Eine Stadt voller Leben!

  • Es war ein milder Vormittag, es wehte ein leichter Wind und dieser Tag war einer der wenigen Tage in Rom, welcher durch die meist glühenden Strahlen der hochstehenden Sonne den Aufenthalt eines jeden Bürgers auf dem Forum Romanum einmal nicht erschwerte.


    An diesem besagten Tag ging Gnaeus Iulius Cincinnatus seit langem mal wieder durch das Forum Romanum, durch die Straßen schländernd und den vielen Stimmen der Menschenmasse lauschend. Nicht nur aufgrund seiner eher schlichten Kleidung, sondern auch durch die Vielzahl an Menschen schien er kaum aufzufallen.
    An der einen Seite der Straße fürhten Senatoren von der Curia Iulia kommend lautstarke Debatten über politische Angelegenheiten, an der anderen Seite der Straße eine kleine Gruppe von Sklaven, die alle eine kleine Wachstafel um den Hals gehängt hatten. Auf diesen Tafeln war der Besitzer eingetragen, doch jene waren zu weit von Gnaeus entfernt, dass er sie mit dem bloßen Auge erkennen, ja lesen könnte. Vermutlich tätigten sie einige Aufgaben.


    Gnaeus lief ohne ein wirkliches Ziel weiter zum Arcus Septimii Severi (Triumphbogen des Septimius Severus). Er kannte ja auch niemanden, um sich hier mit jemandem zu treffen. Doch es tat ihm gut, mal wieder unter Menschen zu kommen. Er beobachtete die große Anzahl an Menschen, die alle meist sehr beschäftigt schienen. Was passieren würde, war ihm zu dem Zeitpunkt noch unklar...

  • Ich hatte mich verspätet. Es würde höllischen Ärger geben, da verstand er keinen Spaß. Es ist schon höchste Zeit, die Sonne steht am Himmel und ich komme nicht richtig vorwärts. Überall irgendwelche gaffenden Ausländer, die sich von Stadtrömern irgendwelche Mythen oder Fakten über die Gebäude erzählen lassen, wie groß, wer, wann, wer da ermordet undsoweiter. Überall Gedränge, und ich komme nicht vorwärts. Das gibt Ärger, Luca, ich kann es schon spüren. Wer zu lange wartet und trödelt, den ...


    Na, hallo, magst Du aufpassen? Es ist Bürozeit, nicht Schlafenszeit!


    Wirklich ärgerlich. Muß ich da einen anrempeln, was steht der auch so verträumt herum! Ein einzelner Besucher, eine seltene Spezie. Vielleicht ... stop.


    Nene, tschullige, war nicht so gemeint. Ich hab's halt ein bisserl eilig. Zweites Frühstück wartet, Du verstehst?


    Bin ich nicht vor wenigen Wochen auch so durch die Gassen und über die Fora geschlender? Und jetzt als scriba personalis des IIIvir capitalis mache ich plötzlich so einen Aufstand, nur weil ich Hunger habe? Hunger! Das Stichwort: mein Magen macht Ärger, wenn er nicht gleich etwas zu tun bekommt.

  • Gnaeus wurde unerwartet von hinten angerempelt. Anfangs blickte er orientierungslos um sich, um den Urheber des Impluses zu erfassen. Die ertönende Stimme eines jugendlichen Römers diente ihm als Ortungshilfe. Er drehte sich umsichtig um.


    "Oh, Verzeihung.", sagte er.


    Es war nicht seine Absicht, den nachrückenden Verkehr am Weiterlaufen zu hindern. Er trat bei Seite, um den Fremden vorbei zu lassen. Doch nachdem dieser sich für sein Verhalten entschuldigte, schien sich ein Gespräch anzubahnen.


    "Die meisten Menschen hier auf dem Forum haben es eilig. Doch nur wenige erkennen ihre Eile, nachdem sie einen unachsamen Menschen wie mich an die Seite drängen.", sagte er lächelnd.

  • Jaklar, entweder man spritzt zur Seite oder endet als Kolateralschaden. :D


    Ich mustere den Mann, so alt ist der noch nicht, meine ich. Unbestimmt, aber sicher aus besserem Haus, das nicht in der Subura steht.


    Was machst Du hier, arbeitest Du in der Nähe? Du siehst eher wie "zu Besuch" aus, die meisten rennen ja zielgerade herum, schlendern tun nur Besucher oder Neurömer. So wie ich bis vor kurzem einer war. Laß' ma' wieder locker angehen, Arbeit erledigt sich auch, wenn man sie nur lange genug herumliegen läßt. Hunger aber nicht, ...

  • Das Wort "Besucher" traf seinen Zustand besonders gut, obwohl er ja hier geboren war. Er kannte die Stadt gut, doch die Zeit veränderte seine Heimat rasch.


    "Ich bin sowohl Römer, als auch Besucher, würde ich fast sagen."


    Cincinnatus nahm ein die gerunzelte Stirn des jungen Mannes wahr,
    doch diese Reaktion empfand er keineswegs als unerwartet. Denn mit
    dieser Aussage, die Cincinnatus dem Lucanus gab, hatte er sich vor einigen Tagen selbst definiert.


    "Ich bin hier in Roma geboren, doch bin vor wenigen Tagen aus
    Griechenland gekommen. Dort habe ich Rhetorica und Philosophia
    studiert, über 3 Jahre lang. Und nun, wo ich wieder hier bin... Es hat
    sich so viel verändert.


    Er lächelte Lucanus mit einem erstaunten Gesichtsausdruck an.

  • Tempora mutant et nos mutamur in illis, klugscheißere ich ein wenig. Eine so platte Plattitüde, daß man sie unter einer geschlossenen Tür durchschieben kann.


    Auch ich bin Römer von Geburt, auch wenn ich erst seit wenigen Wochen in Rom bin und vorher nie die Stadt gesehen habe. Stadtrömer vielleicht nicht, aber Römer, ein Römer aus Hispanien. Cnaeus Flavius Lucanus, zu Diensten. Ich lache und mache eine Kavaliersverbeugung wie bei Hofe - oder jedenfalls eine, wie ich sie mir unter den eleganten Höflingen im Palast vorstellen kann.


    Leider habe ich eher eine "erwirb-sie-dir-selbst"-Bildung, bei mir daheim hatte meine Mutter die einzige Bibliothek im Ort, läßt man das Archiv mit dem Provinzdekreten, die alle Jahre mal eintrudelten, beiseite. Aber das wird noch, hoffe ich jedenfalls ... :)

  • Cincinnatus nickte zustimmend bei seiner Rezitation und verstand
    durchaus wie dies aufzugreifen ist. Zwar sehen viele solche Aussagen als Klugscheißerei, doch womöglich war Cincinnatus eine solche
    Ausdrucksweise gewohnt und fand in ihr einen großen Gefallen. Vor allem aus dem Grund, dass aus diesem Satz eine langwiedrige
    Philosophie Diskussion entstehen, mit der man sich seine Zeit
    vertreiben könnte. Doch dies war ein anderes Thema.


    "Ich war noch nie in Hispania. Doch gelesen habe ich schon einiges.
    Ich würde sehr gerne mal dorthin reisen, um mich über die Feldzüge
    des Pompeius zu informieren.


    Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um über Philosophia oder
    Historia zu sprechen. Nicht, wenn man gerade neue Bekanntschaften
    machte, die man keineswegs vertreiben mag.


    "Aus welchem Grund bist du nun aus Hispania hier her nach Roma
    gekommen?"

  • Ich nahm eigentlich an, daß sich mein Gegenüber auch vorstellt, aber bitte. Kommt noch - oder nicht. Jedenfalls knurrt mein Magen bedrohlich und ich muß bald wieder ins Büro zurück. Oder sollte ich mir einen Stellvertreter zulegen? Einen Posten eines "`scriba scribae personalis" ausschreiben? Wäre so, als würde Bridhe jemanden engagiert, der Bridhe anstelle von Bridhe ist ... jaja, das Joch des negotiums.


    Zum Lernen und Arbeiten bin ich nach Rom gekommen, wenn Du wüßtest, was bei mir im Dorfe es alles an keinen Möglichkeiten gibt ... ich hätte nur Fischer oder kein Fischer werden können. Wenig varietas. Über die genauen Hintergründe gehe nicht mal ich einfach so zu Fremden auf dem Forum hausieren ...


    Nun, ich bin leider ziemlich beschäftigt, muß bald wieder ins Geschäft. Ich meine, wenn Du magst, kannst Du mich gerne besuchen oder ich schau' mal bei Dir vorbei?

  • Sehr erfreut nahm er den Vorschlag zur Kenntnis. Cincinnatus machte seine schlichte Toga zurecht, um sich von seinem novus amicus zu verabschieden.


    "Gerne. Ich heiße Gnaeus Iulius Cincinnatus. Wenn du mich besuchen kommen möchtest, solltest du mal bei den Iuliern vorbei schauen. Arbeit habe ich zur Zeit nämlich noch keine. Mein Hauptnegotium ist das Pflegen der Casa.


    Er wartete ein verständiges Nicken ab. Dann fuhr er fort.


    "Ich würde mich freuen, wenn du mich mal besuchen kommen würdest."

  • Freut mich, Iulius Cincinnatus, Dein Name erinnert an zwei Große unserer Geschichte - wie auch der meine, hehehe. Cnaeus Pompeius Magnus und Lucius Quinctius Cincinnatus. Ich bin in Verbundenheit mit eben dem großen Pompeius nach ihm benannt worden, auch wenn er in der Ecke, in der ich aufgewachsen bin, keine Spuren hinterlassen hat. Aber ein Abkömmlinge seiner Klientel finden sich nach wie vor in ganz Hispania.


    Ich reiche ihm die Hand.


    Nun, damit bist Du der zweite Iulier, den ich in Rom kennenlerne. Einen Deiner Verwandten - Iulius Labeo - habe ich das letzte Mal kurz vor seiner Musterung zur Flotte gesehen. Netter Kerl, sehr pflichtbewußt. :)


    Und trinkfest, aber das ist eine andere Geschichte. :D


    Vielleicht machen wir da 'was an den Saturnalien zusammen? Und wenn Dir fad ist oder die Hauspflege zu viel wird, schau' in der Schola Atheniensis vorbei, die freuen sich sicherlich immer über kompetente Mithilfe.

  • Die Schola Atheniensis schwebte ihm schon lange im Kopf. Eine Stelle dort zu bekommen erträumte er sich seit einer Ewigkeit. Das letzte Mal als er sie von innen gesehen hatte, war kurz vor der Übersee fahrt nach Griechenland. Wie sie heute - 3 Jahre nach seiner Abreise - aussehen mag, konnte er nur erahnen.


    "Es würde mich sehr erfreuen die Saturnalien mit dir zu feiern, Lucanus! Ich war lange nicht mehr mit Freunden weg."


    Abgesehen von den Studentenkollegen in Griechenland. Doch dies ist nicht vergleichbar mit den Riten in Roma.


    "Doch ich befürchte, dass es ziemlich schwer sein wird, als auxilium von der Schola angenommen zu werden", sagte er die Stirn runzelnd.

  • Ich kratze mich im Nacken und zupfe hinten ein wenig an meinen kurzgeschnittenen Haaren. Früher konnte ich mir meine Nackenhaare um den Finger wickeln, die Frisur unseres Imperators, militärisches "Topf-drauf-und-Rumschneiden" finde ich etwas unpraktisch, aber als Impterator hat man wahrscheinlich viel Zeit zum Haarewaschen, -trocknen und das täglich. Und das doofe Hänseln so nach dem Motto "Gell, Mädi?" dürfte auch flachfallen.


    Nicht fürchten, Iulius Cincinnatus, fragen! Auch Dein Namensvetter hat keine Zeit verloren und die Diktatur übernommen - und sich dann erfolgreich geschlagen. Der Rector der Schola, Aelius Callidus, ist ein netter Kerl, sieht man davon ab, daß er sich für Liebesgedichte interessiert. Ich ziehe einen kleinen Flunsch. Aber in Sprachkunde ist er klasse. Geh einfach mal hin ...Und vor allem, wie lange wir durchhalten. :D

  • Das Forum war immer noch voll von Menschen und Cincinnatus war überzeugt, dass sicher der Platz niemals leeren würde. Jedenfalls schien es ihm einfach unvorstellbar. Als er so eine Weile plauderte, war die Sonne doch nun um einiges weiter in den Zenit gerückt und brachte nun auch Cincinnatus zum schwitzen.


    Ein merkwürdiges Geräusch unterbrach seinen Gedankengang.


    "Ich möchte dich auch nicht weiter aufhalten, Lucanus. Noch einen weiteren Moment und du könntest mit deinem Magen das komplette Forum unterhalten."


    Er lächelte ihn an und nahm eine Art Abschiedshaltung ein.


    "Ich würde mich freuen, wenn du einmal in der Casa Iulia vorbeischauen würdest. Dort bin ich zur Zeit sehr häufig anzufinden."

  • Ich seufze, "Mein Magen hat nicht viel zu sagen: entweder 'zu leer' oder 'zu voll' - ein wenig einsilbig, gerade angesichts der großen Rhetoren-Tradition hier in der Nähe der Rostra."


    "Nun gut, wir sehen uns bei den Saturnalien, ich melde mich alsbald. Und grüß' mit Iulius Labeo, falls Du ihn triffst. Viel Glück und alles Gute!"

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