Dunkle Zeiten | Teil I: Eine schmutzige Gasse unter vielen


  • Einen Vorteil hatten Menschen: Letztendlich waren und blieben sie berechenbar. Ein heilloser Säufer würde stets versuchen, vor seinen Problemen zu entfliehen, indem er dem übermäßigen Genuss von Alkohol fröhnte. Ein schwacher Mensch würde oft genug vor einer Schwierigkeit davonlaufen, wenn er keine offensichtliche Lösung dafür entdecken konnte. Ein stolzer Mensch wurde allzu oft von seinem übermäßigen Stolz auf die eigene Person zu Fall gebracht werden. Man musste nur Geduld haben, abwarten, nichts überstürzen, und erhielt zumeist dann sehr schnell, was man haben wollte, wenn man den richtigen Moment nur abpasste.
    Geduld war eine seltene Tugend in den Tagen des größten Reichtums einer Stadt, die den Krieg lange von sich hatte fernhalten können - aber so mancher Mensch besaß sie. Dinge waren gesammelt worden, festgehalten, Informationen gedreht und gewendet, um zu erkennen, welchen Wert sie besaßen. Und schließlich war eine Entscheidung gefällt worden - eine folgenschwere Entscheidung, deren Tragweite ein recht schmutziger, magerer Kerl, der in einer nicht minder schmutzigen Gasse wartend herumstand, nicht ermessen konnte. Überhaupt war diesem mageren Kerl im Grunde ziemlich egal, was in jenem versiegelten Papyrus stand, den er überbringen sollte. Hauptsache, er bekam die dafür versprochenen fünfzig Sesterzen, mit denen er sich eine Nacht mit Iulla leisten konnte.


    Iulla! Allein der Name versprach schon einen Himmel, der mit seiner sonstigen Existenz nicht viel gemein hatte. Sie war zwar eine lupa, aber eine der besseren, und ihr rundes, weiches Gesäß ließ ihm schon beim Gedanken daran das Blut in die Lenden schießen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann konnte er sie wieder nehmen, wie sie es gern hatte, von hinten, und ihrem satten Keuchen hören, wenn er sie über den Gipfel getrieben hatte. Seit er sie kennengelernt hatte, hatte es nur noch Iulla für ihn gegeben, aber sie machte es nicht umsonst, sonst hätte ihr Besitzer sie geschlagen.
    Also versuchte er, das Geld für sie aufzutreiben, und jetzt hatte er zwei Wochen Pech gehabt - da war ihm der etwas zwielichtige Kerl gerade recht gekommen, der für einen einfachen Botendienst so viel zahlen wollte.


    Alles, was er tun musste, um das Geld zu bekommen, war warten - in einer schattigen Ecke dieser nach Urin, angegammeltem Kohl und Fäkalien stinkenden Gasse. Eine Gasse in der Subura, die allerdings als Ziel eine derjenigen Spelunken Roms hatte, in der ein kräftiger Mann allerlei lukrative Aufträge bekommen konnte. Auf einen ganz bestimmten Mann wartete er schon seit zwei Stunden, hatte zwischendrin die Wand angepinkelt und diesen verdammten Sklaven - denn auf einen solchen wartete er - nicht nur einmal verflucht, dass der sich nicht beeilen konnte. Als er wieder Schritte hörte, drückte er sich eng an die Wand und spähte daraus empor, um zu sehen, ob es endlich der Mann sein würde, auf den er wartete ...


    Sim-Off:

    Reserviert :)

  • "Also... der Krug ist der Lastkran. Die Bierlache hier der Tiber. Und der Napf ist der gammlige Kahn, der daneben auf dem Trockenen liegt..."
    In dem verräucherten Schankraum der Spelunke am Ende der Gasse sass Severus in einer dunklen Ecke, zusammen mit Lanius, einem guten Kumpel aus der Gladiatorenschule, und schob Gegenstände über den Tisch hin und her.
    "Ich werde hier warten. Und Du postierst Dich am besten da unter dem Wrack. Früh genug halt. Habs mir gestern nochmal angeschaut, es ist genug Platz drunter."
    Mit der Spitze seines Messers machte Severus kleine Kerben in die schon arg geschundene Tischplatte, um seine Pläne zu verdeutlichen.
    "Du rechnest also mit Ärger?"
    Mit zusammengekniffenen Augen musterte Lanius die Anordnung. Er war zur Hälfte ein Ubier, ebenso blond wie Severus, und ein aufstrebendes Talent im Ludus Illustris.
    Severus zuckte die Schultern.
    "Nur für den Fall dass. Ich traue diesem Kerl nicht. Wir haben gesagt 'jeder kommt allein', aber der hatte so ein verschlagenes Grinsen dabei. Von da kannste ihm, denk ich, ganz gut in den Rücken fallen."
    Eigentlich war Severus auch nicht so wohl dabei, noch jemanden hinzuzuziehen. Aber die Sache war so gewachsen, dass es inzwischen ein bisschen viel für einen einsamen Wolf war.
    Lanius nickte kaltblütig.
    "Und das Ruderboot soll dann dahin, hinter das harte Brot - das Gebüsch meine ich."
    "Genau."
    Das Ruderboot, das Lanius organisiert hatte, war für den Fall, dass sie sich ganz schnell absetzen mussten.
    "Alles klar. Und wenn es schief läuft..."
    "...und ich Dir kein Geld geben kann, schulde ich Dir einen ebensolchen Gefallen."
    "Dann wolln mer mal hoffen dass Du nicht draufgehst.", grinste Lanius fröhlich, verwandelte den Lastkran wieder zum Bierkrug und leerte ihn mit gutem Zug.


    Auch Severus bleckte die Zähne und trank aus. Er steckte das Messer hinten in den Gürtel, liess ein paar Asse auf dem Tisch liegen, und dann brachen die beiden auf, trennten sich vor der Spelunke. Lanius wollte noch seine geheimnisvolle Geliebte - eine angeblich äusserst hochgestellte Römerin - aufsuchen, Severus schritt in Richtung Villa Flavia, und dachte unzufrieden darüber nach, dass er zwar ein Krieger war, ein grosser Krieger natürlich, das Trainieren mit den Gladiatoren aber trotzdem keinen 'Gladiator' aus ihm machte. Der wurde man leider erst, wenn man auch in der grossen Arena kämpfte, und erst dann tauchten wohl auch die Heerscharen unbefriedigter Römerinnen auf, die einen ins Bett zerren wollten. Jammerschade war das...
    Ein wenig angespannt war er schon, seitdem er Arbogastes kaltgemacht hatte, wenn er sich hier in dieser Gegend bewegte. Ihm fiel da so ein Kerl auf, der sich am Rande der Gasse in einer dunklen Ecke herumdrückte, und ihn ziemlich genau musterte. Das weckte seinen Argwohn. Severus warf ihm einen kalten was-guckst-du-willst-du-etwa-Ärger-Blick zu, und wollte an ihm vorübergehen.

  • Was dauert das denn so lange, dachte der magere Kerl - er hieß übrigens Marcus Coestus - ungeduldig. Wenn es noch länger dauern würde, dann war die halbe Nacht vorbei, bevor er überhaupt Iulla sehen würde, und er würde warten mussen, zuhören, wie irgendein brünstig stöhnender Kerl in ihrer Kammer über sie herfiel und sie stöhnend höchste Wonnen vorheuchelte. Das war immer der gemeinste Teil des Ganzen, und er hasste es zutiefst zu wissen, dass auch andere Männer ihre Nächte vorüberstreichen ließen. Da endlich, in die Tür am Ende der Gasse kam Bewegung, zwei wie Schränke gebaute Männer kamen heraus, und glücklicherweise trennten sie sich, als einen von zweien hätte er den, den er erkannte, wohl nicht freiwillig angesprochen. Gegen einen kam man noch an, aber zwei so musuklöse Kämpfer waren selbst für einen am Rand der Verzweiflung lebenden peregrinus zuviel. Und wie finster dieser Severus dreinstierte! Marcus schluckte die dicke Kröte herunter, die sich mit einem Mal in seinem Hals breit gemacht hatte und stieß sich von der Wand ab, als er das Gesicht des Sklaven erkennen konnte.


    "He Du," sagte er mit krächzender und kieksender Stimme. Nicht gerade die männlichste Vorstellung, aber bedachte man den Unterschied im Kampfgewicht der beiden Kerle, dann war es schon erstaunlich, dass Marcus es überhaupt fertiggebracht hatte, Severus anzusprechen. Was nicht alles die Aussicht auf stramme Schenkel und einen breiten Hurenhintern bewegen konnte!
    "Bist Du Severus? Dann habe ich was für Dich!" Umständlich wühlte Marcus in seiner schmutzigen tunica, und förderte schließlich einen zerfledderten, aber doch versiegelten Fetzen Papyrus zutage, den er mit ausgestreckter Hand in Richtung des kräftigen Germanen hielt. Der Zettel wirkte mindestens so armselig wie der Überbringer, und im gleichen Augenblick schepperte es am anderen Ende der Gasse, als eine Katze über einen kaputten Tontopf gesprungen war, der umkippte und gegen einen weiteren Topf prallte.

  • Woher, bei Nidhöggs Stachel, kannte der seinen Namen? Severus fasste den Mann genau ins Auge. Dessen magere, dreckige Gestalt und offensichtliches Unbehagen liessen ihn ja nun nicht gerade respekteinflössend erscheinen. Was für ein Hänfling.
    Hatten den etwa die Elefanten zu ihm gesandt? Oder hatte ihn gar Arbogastus Gaunerbande aufgespürt? Er lauschte auf die Umgebung, und spähte misstrauisch die schmutzigdüstere Gasse entlang als irgendwo ein Tongefäss hell klirrend zerbrach.
    "Wer will das wissen?"
    Mit hartem, geradezu durchbohrendem Blick musterte er den Fremden, nahm ihm dann das schmutzige Papyrus aus der Hand.
    "Und woher kommt das?", erkundigte er sich streng, ohne den Blick auch nur ein bisschen abweichen zu lassen. Das ganze war doch wirklich seltsam... Neugier mischte sich in den Argwohn. Was in aller Welt mochte es mit diesem Zettel auf sich haben, so schäbig aber versiegelt, den er hier derart verstohlen gereicht bekam?

  • Marcus Coestus schien unter dem forschenden Blick des Germanen noch ein wenig zu schrumpfen. Das nächste Mal würde er ganz sicher nicht noch einmal einen solchen Auftrag annehmen, wenn es um irgendwelche fremdländischen Sklaven ging, dieser Kerl war doch eindeutig irre! Er schluckte langsam den dicken Kloß in seinem Hals herunter, sprach sich innerlich noch ein paar Mal Du tust es für Iulla! vor und meinte dann, in der Hoffnung, nicht zu verschüchtert zu klingen, in die Richtung des Germanen:
    "Ich soll Dir das geben, von einem besorgten Bürger. Ist was für Deinen Herrn, den magistratus - Du musst's ihm nur geben." Wieder schluckte er und reckte sich dann etwas zu seiner stolzen, mageren Größe von mindestens einem Kopf weniger als Severus hinauf. Wenn man es genau nahm, waren da eigentlich fast schon anderthalb Köpfe Unterschied in der Größe vorhanden.
    "Mein eh ... Herr ... will nicht selbst kommen, weisste, käme schlecht, wenn er das täte, und ausm Schatten tritt man nicht gern raus, wenns zuviel Licht gibt." Das war eindeutig - anscheinend war Coestus' Auftraggeber niemand, der sich bei einem Magistraten sehen lassen konnte, weil er sonst selbst Ärger bekommen hatte. Zweifellos eine Denunziation, die dem Auftraggeber des Hänflings zugute kommen würde. An sich eine schmierige Sache.

  • "So. Dein Herr will also wen anschwärzen, wagt es aber nicht, selbst das Wort gegen ihn zu erheben.", fasste Severus das, was er da verstanden zu haben meinte, zusammen. Angewidert spuckte er in den Staub der Gosse. Diese Römer waren doch einfach zum Kotzen. Um wieviel besser ginge es dieser stinkenden Stadt, wenn man die Angelegenheiten allesamt frei, offen und geradeheraus im Thing klären würde. Aber dafür fehlte ihnen jedes Verständnis.
    "Und damit Dein Herr gemütlich im Schatten hocken bleiben kann, soll ich also die Verleumdung zum Vigintivir tragen?!"
    Severus schnaubte, empört in so eine unappetitliche Praktik reingezogen zu werden. Ob sowas gang und gebe war wusste er nicht ( konnte es sich jedoch nur zu gut vorstellen!) Aber eigentlich konnte es ihm ja egal sein, wenn die Römer sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Und jemand hatte sich einen nicht unbeträchtlichen Aufwand gemacht, um ihn hier abzufangen, wollte wohl unbedingt dass der Schmähbrief Aquilius erreichte.... Ein paar Dinge hatte der Germane doch inzwischen gelernt darüber, wie es in dieser Stadt zuging.
    Er hielt die Hand auf.
    "Das kostet." sagte er mit unbewegter Miene.

  • "Keine Ahnung was er von nem Magistraten will," nuschelte Coestus und stöhnte innerlich. Das war doch einfach nur unfair! Der Kerl war groß, breit wie ein Schrank und sah so gut aus, dass er sicherlich mit Leichtigkeit jede Frau haben konnte, und dann wollte er auch noch Geld dafür, dass er den verdammten Brief ablieferte. Er hätte gleich zur villa Flavia gehen sollen und den Lohn so einstecken, wie er ihn vereinbart hatte. "Denkste ich hab den Wisch gelesen? Ich soll ihn nur Dir geben und ich hab kein Geld. Also entweder nimmste ihn mit oder ich geh ihn selber abliefern," brummte der Hänfling in einem, wie er offensichtlich hoffte, ausreichend mürrischen Ton, dass sein Gegenüber ihm auch abnehmen würde, dass er nichts zu geben hatte.


    "Nur, wennde den mitnimmst, dann is mein Herr vielleicht großzügig und hat auch mal ne Aufgabe für Dich, der hat viele Leute, die für ihn arbeiten, weisste?" Nicht dass Coestus in irgendeiner Form wichtig gewesen wäre oder dass sein Wort ein allzu großes Gewicht gehabt hätte - sonst würde er längst mit Iulla irgendwo am Meer eine kleine taberna betreiben und seines Lebens glücklich sein - aber er würde berichten müssen, und vor dem Moment, in dem er erzählen musste, dass der Germane das Schreiben nicht angenommen hätte, graute ihm beträchtlich.

  • Der Hänfling sah allerdings so aus, als gäbe es bei ihm nichts zu holen, das musste Severus sich leider eingestehen.
    "Grosszügig?" höhnte er, zunehmend gereizt, mit einem Blick auf die schmutzigen Fetzen, die der Mann am Leibe trug. "So grosszügig wie zu Dir?"
    So vages Gerede konnte er nicht abhaben. Hielt der Kerl ihn für bescheuert? Soviel Zorn trug Severus mit sich herum, und er war beileibe nicht darüber erhaben, diesen an einem Schwächeren auszulassen. Mit einem Blick aus den Augenwinkeln versicherte er sich, dass die Luft rein war, dann schoss seine Hand blitzschnell vor, packte den Hänfling vorne an der fleckigen Tunika. Halb hob er ihn, halb stiess er ihn tiefer in die finstere Ecke hinein, drückte ihn unsanft gegen die Hauswand.
    "So Kleiner. Jetzt sagst Du mir wer Dein Herr ist...", knurrte er ihm ins Gesicht, schüttelte ihn grob, als würde die Antwort, wenn er nur genug rüttelte, von alleine zu Boden kullern, "...oder ich prügele es aus Dir heraus."
    Mit der anderen Hand fuhr er dem Fremden flink unter den schmierigen Umhang, tastete an dessen Gürtel entlang, um eine etwaige Waffe gleich zu erspüren und wegzunehmen. Seine Hand fand einen prallen Beutel. Er riss ihn ab, die Lederschnüre zerfetzten mit einem leisen 'Plop'.
    "Was haben wir denn da? Hast Du mich etwa angelogen? Also das kann ich ja gar nicht haben wenn man mich anlügt...", grollte der Germane, ein hartes Glitzern in den Augen, das nun tatsächlich nicht mehr so ganz gesund aussah. Wie ein Peitschenhieb knallte sein Befehl seinem Opfer um die Ohren:
    "Antworte!"

  • Die Welt um Coestus herum nahm an Geschwindigkeit zu und das alles ging mit einem Mal VIEL zu schnell. Er quiekte wie ein Ferkel, das man gerade abstach, als der Germane ihn packte und an die Wand drückte, und zappelte merklich mit den dünnen Beinen, versuchte sich gegen den Griff zu wehren, aber natürlich war Severus viel zu stark für den schmal gebauten peregrinus. Es war ein höchst ungleicher Kampf, falls man denn überhaupt von einem Kampf sprechen wollte, denn für einen Kampf brauchte es mehr als einen starken Mann und einen an die Wand gepressten, zappelnden Kerl, der inzwischen bleich vor Angst war. Nie, nie wieder würde er irgendeinen Auftrag annehmen, der sich mit Germanen beschäftigte, niemals wieder! Coestus hatte nicht einmal eine Waffe - Waffen kosteten Geld - er hatte sich bisher immer auf seine schmutzige, unscheinbare Gestalt verlassen können und darauf, dass er viel zu ärmlich aussah, um für Straßenräuber ein potentieller Gegner zu sein, der auch noch Gewinn brachte. "Lass mich in Ruhe, ich hab doch nur den Wisch da für Dich!" keuchte Coestus mühevoll, und als die Finger des Germanen auch noch den Beutel vom Gürtel rissen, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen, in voller Panik trat er nach Severus aus, versuchte ihn wenigstens irgendwie zu erwischen, weitab von irgendwelchen gezielten Tritten.


    Der Beutel war prall, aber nicht schwer, sogar erstaunlich leicht - sollte Severus ihn öffnen, würde er einen gewundenen Zopf darin finden, von dunkelbraunem Haar, Iullas Haar - und dieser war es, der einzige Beweis der Gunst einer ausgesprochen käuflichen Frau, der den Hänfling zum versuchten Berserker werden ließ. Allerdings nicht für lange Zeit, denn der Germane war eindeutig stärker und langsam versagten auch die Kräfte des Marcus Coestus in jenem festen Griff. Zudem ging ihm langsam die Luft aus. "Cr...Cr ...öch ... Crannus ..." röchelte er mühsam und die Augen schienen ihm aus dem nicht gerade wohlgestalten Gesicht quellen zu wollen, als er den verlangten Namen preisgab. Und dann hätte Coestus sterben können, nicht nur ob der Demütigung, sondern auch vor Scham, und der Grund dafür würde auch dem Germanen recht bald bewusst werden, spätestens, wenn er die Feuchtigkeit an den Beinen des peregrinus herabrinnen sah - jener hatte sich schlichtweg vor Angst nass gemacht wie ein kleiner Junge.

  • Ein bisschen weich war der Lederbeutel allerdings, den Severus da erbeutet hatte, und nicht gerade gewichtig. Doch dessen Raub liess den Hänfling geradezu ausrasten, und einer seiner zappelnden Tritte traf den Germanen recht empfindlich gegen das Schienbein. Fluchend packte Severus fester zu, bändigte den Kleinen, rüttelte und schüttelte, bis der es endlich ausspuckte: Crannus.
    "Warum denn nicht gleich so.", grinste der Germane höhnisch. Ein Plätschern und der Geruch von Urin zeigten an, dass der Hänfling mehr als nur den Namen nicht hatte bei sich behalten können. Das zerstreute ja nun auch seine Zweifel, ob der Kerl die Wahrheit gesagt hatte. Wenn der so ausser sich war, dass er sich bepisste, dann war er wohl kaum fähig gleichzeitig noch zu lügen. Oder vielleicht doch? Römern lag das Lügen ja im Blut, das sogen die schon mit der Muttermilch ein, wie allgemein bekannt war.
    Jedenfalls liess Severus sein Opfer los, mit einem verächtlichen Auflachen, und trat ein Stück zurück, brachte seine Sandalen vor der dunklen Lache in Sicherheit. Wie jämmerlich. Nein, das war jetzt nicht wirklich befriedigend gewesen.


    Der kleine Brief war ziemlich zerknittert, bei dem kurzen Handgemenge, er betrachtete ihn kurz stirnrunzelnd und steckte ihn ein. Dann öffnete er den Beutel, neugierig welch ein Schatz sich wohl darin verbergen mochte, dass der Kleine ihn so erbittert verteidigt hatte. Haar. Ein dunkler Zopf. Severus hob die Brauen - schade, nichts wertvolles - und seltsamerweise verspürte er auf einmal einen Anflug von... Mitleid? Hm. Komisch.
    Er stopfte den Zopf zurück und warf den Beutel achtlos wieder dem Besitzer zu. Ohne dieser kläglichen Gestalt noch einen Blick zu schenken wandte er sich ab, ging mit langen Schritten die schmutzige Gasse entlang. Einen Moment lang zeichnete seine Gestalt sich dunkel vor deren Mündung ab, dann trat er auf eine breitere Strasse, verliess die sumpfigen Niederungen der Stadt, und begab sich in die höheren und nobleren Gefilde. Die auf ihre Weise natürlich mindestens genauso morastig waren.


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