Edessa - Das Praetorium der Prima

  • Tiberius Vitamalacus hatte im provisorischen Lager vor Edessa nicht einfach so das alte Praetorium des Decimus Livianus beziehen wollen, so unmittelbar ncah dessen verschwinden. Stattdessen hatte er seine altbekannte Unterkunft zu seinem Hauptquartier gemacht, zumindest für die wenigen Tage, die sie noch in Edessa sein würden.


    Und so sass er hinter seinem Tisch, in der Mitte der drei Zelte, über ihm flatterte das Sonnendach leicht im Abendwind, die Sonne war schon vor einiger Zeit untergegangen, doch erst jetzt wurde der Wachstafelberg vor ihm langsam übersichtlich.


    "Centurio Flavius und Legionarius Decimus sollen sich bei mir melden," befahl er nebenbei einem der Scriba, diesem eine Wachstafel reichend und sich gleich die nächste nehmend.

  • Unruhig stampfte das Pferd mit dem Huf auf dem sandigen Grund. Das Fell erzitterte als eine dicke Fliege über das Roß hinweg glitt und sich auf dem braun glänzenden Behaarung des Tieres nieder zu lassen, um mit dem schmarotzenden Rüssel in die Haut zu stechen, das warme Blut aufzusaugen und es in sich einzuverleiben. Marcus hielt die Hufe des Pferdes in der Hand und schabte vorsichtig den Dreck heraus, um zu dem zu kommen, was seinem Pferd seit dem Marsch auf Edessa immer wieder Schmerzen bereitete. „Ve'flu'tes Pa'th'la'd!“, murmelte Marcus halblaut und zwischen seinen zusammen gepressten Zähne hervor als sich das Roß ihm entziehen und sogar nach ihm beißen wollte. Marcus gab dem Pferd einen kräftigen Klaps auf die Seite und griff erneut nach der Hufe, die stampfend wieder auf dem Boden gelandet war. Die Schritte hinter sich bemerkte Marcus nicht, er war noch durch geschwitzt vom Tage, eigentlich völlig erschöpft und die Verletzungen von der Schlacht machten Marcus sehr zu schaffen. Er hoffte, daß die nächste Schlacht, das nächste Gefecht noch lange auf sich warten ließ und er erst seine diversen Wunden ausheilen konnte. Auch der Halsreif, den er erhalten hatte, machten ihn nicht gesünder oder weniger erschlagen. Aber das Pferd würde ihn die nächsten Tage tragen müßen, darum kümmerte sich Marcus lieber selber darum. Ein Stein, ein kleiner Stein, der sich in den sensiblen Teil hinein gebohrt hatte und dort bestimmt seit Tagen schwärte...


    centurio?“
    Marcus sah auf und erkannte einen der grauen und unscheinbaren Schreiber von der Verwaltung.
    „Ja?“
    Der Schreiber sah etwas irritiert auf Marcus Erscheinung. Eine alte rote Tunika, durch geschwitzt und überall Verbände.
    „Der Legat möchte Dich sprechen. Ebenso den Soldaten Decimus! Im praetorium!“
    Marcus sah ihn verdutzt an. Im praetorium?
    „Ah. Sofort?“
    Der Schreiber nickte.
    Schwer seufzte Marcus. Er hatte eigentlich besseres zu tun.
    „Wir kommen gleich. Du kannst weg treten!“
    Marcus wandte sich an den Sklaven um.
    „Lege mir eine frische Tunika heraus, ebenso meine Rüstung. Sie verbirgt die Verbände. Dann rufe den Soldaten Decimus Serapio zu meinem Zelt.“
    Der Sklave nickte eifrig und eilte davon, um die Aufträge zu vollführen. Froh, dem Pferd entkommen zu sein, daß auch stets nach ihm biß. Marcus kümmerte sich noch um den Stein, reinigte die Wunde des Pferdes und strich dem unruhigen Tier über die Mähne, ehe er es einem anderen Sklaven überließ und sich zu seinem Zelt aufmachte und sich dort umzog. Danach trat er heraus und sah sich vor dem Zelt um.

  • Ich war schwermütig und verzagt seit der Hiobsbotschaft vom Verschwinden meines Onkels. Was sollte ich bloss nach Hause schreiben? Ich wusste ja selbst nicht was passiert war. Und meine Wange schmerzte auch arg, seitdem mir ein Capsarius heute ruppig die Fäden gezogen hatte. Ständig wollte ich hinfassen, aber ich durfte ja nicht, und es raubte mir den letzten Nerv, dieses ständige Pochen und Ziehen mitten im Gesicht.
    Gegen Abend war es, dass ein Sklave des Centurio vor unserem Zelt aufkreuzte und mich zu ihm rief. Ich zog meine Tunika zurecht, band das Focale ordentlich und folgte dem Mann mit schleppenden Schritten. Der Centurio stand vor seinem Zelt. Ich salutierte und meldete mich, nicht gerade überschäumend vor Elan, mit dem originellen Sprüchlein:
    "Centurio. Miles Decimus Serapio meldet sich wie befohlen."
    Der Braune neben seinem Zelt, der gerade stampfte und sich widerborstig gebärdete, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein schönes Tier, das fiel mir nicht zum ersten Mal auf, und ich meinte hispanisches Blut in ihm zu erkennen. Die breite Brust, die wohlbemuskelte Kruppe, und vor allem diese stolzierende, erhabene Art die Hufe zu setzen - ja, die Iberer das sind einfach die Schönsten. Und die Zähesten. (Vielleicht nicht immer die Allerschnellsten.) Auf jeden Fall aber die Stolzesten!

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  • Schon während Marcus mühselig sich die Rüstung übergestreift hatte, dachte er darüber nach, warum er und ausgerechnet der Decimer zum neuen Legat -ganz abfinden konnte sich Marcus damit noch nicht, schließlich fühlte er sich Decimus Livianus in erster Linie in der Treue verpflichtet und für Marcus war dieser immer noch der Legat! - gerufen worden waren. Immer noch tat er das, als er aus dem Zelt getreten war und Serapio entdeckt hatte. Die Rüstung schmerzte an seiner Schulter und drückte auf die frisch zu genähte Wunde dort, die immer mal wieder ein Pochen durch seinen Körper sandte. Marcus fühlte sich immer noch hunde elend und sah auch blass im Gesicht aus, dennoch hielt er sich gerade und gab die herabgesackte Haltung vom Inneren seines Zeltes auf als er einiger Blicke Gewahr wurde.


    "Miles!",
    Marcus nickte mit unbewegter Miene.
    "Folge mir!"


    'Es wird sicherlich etwas harmloses sein!'
    Marcus kramte gerade beim Gehen in seinem unauffälligen Beutel, in dem er Houma mit Opium gemischt verstaut hatte und was ihm gegen die latenten Schmerzen half. Verdutzt sah Marcus zu Serapio zurück, doch es war nicht die Stimme des Decimers, die Marcus an seinem Ohr raunen hörte.
    'Er will ihn sicher beseitigen lassen. Den letzten Decimer in der Legion! Dann ist er alle lästigen Zeugen los.'
    'Womöglich eine Belobigung. Hör nicht auf ihn, er redet immer nur schlecht!'
    'Das kann doch kein Zufall sein. Gerade ist der Legat ominös verschwunden und jetzt wird der Neffe zu dem Mann gerufen, der am Meisten von Livianus Verschwinden profitiert?'


    Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen. Ja, das war nicht von der Hand zu weisen. Aber die sanfte Stimme - wo auch immer sie, verflixt noch mal, auch her kam! - flüsterte weiter beruhigend auf Marcus ein. Derart marschierte Marcus direkt auf das ihm altbekannte praetorium zu. Doch kein Mensch stand davor und hielt Wache, auch nicht die unnatürlich großen Männer des Tribun - in Gedanken von Marcus nannte er Vitamalacus nicht anders. Er deutete Serapio einen Moment zu warten und sah sich suchend nach einem Soldaten um, den er gleich anhielt.


    "Wo ist der Tri...Legat?"
    "Im neuen praetorium. Das hier will er wohl nicht nutzen!"
    "Ah!"


    Marcus wandte sich um, nickte Serapio gutmütigen Ausdruckes zu und marschierte weiter, von praetorium primum zum praetorium secundum. Dort standen tatsächlich einig der ominösen Leibwächter des Tiberiers, Marcus nickte ihnen andeutungsweise zu.


    "centurio Flavius wurde zum Trib...legatus gerufen."

  • Titus
    --------------------------------


    Neben den beiden Posten, die am Zugang des Zeltes standen, war Titus ebenfalls am Zelteingang anwesend.


    "Der Legatus erwartet euch schon !"


    Er nickte den beiden Wachen zu und diese machten den Eingang frei.

  • Ein bitterer Geschmack machte sich auf Marcus Gaumen breit, was bestimmt von den Kräutern her rührte und er am Liebsten mit einem Schluck Wein herunter gespült hätte. Stumm wartete Marcus und betrachtete das Treiben vor den Zelten, die Soldaten, die den neuen Legaten bewachten und dann den anderen Riesen, der auf sie zu trat.
    'Vielleicht züchtet er die irgendwo! Diese Riesen scheinen wie aus dem Boden zu sprießen.'
    Marcus achtete nicht auf die gehässige Stimme an seinem Ohr, am Liebsten hätte er mit der Hand danach gewedelt, denn solche Boshaftigkeiten waren ihm zuwider. Ebenso stumm wie eben, nickte Marcus Titus zu, den er von Germania noch kannte und ihn schon damals nicht sonderlich schätzt, was wohl daran lag, daß er stets im Windschatten von Vitamalacus zu sehen war.
    Marcus wandte sich einen Herzschlag zu Serapio und dachte darüber nach, den Jungen erst Mal draußen warten zu laßen. Doch er nickte ihm nur zu, Marcus zu folgen. Dann trat Marcus an den beiden Soldaten vorbei und ins Innere des Zeltes, duckte sich unter der Zeltplane hindurch, richtete sich auf und spähte in das Innere. Drei Schritte, dann stand er Vitamalacus gegenüber. Mehr mechanisch als mit dem Herzen berührte Marcus mit der Faust das Eisen über seiner linken Brust und grüßte den Tiberier.


    Ave...“
    Es kostete Marcus eine große Überwindung, mehr kühl kam das nächste Wort hervor.
    „...legatus!“
    Marcus Nasenflügel blähten sich einen Herzschlag lang auf und er betete zu allen Göttern, daß der Tiberier nicht etwas ansprach, was Marcus letzte Selbstkontrolle hin weg wischte und ihn zu Dummheiten verleitete.

  • Ohne einen blassen Schimmer worum es ging, folgte ich meinem Centurio durch das Lager. Als er dann das Praetorium ansteuerte, stieg allerdings eine Vermutung in mir auf... Warum sollte er mich zu dem Nachfolger meines Onkels mitnehmen, wenn nicht weil es Neuigkeiten von seinem Verbleib gab! Gute oder schlechte... Ob der Centurio schon was wusste? Ich suchte in seinem Gesicht nach einer Regung, vermochte dort aber nur Abgespanntheit zu lesen. Er schien sich, trotz seiner Verwundungen, mit grimmiger Entschlossenheit aufrecht zu halten. Und mit Hilfe eines Beutels, in den er immer wieder griff.
    Auch die Gesichter der Wächter vor der Unterkunft des neuen Legaten verrieten mir nichts, und schon gar nicht die tumbe Visage des Bucco - dieses Schwachkopfes, der in Edessa auf mich losgegangen war - der wohl so eine Art Mädchen für alles und heute der Türhüter war.
    Er machte uns den Weg frei. Eine Art Schicksalsergebenheit erfüllte mich, als ich im Kielwasser meines Centurios in das Zelt trat. Selbst schlimme Nachrichten waren doch besser als die grosse Ungewißheit. Ich stand stramm, grüsste "Ave Legatus", salutierte und harrte angespannt der Dinge die da kamen.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Tiberius Vitamalacus blieb hinter seinem Tisch sitzen, als beide Männer eintraten. Vor ihm lagen unzählige Schriftrollen, alle mit Inhalten die mehr oder weniger mit der Legion zu tun hatten und den Vorgängen während des Feldzuges. Es verging eine Weile, bis er eine Wachstafel beiseite legte und aufsah.


    "Meine Herren !"


    Kühl und emotionslos betrachtete er beide Männer, zunächst den Centurio, den er seit den Tagen seiner Grundausbildung kannte und der in seinen Augen doch ein brauchbarer Soldat war. Der Decimer neben ihm war ihn heute bei der Ordensverleihung erstmals aufgefallen und das nicht besonders positiv. Daher hatte er, während er auf beide Männer wartetet, dessen Personalakte gelesen.


    "Legionarius Decimus ! Warum habe ich dich kommen lassen ?" fragte er unvermittelt.

  • Ganz trocken waren Marcus Lippen, er wünschte sich sehnlichst einen Schluck Wein, nein, eine ganze Flut davon, aber zu dieser Stunde und im praetorium schien es nicht angemeßen zu sein, nach Wein zu fragen, oder? Marcus behielt seine Haltung und dachte einige Herzschläge lang über diese Problematik nach und er hatte auch genügend Zeit, denn der Legat schien noch anderweitig beschäftigt zu sein. Marcus unterdrückte das Verlangen bei all dem Warten mit der Fußspitze im Sand zu malen, nein, keine Lücke und Schwäche offenbaren, dieses Mal behielt er – wie schon gesagt! - Haltung. Oh! Oh! Das war aber schwer, er hatte das Gefühl, etwas stieg ihm in den Kopf, ganz als ob er betrunken wäre, dabei hatte er kaum einen Tropfen Wein am Tage getrunken, nur, als er die letzte Portion Haoma zu sich genommen hatte. Immer noch stand Marcus gerade, fast schon wie eine Salzsäule – man könnte es auch als unerschütterliche Ruhe interpretieren! Huh? Was war denn das? Die Zeltwand öffnete sich, eine Tür erschien dort, wo eben noch keine war. Gänzlich aus goldenem Licht! Marcus Pupillen weiteten sich marginal. Eine einzelne Hand, ein Schatten, griff durch die Tür und fiel auf das Haupte des Legaten, ein Vorbote des Eindringlings. Ein kleiner Mann, rundlich – wenn nicht sogar eher dicklich – unansehnlich von der Gestalt und in einen grauen Umhang gehült, trippelte zu dem Tisch von Vitamalacus und stellte dort eine schwere Tasche ab. Marcus Mund öffnete sich marginal, nicht wirklich auffällig, während er stumm in die Richtung von Vitamalacus sah. Der dicke Gnom griff in die Tasche und zog ein seltsames Instrumentarium hervor, aus Metall und mit einer gedrehten Spitze vorne. Der bizarr zackige Schatten davon zeichnete sich auf der Zeltwand ab, in den Augen des Gnoms funkelte es diabolisch, zudem ein wenig unzufrieden.


    „Schau her, centurio! Ich offenbare Dir die Wahrheit. Schau nur gut zu!“


    Dann lenkte er das spitze Ding auf Vitamalacus zu. Marcus – selbst wenn er da einigen Argwohn gegen den neuen Legat hegte, würde er doch nicht zu laßen, daß ein Mitrömer von einem ominösen Gnom angegriffen wurde, gar einem parthischen Daimon? - wollte sich nach vorne stürzen und dem Gnom das Werkzeug entreißen; aber Marcus war unfähig sich zu rühren, etwas hielt ihn umfangen, paralysiert. Er vermochte nur drei Mal zu blinzeln. Auch sein Mund konnte sich nicht öffnen und so sah man Marcus keine Regung an, kein Zeichen von seinen Erkenntnissen. Er wirkte sogar recht normal. Der Gnom hielt das Instrumentarium an das Ohr von Vitamalacus, während dieser den Kopf hob und sie musterte - seine Augen lagen in tiefen Höhlen - seinen Mund öffnete, aber nur seltsame Worte von sich gab, die Marcus nicht verstand. Bei den Göttern, etwas stimmte eindeutig hier nicht!


    "Meine Herrn, ein Blumentheater findet statt ! Nehmt euch die Masken, denn morgen ist saturnalia !"
    „Sieh her, centurio. Ganz genau!“


    Der Schatten des Instrumentariums bohrte sich in Marcus, er hatte das Gefühl ein Stich ging durch seinen Körper und mit Entsetzen sah Marcus, wie die Gestalt, deren düstere Silhoutte immer wieder im Zelt auf und ab tanzte, anfing an Vitamalacus zu schrauben. Doch mehr als ein weiteres Blinzeln konnte Marcus als Reaktion nicht offenbaren. Haoma, Marcus hatte eindeutig zu tief in seinen Beutel gegriffen!

  • Es musste eine Taktik sein, die von Legat zu Legat weitergegeben wurde - die Soldaten erst gebieterisch herbei zu zitieren, und wenn sie dann da waren, sich erst mal noch den Unterlagen zu widmen, seelenruhig, als ob sie gar nicht da wären. Mein Onkel hatte das ganz genauso gemacht. Ob es eine Strategie zur Verunsicherung war? Oder zur Demonstration wie bedeutungslos die Soldaten gegenüber ihrem Befehlshaber waren? Aber eigentlich hatte man das als Legat doch gar nicht nötig. Vielleicht lag es einfach daran, dass man in dieser Position so viel Schreibtischarbeit hatte. Wenn ich mir da diese Gebirge von Schriftrollen anschaute...
    Mit solcherlei Gedanken vertrieb ich mir die Zeit, während ich wartete, dass der Legat unser Erscheinen zur Kenntnis nahm. Es erübrigt sich wohl zu sagen, dass ich wie auf glühenden Kohlen stand. Als er dann schliesslich sprach, beantwortete das aber keineswegs die Frage, die ich mir schon die ganze Zeit stellte. Nein, statt dessen stellte nun er mir eben genau jene Frage. Das beruhigte mich allerdings insofern ein bisschen, als es ganz und gar nicht wie der Auftakt zur Verkündung einer schlechten Nachricht klang. Verwundert blickte ich ihn an - diese eisigen Züge waren so unheimlich, fast als trüge der Mann stets eine Maske vor dem Gesicht, eine eisig-eiserne Maske - dann richtete ich die Augen starr nach vorne, und achtete auch darauf, weiterhin ganz gerade und stramm zu stehen, als ich, mit etwas fragendem Unterton, antwortete:
    "Ich nehme an, es ist etwas wegen meinem Onkel, Legatus."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Er legte die Schriftrolle in seiner Hand beiseite, darin stand der Bericht des Ausbilders des Decimers. Und es war kein Bericht, der wirklich erfreulich war, der alte Saufeius Simplex hatte nicht mit Kritik gespart, doch es war nicht der erste Bericht, den der Legat von Saufeius Simplex gelesen hatte und keiner war jemals wirklich positiv gewesen.


    Nicht nur in diesem Fall zog es Tiberius Vitamalacus vor, sich selbst ein Bild von dem Mann zu machen. Sein Blick musterte den jungen Decimer, einem Mann, der aus einer Familie stammte, die zahlreiche gute Soldaten zu stande gebracht hatte, was eine Eigenschaft war, die in seinen Augen hoch anzurechnen war und eine Familie ungeachtet ihres Stammbaums adelte.


    Doch das Verhalten dieses Decimers,...


    Der Blick des Tiberiers war so kalt und durchdringend wie immer, keine Regung zeigte sich auf seinem Gesicht.


    "Legionarius ! Wenn es um deinen Onkel ginge, würde ich dich dann zusammen mit deinem Centurio rufen lassen ? Wenn es um deinen Onkel ginge,.. würde ich dich überhaupt rufen lassen ?"


    Die Fragen waren rein rhetorisch, die Stimme war kühl und durchdringend wie immer.


    "Der Mann, von dem du sprichst, ist nicht dein Onkel, nicht mehr seit dem tu deinen Eid geleistet hast ! Er ist unser Legatus ! Und du bist ein Legionär der Prima,... und ein Legionär der Prima weint nicht, wenn er seinem Imperator gegenüber steht !"

  • Wie eine Woge eisigen Wasser brandeten die Worte des Tiberiers über mich hinweg, schnarrend und frostig, und wuschen mir ordentlich den Kopf. Im ersten Moment fühlte ich mich wirklich am Boden zerstört, ich biss mir zerknirscht auf die Unterlippe und grämte mich, wie ich das ja oft tue: Faustus, Du bist ja so ein Weichling, Faustus, Du packst das alles nicht... und so weiter und so fort.
    Aber dann spürte ich, wie etwas in mir aufloderte - das war mein iberisches Temperament - und ich statt dessen wirklich wütend wurde. Meine Schultern spannten sich an und wurden ganz hart, meine Lippen schmal, und meine Augen funkelten zornig. Das war ja so unfair was der Mann da sagte! Natürlich war Livianus noch immer mein Onkel, auch wenn er mein Legat war - vielleicht vor allem anderen mein Legat war - aber trotzdem! Eine Sonderbehandlung hatte ich ganz gewiss nie gewollt, und auch nie bekommen. Aber Familie bleibt Familie!
    Was denkt der Mann, etwa dass man die Verwandten im Rekrutierungsbüro abgibt wenn man Soldat wird?! Und die Gefühle gleich dazu?!
    Ausserdem hatte ich gar nicht vor dem Kaiser geweint! Zuvor schon, aber als ich vortreten musste hatte ich es mir verbissen - gerade so, das geb ich ja zu, aber doch erfolgreich verbissen. Ich wusste es besser, als dem Tiberier da zu widersprechen - mit Widersprechen hatte ich ja ganz schlechte Erfahrungen gemacht, in der Armee. Egal ob einer behauptet, Deine Familie würde Kirschen klauen, sich im Schiff zu irren wäre Fahnenflucht, oder Du hättest vor dem Imperator ein Meer von Tränen geheult - zu Widersprechen rächt sich leider immer.


    Trotzdem konnte ich das nicht wortlos hinnehmen, diese vernichtende Tirade. Ich hatte wie alle anderen in der Schlacht mein Leben für den Kaiser riskiert, ich hatte gerade erst das ungeheuer verlockende Angebot der Prätorianer ausgeschlagen, und dabei sogar dem stets finsteren Tiberier ein kurzes Aufblitzen von Stolz in den Augen entlockt. Decimus Serapio, mögest du deinen Dienst in der Prima weiter mit Ehre und Ruhm versehen, hatte er selbst zu mir gesagt, oder jedenfalls so ähnlich. Ja, ich hatte doch wirklich gezeigt dass ich ein Legionär der Prima war und "Treue, Ehre, Mut" auch für mich inzwischen keine leeren Worte mehr waren! Das gab mir Auftrieb und Selbstbewusstsein.
    Ich atmete erstmal tief durch, dann erklärte ich feurig und unerschrocken:
    "Legat Tiberius. Ich verdanke dem Legaten Decimus Livianus von früher her sehr viel! Er hat für mich gesorgt, früher, nachdem mein Vater gefallen war. - Die Nachricht vom plötzlichen Verschwinden des Legaten und von seinem ungewissen Schicksal hat mich natürlich erschüttert. Ich bedaure es, wenn ich in jenem Augenblick nicht das makellose Bild geboten habe, das Du von einem Legionär der Prima erwartest. Aber ich schäme mich nicht meiner Bestürzung und meiner Sorge in dem Moment, als ich hörte, dass dieser grosse Mann entweder tot ist, oder in der Hand des Feindes!"

  • Eine schwarze Hand glitt über den Schreibtisch, der Schattenschemen des Gnoms, der immer noch mit seinem Werk beschäftigt war. Es war kein Schwanken, es waren keine Turbulenzen, die Marcus umfangen hielten, kein beduseltes Betrunken- sein, denn auf eine gewiße - und für ihn sehr unerklärliche - Weise fühlte sich Marcus so klar wie nie zuvor, als ob er einen Moment verspürte, wo ihm die Schöpfung, die Götter selber, die Wahrheit der Welt und des Lebens selber offenbarte, das Entsetzen schwand einen Augenblick lang und machte Platz für ein Interesse, was er denn in dem Augenblick erfahren konnte. Ein Metallkeil fiel hinab, polternd, scheppernd, die Silhouette zog sich bis zu Marcus Fußspitze. Der dicke, kleine Mann zog eine Metallplatte von dem Torso des Vitamalacus und legte sie vorsichtig zur Seite.


    "Sieh her, centurio. Das Werk eines Griechen oder Hebräers, eines Kabalaistendingsbums! De veritate et mandacio!"


    Mit einer flackernden Lampe leuchtete der kleine Mann in die Lücke hinein. Kleine metallene Zahnrädchen drehten sich dort, eine eiserne Kette bewegte sich hoch und runter, dabei ein bleiernes Gewicht, dort, wo das Herz sein sollte, hin und her bewegend. Es ächzte, stöhnte, klapperte, klimperte, dröhnte, polterte und klackte aus dem Inneren von Vitamalacus.


    "Ein Anthropoid, centurio, ein Anthropoid!"
    "Der Kaiser will tanzen, die Prima soll lachen ! Dein Onkel fährt den Streitwagen des Himmels !
    Er ist nicht der Legat !
    Ein Legionär der Prima weint nicht !
    Nicht vor dem Kaiser !
    Es sei denn, er trägt eine rote Stola !"


    Irritation, Grauen und Verwirrung breiteten sich in Marcus aus, seine Augenbrauen zogen sich zusammen, denn das mit der Stola, das erschien ihm nicht ganz einleuchtend, im Gegensatz zu dem Streitwagen des Himmels, ja, das würde Aristides dem alten Legaten - Livianus - durchaus zu trauen. Ein Soldat weint nicht vor dem Kaiser? Wer hat das denn getan? Er, Aristides? Oder Serapio? Oder gar Vitamalacus selber? Nein, ein Anthropoid ist wohl nicht zu soetwas in der Lage, er hat ja noch nicht mal ein Herz, Marcus konnte das Bleigewicht eindeutig sehen, daß an der Stelle eines menschlichen Herzens sich rührte. Blei, kalt, eisern, Metall, nun wunderte Marcus die fehlenden Gemütsregungen von Vitamalacus nicht mehr. Ein Erinnerungsfetzen von Alexandria trieb vorbei, hatte er da nicht auf einem Gelage einen Hebräer getroffen, der ihm begeistert von den Möglichkeiten der Neuschöpfung erzählt hat? Marcus war zu jener Stunde schon sehr betrunken gewesen und hatte nur mit halbem Ohr zugehört, was er jetzt bereute!


    "Ich schäme mich nicht meiner Bestürzung!"


    Aha, Serapio war also gemeint, aber hatte er geweint? Marcus konnte sich daran nicht entsinnen. Womöglich bemängelte Vitamalacus doch eher die rote Stola, die Serapio nicht getragen hatte. Marcus war eindeutig verwirrt, ob der ganzen Angelegenheit. Doch, es war wohl wegen dem Weinen, welchem Tränenfluß auch immer. Marcus Stirn bekam zwei Falten als sich seine Augenbrauen einen Herzschlag lang nach oben bewegten. Hat er uns zu sich zitiert, wegen der Sache vor dem Kaiser? Wegen der Frage von Serapio bezüglich des Legaten? Tatsache!


    'Sieh Dir an, wie gekniggt der Junge jetzt ist. Dabei hat er doch nichts verbrochen!'
    Marcus sah einen flüchtigen Augenblick zu Serapio. Tatsache! Die Stimme - woher sie auch kam - hatte Recht.
    'Dabei hat sich der Junge wirklich gut gemacht. Sogar eine Karriere bei den Prätorianern hat er ausgeschlagen! Aber ein wenig Bestürzung scheint dem Legatus viel mehr aufzufallen, statt die Courage des jungen Mannes.'
    'Nein, Marcus, höre nicht darauf. Womöglich will er ihn später noch belobigen und das ist nur ein Vorgeplänkel! So schnell wird er das mit den Prätorianern gewiß nicht vergeßen haben.'
    'Von wegen! Dabei war das doch gerade mal vorgestern...oder gestern?'


    Marcus schluckte und hatte den Impuls, die Stimmen mit einer Handbewegung zu verscheuchen, aber immer noch sah er gebannt auf den Gnom, der weitere Teile an Vitamalacus abschraubte. Marcus holte tief Luft und dachte einen Augenglick lang nach, ja, warum hatte Vitamalacus auch Marcus zu sich gerufen?


    'Weil er Dich mit in den Abgrund ziehen will. Er will Dich genauso wie Serapio in die Pfanne hauen.'
    'Nein, er will wohl nicht, daß der Serapio sich alleine fühlt!'
    'Von wegen! Er hat was gegen die Flavier, ganz gewiß!'


    Marcus holte Luft, seine Nasenflügel erzitterten und er beachtete die Stimmen- die sich im Hintergrund anfingen, heftig zu streiten - nicht mehr länger, auch den Blick vom Gnom wandte Marcus ab und sah Vitamalacus direkt an.


    "Die Prima ist unsere Familie, Legat. War das nicht so? Der Kaiser unser Vater, wir seine loyalen und treuen Söhne, die ihm bis in den Tod hinein folgen. Welcher Vater würde einem Sohne nicht die Bestürzung über einen Onkel verzeihen, es ihm nachsehen und sogar es verstehen..."


    ...bis auf ein Vater wie Vitamalacus wohl, aber welcher Anthropoid konnte schon Kinder bekommen? Wahrscheinlich verstand Vitamalacus das einfach nicht, selbst wenn er noch vor dem Prätorianer anderes behauptet hatte.


    "Dieser junge Soldat hier hat sich in kürzester Weise bravourös in der Prima gemacht, er dient tapfer, aufrecht und wacker in meiner Einheit. Er hat dem Tode ins Gesicht geschaut, unerschrocken, und hat wichtige Siege mit errungen. Zudem hat er seine Loyalität bewiesen, wie es wohl wenige Soldaten der Prima derart aufrecht gezeigt hätten, als er das Angebot der Prätorianer ausgeschlagen hat. Ich bin sehr stolz darauf, diesen Mann in meiner Einheit zu wißen, die Auszeichnung, die ihm der Kaiser verliehen hat, hat Decimus Serapio voll und ganz verdient. Sollte er auch noch die Loyalität zu seiner Familie beweisen, dem Legaten der Prima, dann ehrt ihn das nur umso mehr."


    Es war seltsam, wie kalt und unberührt Marcus Stimme klang, als ob es nicht seine Stimme war, aber Marcus spürte, wie sich sein Mund bewegte, wie die Stimmbänder die Worte formulierten und sie aus seiner Kehle kamen.

  • Die folgenden Beiträge sind inspiriert von dem Meisterwerk: Metropolis.



    Ein langjähriger Disput ist unter den Geistes- und Literaturwissenschaftlern ausgebrochen, bezüglich der Handlung dieses Stückes 'Edessa- das praetorium der Prima'. Leider sind einige Rollen in den Wirren des alexandrinischen Museionbrandes verloren gegangen, manche der Schriften konnten auch nicht von den persischen Schriftgelehrten zu Beginn des Mittelalters kopiert werden und viele verirrten sich niemals in die Bibliotheken der großen Stadt Byzanz. Darum laßen sich einige der Passagen nur noch erahnen. Manche Vermutungen gehen in Richtung folgender Handlung, die mit schwarzen Tafeln dem aufmerksamen Leser präsentiert werden sollen. Danach steigen wir wieder in die Handlung ein. Die Autoren jenes Stückes können jedoch nicht für Authentizität gewähren, etwaige Drohbriefe und Beschwerden werden wir von der Sekretärin zwar angenommen, aber nicht an die scribae weiter gereicht, die ihre ganze Kapazität für unsere Produktionen brauchen.





    Und nun weiter in der Handlung!

  • Livid in der Farbe strahlte der Mond vom Himmel, klar umrissen in Formen und Rundungen, blass und kalt beleuchtete der Schein die hunderte Zelte, die sich dicht an dicht reihten. Lange kantige Schatten vermischten sich mit der Lichtlosigkeit, die der dunkle Hauch der Nacht mit sich brachte. Das schrille Lachen des kleinen, dicklichen Wesen hallte in Marcus Ohren nach, der nächtliche Wind, kühl und klar, trocknete die wenigen Schweißtropfen, die auf seine Stirn getreten waren. Zwischen seinen Lippen drang der schnelle Atem und seine Augen wandten sich noch ein Mal dem Zelt des praetorium zu. Ein Anthropoid! Marcus konnte es immer noch nicht faßen. Aber ganz offensichtlich hatten sich die ominösen Stimmen, die ihn immer mal wieder besuchten, seitdem er das Kraut des Medicus zu sich nahm, eine bereits vorgefasste Meinung von dem, was gerade in dem Zelt geschehen war. Von all den Enthüllungen, die ihm der dicke Gnom gemacht hatte als er Metallplatte für Metallplatte von dem Anthropoidenlegaten abgeschraubt hatte und das metallene Gewicht, das an Stelle des Herzens in dem Anthropoiden sich bewegte, offenbarte.


    'Siehst Du! Das erklärt alles! Alles!'
    'Hör nicht darauf, Marcus! Das ist der Lug eines Daimon!'
    'Die Hellenen! Sie wollen die Römer unterwandern! Und hier machen sie ihren Anfang! Darum ist Livianus verschwunden! So soll die Zukunft der Prima aussehen!'


    Schwere Schritte ertönten, das Klacken von benagelten Sohlen über steinigen Grund: 'Hoh!, Hoh!, Hoh!' erklang in ihrer Nähe. Ein Trupp von Soldaten kam um die Ecke gebogen, in die Richtung des intervallum strebten die Männer. Grau waren ihre Uniformen in der Nacht. Ihre Gesichter erschienen monoton und konturenlos. Ihre Mienen waren triste, ihre Bewegungen gleichförmig. Im gleichen Schritt marschierten sie an ihm vorbei. Gleich, gleichförmig, angepaßt, Marcus starrte ihnen hinter her und blinzelte noch einige Male. Immer verzerrter schien ihm die Wirklichkeit, umrahmt von dem Hauch des Surrealismus, den er nicht einzuschätzen vermochte.


    'Da, siehst Du es! Der Anfang ist getan. Bei Serapio will er es fortsetzen!'


    Marcus nickte stumm und sah sich weiter im Lager um. Rums! Rums! Rums! Ein Soldat schleppte Fäßer, die er mit einem lauten Rums auf einen Wagen lud. Immer wieder und wieder, stoisch, emotionslos, in der gleichen unsinnigen Bewegung. Dadadadamdadadadamdadadam! Mechanisch polterte es durch das Lager, einem eisernen Herzen nicht ungleich und es kam aus der Mitte des Legionslagers. Dadadadadamdadadadadam! Klack! Klack! Klack! Schablonenhaft eilten Männer vorbei. Sie liefen die Lagergaße hoch und runter, trugen Kisten und Werkzeuge. Ein gedrungener Mann schlug unaufhörlich mit einer Axt auf einen Holzklotz ein und warf immer wieder einen ängstlichen Blick zu der Mitte des Lagers. Schweiß stand auf der Stirn des Mannes, doch er hämmerte und klopfte und schlug. Die Erschöpfung ließ ihn wanken.


    'So sieht die Zukunft der Prima aus. Des ganzen Imperiums, wenn die Anthropoidenmeister gewinnen werden!'


    Erschüttert starrte Marcus auf die Szenerie und wandte marginal den Kopf zu Serapio.


    „Mach Dir nichts daraus, miles!“
    Etwas fahl klangen die Worte in Marcus Ohren.
    „Du hast nichts Falsches getan, Junge.“
    Zumindest befand das Marcus. Erst jetzt konnte er die Augen von dem Mann lösen, der wankte und zu Boden brach.
    „Gehen wir!“


    Räder wirbelten durch die Luft, metallische Konstruktionen, die Marcus in dem Leib des Anthrophoiden gesehen hatte. Dadadadamdadadadam! Immer lauter wurde das Pochen an seinen Ohren.
    „Ein Anthropoid!“
    , irritiert blinzelte Marcus und sah über seine Schulter zurück.

  • Wäre ich doch zu den Praetorianern gegangen! Hätte ich das Angebot doch bloss nicht ausgeschlagen! Wäre ich doch jetzt Gardist des Kaisers, anstatt Soldat unter diesem sonderbaren neuen Legaten! Da will der mir doch tatsächlich weismachen mein Onkel wäre nicht mein Onkel!! - so rasten mir die Gedanken im Kopf herum, als ich endlich wegtreten durfte, und das Zelt verliess.
    Hellauf empört war ich, und natürlich ganz aufgeregt davon, dass ich mich als einfacher Soldat vor dem Legaten so hatte behaupten müssen. Meine Hände waren fest zusammengeballt. Ich entkrampfte sie, verschränkte die Arme PrimusPilus-artig hinter dem Rücken und sagte mir Ruhig Blut, ruhig But...
    Es war schon dunkel und der Mond warf sein blasses Licht über das Lager. Schwarze Schlagschatten wechselten scharfumrandet mit bläulich beschienen Flecken. Eine Abteilung von Soldaten zog vorbei - es war wohl gerade Wachablösung auf dem Vallum - ihre Caligae stampften dumpf auf dem Boden, ihre Gesichter sahen im Mondlicht wachsbleich aus.
    Ich atmete tief durch, und sah dankbar zu meinem Centurio der mich so vehement in Schutz genommen hatte. Zwar verstand ich nicht so recht, warum der Tiberier ihm mit zu sich bestellt hatte, denn es war ja nur um mich gegangen, aber ich war wirklich heilfroh dass ich da drinnen nicht alleine gewesen war. Und auch für seine kurzen aufmunternden Worte war ich ihm dankbar - aber natürlich machte ich mir was draus, war ja klar. So ganz da schien der Centurio aber nicht zu sein. Sein Blick hatte etwas glasiges, unbestimmtes, das mir durchaus bekannt vorkam. Wie ich ihn doch um diesen Beutel beneidete, in den er so oft hineingriff! Ich selbst hatte natürlich schon längst verbraucht was ich mir aus dem Valetudinarium stibitzt hatte, dabei wäre es gerade jetzt so schön gewesen, einfach mal alles hinter sich zu lassen...
    "Äh..." - was hatte er da gerade gesagt?
    "Wie bitte, Centurio?", erkundigte ich mich verwirrt.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Wolken zogen sich über das dunkle Firmament und verschluckten alle Sterne und den Mond, der immer nur einige Herzschläge lang durch das Gewölk hervor blitzte. Doch selbst der Schein des Mondes konnte nicht Marcus Gedanken klären. Es erschauerte immer wieder, wenn er an das zurück dachte, was er eben noch in dem Zelt gesehen hatte. Doch es war nicht zu leugnen, selbst als mit jedem Schritt das praetorium immer weiter in die Ferne zu rücken schien und der Gnom schon lange nicht mehr zu sehen war. Mitten in der Lagergaße blieb Marcus stehen und wandte sich zu Serapio um, als dieser seine letzten Worte offensichtlich nicht verstand. Er blinzelte einige Male und wirkte ganz blaß im Lichte Lunas.


    „Du hast es doch auch gesehen, Decimus, hm?“
    Wie konnte es auch anders sein?
    „Er ist ein Anthropoid...“
    Flackernd waren die Augen von Marcus. Fiebrig wirkte er, doch von den Schmerzen seiner Verletzungen spürte Marcus wenig, dank seiner Kräuter.
    „Der Legat! Er ist ein...Anthropoid!“
    , wiederholte Marcus eindringlich. Ein anderes Wort kannte er für so ein Ding nicht.
    „Ein hellenisches Konstriktutum oder so!“
    Marcus hob die Hand und fuhr sich über seinen Nacken, etwas konfus. Er schüttelte den Kopf.
    „Ich glaube...“
    , begann Marcus unheilvoll und starrte die Lagerstraße zurück. Dorthin, wo sie gerade das Zelt verlaßen hatten.
    „...die Prima wird unterwandert. Von gefühllosen und unmenschlichen....Dingern!“


    Wem war das Ganze nützlich? Warum taten die Hellenen das? Oder waren es doch mehr die Hebräer? Etwa am Ende die Parther? Erst das Verschwinden von Livianus, dann diese Maschine, die nun ihr Heer anführte. Marcus war ratlos und fühlte sich heillos überfordert. Mit erschütterter Miene und völlig ernsthaft – nein, es breitete sich kein spöttisches Lächeln in seinem Gesicht aus! - sah Marcus zu Serapio. Plop! Plop! Dadadadadamdadadadadam!
    'Der Gnom wird es ihm vielleicht nicht gezeigt haben!'
    'Wenn er es nicht gesehen hat, dann war es auch nicht echt!'
    'Nicht echt? Du hast es mit eigenen Augen gesehen! Pah, von wegen nicht echt!'


    Dem konnte Marcus nicht widersprechen, stumm nickte er. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen, Metallteil für Metallteil, seltsame Räder nach spleenigen Konstrukten. Gebannt sah Marcus den einzigen Zeugen dieser Szenerie an. Schließlich mußten sie doch etwas tun, den Kaiser warnen, die Götter anrufen. Was auch immer!

  • "Es gesehen? Ein... An-thro-poid??", wiederholte ich völlig perplex. Wollte der Centurio mich auf den Arm nehmen? Oder meinte er das metaphorisch? Ja, es war ein Bild welches die Kälte die der Tiberier ausstrahlte, schon gut beschrieb, jedoch...... Als ich meine Aufmerksamkeit mal von mir abwandte, und den fiebrigen, bestürzten Blick des Centurios sah, da schwante mir, dass er es mitnichten im übertragenen Sinne gemeint hatte. Oh, oh, der hatte wohl viel zu tief in den Beutel gegriffen.
    "Ähm. Centurio. Nein. Der Legat ist kein Anthropoid...", meinte ich irritiert, doch dann besann ich mich, dass man jemandem in diesem Zustand lieber nicht widersprechen sollte. (Überhaupt, Militär und widersprechen...)
    "Oder jedenfalls habe ich nichts in der Art gesehen", fügte ich deshalb sanft hinzu, mit ruhiger Stimme um ihn nichts aufzuregen. "Und ich kann mir auch gar nicht vorstellen dass jemand so ausgereifte Konstrukte erfinden könnte, nicht einmal die hellenischen Gelehrten. Ich meine, einen Singvogel kann man nachbauen, oder einen mechanischen Löwen der brüllt und mit dem Schweif peitscht, aber einen Menschen der herumläuft und spricht, das dauert doch sicher noch tausend Jahre bis so etwas möglich ist.... - Aber Centurio, mir scheint Du hast ein wenig Fieber - dürfte ich vielleicht vorschlagen dass wir noch kurz im Valetudinarium vorbeischauen? Ich denke bei solchen Verletzungen ist mit Fieber nicht zu spassen. Ich muss meinerseits sowieso dorthin, weil der Medicus noch einen Blick auf meine Wange werfen wollte."
    Bona Dea, hoffentlich waren es nur die Kräuter die er immer futterte und nichts ernstes! Hoffentlich wurde er nicht wirklich wahnsinnig! (Wobei... ich kannte da Leute, die hatten sich mit so harmlosen Pflänzchen, Mandragora, Pilzen und so weiter, gerade mal eben so den Verstand weggepfiffen, weil sie sich nicht auskannten, oder es einfach übertrieben.) Ein nervöses Lächeln verzog meine Mundwinkel, während ich eine fragende Bewegung Richtung Lazarett machte.

  • Marcus war es gleichzeitig warm, hitzig, fiebrig, aber auch kalt und frostig, als sie in der Dunkelheit in der Gaße standen und der kühle Nachtwind an ihnen vor bei strich, wie ein listiger Dieb, der sich in die Zelte stahl, die Soldaten frieren ließ und eilends wieder aus dem Lager verschwand, ohne daß man ihm habhaft werden konnte. Verwirrt sah Marcus in das Gesicht des Decimers und versuchte den Sinn hinter den Worten zu erlauschen, die manchmal Sinn machten, an anderer Stelle wiederum Marcus nur sehr verwirrten.
    'Siehst Du? Ich habe es doch gleich gesagt!'
    'Humbug, der Junge hat es nur nicht gesehen, weil er nicht auserwählt ist!'
    Beide Stimmen begannen, sich heftig zu streiten. Marcus hob die Hand und hielt ein Ohr zu, doch es half nicht. Resigniert seufzte er und nickte nachgiebig.


    „Ja, das...“
    Was wollte Marcus gerade noch sagen? Er blinzelte in die Dunkelheit und dachte angestrengt nach. Das war gar nicht so einfach bei dem Tohuwabohu an Stimmen um ihn herum.
    „...Lazarett...genau! Geh schon mal vor, Decimus! Ich sehe nur mal noch nach...!“
    Wonach? Marcus, der sich gerade auf dem Absatz umdrehen wollte, blieb stehen. Ihm war ganz schummrig zumute.
    „Ich glaube...“
    , begann Marcus und ging dann doch in Richtung des valetudinarium.
    „...die Hellenen können bestimmt so etwas bauen. Die sind ganz gewitzt...ganz sicher. Warst Du schon am Museion? Dort wirst Du so etwas bestimmt auch sehen. Jawohl!“


    Zielstrebig und ohne eine Antwort abzuwarten, schlug Marcus sich in eine andere Lagergaße. Wenn er Tage später an jenen Abend zurück dachte und alles, was in dem Zelt vonstatten gegangen ist, so legte sich ein dämpfender Schleier über all jene horae, auch, was sonst noch in dieser Nacht paßiert war. Und vielleicht war das auch besser so und man vergaß ganz schnell überhaupt jenen Abend, insbesondere, daß sie in das Zelt zitiert wurden.

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