - Schreib, was immer Du mitteilen möchtest. Schreib, was immer Du meinst, daß es den anderen interessieren könnte. Und stell ruhig auch Fragen in Deinem Brief, wenn Du von dem anderen etwas wissen möchtest." Er war wirklich gespannt, was sie ihm schreiben würde.

  • "Nicht einmal können immer wissen dass Dinge, die tun, sind wirklicher Wille von Mensch, der handelt. Du denken wir Sklaven tun gern, was müssen tun hier in Haus? Wir tun um nicht werden bestraft. Wir tun weil müssen tun. Müssen sein freundlich zu jedem, weil sonst wissen, dass werden bestraft oder verkauft. Ihr nicht müsst fürchten Strafe oder schlechtes Leben, dominus, ihr können sein leicht freundlich und glauben, dass wir glücklich über Lächeln," konterte sie mit der nackten und sicherlich nicht erfreulichen Wahrheit, und es klang weniger anklagend als nüchtern. So hatte sie es bisher nun einmal erlebt, und am Sklavenstand selbst fand sie wenig erträgliches. Es war kein Leben, das sie sich selbst gewählt hätte, hätte sie die Wahl gehabt. "Ich sehe Menschen in dieser villa, nichts sonst, und nicht andere. Sonst nur kennen Menschen in Heimat und Sklavenhändler, und da sein großer Unterschied. Sklavenhändler glauben, dass sein großzügig, wenn ein Tag nicht tragen Ketten bei laufen. Es immer ist Sache von Standpunkt, nicht unbedingt nur von Armut oder Reichtum." Sie stopfte den Alphabet-Papyrus in den Gürtel ihrer tunica und klappte die Wachstafel langsam zu.


    "Dann ich werden denken gut nach vor schreiben Brief, damit Du nicht langweil, wenn lesen," erklärte sie schließlich schlicht und nun kam erst wieder ein vager Hauch eines Lächelns auf ihre Lippen. Warum war sie überhaupt auf diese dämliche Idee gekommen, ihn nach Briefen zu fragen? Aber nun hing sie schon in der Sache drin und vielleicht würden ihre Briefe ihn so langweilen, dass er es schnell aufgeben würde, ihr zu schreiben und ihre Briefe lesen zu wollen.
    "Warum Du heute eigentlich hier in Garten? Ich gehört Du haben viel zu schreiben und eigenes officium in Stadt für Arbeit?"

  • "Glaubst Du wirklich, daß wir das nicht wüßten? Wer wäre schon gerne Sklave? Und doch droht dieses Schicksal jedem, der sich in einen Kampf begibt. Oder in ein Land, das nicht fest zum Imperium gehört. Wenn ich nächstes Jahr mein Tribunat antrete und in Kämpfe gerate, dann droht auch mir dieses Schicksal. Ebenso wie ich den Tod erleiden könnte. - Cadhla... So ist es bei allen Völkern. Auch ihr versklavt Kriegsgefangene." Er blickte Cadhla ruhig und offen an, während er ganz sachlich sprach.


    "Ein sehr weiser Mann sagte einmal, ein Mann hat mindestens so viele Feinde, wie er Sklaven im Haus hat. Und das ist sicherlich bis auf wenige Ausnahmen wahr."


    Sicherlich war dieses Schicksal leichter zu ertragen, wenn man als Sklave geboren war und nichts anderes kannte. "Vielleicht wird es Zeit, daß Du einmal mehr von Rom zu sehen bekommst, Cadhla. Denn Sklave ist nicht gleich Sklave. Am schlimmsten sind sicher die Sklaven in Bergwerken und Steinbrüchen dran. Ich finde, euch hier in unserem Haus geht es relativ gut. Ihr habt alle sehr gute Chancen, bei guter Arbeit eines Tages freigelassen zu werden. Richtig gut geht es den staatlichen Sklaven in höheren Positionen. Ja, so etwas gibt es auch."


    Es war eben doch nicht alles nur schwarz und weiß. Es gab unendlich viele Abstufungen dazwischen. "Unfreiheit ist natürlich immer eine Belastung. Für jemanden, der nicht weiß, wo die Angehörigen sind, ob sie noch leben, wie es ihnen geht... sicherlich in ganz besonderem Maße." Wenn man betroffen war, dann war natürlich die Sklaverei etwas entsetzliches. Aber hatte sie je darüber nachgedacht, bevor sie in Gefangenschaft geriet? Es mußte doch einen Grund dafür geben, daß die Sklaverei bei allen bekannten Völkern eine gängige Praxis war.


    Als sie danach fragte, warum er eigentlich hier im Garten war, schüttelte er lachend den Kopf. "Rechenschaft bin ich Dir ja eigentlich nicht schuldig", grinste er. Wenigstens zeigte es ihm, daß sie nicht fürchtete, wegen so etwas von ihm bestraft zu werden.


    "Nein, ich habe kein officium in der Stadt. Mein officium ist hier. Und nachdem ich mich nun mehrere Stunden durch das Erbrecht gearbeitet habe, brauchte ich einfach etwas frische Luft. Wofür haben wir schließlich den Garten?" Wenn sie wüßte, wie langweilig Gesetze und Verordnungen sein konnten, dann würde sie nicht hoffen, daß ihre Briefe ihn langweilen könnten.


    "Corvinus hat übrigens unsere Trainingsstunden genehmigt. Er möchte, daß wir morgens trainieren, während er seine Klienten empfängt. Und ich finde, wir sollten gleich morgen damit beginnen." Er freute sich schon darauf. Zum einen bewegte er sich einfach gerne, zum anderen würde es ihm die Möglichkeit geben, die Anmut dieser Frau zu genießen. Ganz abgesehen von den Berührungen... Das war jeden Schmerz und jeden blauen Fleck wert.

  • "Mein Stamm nicht nimmt Sklaven - wer wird gefangen in Krieg, wird freigelassen, wenn gemacht Verhandlungen," sagte Cadhla knapp, natürlich galt das nicht für Römer, die wurden getötet, denn sie sollten keineswegs fähig sein, über dass Gesehene zu berichten, wenn sie zu ihren Leuten zurückkehrten. Auch sie hatte geholfen, verwundete Römer zu töten, wie auch, sie in der Schlacht zu verwunden und zu töten, und sie bereute es nicht. Sie waren selten die Angreifer gewesen, und wenn, dann meist, um Mitglieder der Sippe zu befreien, falls es überhaupt möglich war, den übermächtig wirkenden Feind irgendwo zu verletzen, dass er es merkte.
    "Es jeder Stamm macht anders, und wir kümmern um Gefangene gut, es sein ehrlos, wenn lassen hungern oder haben Durst." Noch konnte sie ihn sich als ernsthaften Kämpfer nicht vorstellen, eher als jemanden, der hinter den Reihen stand und Befehle gab, selbst aber wenig bis nie eingriff. Wahrscheinlich würde es auch auf so etwas hinauslaufen bei ihm, die Aurelier waren eine wichtige Familie. Da begann man nicht als Kämpfer in der ersten Reihe.


    "Wir haben Gelegenheit, aber wir nie wissen sicher, dominus. Es sein wie Süssigkeit, die halten Kind vor Nase und sagen 'es könnte sein Deins' .. und dann essen selbst. Du denken, dass sein Leben voller Würde und Freude? Dann Du sein Träumer, und wenig wissen über Leben," meinte sie schließlich und schmunzelte etwas. Er würde es nie verstehen, wie man sich als Sklave fühlte, aber letztendlich war es wohl in der Natur der Sache, dass es eben genau so lief. "Es ist Leben ohne Zukunft, dominus, und nicht wissen, ob Eltern noch leben, oder Geschwister noch leben, es nicht macht besser. Man nicht kann planen, man immer ist abhängig. Ich manchmal wünschen, dass wäre gestorben in Kampf, denn dieses Leben ist nicht Leben für Kriegerin. Es Leben ist für Kriecher."


    Als er sagte, die Trainingsstunden seien genehmigt, wusste sie nicht, ob sie sich freuen sollte - einerseits konnte sie wieder kämpfen, und das war gut, andererseits kam die Erinnerung an den Kuss schnell zurück und das war ... nicht ganz so gut. So suchte sie nur seinen Blick und neigte den Kopf, dann anfügend: "Dann wir beginnen morgen mit Kampf?" Ihre grünen Augen brannten, verbargen aber recht gut, was sie fühlte.

  • "Ihr würdet einen gefangenen Römer freilassen?", fragte Ursus ungläubig. Das klang einfach zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Cadhlas Stamm war in dieser Beziehung dann wohl einzigartig auf der Welt.


    "Hungern und dursten, Cadhla? Wenn Du in diesem Haus hungerst und durstest, dann liegt das an Dir und nicht an uns." Wie kam sie nur darauf, daß sie bei den Römern, - also hier, - hungern und dursten mußte?


    "Nein, ein Sklavenleben ist sicher nicht erstrebenswert. Deine Würde wird hier sicherlich verletzt, gerade Deine als Kriegerin. Doch wenn Du es nicht schaffst, auch mal Freude zu empfinden, dann ist das wie mit Hungern und Dursten: Du hast die Möglichkeit. Wenn Du sie nicht ergreifst, bist Du selbst schuld. Und daß es keine Zukunft für Dich gibt, das stimmt nicht. Hör Dich um, Cadhla. Sprich mit denen, die schon lange hier sind. Es werden immer mal Sklaven freigelassen. Das kann es auch für Dich geben. Nur mußt Du für Dich entscheiden, auf was für eine Art Zukunft Du hinarbeiten willst." Irgendwie fand er, daß diese Hoffnungslosigkeit gar nicht zu ihr paßte.


    "Du bist doch eine Kämpfernatur. Warum kämpfst Du dann nicht um Deine Zukunft? Man kann doch auf verschiedenste Art kämpfen, Cadhla. Nicht nur mit Fäusten und Waffen. Doch jede Art des Kampfes, erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Soweit ich das beurteilen kann, besitzt Du beides in großem Maße. Was Dir fehlt, ist das Ziel. Du sagst, Du wärest besser gestorben. Ist das Dein Ziel, zu sterben, möglichst auf ehrenhafte Weise? Oder ist Dein Ziel, frei zu werden und nach Hause zurückzukehren? Oder ist Dein Ziel, frei zu werden und Dir hier in Rom eine Existenz aufzubauen? Als Leibwächterin für eine Dame vielleicht? Oder mit einer Schule für Kampfesfertigkeiten? - Oder ist Dein Ziel, hier im Haushalt eine Position zu erreichen, die sich mit Deiner Würde vereinbaren läßt? Solange Du das nicht weißt, solange wirst Du auch keine Zukunft haben."


    Sie glaubte, er sei ein Träumer. Ja, ein bißchen stimmte das sicherlich. Denn er hatte noch Träume. Und setzte sie sich als Ziel, auf das er hinarbeiten wollte. Manches würde er vielleicht nie erreichen. Aber wenn er es nicht versuchte, würde er es auf keinen Fall erreichen.


    "Wer kämpft, kann verlieren, Cadhla. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren. Das sollte doch etwas sein, was Du sehr gut kennst. Kämpfe um Deine Wünsche für die Zukunft, sobald Du weißt, was Du Dir eigentlich wünschst."


    Jetzt hatte er viel geredet und konnte nicht mal sicher sein, daß sie alles verstanden hatte. Warum er sich so um sie bemühte, verstand er selbst nicht so recht. Eigentlich konnte sie ihm doch völlig egal sein. Eine Sklavin. Eine Barbarin. Und doch... Diese Augen. Und ... ihre Lippen. Er brauchte nur daran zu denken, und seine eigenen Lippen prickelten wie neulich nach dem Kuß. Natürlich konnte er sich nehmen, was er sich wünschte. Aber... er wollte, daß sie es ihm freiwillig gab. Noch so ein Traum, um darauf hinzuarbeiten. Aber es lohnte sich, es zu versuchen.


    "Ja, morgen früh. Je eher wir anfangen, umso eher werde ich die schlimmste Zeit hinter mir haben", grinste er und sah dabei auf einmal recht lausbübisch aus. Ganz anders als eben noch während des "Vortrages".

  • "Nein, wir nicht nehmen Römer gefangen. Wir sie töten alle, wenn können," sagte Cadhla sachlich und ohne hörbare Betonung in den Worten. "Wir nur fangen Gegner, der kämpft ehrenhaft, und das Römer nicht tun. Es keine Gnade gibt für Römer, genauso wie ihr uns nicht geben Gnade in Kampf." Sie legte den Kopf schief und seufzte dann. Es war so schwierig, in dieser komplizierten Sprache das zu sagen, was sie ausdrücken wollte, und die meiste Zeit schien es schief zu gehen, wenn sie es versuchte. Latein schien einfach nicht genug Möglichkeiten zu besitzen, wirklich entscheidende Dinge auszudrücken, ohne viel umschreiben zu müssen. Es war eindeutig eine Sprache der Müßiggänger mit zuviel Zeit.
    "Wenn wir haben Gefangene, sie sind geehrter Gast. Verlieren Kampf gegen anderen Stamm auch ist Frage von Ehre - man gekämpft gut, man gekämpft stark, und überleben nach willen von Göttern. Deswegen leben, und verdienen gutes Essen und Freiheit, wenn gehandelt Tausch von Gefangenen. So es ist Brauch." Dass diese Tradition ganz anders war als eine Versklavung auf Lebenszeit, sollte doch wohl offensichtlich sein, aber wie sie Ursus inzwischen kennengelernt hatte, würde er auch daran etwas finden, soviel war sicher.


    "Warum auf Zukunft hin arbeiten, wenn einzige Zukunft die ich jemals wollen haben, ist zerbrochen? Ich gelebt viele Jahre lang zu werden das, was ich gewesen, als kämpfen letztes Mal gegen Dein Volk. Und das ist jetzt vorbei, Du selbst gesagt. Ich nicht weiss, was sollen tun. Wo ist Platz für mich in großer Stadt unter so vielen Menschen. Ich nicht weiss was soll tun, Aurelius Ursus. Für Dich leicht, es sein Dein Volk, und Du kennen alles, und alle Regeln. Ich nichts kennen, und sehen nicht Weg für mich. Ich gehört dass können kämpfen für Freiheit in Arena. Ich nie anderes gelernt als kämpfen, also das wohl bester Weg für Kriegerin," meinte sie schließlich, aber sie war sich sehr wohl darüber bewusst, wie lahm es klingen musste, wie wenig überzeugend. Sie hatte immer ein Ziel gehabt, eine Aufgabe, die ihr sinnvoll und wertvoll schien, und jetzt ... nun, jetzt war sie Leibsklavin eines Römers und wusste weder vor noch zurück.


    Und ob es jemals anders sein würde als jetzt. Es war leicht zu sagen, sie sollte kämpfen. Denn das einzige, wofür sie kämpfen konnte, ihre Freiheit, war etwas, das ihr nichts als den Tod bringen würde, und das musste er so gut wissen wie sie es selbst wusste.
    Sein Blick veränderte sich, wurde intensiver, und kurz schien es ihr, als hätten seine Lippen gezuckt. Diese Lippen, weiche, warme Lippen. Und dunkle, seelenvolle Augen. "Warum Du mich schauen so an?"

  • Ursus lachte. "Na, das ist ja mal ein vernichtendes Urteil. Alle Römer kämpfen also unehrenhaft? Na, ob Du da nicht etwas arg schnell urteilst? Gibt es nicht in jedem Volk solche und solche?" Es war anscheinend zwecklos. Sie warf den Römern vor, andere Völker rücksichtslos zu unterdrücken und keine andere Kultur zu respektieren, doch daß sie auf ihre Weise das gleiche tat, merkte sie gar nicht.


    "Siehst Du, genau das meine ich. Entweder Du gibst gleich auf und beendest Dein Leben, - was ich für eine echte Verschwendung halten würde. Oder Du versuchst, Deine Möglichkeiten kennenzulernen und Dir dann ein Ziel zu setzen. Für mich ist auch nicht alles leicht, auch wenn es so aussehen mag. Bei uns gibt es andere Hindernisse, als eine Übermacht von Feinden mit einem Schwert in der Hand, aber nicht weniger gefährlich oder schwierig zu gekämpfen." Solange sie ziellos war, würde sie auch keine Hoffnung schöpfen können. Und dann war jeder Freiheitswille sinnlos.


    "Du bist es wert, angesehen zu werden. Stört es Dich, wenn ich Dich ansehe?" Sie war schön, aber das wollte sie ja nicht hören.

  • "Ihr immer kommen in Überzahl. Ihr immer zerschießen Dorf mit großen ... Dingern ... und Stein und Feuer. Und ihr kämpfen gegen Kinder, gegen Frauen, die nicht tragen Waffe wie ich. Das nicht ist ehrenhaft! Krieg soll zeigen wer ist stärker, ja, aber nicht zerstören Stamm vollkommen. Sonst irgendwann kein Gegner mehr da, den man kann schlagen, und dann kämpfen gegen eigenes Volk." Die Lippen aufeinander pressend, blickte sie ihn fast böse an, die grünen Augen leuchteten vor mühsam unterdrücktem Zorn. Wie konnte er ihr vorwerfen, sie verallgemeinere, wenn sie es nie anders kennengelernt hatte? Ein Kind des Friedens würde die Schrecken des Krieges niemals verstehen.

    "Ich noch nicht sehen Weg zu gehen bei Römern, dominus, und ich nicht glauben, dass werden sehen bald. Ihr leben so viel anders als mein Volk, und sein so viel anders. Es alles fremd, und nichts ist, wie es soll sein." Ihr Blick schweifte von ihm weg, über den Garten, über den Himmel, die einzigen wirklich vertrauten Dinge in dieser falschen Welt, der falschen Stadt am falschen Ort. Selbst die Sterne waren anders in rom, und sie erkannte wenig des bekannten während der Nacht am Himmelszelt. "Ja," sagte sie schlicht. "Du aussiehst wie hungriges Kind, das will haben süßen Kuchen, wenn Du so schauen zu mir."

  • "Wer angreift, muß in der Überzahl sein, sonst kann er nicht siegen, da die Verteidiger, wenn sie geschickt sind, immer die stärkere Position haben. Wenn ihr auf ein anderes Heer zugeht und stellt fest, ihr seid mehr als die, schickt ihr dann die Überzähligen heim?" Wohl kaum. Aber langsam wurde Ursus neugierig auf das Land, aus dem Cadhla stammte. Es war wirklich staunenswert, was sie erzählte. Noch nie hatte er etwas vergleichbares gehört.


    "Ich weiß nur von ganz wenigen Gelegenheiten, wo die Legionen gegen Frauen und Kinder gekämpft haben. Und in den Berichten darüber ist das immer verurteilt worden. Wenn Du lesen kannst, werde ich Dir gerne diese Berichte geben, damit Du es selbst lesen kannst."


    Sie sah so wütend aus und klang dann doch so traurig. "Cadhla... Im Krieg geschehen auf allen Seiten schreckliche Dinge. Du sagst, ihr tötet auch alle Römer, die ihr erwischt. Das ist natürlich euer gutes Recht. Doch auch unter ihnen gibt es gute Menschen. Auch unter ihnen sind sicher welche, die eben keine Frau und kein Kind getötet haben, vielleicht sogar Frauen und Kindern die Flucht ermöglicht haben. Ist das nicht auch ein bißchen ungerecht, sie einfach zu töten? Du hast außergewöhnlich schlimme Dinge erlebt und hast sicher Grund, mein Volk zu hassen. Aber wenn Du einzelne Menschen kennenlernst, siehst Du dann nicht die Unterschiede? Gerne würde ich Dich mal mit in die Stadt nehmen, um Dir die verschiedenen Seiten zu zeigen. Die guten wie die schlechten. Und die dazwischen."


    Daß es schwer war, daran zweifelte Ursus ja gar nicht. Ganz sicher würde er ein vergleichbares Schicksal nicht erleiden wollen. "Ich glaube Dir, daß Dir alles fremd ist. Wenn Du also keinen Weg hier siehst, wie sieht es dann mit einer Rückkehr in die Heimat aus? Würdest Du das wirklich wollen?" Unmöglich war das nicht. Aber um die Freiheit zu erlangen, würde sie einiges an Geduld aufbringen müssen. Aber nach allem, was sie erzählt hatte... "Soll das Dein Ziel sein, Cadhla?"


    Als sie sagte, daß sein Blick ihr unangenehm war, wandte er schweren Herzens seinen Blick auf einen Busch. "Ich werde Dir nichts tun, Cadhla. Ich finde Dich begehrenswert, ja. Sehr sogar. Aber Du mußt nicht fürchten, daß ich... den Beischlaf von Dir erzwingen würde. Du magst eine Sklavin sein. Aber selbst wenn Du nicht das persönliche Eigentum von Corvinus wärest, sondern eine allgemeine Haussklavin... Selbst wenn Du meine persönliche Sklavin wärest... So etwas brauche ich nicht zu erzwingen, verstehst Du? Entweder eine Frau schenkt mir freiwillig ihre innigste Umarmung - oder es ist eben nichts damit. Für mich hat das etwas mit Freude zu tun. Auf beiden Seiten. Jemanden zu zwingen, würde alles zerstören."

  • "Größere Ehre liegt in Kampf den man gewinnen mít weniger Männer als hat Gegner," sagte sie leise und schloß für einen Moment die Augen. Je länger sie darüber sprachen, je länger sie die alten Bilder beschwor, desto schneller kehrten all jene Erinnerungen zurück, die sie in einem der hintersten Winkel ihres Kopfes verborgen gehalten hatte. Erinnerungen voller Blut, Tod und Verzweiflung, die sie manche Träne hatten vergießen lassen, wenn es niemand sah oder hörte. Der Krieg hatte auch Cadhla immer berührt, und noch mehr das Sterben, aber mit den Jahren hatte sie hart werden müssen, um weiterkämpfen zu können. Es ging nicht anders, in Zeiten der Not wurde jede Hand, jeder Mensch des Stamms gebraucht, der eine Waffe führen konnte, und sie hatte das Talent dazu gehabt, es effektiv zu tun.
    "Im Krieg Menschen sterben. Das sein natürlich. Jeder Mann, der wählt Weg des Krieges, wissen muss, dass er wird durch Waffe sterben, früher oder später, es sein Schicksal von Kämpfer, dass Tod kommt mit Waffe im Kampf. Das wir alle wissen, dominus. Frau mit Kind niemals hat gewählt diesen Weg und sterben trotzdem durch Waffe von Römer. Was du siehst wenn sehen mich? Sklavin? Kriegerin? Feindin? Du mich nie hast gesehen mit Blut überall, mit Wunden und in Kampf. Du nur sehen schwache Cadhla, nicht Kriegerin."


    Das klang jetzt ausgesprochen bitter, und sie war es auch. In Rom war sie nicht sie selbst, nur ein grauer Abklatsch der einstigen Schildmaid, etwas, von dem sie selbst nicht wusste, was sie war. Was sie jemals sein würde, werden konnte. Sie wusste es einfach nicht mehr. "Wenn ich könnte gehen nach Hause, ich würden tun. Sofort. Du glauben wirklich das ich gern hier? Es gibt einige Menschen, die hier freundlich. Du waren freundlich. Dominus war freundlich ... andere Sklaven waren freundlich. Aber hier nicht ist Heimat. Hier ich nur bin ... jemand den ich nicht kennen. Der nicht entscheiden darf wohin gehen." Ihre Augen schimmerten mit einem Mal, und sie starrte geradeaus, um seinem Blick nicht begegnen zu müssen. Es war so demütigend, überhaupt das Verlangen zu empfinden, weinen zu müssen. Sie durfte dem nicht nachgeben. Vor allem nicht vor ihm.


    "Was Du wollen nur ist Fleisch. Ist etwas, das können geben jede andere Frau auch. Es ist normal dass Mann will Frau und umgekehrt, aber ich finden ... es ist ... nicht richtig. Es überhaupt nichts ist richtig hier!" Sie biss sich heftig auf die Lippe, und während sie schon den metallischen Geschmack wahrnahm, glitt ein Tropfen Blut über ihre Lippen und formte eine dünne Linie bis hinunter zum Kinn. Es schmerzte, aber nicht so sehr wie ihr Inneres. "Was daran soll Freude sein ... tierisches Schnauben, schwitzende Körper, und man nie weiss was richtiges Gefühl!"

  • Ursus verkniff es sich, zum Thema Kampf noch etwas zu sagen. Ihm fehlte da die praktische Erfahrung, die hatte sie ihm nun einmal voraus. Wie ein Volk mit solchen Ansichten und Grundsätzen überleben konnte, war ihm schleierhaft. Wenn man stärker war als der andere, gab man diese Stärke doch nicht einfach so auf? Doch das war eh jetzt unwichtig.


    "Du bist nicht schwach, Cadhla. Nach Deinen Worten von neulich Nacht nahm ich an, daß eine Heimkehr für Dich nicht ohne weiteres möglich ist. Jetzt sagst Du, Du möchtest nach Hause. Gut. Ich glaube, dann hast Du jetzt ein Ziel. Um es zu erreichen, brauchst Du Geld, möglichst ein Pferd, - und vor allen Dingen die Freilassung. Der Weg zu all dem führt über guten, treuen Dienst in diesem Haus. Das wird natürlich lange dauern." Aber was so etwas anging, war Corvinus kein Unmensch. Er hatte schon Sklaven freigelassen. - Natürlich nach Jahren guten Dienstes.


    "Natürlich kannst Du auch versuchen zu fliehen. Aber die wenigsten Sklaven schaffen es, die meisten erleiden einen wahrhaft unwürdigen und schrecklichen Tod. Das Imperium ist sehr groß und der Weg in Deine Heimat sehr weit und überall wird Ausschau gehalten nach Entlaufenen. - Ich kann Dir nur raten: Mach Dich nicht unglücklich. Versuch es auf dem ehrlichen Weg. Am besten sprich mit Corvinus. Vielleicht nicht gleich. Aber wenn die Gelegenheit mal günstig ist. Er wird Dir sagen, ob eine Chance besteht und was er dafür erwartet."


    Was das andere betraf, so blickte er sie nun wieder an. In ihre grünen Augen, so unbeschreiblich... "Woher willst Du wissen, was ich will? Cadhla, es ist nicht das Fleisch. Nicht allein zumindest. Du denkst, es sei kein richtiges Gefühl? Aber genau das ist es. Wie durcheinander Deine Gefühle vorher gewesen sein mögen. Mit dem richtigen Partner... ist es die Vollendung der Freude und des Gefühls. Tierisches Schnauben? Schwitzende Körper? Ja, das auch. Aber das sind doch nur Randerscheinungen. Cadhla, ich respektiere es, wenn Du Jungfrau bleiben willst. Aber solltest Du diesen Schwur eines Tages doch aufgeben, solltest Du mit einem Mann, dem Du tiefe Gefühle entgegenbringst, auch die körperliche Vereinigung wagen, dann wirst Du wissen, was ich meine. Man kann es nicht so beschreiben, daß es jemand wirklich erfaßt, der es nie erlebt hat. Wenn alles paßt, dann... dann ist es die reinste, wahrste Freude." Er hob seine Hand und nahm mit seinem Finger ganz sanft den feinen Blutsfaden auf. "Tu Dir nicht auch noch selbst weh, Cadhla."

  • "Warum Du glauben ich würden nicht machen Flucht wie kluger Mensch, wie Krieger - nicht wie armseliges Kind, das folgen Gefühl? Ich Dir gesagt, dass Du nur gewinnen, wenn überraschen Gegner, und das können tun in vielem. Wenn wissen mehr über Römer, über Sprache, über alles. Es sicher gibt Sklaven die gehabt Erfolg mit Flucht, weil gewesen klug. Weil geplant sorgfältig, weil gehabt Geduld und Einsicht. Nicht jeder muss sein eilig, und werden deswegen gefangen," gab sie zu bedenken und kämpfte die Bilder zurück, so energisch sie konnte. Die Schreie, die Erinnerung an diesen letzten Kampf, bei dem alles in Flammen aufgegangen war, woran sie sich noch als Kind entsinnen konnte. Die Hütte von Cedwyn, dem freundlichen Schäfer, der ihr einst beigebracht hatte, wie man Schafe schor. Oder Magthanns kleines Gasthaus, bei dem es den süßesten Met von allen gegeben hatte - ein in Rauch und Asche aufgegangener Hort eines süßen, vertrauten Friedens. Alles war verloren und würde wahrscheinlich nie wieder aufgebaut werden. Wieder stiegen ihr die verfluchten Tränen in die Augen, brennend intensiv, schmerzhaft fast, denn sie hatte sie in den letzten Tagen so gut unterdrückt wie nur möglich, um stark zu bleiben. Würde sie einmal straucheln, wusste sie nicht, ob sie noch einmal aufstehen würde.


    Beider Blicke trafen sich und dieses Mal entkam sie den seinen nicht mehr, blieb daran hängen wie eine Fliege im zähen Honig, gefangen, innerlich zappelnd, und doch unfähig, sich zu befreien. Es klang so verlockend, was er beschrieb, so warm, so schön, so vollkommen. Nicht allein zu sein. Mit jemandem zusammen zu sein und dann wäre es nur noch Freude. Tiefe Gefühle. Reinste, wahrste Freude. Die Liebe ist für alle da, Cadhla.
    Seine Fingerkuppe berührte ihre Haut, so zart, so vorsichtig, so ... zärtlich. Und dann geschah es doch. Es war zuerst nur eine Träne, die sich einem Späher gleich ihre Wange entlang schlich, hinab glitt, lautlos, ohne ein Schluchzen oder einen sonstigen begleitenden Laut, dann kam die nächste, und der Blick ihrer grünen Augen blieb auf ihn gerichtet, unerbittlich, unfähig, sich jetzt noch in irgendeiner Form zu regen, und sie weinte, einem warmen Sommerregen gleich, salzige, dicke Tränen, und ohne einen Laut. Man konnte sich gut vorstellen, dass dies die Art war, wie sie immer weinte, schweigend, um ihren Schmerz niemanden sehen zu lassen ... und sie schwieg, mit seiner Hand an ihrer Wange, dem dünnen Blutfaden auf der Haut. Die Lippe war rot von ihrem Blut, seltsam grell zu den sonstigen zarteren Tänen ihrer hellen Haut, ein schreiender Kontrast.

  • Ursus schüttelte entschieden den Kopf. "Ich halte Dich nicht für dumm, Cadhla. Wenn Du versuchen würdest zu fliehen, würdest Du es gewiß auf schlaue Art und gut geplant tun. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, es zu schaffen, verschwindend gering. Du brauchst Wochen, um das Imperium überhaupt zu verlassen. Und in diesen Wochen wirst Du niemandem trauen können. Denn jeder hier hält Ausschau nach entlaufenen Sklaven. Es gibt Belohnungen, wenn man sie wiederbringt, verstehst Du?" Und da alle aurelischen Sklaven gekennzeichnet waren, - er ging ganz selbstverständlich davon aus, daß auch Cadhla solch ein Zeichen trug, - wußte jeder, daß die Belohnung nicht klein ausfallen würde.


    Als er den Blutstropfen sanft fortwischte, den Blick noch immer in den ihren versenkt, purzelten plötzlich Tränen über ihre Wangen. Sie weinte nicht, wie er es sonst kannte. Kein Schluchzen, überhaupt kein Ton war von ihr zu hören. Helle, warme Tränen aus offenen Augen, das grelle Blut auf ihrer Lippe in einem blassen Gesicht, die weiterhin stolze Haltung. An diesem Weinen war nichts jammervolles, umso bestürzender fand Ursus es. Umso mehr überforderte ihn diese Situation.


    Einen Moment lang stand er einfach nur regungslos da, seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte sie weder beschämen noch etwas erzwingen. Doch wollte er ihr auch zeigen, daß sie nicht so allein war, wie sie glaubte.


    Schließlich bewegte er sich, streichelte er mit seiner Hand ganz sanft die Tränen von ihrer Wange, dann trat er ein wenig näher und legte den anderen Arm um sie, drückte sie leicht an sich. Wenn es ihr unangenehm war und sie sich befreien wollte, konnte sie dies tun. Doch sie konnte auch einfach den Moment des Umarmt-, des Festgehaltenwerdens annehmen. Sich einen Augenblick des Kraftschöpfens erlauben und sich anlehnen. Ob sie verstand, daß er sie deswegen keinesfalls für schwach hielt? Sie war doch auch nur ein Mensch.

  • Ob er verstehen würde, wenn sie sagte, dass sie auch jetzt schon niemandem wirklich trauen konnte? Den anderen Sklavinnen vielleicht, aber keinem der Römer, von denen nur wenige Worte ihr Leben beenden konnten, ohne dass sie viel dagegen tun könnte. In einer solchen Lebensatmosphäre gedieh die zarte Pflanze Vertrauen nicht, da musste sie zwangsläufig verdorren und verrotten. Aber diesmal schwieg sie, denn im Grunde hatte sie alles gesagt, was sie sagen konnte. Erst, wenn er einmal dasselbe erlebt haben würde, was sie erlebt hatte, würde er verstehen können, wie es einem Sklaven erging, und das würde wohl niemals geschehen. Dafür war er in seiner Welt zu behütet, zu sicher, der Sohn einer hohen Familie, mit glänzenden Aussichten für seine Zukunft. Irgendwann würde er wohl über seine Versuche, mit einer Sklavin über Freiheit zu diskutieren, lachen. Auch dieser Gedanke schmerzte seltsam intensiv, auch wenn sie es sich nicht erklären konnte, wieso. Er durfte für ihr Leben nicht wichtig werden, denn sie wusste insgeheim sehr wohl, dass sie es für das seine nicht war - eine unter vielen. Eine Sklavin. Wäre sie wirklich irgendwann geflohen, würde man sich eine neue Sklavin kaufen.


    Als er sie an sich zog, nicht fordernd, mehr freundlich, fast liebevoll und zärtlich, pochte ihr das Blut in den Wangen, diese freundliche Geste war angesichts ihrer Gedanken von eben beschämend. Aber auch beschämend dadurch, dass sie schwach geworden war und dies auch noch gezeigt hatte - sie hörte die Stimmen in ihrem Inneren streiten, die sie Römerhure schimpften, die sie schwach und dumm nannten, die Stimmen ihrer lange erlernten Kriegertradition, die sich dagegen wandten, dass sie einem Römer zugestand, sie zu berühren, dass er sie zu trösten versuchen durfte.
    Und doch, es gab noch eine andere Stimme in ihrem Inneren, eine neue Stimme, die zuerst zu leise gewesen war, dass sie selbst sie hören konnte. Diese Stimme war anders als die anderen, zu jung, um von jenen ernst genommen zu werden, und doch unerwartet stark: Wäre er kein Römer, dürfte er mich dann trösten? Ihre Arme legten sich um den sehnigen Leib Ursus' und Cadhlas Kopf sank an den seinen, während sie sich anlehnte, nur leicht, aber doch fühlbar, stumm weinend, denn diese Stimme der Trauer durfte niemals zu laut werden, geschweige denn hörbar erklingen. Dass es jedoch starke Gefühle waren, die in ihrem Inneren tobten, ließ sich am Griff ihrer Finger ermessen, die ihn hielten, als müsste er im Augenblick die ganze Welt tragen.

  • Sie war nur eine Sklavin. Eine unter vielen. Wenn sie nicht mehr da war, würde eine andere sie problemlos ersetzen. Das zumindest sprach sein Verstand, in dem all das die Oberhand zu behalten versuchte, was er in seinem bisherigen Leben gelernt hatte.


    Doch warum fühlte er sich dann so sehr davon geehrt, daß sie sich tatsächlich von ihm trösten ließ? Daß sie seine Umarmung nicht nur zuließ, sondern sogar erwiderte? Er hielt sie fest, ganz fest. Und es war irgendwie anders als neulich Nacht, wo er schlicht von ihrer Anmut und ihrem schönen, kraftvollen Körper angezogen worden war. Wo er ihr einen Kuß gestohlen hatte, weil er sie begehrt hatte.


    Das hier war kein Begehren. Es war der Wunsch, ihr Kraft und Trost zu spenden. Und er freute sich mehr, als er es je für möglich gehalten hätte, daß sie sich an ihn anlehnte, daß sie sich kraftvoll an ihn klammerte.


    Er wußte, daß es falsch war. Er wußte, er durfte eine Sklavin nicht so an sich heranlassen. Und doch... er konnte es nicht ändern, sie berührte ihn, wie er noch nie zuvor berührt worden war - tief in seiner Seele. Und so hielt er sie weiterhin schweigend fest, gab ihr einfach Halt und Geborgenheit, solange sie es zuließ und solange sie es brauchte.

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