hortus | Training

  • Das Training sollte im Garten stattfinden. In einem etwas abgelegenen Bereich, so dass sie nicht auch noch mit Zuschauern rechnen mußten, - und gleichzeitig auch nicht fürchten mussten, versehentlich irgend etwas zu beschädigen. Ursus fühlte sich fit und gut. Und da er im Moment so sehr viel Zeit am Schreibtisch verbrachte, hatte er das dringende Bedürfnis, sich regelmäßig zu bewegen. Noch bevor Cadhla dazukam, machte er ein paar Übungen, wie er sie seit Jahren schon jeden Morgen absolvierte.


    Zum Glück spielte das Wetter mit, es war trocken und die Temperatur war für körperliche Ertüchtigung geradezu ideal.


    Wie Cadhla ihm wohl begegnen würde? Vermutlich war es ihr peinlich, dass er Zeuge geworden war, wie sie geweint hatte. Dabei hatte sie selbst in diesem Moment der Schwäche stark gewirkt, so eigenartig sich das auch anhörte. Er selbst hatte sich in jenem Moment merkwürdig verbunden mit ihr gefühlt. Und er hatte es geradezu als Ehrung empfunden, dass sie sich in seiner Gegenwart hatte gehen lassen. Zeigte dies nicht, dass sie in gewisser Weise Vertrauen zu ihm hatte? Ob das allerdings von Bestand war, das musste sich erst noch beweisen.

  • Der Morgen des ersten anberaumten Trainings war herangenaht, und seltsamerweise hatte Cadhla diesen Tag mit seltener Ruhe erwartet. Seit dem Nachmittag im Garten, an dem Ursus sie mit ihrer Schreibübung erwischt hatte, und sie an seiner Schulter geweint hatte, empfand sie eine wohltuende Stille im Inneren. Eine Leere, die einen großen Teil der Verzweiflung fortgespült hatte, nachdem sie ihre Tränen geweint hatte. Nein, aufgeregt war sie nicht ob dieses Trainings, nicht einmal nervös. Es schien, als hätte dieser Augenblick seltsamer Intimität die Fronten zwischen ihr und Ursus auf eine Weise geklärt, die sie ihn nicht mehr meiden ließ. Sie wusste schlichtweg nicht, was sie ihm gegenüber empfand, ausser etwas, das sich schwer fassen ließ und noch schwerer in Worte fassen.


    Früh war sie an diesem Tag erwacht, überhaupt fiel es ihr nicht schwer, zu Morgengrauen bereits aufzustehen, hatte sich um die Bedürfnisse ihres Herrn gekümmert, soweit er überhaupt etwas anderes hatte haben wollen als das Frühstück ans Bett und ansonsten Nicht-Anwesenheit in seinen privaten Räumen, morgens war Corvinus meist ohnehin nicht ansprechbar - Cadhla hatte sich schon auf einer Runde um die villa warm gelaufen, den Körper in Gang gebracht und schritt nun ruhig und mit einer schlichten, dunkelbraunen tunica angetan, die bis zu den Knien reichte, durch den Garten, um den etwas abseits gelegenen Platz anzuvisieren, der für die Übungen vorgesehen war. "Salve, dominus!" begrüßte sie ihren zukünftigen Schüler munter und anscheinend guter Laune, bevor sie sich im Garten umblickte. "Wir gleich beginnen mit laufen Runde durch hortus, damit Dein Körper wird warm, sonst Du hast morgen üble Schmerz in Armen und Beinen." Es war ein leichter, lockerer Ton und verriet nichts von dem, was gewesen war, offensichtlich hatte sie beschlossen, es erst einmal auf 'gut-Freund' Ebene zu versuchen.

  • Und da kam sie auch schon. "Salve, Cadhla", erwiderte er lächelnd ihren Gruß und wußte nicht so recht ob er erfreut oder ein wenig enttäuscht darüber sein sollte, daß sie so ganz locker und gelöst zu sein schien. Als wäre überhaupt nichts zwischen ihnen vorgefallen.


    Nein, das stimmte nicht. Es war etwas anders. Sie wirkte... nicht mehr so angspannt wie vorher. Als hätte sich etwas in ihr gelöst. Sie war so selbstbewußt und ruhig, als hätte sie nie etwas anderes getan, als einen Patrizier durch den Garten zu scheuchen.


    Als sie die Anweisung zum Laufen als Aufwärmübung gab, öffnete Ursus schon den Mund, um zu entgegnen, daß er bereits Übungen absolviert hatte. Doch dann schloß er ihn wieder. Heute und hier hatte eben Cadhla das Sagen. Und er würde sich ihr fügen.


    Also nickte er. "Gut, sag einfach, wenn es genug ist", meinte er und lief locker los, wie er es gewöhnt war.


    Er war ja schon sehr gespannt darauf, wie Cadhla das Training aufbauen wollte. Sicher war sie sehr gründlich, was ihm nur recht sein konnte. Schließlich wollte er etwas lernen. - Und ihr nahe sein. Sie war einfach faszinierend, anziehend und dabei forderte sie ihm gleichzeitig Respekt ab.

  • Sie lächelte kurz, ein sehr flüchtiges Lächeln, und doch erreichte es die grünen Augen, bevor sie den Kopf nach vorn wandte und den Lauf aufnahm - sie kannte den Garten recht gut, und auch die Wege, auf denen sie von der villa aus nicht gesehen werden würden. Schweigend lief sie über die ausgelegten Wegplatten, auf denen im Sommer wohl die Mitglieder der Familie lustwandelten, und schien dabei weder sehr viel schneller zu atmen noch in anderer Form angestrengt zu sein - laufen war der ideale Beginn, wenn man trainieren wollte, und sie tat es gerne, da man dabei die Gedanken wunderbar wandern lassen konnte. Sie passierten Statuen, kahle Bäume, jene Stelle, an der sie vor einigen Tagen mit Siv Blätter geharkt hatte, und gelangten schließlich in den hinteren Bereich des Gartens, der seltenere Pflanzen aus anderen Ländern enthielt, die einer besonderen Pflege bedurften - aber für diese interessante Landschaft hatte sie wenig Blick.


    Immer wieder warf sie einen kontrollierenden Blick zur Seite, wartete offensichtlich auf etwas - und als Ursus schließlich anzusehen war, dass ihm von der Bewegung der Schweiß ausbrach, nickte sie zufrieden und hielt inne. "Wir genug gelaufen," sagte sie knapp und deutete auf eine freie Rasenfläche, auf der noch einige letzte Blätter lagen. "Hier guter Ort für üben," meinte sie dann und blieb vor ihm stehen. "Wir beginnen mit Angriffbewegung. Wenn Du haben Schwert in Hand," damit drückte sie ihm einen etwa unterarmlangen dickeren Ast in die Hand, dessen Länge einem römischen gladius durchaus zu entsprechen wusste, "..wie Du würdest stehen, wenn wollen angreifen sicher, und verlieren nicht Stand dabei?"

  • Das Laufen bereitete Ursus keine Schwierigkeiten, er tat es ja regelmäßig, meistens in den Thermen. So dauerte es auch eine Weile, bis er begann zu schwitzen. Zumal es auch recht kühl an diesem Morgen war.


    Aber er war trotzdem ganz froh, daß Cadhla irgendwann sagte, es sei genug. Nicht weil er nicht mehr gekonnt hätte, sondern weil er einfach wissen wollte, wie sie weitermachen würde. Und die Wahl des Ortes gefiel ihm ebenfalls gut. Hier hatten sie Platz und vom Haus aus konnte man sie nicht ohne weiteres beobachten.


    Als sie ihm den Ast in die Hand drückte, umfaßte er ihn mit festem Griff und nahm die Haltung ein, die ihm sein Lehrer damals beigebracht hatte. Das war zwar schon recht lange her und das Training damals war nicht sehr intensiv gewesen, aber ein bißchen was wußte er doch noch.


    "So. Und dann so - oder so angreifen." Er vollführte die Bewegungen, nun allerdings langsamer, damit Cadhla genau sehen konnte, wie die Bewegungsabläufe waren. Es gab sicherlich noch weit mehr Möglichkeiten, jemanden anzugreifen, doch Ursus hatte nur diese beiden Atacken gelernt. Der Unterricht war bei der Verteidigung wesentlich intensiver gewesen als beim Angriff. Anscheinend hatte der Lehrer auf dem Standpunkt gestanden, daß ein Patrizier eben nur durchhalten mußte, bis Hilfe da war.

  • Schweigend beobachtete sie seine Bewegungen, achtete genau auf die Abläufe, und schüttelte schließlich den Kopf. Er kämpfte zwar, aber nicht so, als wollte er wirklich sein Leben verteidigen, und das war sicher nicht Sinn und Zweck der ganzen Sache. So nahm sie ihm, als er seine Demonstration beendet hatte, kurzerhand das Stock-gladius wieder weg und hielt es fest mit einer Hand umschlossen.
    "Du kämpfen wie Mädchen, das glauben, dass bald Rettung kommen, aber wenn Du in Schlachtfeld, beste Rettung Du bist selbst. Ihr Römer habt Eure Schwerter kurz, also Du nicht beginnen zu fechten, das Du immer verlierst gegen Mann mit längerer Waffe. Keine Schwünge, keine Hiebe. Einziger Vorteil den Du haben ist Schild und Schwert gemeinsam - und dann damit machen harten, klaren Stich." Sie winkelte den linken Arm so an, als würde sie ein Schild tragen, und aus dem Schutz dieses imaginären Schildes deutete sie mehrere heftige Stiche mit dem Stock an, die alle in der Höhe der Organe lagen und schätzungsweise einen Gegner allein schon wegen des Schmerzes in den Eingeweiden kampfunfähig machen würden. "Du nicht kämpfen damit schön aussehen, sondern um überleben. Wenn Du tragen kurzes Schwert, Du must gehen nah an Gegner, um treffen, und dann Du musst treffen schnell und tödlich."

  • Ursus lachte amüsiert. "War das jetzt eine Beleidigung?" Er nahm ihr das nicht übel, immerhin hatte er sie nicht um Training gebeten, weil er sich für einen perfekten Kämpfer hielt. "Genau darauf werden wir ja auch trainiert, wenn wir nicht gerade vorhaben, Soldaten zu werden. Uns verteidigen zu können, bis jemand kommt, der den Feind niedermacht. - Wenn wir unser einjähriges Tribunat machen, sollen wir ja auch eher bei der Verwaltung helfen und nicht unbedingt kämpfen. Aber ich möchte eben nicht ganz so wehrlos sein, schließlich weiß man nie, was geschieht. - Hör zu, ich besorge uns Holzschwerter zum Trainieren. Schilde wären vielleicht auch sinnvoll, doch als Tribun trägt man eigentlich keinen Schild." Und es wäre besser, auf das vorbereitet zu sein, was ihn tatsächlich erwartete.


    "Das, was Du mir zeigst, ist die Kampfweise, die auch die Legionäre anwenden. Sie tragen natürlich Schilde. Tribune sitzen zu Pferde. Also... Wenn ich in Kämpfe gerate, werde ich zunächst vom Pferd aus, - und falls ich aus irgendeinem Grund am Boden lande, ohne Schild Mann zu Mann kämpfen müssen. Also üben wir bitte Kämpfe ohne Schild. - Wäre vielleicht eine zweite Waffe, ein Dolch zum Beispiel, eine Alternative zum Schild?" Er hatte so etwas bei den Gladiatorenkämpfen gesehen. "Das Schwert eines Reiters ist übrigens etwas länger als das der Legionäre."

  • "Du nicht wissen wohin kommen in Tribunat, dominus, also Du wirst lernen kämpfen für Dich selbst. In Krieg Du zuerst nur auf einen Mann verlassen, auf Dich selbst, und erst dann auf andere, die vielleicht kommen um helfen Dir. Ich wären schlechtes Lehrer wenn Du nicht können kämpfen für Dich selbst nach Jahr," sagte Cadhla ernst und blickte ihm direkt ins Gesicht - sie hatte nicht gelacht, für sie schien alles, was den Kampf anbelangte, auch nicht unbedingt mit Amüsement zu tun zu haben. Das Haar hatte sie so straff zurückgebunden, dass ihre Gesichtszüge schärfer wirkten als sonst, und es war nicht schwer vorzustellen, dass sie im Kampf selbst eine ebenso ernste wie aufmerksame Miene jedem gegenüber offenbaren würde, der sie angriff. "Warum Tribun trägt kein Schild? Ohne Schild kämpfen nur Dummköpfe oder Männer die wollen sterben, also Du solltest kämpfen mit Schild." Leicht schüttelte sie den Kopf, dass jemand freiwillig auf diese Form der Deckung verzichten wollte, kam ihr ausgesprochen seltsam vor. Und sie glaubte auch nicht, dass Ursus zu den Männern gehörte, die im Kampf unbedingt nach ihrem Tod suchten.


    "Wenn Du sitzt auf Pferd Du bist bestes Ziel für Bogenschütze oder Axtwerfer, also Du solltest versuchen reiten in Deckung oder gehen herunter von Pferd, sobald Du bist inmitten anderer - Pferd nur Vorteil wenn können reiten schnell und kommen mit Wucht über Gegner, sobald Pferd steht, Du bist angreifbar. Man hackt in Bein von Pferd und Du liegen im Dreck und sein verletzt." Sie runzelte die Stirn und sah sichtlich unzufrieden aus. "Dolch kein Ersatz für Schild, dominus, aber wenn Du unbedingt wollen, dann ich Dich lehren kämpfen mit zwei Waffen - aber wenn Du dafür haben kein Talent, dann es werden schwer."

  • "Na, das ist doch schon mal ein wichtiger Hinweis, daß man vom Pferd herunter sollte. Ich dachte immer, es sei ein Vorteil, von oben kämpfen zu können. Aber ich sehe ein, daß man dort eine gute Zielscheibe abgibt. - Auch wenn wir durch unsere Rüstungen nicht ganz so verletzlich sind, wie es einer eurer Krieger wäre. Bring es mir bei, Cadhla. Bring mir beides bei. Mit Schild kämpfen und ohne." Es war ja nicht so, daß er ihre Argumente nicht einsehen würde. Und er war ganz gewiß niemand, der den Tod suchte. Doch er wollte sich auch nicht hinter den Rücken anderer verstecken wie ein Feigling, wenn er doch einmal in Kampfhandlungen verwickelt wurde. - So unwahrscheinlich dieser Fall auch war.


    "Was brauchen wir alles für ein effektives Training? Ich werde es besorgen. Ob ich Talent habe, wird sich dann wohl zeigen, ich weiß es nicht." Sie war jetzt ganz Kriegerin. Ernst, die Frisur praktisch, die ganze Haltung angespannt wie auf dem Sprung. Ja, er konnte sie sich tatsächlich inmitten einer Gruppe Krieger vorstellen. Sie war die einzige Frau, die er kannte, bei der er sich das vorstellen konnte. Und die einzige, die so sehr Frau sein konnte und gleichzeitig so sehr Kriegerin. Bei ihr... paßte es einfach - trotz aller Gegensätze.


    "Heute werden wir ohne weitere Hilfsmittel trainieren müssen." Was ja gerade am Anfag sicherlich nicht so das Problem war. Dachte er sich zumindest.

  • "Wäre ich mit Bogen, ich würde immer zuerst schießen in Gesicht," sagte sie recht trocken und schmunzelte unvermittelt. "Ihr Römer macht großen Fehler, weil eure Anführer immer reiten. Man sie sieht sofort in Schlacht, und sie sind gutes Ziel. Schießen Pferd in Bein, und Mann geht zu Boden, mit Glück unter Pferd. Ihr sehen alles von oben, aber auch alle sehen euch sehr gut." Dass man so dumm sein konnte, hatte sie nie verstanden - und es war auch der Grund gewesen, warum sie in ihrem Leben bereits zwei römische Offiziere getötet hatte und darauf stolz war.
    "Ich Dir beibringen was ich gelernt, soviel ich kann," sagte sie und wieder kehrte das Lächeln kurz zurück. "Du einer von wengien Römern bist, den ich nicht will sehen tot. Und ich nicht glauben, dass Du müssen reisen nach Britannia um kämpfen gegen meinen Stamm, weil wahrscheinlich ohnehin alle tot." Damit atmete sie tief ein und legte den Kopf schief.


    "Ich gesehen Du guter Läufer. Aber das nicht genug ist, Du nur trägst tunica, und tunica ist leicht. Wir mit Gewicht laufen werden, das ist schwer genug wie Schild und Waffen und Rüstung. Damit Du Dich gewöhnen an laufen mit viel Gewicht auf Körper. Was wir brauchen werden, sind langes Schild von legionarius, weil ist schwer, kleines Schild für Reiter, und gladius und Reiterschwert in Holz mit ähnlichem Gewicht wie echte Waffe. Besser wäre echte Waffe, aber noch nicht jetzt. Du noch nicht bereit für Stahl." Sie machte eine Geste in Richtung des restlichen Gartens und blieb dann abwartend stehen. "Du heute wirst lernen Stellen an Körper die bringen höchsten Schmerz wenn kämpfen ohne Waffe. Du haben Vorteil dass wohl meiste Gegner sind Männer, was macht Sache leichter."

  • "Ich werde frühzeitig erfahren, wohin ich geschickt werde", sagte Ursus leise. "Sollte es Britannien sein, dann werde ich herausfinden, was mit Deiner Familie ist, das verspreche ich Dir. Damit Du nicht länger mit dieser schrecklichen Ungewissheit leben mußt." Er suchte ihren Blick und bekräftigte das noch einmal. "Wenn es in meiner Macht steht, dann sollst Du wenigstens Gewißheit haben." Ansonsten konnte er nicht viel für sie tun, denn sie gehörte ihm nicht.


    "Und ich danke Dir für Deine Worte, daß Du mich nicht tot sehen möchtest. Das... ist wirklich sehr nett von Dir." Immerhin hatte sie allen Grund, alles zu hassen, was römisch war.


    Einen Moment lang blickte Ursus sie einfach an, dann wurde er wieder ganz sachlich. "Das ist das Risiko, das die Offiziere zu tragen haben. Der Überblick ist sehr wichtig, da die einzelnen Truppenteile sehr beweglich sein müssen und schnell an die richtige Stelle dirigiert werden müssen." Nun, Taktik und Strategie war nie die Stärke der Barbaren gewesen, sie stürmten einfach los. Zumindest hatte er das bisher immer gehört.


    "Gut, also Laufen ab jetzt immer mit entsprechendem Gewicht. Und für die Schilde und Holzschwerter sorge ich. Es gibt spezielle Übungswaffen mit entsprechendem Gewicht. Ich kümmere mich noch heute darum. Dann also heute waffenloser Kampf..." Er blickte Cadhla erwartungsvoll an.

  • "Es nicht hat zu tun mit nett sein, dominus," versetzte Cadhla und nun bewegte tatsächlich ein kleines Lächeln ihre Lippen. "Ich geschworen zu töten die Männer, die mich genommen haben als Sklavin und gezwungen zu kommen nach Rom. Aber Du keiner warst von ihnen, und ich auch nicht denke, dass Du hättest getan solches Unrecht mit eigenem Willen. Es also gibt keinen Grund zu hassen Dich, und auch nicht, Dich zu töten. Du einer der wenigen bist, die mich behandeln wie Mensch und nicht wie Möbelstück mit Aufgaben, und das ich nicht werden vergessen."


    Sie schaffte es noch immer, bei solchen Worten stolz auszusehen, die Würde ihrer vergangenen Existenz heranzuraffen und sich damit zu kleiden, um dem Römer auf gleicher Ebene gegenüber zu treten, ohne jedoch zu anmaßend zu wirken - schließlich neigte sie nur den Kopf und blickte sich nochmals im Areal um. Einige hohe Bäume zeichneten den wohlgeordneten Garten der Aurelier aus und diese brachten sie auf eine Idee. Nochmals mit ihm auf dem Boden herum zu rollen wäre jetzt keine gute Taktik, sie wusste nur zu genau, was das letzte Mal passiert war und wollte einstweilen keine Wiederholung.


    "Wir üben Zusammenarbeit zwischen Geschicklichkeit und Stärke," sagte sie schließlich und deutete auf die Bäume. "Wir hochklettern, und wer zuerst oben, hat gewonnen und einen Wunsch frei, einverstanden?" Es wäre auch eine gute Übung, ihn auf eine mögliche Flucht vorzubereiten, man konnte schließlich nicht immer darauf vertrauen, dass man bei einem Kampf siegte und alles so gut ausging, wie man es sich erhoffte - eine solche Annahme hatte sie selbst zur Sklavin werden lassen.

  • Es war ja nicht so, als würde Ursus Sklaven nicht doch hin und wieder wie Möbelstücke mit Aufgaben behandeln. Es gab einfach Sklaven, die sich auch genau so benahmen und sich in dieser Rolle wohl zu fühlen schienen. Cadhla war... keine richtige Sklavin. Nicht für ihn. Dafür war sie zu stolz und innerlich zu frei. Er konnte nicht auf sie herabsehen. Weil er es auch nicht wollte. Dieses Lächeln nun gerade wieder, dabei der stolze Ausdruck ihrer Miene, ihre Haltung, die Stärke und Selbstbewußtsein bewies, all das zog ihn ungeheuer an. Und wie hätte er sich von einer Frau angezogen fühlen können, die weit unter ihm stand?


    Auf Bäume klettern? Wie schade. Er hatte gehofft, bei den Übungen etwas näher an sie heranzukommen. Wie neulich Nacht. Aber das würde noch kommen. Wer kämpfen trainieren wollte, mußte kämpfen. Also zwang er sich zur Geduld.


    Auf Bäume klettern. Es war einige Jahre her. Viele Jahre her. Doch früher war in diesem Garten kein Baum vor ihm sicher gewesen. Eine Erfahrung, die ihm mittlerweile wenig nutzen würde, da er nun größer, schwerer und sicherlich auch weniger biegsam war als damals. Dennoch war er davon überzeugt, diese Übung hervorragend zu meistern. Und fing schon an, über den freien Wunsch nachzudenken.


    "Also gut. Welchen soll ich erklimmen?", fragte er und musterte die Bäume, auf die sie gedeutet hatte. "Und oben ist für Dich wo auf dem Baum?" Bis ganz in die Spitze konnte man als erwachsener Mensch schließlich kaum klettern, da die obersten Äste nicht stark genug waren, einen zu tragen.

  • Sie legte den Kopf kurz schief und späht zu den Bäumen hinauf, dann meinte sie: "Ich nehmen diesen und Du den," deutete jeweils auf zwei stark gewachsene Eschen, die genug Zweige und starke Äste boten, dass man sich daran emporziehen konnte. "Ich denken wenn Du erreicht hast den dicken Ast dort vor mir auf Ast dort," wieder unterstrich ihre Geste die gemeinten Punkte, "..dann Du hast gewonnen, und wenn ich bin zuerst dort, dann ich gewonnen, einverstanden?"


    Wie er sie gerade wieder angeblickt hatte, eine Mischung aus Respekt - worüber sie sich freute - und Sehnsucht - womit sie weit weniger anfangen konnte, und was sie nach wie vor unsicher machte. Letztendlich hätte er sich für jede Frau in diesem riesigen Haushalt interessieren können, aber sie hatte noch nicht bemerkt, dass er eine andere auf diese Weise ansah. Oder aber er stellte sich geschickt genug an, seine Vorlieben nicht öffentlich auszuleben, im Gegenteil zu ihrem eigenen Herrn, aber dessen Privatleben war für sie als Leibsklavin auch deutlich klarer als das jeder anderer. Aber während Corvinus ein wenig ziellos schien, wirkten Ursus' Wünsche für sie klarer, auch wenn sie sich auf sie selbst bezogen und sie irritierten.


    Dennoch verirrten sich ab und an ihre Gedanken zu ihm, auch wenn sie das nicht wollte, war er doch immer ein Teil ihres täglichen Lebens, auch wenn sie nicht trainierten. Sie wollte ihn nicht nur nicht umbringen, sie mochte ihn. Und das war ungleich verwirrender als die Tatsache, dass er ihr wohl im Überschwang der Gefühle einmal einen Kuss geraubt hatte. Dass er sie nie gezwungen hatte, dies zu wiederholen und dass er ihren Wunsch, sich distanziert zu halten, respektiert hatte, war für sie ebenso ausschlaggebend in ihrer Wertung.

  • Ursus musterte die beiden Bäume. Ja, der Schwierigkeitsgrad war etwa gleich, das war ein gerechter Wettbewerb. Er merkte sich gut, wie weit er kommen mußte und fing schon an, den Weg zu überlegen. "Einverstanden." Vermutlich war sie fest davon überzeugt, daß sie gewann. Doch er würde es ihr nicht leicht machen. Gar so schlecht war er schließlich nicht. So ein Baum, das war doch gar kein Problem!


    Er blickte zu ihr herüber und lächelte ein wenig verschmitzt. Eigentlich wäre es ja auch ganz interessant zu erfahren, was sie sich wünschen würde. Sicher würde es nicht in die Richtung gehen, die er sich von ihr wünschen würde. Dafür kannte er sie bereits zu gut.


    Er machte sich bereit und wartete auf ihr Zeichen, loslegen zu können. Als es dann kam, flitzte er los. Der unterste Ast hing immer noch so hoch, daß er hochspringen mußte, um ihn zu erreichen. Und dann mußte er sich heraufziehen. Es kam ihm nun zugute, daß er sich immer mal wieder mit Klimmzügen quälte. So war es kein Problem, sich hochzuziehen auf den Ast, sich aufzurichten und den nächsten Ast zu greifen. Bald war er auf dem Ast angelangt, den sie als Ziel definiert hatten. Und erst jetzt erlaubte er sich den Blick zum anderen Baum, um zu sehen, ob sie schneller oder langsamer gewesen war.

  • Sie schmunzelte und nickte schließlich, um den kleinen Wettbewerb zu beginnen - wie sie es geahnt hatte, würde er dieser Möglichkeit, sich mit ihr zu messen, nicht widerstehen können und sie war gespannt darauf, ob er sich auch hier als Gegner erweisen würde, den man ernst nehmen konnte. Sie lief ebenso los wie er, aber im Gegensatz zu ihm konzentrierte sie sich ausschließlich auf den Baum, der vor ihr lag - sie sprang hoch, packte den unteren Ast mit beiden Händen und schwang sich mit einer heftigen Drehung schließlich darauf, froh darum, von ihrer Übung im Kampf noch nicht zuviel eingebüßt zu haben, wenigstens die Sprungkraft stand ihr noch fast uneingeschränkt zur Verfügung.


    Die Rinde des Baums fühlte sich unter ihren Händen sehr rauh an, aber es war ein Vorteil, denn diese Oberfläche bot ihren Füßen einen guten Halt, als sie den ersten Ast losließ und sich am nächsthöheren entlang nach oben zu hangeln begann, ein Bein über diesen schlug und sich schließlich an diesem empor zog, kaum verharrend, und den nächsten Ast in Angriff nahm - sie nahm diesen Wettbewerb ernst genug, um mit aller Kraft den Sieg zu erringen zu versuchen, und nur ein kurzer Blick ging hinüber zum anderen Baum, sich versichernd, dass sie noch vorn lag, sehr wenig vorn, aber noch vorn. Es würde nicht leicht werden, den Vorsprung auszubauen, denn er war ein besserer Kletterer, als sie es vermutet hatte, und holte gut auf.

  • Verflixt, sie war ihm voraus! Ursus kletterte, was das Zeug hielt, doch als er an der Stelle angekommen war, die sie vereinbart hatten, mußte er feststellen, daß er ein kleines bißchen langsamer gewesen war als sie. "Na, sieht ganz so aus, als hättest Du einen Wunsch frei", rief er lachend zu dem anderen Baum herüber. Auch wenn ihr Sieg knapp gewesen war, so war es doch ein Sieg.


    Was sie wohl für einen Wunsch äußern würde? Er war wirklich sehr gespannt. Langsam machte er sich an den Abstieg. Warum sollte er sich hierbei auch beeilen? Es war besser, immer erst einen sicheren Tritt zu suchen, bevor er noch abrutschte und doch noch fiel.


    Schließlich erreichte Ursus den Erdboden und ging Cadhla entgegen. "Meinen Glückwunsch zu Deinem Sieg. Du kletterst wie eine Katze, das muß man Dir wirklich lassen. Also... was hast Du für einen Wunsch?", fragte er neugierig. Hoffentlich war es einer, den zu erfüllen er in der Lage war. Ihren sicherlich dringensten Wunsch, ihre Freiheit, konnte er ihr nicht geben. Doch das wußte sie ja.

  • Erstaunlich genug war, dass sie ihn dann doch entschieden überholt zu haben schien - das Ergebnis war recht knapp ausgefallen, aber dann doch deutlich genug, um klarzustellen, dass sie ihm in dieser Sache voraus gewesen war. Wirklich gerechnet hatte sie mit dem Sieg nicht, dafür war Cadhla zu realistisch, sie war zu lange nicht mehr gut geklettert, die Gelegenheiten dazu fehlten einfach zu oft dazu, aber es freute sie doch innerlich. Nicht zuletzt, weil sie Ursus etwas beibringen sollte und wollte, und da war es nicht gerade hilfreich, wenn er von Anfang an zu gut war. Gemächlich ließ sie sich schließlich den Baum herunter gleiten, ohne zu antworten, denn sie hatte sich noch nicht überlegt, was sie haben wollte, würde sie gewinnen - und so ließ sie sich Zeit, während sie einen Ast nach dem anderen griff und schließlich auf dem Boden zu stehen kam, am Fuße der Esche, die ihr den Sieg gebracht hatte.


    "Danke, aber das nicht sein Grund dass nicht wiederholen, Du können werden schneller und besser - und das wir werden üben nächste Tage," sagte Cadhla und blickte Ursus offen an. Wenn er sie besiegte, und das nicht nur einmal, dann wäre er soweit, schwierigere Übungen zu absolvieren, und sie hatte vor, ihren Schüler zu fordern. Je früher er die römische Weichheit verlor, desto besser. Still betrachtete sie ihn einige Momente lang, dieses offene Lächeln, die warm schimmernden Augen, die Gestalt, die nicht allzu deutlich enthüllte, dass das Klettern durchaus eine Anstrengung gewesen war, seine aufrechte Haltung. "Wichtigsten Wunsch Du nicht kannst erfüllen," sagte sie schließlich. "Also ich haben sonst keinen Wunsch, ich verzichten darauf zu wünschen irgendwas." Das andere, was sie hätte sagen können ... das wagte sie sich nicht zu sagen. Nicht ihm. Nicht hier. Nicht jetzt.

  • Ach, was war das für ein Anblick, wie sie den Baum herabkletterte. Ihre geschmeidigen Bewegungen waren wirklich eine Augenweide. Wirklich, wie eine Katze. Ob ihr wohl bewußt war, daß sie Einblicke gewährte, da er von unten beim Klettern zusah? Nun, er würde sie gewiß nicht darauf aufmerksam machen und versuchte auch, sich nichts anmerken zu lassen, als sie dann am Boden ankam.


    Schnell lenkte er davon ab. "Auf Bäume klettern steht also weiter auf dem Programm? Meinetwegen." Er hatte nichts dagegen, das machte schließlich sogar noch Spaß, auch wenn sich ihm nicht ganz erschloß, was sie damit erreichen wollte. Doch sie war die Trainerin und er hatte versprochen, auf sie zu hören.


    "Aber keinen Wunsch zu äußern, gilt nicht. Deinen dringendsten Wunsch kann ich nicht erfüllen, Cadhla, da hast Du recht. Aber vielleicht gibt es etwas kleineres, was ich Dir erfüllen kann. Überleg es Dir und sag es mir morgen, ja?" Natürlich hoffte er in eine bestimmte Richtung, war aber vernünftig genug, damit nicht zu rechnen. Freiwillig würde sie sich bestimmt nicht küssen lassen. Doch es gab genug Dinge, die er ihr geben oder verschaffen konnte. Vielleicht mal einen Ausflug? Auf die Jagd oder so? Einfach irgendetwas, was ihr eine Freude machte, die sie sonst nicht bekommen konnte? Gab es denn wirklich nichts, was sie sich wünschte? "Wenn Dir gar nichts einfällt, lasse ich mir etwas einfallen", drohte er lachend. Das half ihren Ideen doch sicher auf die Sprünge.


    "Dann die gleiche Übung jetzt gleich nochmal?", fragte er sie eifrig. Wenn sie das wollte, würde er auch zehn oder zwanzig mal den Baum rauf und runter klettern. Solange bis sie zufrieden mit ihm war. "Oder hast Du für jetzt eine andere Übung vorgesehen?"

  • Wäre Cadhla bewusst gewesen, dass man etwas hätte sehen können, das man nicht sehen sollte, wäre sie wahrscheinlich vor Scham gestorben, aber da sie selbst nach solchen Dingen bei anderen Menschen nicht sah und wohl auch nie sehen würde, kam ihr der Gedanke nicht einmal - unter Männern das Kriegshandwerk erlernt zu haben, hatte sie für weibliche Grillen abgestumpft, und so zählte sie zu den wenigen Frauen, die erstaunlich schamlos waren, ohne alle Scham verloren zu haben. Ihre Gedanken jedenfalls drehten sich gänzlich um anderes, wie sie ihn am besten den Kampf lehren konnte, und dafür sorgen, dass er sich seiner Haut auch wirklich wehrte, und überlebte. Denn sie hatte nicht gelogen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie nicht seinen Tod wünschte - sie wünschte sich ihn lebend. Das war ihr erst vor sehr kurzer Zeit wirklich bewusst geworden, und seitdem hatte sie ihre Überlegungen, wie aus ihm ein guter Kämpfer zu machen sei, fast verdoppelt.


    "Ich mir nicht wünschen Kleidung oder Schmuck, und Essen aus culina reicht mir, um zu sein zufrieden. Es nicht geben Ding, das ich mir noch wünschen, außer eine Sache, die nicht ist zu erfüllen - also es wohl ist besser, nicht suchen mit Zwang nach Wunsch, der dann nicht macht zufrieden, wenn ist erfüllt, oder?" gab sie zu bedenken, musste aber ob seiner unbekümmerten Art ebenso lächeln. Wie konnte sich ein Mensch mit so wenigen wirklichen Sorgen belasten wie er es anscheinend tat? In solchen Augenblicken beneidete sie den Römer um seine Lockerheit und Fröhlichkeit, die sie schon als Kind in vielem verloren hatte.
    "Du Dir nichts musst einfallen lassen. Wenn mir einfallen Wunsch, dann ich Dir sagen, in Ordnung?" Sie legte den Kopf schief und sah sich um, bevor sie mit einem Mal listig schmunzelte. "Wir werden machen Übung die kombiniert vieles. Ich weglaufen und Du mich versuchen zu fangen. Jedes Mittel sein erlaubt, und wenn Du mich gefangen, dann Du weglaufen und ich Dich fangen - durch ganzen Garten."

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