...im Lichte erstrahlt und unsterblich geworden: Das Fest der Geburt Mithras'
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...im Lichte erstrahlt und unsterblich geworden: Das Fest der Geburt Mithras'
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Scharfkantig zeichnete sich das gebirgige Land um sie herum ab, die Sonne versank hinter den Bergen im Westen, tauchte das trockene und feindselige Land, die parthischen Gefilde, in ein dunkles Rot, Purpur und einem goldenen Orange ehe die Lichtstrahlen erstarben und der Nyx, der Nacht, das Land überließ. Sterne leuchteten am östlichen Firmament, leuchtend, glücklich darüber in jener Nacht lange erstrahlen zu dürfen, denn dies war die Nacht, die im Jahr am Längsten währen würde. Wintersonnenwende! Bei den Feinden der Römer hatte jene Nacht auch eine tiefe Bedeutung, war es doch der Kampf der Finsternis gegen das Licht: Ahriman – dem Gott des Bösen, der Plagen und der Finsternis - gegen Ahura Mazda – den Gott des Lichtes und des Guten. Die lange Nacht gehörte Ahriman und wenn die ersten Strahlen der Sonne über den Horizont erschienen, dann war die Zeit von Ahura Mazda eingeläutet und das Jahr konnte von neuem Erwachsen, die Tage wurden länger. Das Gute hatte über das Böse obsiegt!
Lagerfeuer glommen in der Dunkelheit, Feuer prasselte leise an den zahlreichen Raststätten, die die römischen Soldaten errichtet und den warmen Schein entzündet hatten. Zelte reihten sich dicht an dicht und in einem wohlgeordneten Muster, Wachen standen an den Palisaden und spähten argwöhnisch in die Dunkelheit, denn die Durchtriebenheit, die Heimtücke der Parther hatten sie genug und bitterlich zu spüren bekommen. Zwei Soldaten, ohne ihre Rüstung und nur mit einem pugio an der Seite, marschierten auf das Tor, wo die Prima unmittelbar lagerte, zu; vor dem Eingangspforten blieb der Erste stehen und hob sein Angesicht an. Die Fackeln vor den Palisaden erhellten sein Antlitz, flackerten mit dem Licht über seine ernsten Gesichtszüge: der scharf geschnittenen und gebogenen Nase, dem breiten Kinn und den buschigen Augenbrauen. Sein Kumpane blieb im Schatten verborgen.
„Mars zum Gruße, Soldat! Ich bin Titus Patrobius Abicer von der Zwölften! Ich bitte darum, das Lager betreten zu dürfen.“
Prüfend wurde Titus Patrobius Abicer gemustert, der Grund seines nächtlichen Treibens erfragt und anschließend herein gelassen. Der Soldat und sein commilitonis setzten ihren Weg fort, tiefer in das Lager und vorbei an dem großen praetorium, dem Herzen des Lagers. Titus nickte seinem Kameraden zu, der sich von ihm trennte und einen anderen Weg wählte; Beide wußten Bescheid, kein Wort mußte mehr gewechselt werden. Titus marschierte zu den Zelten der ersten Zenturia, nickte den Männern am Lagerfeuer des ersten contubernium zu ehe er auf das Zelt zu schritt, daß den ersten Speer der Prima beherbergte. Zwei Männer von der legio prima hatten sie eingeweiht, zwei eingeladen zu einem Fest in der Fremde, was die Männer dieser im Orient heimischen Legionen schon seit Jahren zelebrierten: Artorius Avitus gehörte zu den zwei Männern – der Kreis der Mithrasfeiernden war stets klein und sollte auch nicht zu groß werden. Titus hielt mit einer Handbewegung einen Sklaven an, der gerade in dem Eingang verschwinden wollte.
„Sage dem primus pilus: Es ist soweit! Die Nacht ist herein gebrochen und wir werden das Licht suchen! Ich warte hier auf ihn.“
Titus wandte sich ab und ging zum nächsten Lagerfeuer. Er hob seine Hände und hielt sie über die wärmenden Flammen, denn die Nächte in Parthia waren so kalt, wie die Tage heiß waren. Das Feuer knisterte leise, Titus entbot den Soldaten dort einen wortlosen Gruß.
Avitus - mit einem Pilleus auf dem Kopf und ausnahmsweise mal nicht in seine mit dünnem Purpurstreifen versehene, sondern eine einfache Soldatentunika gekleidet - speiste gerade mit einigen Muliones und Stratores, den Maultier- und Pferdeknechten der Centuria, sowie den sonstigen, rangniederen Nichtkombattanten. Eigentlich mochte er dieses Fest nicht. Leute von niederem Stand bildeten sich alles mögliche ein und Leute von Rang und Namen vergaßen und betranken sich zuweilen bis zur Besinnungslosigkeit. Aber Tradition war nunmal Tradition.
Es gab Brot zu Essen, irgendwelche gebratenen Vögel, von denen Avitus hoffte, dass es Hühnchen waren - dies aber stark bezweifelte - dazu etwas Obst, Gemüse und Wein, dass er bei den Händlern, die den Truppen wie ein Schatten folgten, erworben hatte. Keine großen Variationen, hier draussen konnte man sich derlei nicht leisten, aber das Essen war besser, als sonst.
Ein Mann trat hinzu.
"Salve, primipilus"
sagte er. Avitus erhob sich.
"Salve comilitones. Bona Saturnalia..."
Er ahnte, um wenn es sich bei den Besuchern handelte. Der Mann erwiederte die Begrüßung nicht wörtlich, nickte nur leicht.
"Es ist so weit, primipilus. Du wirst erwartet"
Avitus blickte zu den Speisenden.
"Lasst euch nicht stören"
sagte er. Dann wandte er sich an den Ankömmling.
"Na dann los"
sagte er, warf sich das Sagum über und folgte dem Mann nach draussen.
Gülden schien das warme Lagerfeuer in dem markanten Gesichtes des Soldaten, der auf den ersten Speer der Prima wartete. Das Leben als Soldat hatte ihn gezeichnet, eine Narbe am Kinn, die tiefen Falten eines harten Arbeitstages und das schon seit mehr als zwanzig Jahren, der sehnige Körper, der nicht mehr die Frische der Jugend offenbarte, er war ein älterer Soldat und hatte außer seinen Mitsoldaten keine Familie mehr. Das Rascheln des Zeltes hinter ihm, leise Schritte auf dem sandigen Boden erweckten die Aufmerksamkeit des Mannes, der das Zuhören gelernt hatte in seinem Leben, das Achten auf die zahllosen Geräusche in einem fremden und manchmal feindseligen Land. Er hob seine umschattenden Augen an und erblickte den centurio. Seine dunkle paenula hielt er um sich geschlungen, erst als Avitus näher trat, löste sich Titus von dem Lagerfeuer und der wohltuenden Wärme.
„Zum Gruße, primus pilus!“
Ein Nicken, ein kurzes Warten, bis Avitus aufgeschlossen hatte, dann wandte sich der Soldat um und ging durch die Zeltreihen hindurch, zurück zum Tor. Es ergaben sich keine größeren Schwierigkeiten das Lager zu verlassen.
Fröhlich tanzten die Flammen des Fackellichts in der kalten Nacht, ein eisiger Windhauch strich über die Palisaden, brach sich an all den pila, die in den Boden gerammt worden waren und ihren Schutz gegen Feinde aus der Nacht bildeten, nebst einem tief geschaufelten Graben, der das Lager umzog. Marcus Flavius Aristides stand - mitsamt des zweiten Soldaten - vor dem Tor, einen dunklen, wollenen Umhang über seine Schultern geworfen, nur seinen pugio an der Seite, wie ihn der Soldat, der ihm in jener Nacht von seinem Zelt abgeholt hatte, gesagt hatte; weiß zog sein Atem von seinem Mund hinfort, derart kalt war es in dieser Nacht geworden und doch verharrte er still und in sich versunken. Etwas an der Art, des Mannes, der ihn geholt hatte, ließ Marcus in eine abgeklärte Stimmung verfallen, wenn er auch durchaus gespannt war, was ihnen bevor stand. Marcus hörte Schritte, die durch das Tor kamen und hob den Blick von dem kargen Boden, auf dem vergilbtes, trockenes Gras wuchs. Mit einem marginalen Blinzeln erkannte er den ersten Zenturio der Legion, Marcus nickte ihm zum Gruße zu.
„Salve, centurio! Dann bist Du auch zu dem Fest eingeladen worden? Gehörst Du...auch zu der Bruderschaft?“
Marcus warf einen schnellen Blick hinter Avitus, aber scheinbar waren nicht noch mehr Männer von der Prima eingeladen worden, oder sie folgten auf anderen Wegen, scheinbar war Geheimhaltung ein wichtiges Element dieses Brauchtums in jener Nacht; mitunter ein Grund, warum es Marcus umso mehr lockte, selbst wenn Wissbegierde oder Neugier gewiss nicht zu seinen Stärken gehörte und er lieber die Dinge hin nahmen, wie sie kamen. Der Soldat Titus Patrobius Abicer grüßte auch Aristides mit einem leisen Salve. Auf dem Gestein, das von dem Licht der Fackeln erhellt wurde, glitzerte der Frost der Nacht, es schien als ob die Götter tausende Bruchteil eines großen Diamanten verstreut hätten, Edelsteinstaub, der sich überall nieder gelegt hatte.
„Wenn ihr es euch nicht anders überlegt habt, centuriones, müssen wir noch ein Stück zu den Anderen laufen. Ohne Fackeln, es ist zu gefährlich in der Nacht. Seid ihr bereit?“
Marcus dachte nicht lange nach, das lag ebenso wenig in seinem Naturell, darum nickte er knapp.
Avitus war dem Soldaten gefolgt. Schweigsam, ohne Worte zu verlieren. Etwas überrascht war er, als er erkannte, dass Aristides ebenfalls eingeladen wurde. Ausgerechnet der.
"Salve et tu, centurio"
grüßte er leise zurück.... ausgerechnet der.
"Nein, ich gehöre nicht dazu. Habe die seltene Ehre, als Gast beizuwohnen"
sagte er. Aus der Art, wie Aristides die Frage formulierte, schloss Avitus, dass dieser der Bruderschaft angehörte. Ganz sicher war er sich nicht, aber die Gelegenheit nachzufragen bekam er nicht, denn schon lud der Soldat sie beide ein, ein Stück zu laufen. Also doch kein Mitglied der Bruderschaft... Die Frage, ob sie bereit seien, beantwortete Avitus mit einem knappen Nicken.
Die genagelten Stiefel traten über den trockenen Boden hinweg, dunkel fielen die Schatten der Berge auf sie herab, raubten jedes Licht von den Sternen und schien sie hungrig und gierig auffressen zu wollen. Ein Schakal heulte in der Ferne, sein markerschütterndes Kläffen schlug gegen Felswände, wurde an Gestein wieder geworfen und hallte in einem langen Echo nach. Dunkle Schatten glitten huschend an dem Bergkamm über ihnen entlang, vierbeinige Tiere. Soldatenfüße traten über den sandigen Boden, der Boden erschütterte an der Stelle und hastig kroch ein schwarzes Gliedertier – ein Skorpion - unter den schützenden Stein zurück, von dem er bei Anbruch der Nacht heraus gekrochen war. Nachdem die Sonne entschwunden und seinen dunklen Körper nicht mehr mit der strahlenden Hitze versengen konnte: Die Tiere der Dunkelheit nahmen ihr Reich in Anspruch.
Schweigend war Marcus den beiden Soldaten gefolgt. Ein oder zwei Mal war Marcus versucht, das Wort an Avitus zu richten, zu fragen, ob er wüßte, was ihnen bevor stand, doch das Schweigen der zwei anderen Soldaten hemmte Marcus in ungewohnter Weise. Der Fluß rauschte in ihrer Nähe. Das Sternlicht brach sich auf den dunklen Fluten, die wilden Wellen, die die Strömung hervor rief, zerbrach es, zerschmetterte die Reflexion und saugte das helle Licht in die dunklen Tiefen. Auch hier zeigte sich der Kampf jener Nacht. Dunkle Silhouetten zeichneten sich vor dem Wasser ab, am Ufer standen einige Männer versammelt, schweigend und in einer Runde, sie wandten sich um, als die letzten Männer eintrafen, mitsamt der beiden Gäste jener Nacht. Kein Fackellicht erhellte den Treffpunkt der Männer, nur das Glimmen der Sterne barg ein wenig Schimmer, damit man die Profile der Soldaten erkennen konnte. Ein älterer Mann trat in die Mitte des Kreises, der sich bildete. Das schimmernde Licht erhellte sein weißes Haar, das kurz geschnitten war. Sonor klang die Stimme über das Brausen des Flußes hinweg.
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„Es ist die Nacht, die das Ende der Dunkelheit bedeutet. Es ist der Beginn des Lichtes, das uns zu erlösen vermag, Brüder. Ein großer Gott wird heute Nacht geboren. Wir werden Teil dieser göttlichen Erfahrung.“
Schweigend vernahmen die Männer die Worte des Älteren. Der sich zu Avitus und Aristides um wandte.
„Zwei Männer begrüßen wir heute als unsere Gäste. Sofern sie einwilligen.“
Er sieht ernst zu den Gästen.
„Einwilligen, niemandem über die Mysterien zu berichten, die sie heute Nacht sehen dürfen. Wenn sie den Schwur leisten, die Geheimnisse unserer Feier in ihrem Herzen zu verschließen. Mit niemandem darüber sprechen, außer mit jenen Männern, die Teil dieses Festes waren. Auf ihre Ehre und ihre Treue gegenüber den Göttern.“
Der Mann trat näher an Avitus heran, das Sternlicht offenbarte nur wenig von seinen Gesichtszügen, doch er hatte vage Ähnlichkeit mit einem der Tribuni der XII.
„Salve, ich bin Quintus Satensus aus dem Geschlecht der Cornelier. Bist Du bereit, das Geheimnis bis zu dem Tag Deines Todes für Dich zu behalten? Bis zum letzten Atemzug, Lucius Avitus aus dem Geschlecht der Artorier? Würdest Du das mit einem Schwur bekräftigen? So es sei, spreche mir nun nach.“
Viele Augen waren in dem Augenblick auf Avitus gerichtet, in Erwartung seines Handelns und seiner Erwiderung.
„Im Namen des Gottes, der die Erde vom Himmel geschieden hat, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, die Welt vom Chaos, das Leben vom Tod und das Werden vom Vergehen, schwöre ich nach bestem Wissen und Gewissen, die Mysterien geheim zu halten, die mir heute zuteil werden durch durch die sieben Weihegrade der Bruderschaft. Treu meinem Eid hoffe ich, daß es mir wohl ergehe; aber ich schwöre auch, daß mich Strafe treffen möge, wenn ich zum Verräter werde!“
Langsam sprach der Soldat den Schwur, sodann verstummte er, auf daß Avitus seine Entscheidung wohl überlegen und verkünden konnte.
ZitatOriginal von Marcus Flavius Aristides
„Im Namen des Gottes, der die Erde vom Himmel geschieden hat, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, die Welt vom Chaos, das Leben vom Tod und das Werden vom Vergehen, schwöre ich nach bestem Wissen und Gewissen, die Mysterien geheim zu halten, die mir heute zuteil werden durch durch die sieben Weihegrade der Bruderschaft. Treu meinem Eid hoffe ich, daß es mir wohl ergehe; aber ich schwöre auch, daß mich Strafe treffen möge, wenn ich zum Verräter werde!“
Die auf ihn gerichteten Blicke konnte Avitus geradezu spüren, wenn auch nicht sehen. Er holte tief Luft.
Im Namen des Gottes, der die Erde vom Himmel geschieden hat, das Licht von der Finsternis, den Tag von der Nacht, die Welt vom Chaos, das Leben vom Tod und das Werden vom Vergehen...
Das war schon etwas, was man sich gut überlegen musste, wenn man schwor, über etwas bis an sein Lebensende zu schweigen. Bis an sein Lebensende... andererseits, noch so eine Schlacht wie die letzte und so lang würde die Zeit dann schon nicht sein.
"... schwöre ich nach bestem Wissen und Gewissen, die Mysterien geheim zu halten, die mir heute zuteil werden durch durch die sieben Weihegrade der Bruderschaft"
Avitus war gespannt, welche Mysterien und welches - wie der man es nannte - Wissen ihm heute Nacht zuteil werden würde. Worauf hatte er sich bloß eingelassen. Aber ein Zurück war undenkbar.
"Treu meinem Eid hoffe ich, daß es mir wohl ergehe; aber ich schwöre auch, daß mich Strafe treffen möge, wenn ich zum Verräter werde!"
sprach er die Formel zu Ende. Blieb zu hoffen, dass Avitus nie in einen Konflikt geriet, der ihn in die Notwendigkeit einer Entscheidung zwischen zwei Schwüren treiben würde. Zwischen dem an die Legion und Kaiser und dem, den er heute Nacht der Bruderschaft schwor.
Der Wind wehklagte zwischen den hohen Hängen, streifte unablässig über das Geröll, peitschte gegen Steinmonolithen und trockenes Gebüsch, daß sich im Winde wiegte und stumm dem Zorn der Windgeister nachgab. Die Wellen auf dem Fluße wurden heftiger, wogten hin und her, brandeten gegen des Flußbett und tränkte die Erde mit dem kalten Naß. In einer stummen Prozession marschierten die Männer am Ufer des Flußes entlang, nicht bedrückt, selbst wenn viele widrige Ereignisse hinter den Männern lagen und sie bittere Stunden erlebt hatten, sie waren mehr von dem erwartungsvollen Ernst der bevorstehenden Feierlichkeit bewegt. Schroff war der Hang, der an dieser Stelle bis zum Fluß hinunter ragte, gegen daß das Wasser in einer Flußbiegung mit aller Kraft stieß und mit der Zeit immer mehr von dem Felsgestein raubt und mit den Fluten mit sich riß. Am Fuße des Flußes blieb Quintus Cornelius stehen, dann trat er direkt auf den Felsen zu und schien mit dem Gestein eins zu werden, verschluckt wurde seine Gestalt. Verwundert blieb Marcus am Flußufer stehen, der ebenso feierlich den Eid gesprochen hatte und weit weniger Zweifel hegte, ob damit ein Eid den Anderen in den Schwanz biß – wie Aristides es wohl gesagt hätte. Feierlich waren die Worte von seinen Lippen gekommen, wenn er auch Schützenhilfe und erneutes Soufflieren brauchte beim Ablegen des Schwures- was ihn jedoch enttarnte als der zweite Gast der Nacht. Doch die Soldaten und die Bruderschaft waren zufrieden gewesen und Quintus Cornelius hatte ihnen mit einem freundlichen Kopfneigen gedeutet, ihm zu folgen.
Ein weiterer Soldat wurde von dem Felsen verschluckt und noch einer und dann ein Mann, der keinerlei Soldatenkleidung trug, aber genauso geschwind im Felsen verschwand. Geistern oder Zauberern gleichend, was Marcus stutzen ließ. Einige Wolkenschlieren zogen sich zurück und das wenige Sternenlicht illuminierte die Landschaft, glitt mit dem silbernen Glanz auch über die Felsen hinweg und Marcus meinte einen Augenblick einen dunklen Riss im Felsgestein zu erkennen, dort wohin die Männer verschwunden waren. Ein marginales Lächeln huschte über Marcus Lippen, der sich einen Narren nannte, kurz zu Avitus spähte und dann ebenfalls auf die Felsen zu trat. Seine Finger tasteten über rauhen Stein, dann fühlte er die Öffnung im Fels, durch die er sich hindurch pressen konnte. Ein Ächzen entrann seiner Kehle, denn für seinen nicht gerade schlanken Leibesumfang war die Spalte- die sich erst ab seinen Hüften stark verbreitete -eine kleine Herausforderung, doch schließlich war er hindurch, strich eine Stoffplane zur Seite und weitete verblüfft die Augen.
Eine natürlich geformte Höhle breitete sich vor seinen Füßen aus, im Ausmaß eines prunkvollen atrium nicht unähnlich, daß die villa Flavia in Rom beherbergte. Große Kohleschalen standen am Rande der Höhle und glommen still und nur leise knisternd vor sich her, angenehme Wärme zog von den rot glühenden Kohlestücken in den Raum und wurde gefangen von dem Vorhang, der den Felseingang schützte. Für Licht wurde durch zahlreiche Ölgefäße gesorgt, die teils an Lampenständer hingen, andere in Nischen ruhten und Flammenzungen aus ihren Öffnungen streckten, die ein warm goldenes Licht auf die Männer warfen und die Felsnischen, die Steinformationen auf denen teilweise Felle ausgebreitet waren, damit man sich dort nieder legen konnte, wie auf Klinen. Am Ende der Höhle stand ein viereckiges Gebilde aus Holz, das teilweise mit Steinplatten bedeckt war, in denen Reliefs zu erkennen waren, in der Vorderfront ein Stein, aus dem sich eine Gestalt befreit und von Sonnenstrahlen umfangen wird. Links und rechts flankieren zwei Statuen den Altar, zwei Gestalten mit gekreuzten Beinen und einer lässigen Haltung, die beide Fackeln tragen. Nur trägt der Eine die Fackel nach oben, der Andere richtet sich nach unten.
Die Soldaten in der Höhle griffen nach roten Umhängen, die sich sich anzogen, manche hatten bereits große Masken ergriffen, die lebensecht und mit Fellen oder Federn Tiere oder mit goldenen und bunten Farben Gestalten nachahmten. Ein Soldat zog sich die Maske eines Löwens über den Kopf, der eine leuchtend goldene Mähne hatte und ein weit aufgerissenes Maul, nur die Augen des Mithrasten zeigte sich noch hinter der Maske. Quintus Cornelius hatte eine Maske mit mehr menschlichen Zügen in der Hand, aber dazu eine phrygische Mütze. An die beiden Gäste wurden ebenfalls zwei Masken mit verteilt, sie waren mit schwarzen Federn geschmückt und hatten einen langen, gelben Schnabel, es waren Rabenmasken. Noch während die Männer sich bereit machten, kreiste ein großer Pokal aus Gold und Silber, der mit einem würzigen Wein gefüllt war, leicht angewärmt, um die Kälte aus den Knochen zu vertreiben, gemischt mit ein wenig von dem parthischen Haoma, den man in diesem Lande bedeutend einfacher als in Rom erhielt. Marcus griff nach einem der roten Umhänge und begann ihn zu entfalten, drehte ihn herum und dachte länger nach, wie er den überstreifen sollte, denn offensichtlich war er kein einfacher Überwurf, schnell spähte Marcus zu Avitus um zu sehen, wie er das wohl machte. Dabei hörte er den Cornelier erneut sprechen.
„Brüder! Wir beginnen heute Nacht das Fest mit den Mysterien. Danach das Opfer und anschließend werden wir uns dem gemeinsamen Mahl ergeben. Ich weiß, es liegt euch viel auf der Zunge, aber wir werden uns beim Mahle austauschen.“
Der Cornelier sah zu den Gästen.
"Möchte mir jemand von euch Beiden vielleicht beim Opfer behilflich sein?"
Fast hätte Avitus den Flavier durch den Spalt in dem Felsen geschubst, um dem Mann etwas zu helfen. Wenn sie das hier, also den Krieg überstehen sollten, würde er wohl dafür sorgen müssen, dass die Centurionen sich etwas mehr bewegten. War ja nicht mehr mit anzusehen, wie 'vollschlank' manch einer dank dem bequemen Leben in ihren Reihen geworden war. Aber das war nicht dringend und so ersparte er sich auch ein Kommentar oder irgendeine bissige Bemerkung. Irgendwie verstand es Avitus selbst nicht, warum er in letzter Zeit etwas gegen den Flavier zu haben schien. Er focht gut, von seiner Einheit war nichts schlechtes gemeldet worden... vermutlich, weil er sich so viel anders entwickelt hatte, als Avitus als sein ehemaliger Ausbilder gehofft und erwartet hatte. Vermutlich, weil er so streng sein musste, um seinen Nachfolger auf den Rang des Primipilus nicht spüren zu lassen, dass es keine Selbstverständlichkeit war. Oder traute er ihm das gar nicht zu? Doch, eigentlich schon, aber darüber hatte er eh nicht zu entscheiden, das war allein Sache des Kaisers und des Legatus. Von sich aus konnte Avitus nicht einmal eine Empfehlung in diese Richtung aussprechen.
Wie auch immer, er schlüpfte durch den Spalt, was ihm nicht nur aufgrund seiner schlankeren Erscheinung, sondern auch seines etwas jüngeren Alters deutlich leichter gefallen war, als Aristides, und sah sich um. Das, was seine Augen sahen, war schon erstaunlich. Er fragte sich, wie um alles in der Welt diese Brüder das hier organisieren konnten. So eine Höhle rein zufällig zu finden und sie mit einer Art Altar auszustatten war nwahrscheinlich. Kannten sie diesen Ort gar? Avitus warf sich, ohne lange zu überlegen, den Umhang über und blickte zu Aristides, der ihn etwas ratlos anblickte. Avitus zuckte mit den Schultern, nach dem Motto 'einfach irgendwie umwerfen, zerbrich dir da bloß nicht den Kopf'. Auf die Frage, ob jemand beim Opfer behilflich sein wolle, schwieg der Artorier. Bestimmt gab es irgendwelche komplizierten Rituale und Normen zu bedenken und er als ahnungsloser Gast wollte nichts ruinieren und überließ das lieber einem der 'Brüder', warf aber einen Blick zu Aristides, um zu sehen, ob der sich vielleicht meldete.
Die Kohle glomm, die Lichter flackerten, die Höhle wurde von Schatten, aber auch dem goldenen Schein erfüllt. Ein leises Raunen füllte den natürlich erschaffenen Tempel des Mithras, als sich drei Männer unter den Masken leise unterhielten und dann abwandten, um ihre Plätze an der Seite einzunehmen. Sie sanken herab auf die Felle und Decken, die die Männer vor der Kälte des Steines schützte, das niemals das Licht der Sonne erblickt hatte. Sorgsam drehte Marcus den Umhang in seinen Händen hin und her, faltete es nach Rechts, suchte danach, ob es wie eine toga zu legen wäre, dann zuckte er mit der Schulter, sah, daß sich Avitus es wohl eindeutig nicht so kompliziert machte. Marcus warf sich den Umhang über und griff nach der Maske, die man ihnen gereicht hatte. Seine Finger strichen über die glänzenden schwarzen Federn hinweg, den dunkelroten Stoff an der Seite, mit dem man die Maske befestigen konnte, den goldglänzenden gebogenen Schnabel, Marcus sah auf und erheischte in dem Herzschlag den Blick seines primus pilus. Fragend sah Marcus zu ihm, bis ihm einfiel, daß der Cornelier ihnen die Frage nach dem Opfer stellte. Marcus hatte schon das ein oder andere Mal ein Opfer geleitet, viele Male dabei geholfen, aber hier und in dem Moment, mit der Rabenmaske in der Hand, fühlte er sich auf gänzlich neuem Terrain, schnell hob Marcus die Maske an, um es den Anderen gleich zu machen und hinter der Maske zu verschwinden. Um die Mundwinkel des Corneliers zuckte es als er das Zögern bemerkte. Er wandte sich Avitus zu – dem er es wohl eindeutig eher zutraute die Aufgabe zu übernehmen.
„Es wäre mir eine Ehre, solltest Du Dich später dazu bereit fühlen, Lucius Avitus aus dem Geschlecht der Artorier!“
Die Schritte des Corneliers hallten in der Höhle wieder als er sich dem Altar zuwandte, sein Gewand raschelte leise und er hielt die Maske mit den menschlichen, aber verfremdeten Gesichtszügen in seiner Hand. Ruhig stand der Soldat in der Mitte des Miträums, die Fackeln flackerten an den Seiten als noch ein letzter Soldat durch die schmale Lücke im Felsen trat. Erst als der letzte Mann einen Umhang übergestreift hatte, löste sich der Cornelier aus der Starre heraus.
„Brüder. Es ist die Nacht, bevor der Strahlende geboren wurde. Die Finsternis obsiegt in diesem Moment. Aber ein Leuchten wird erscheinen!“
Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin erhoben sich einige Männer und griffen nach den Fackeln, drehten sie um und erstickten die Flammen in dem erdig-steinigen Untergrund. Das Licht verschwand mit einem Male, nur das milde Glimmen der Kohlebecken blieb zurück, die mehr Wärme als Helligkeit erzeugten. Marcus blieb eine Moment stehen als alles um ihn herum dunkel wurde, dann sank er schnell auf einer der freien klinenähnlichen Plätze an einem Steinsims, wobei er die Maske zurecht rückte um zwischen den beiden Spalten im Gefieder nach vorne zu starren.
Avitus nickte.
Offenbar bedeutete es eine große Ehre nicht nur für den Cornelier, sondern auch für denjenigen, der beim Opfer behilflich sein musste. Avitus wusste zwar immer noch nicht genau, worum es hier wirklich ging, wem gehuldigt Und überhaupt erschien es ihm seltsam, dass die Brüder offenbar nur einen Gott verehrten. Oder doch nicht. Avitus wusste nicht, ob ihr Gott weitere neben sich duldete und sich nicht so arrogant und stur stellte, wie dieser lächerliche Christengott. Allmächtig... Klar, deswegen hatte er auch zugelassen, dass Nero seine Anhänger zu Dutzenden, gar zu Hunderten und Tausenden in den Tod schickte.
Er hoffte selbst, er würde später dazu bereit sein, beim Opfer zu assestieren. Und niemand soll behaupten können, dass Artorius Avitus, der Primus Pilus der Ersten Legion sich davor gedrückt hatte, weil er sich einer Sache nicht ganz siche war. Und das auch noch vor den Augen des Flaviers.
Dann sprach der Cornelier weiter, das Licht wurde erloschen. Gespannt der Dinge, die da noch kommen würden, blickte Avitus nach vorne.
sorry für die lange wartezeit
Leise raschelte es in einer Ecke der Höhle, die von einem empor strebenden und mittlerweile ausgetrockneten Stalagmiten verdeckt wurde. Der Cornelier trat einige Schritte zurück und der Schatten verschluckte ihn. Einige der Männer, die sich ebenfalls auf den Lagern nieder gestreckt hatten, raschelten leise mit ihren Gewändern oder den Masken, die sie sich mit Leder oder Stoffbändern am Haupte befestigten. Es knackste leise, wenn einer der Kohlestücke in den großen Pfannen von der Hitze gebrochen wurde. Ein seltsames Summen breitete sich in der Höhle aus - waren es menschliche Stimmen oder eine Flöte?- tief und sonor war der Klang jedoch. In den tiefen Ton mischte sich eine männliche Stimme aus der Dunkelheit, es war nicht die Stimme des Corneliers, aber sie klang melodiös und harmonisch, die Worte waren klar formuliert und in einem geschwungenen Latein, der höchstens einen Hauch eines griechischen Akzentes an sich trug.
„Mithrakana!
Am Anfang stand die Finsternis, die Dunkelheit hielt die Welt umgriffen, die Hoffnung war verloren gegangen, doch in jener endlosen Nacht, kam er.
Mithrakana! Aus dem Stein wart er geboren!“
Ein goldenes Licht erstrahlte hinter dem viereckigen Altarbild, es schimmerte um den Stein herum, einem goldenen Kranz nicht unähnlich. Eine Gestalt erhob sich hinter dem Altarbild, fast als ob er durch den Stein brechen würde. Er trug einen langen goldroten Mantel, eine Maske mit menschlichen Zügen - die eines Jünglings - und eine phrygische Mütze. Der güldene Schimmer strahlte um die Gestalt wie einen Heiligenschein. Sie hob die Arme an, wie Flügel breitete sich der rote Umhang aus, das Licht schien durch den Stoff dringen zu wollen, verlieh ihm jedoch nur ein sattes Glänzen.
„Seht. Mithras. Der Herr über das Licht und das Gute.“
Einige Männer raunten leise und ehrfürchtig, als ob Mithras unter ihnen sei.
„Mithras, sei Willkommen!“
Erneut kreiste der Becher in der Runde herum, gefüllt mit dem schweren Wein, der ein wenig von dem berühmt berüchtigten Haoma – dessen Wurzeln der parthischen Erde entstammte- enthielt. Das Licht umstrahlte die Mithrasgestalt noch einige Herzschläge, während er vor den Altar trat, die Arme immer noch ausgestreckt.
„Mithras ward geboren und die Finsternis wurde zurück gedrängt.“
Marcus, der sich auf eine der Felle gesetzt hatte, betrachtete stumm die Erscheinung des Gottes. Der Haoma - den er eingangs zu sich genommen hatte - pulsierte bereits durch sein Blut, umfing ihn angenehm, schließlich hatte Marcus einige Wochen lang Haoma und Mohn zu sich genommen, als er verletzt war. Marcus griff nach dem Becher, den ihm ein unbekannter Soldat reichte, und setzte ihn an seine Lippen, natürlich erschmeckte er den bekannten, marginalen Hauch von Haoma - er kannte ihn bereits sehr gut - und trank einige Schlücke, ehe er - beide Hände um den schweren goldsilbernen Pokal - diesen an Avitus weiter reichte, damit auch er in den Genuß jenes Elexiers kam.
Gespannt verfolgte Avitus die Zeremonie, die die Milites vollzogen und die offenbar die Geburt eines Helden oder eines Gottes feierte. Anscheinend glaubten die Anhänger dieses... wie nannte die Stimme ihn? ... dieses Mithras, dass es mal eine Dunkelheit gab, die für das Böse stand, für das Üble. Und dann kam ein Gott, aus dem Stein geboren und verdrängte sie. Was Avitus nicht ganz klar wurde, war, ob die Männer einzig an diesen Gott glaubten oder andere Götter neben sich duldeten. Im Krieg, ganz besonders im Krieg, war es vielleicht nicht klug, Iuppiter, unter dessen Adler sie marschierten, und Mars, der ihnen Erfolg bescheren sollte, zu verleugnen.
Avitus nahm den Becher. Am liebsten hätte er die Zeremonie unterbrochen, um die Fragen, die ihn hier beschäftigte, auch zu stellen, aber das wäre wohl keine gute Idee. Er trank einen Schluck und stellte überrascht fest, dass der Wein einen angenehmen Geschmack hatte. Er nahm einen weiteren Schluck und reichte den Pokal weiter...
Fröhlich erscholl die Musik durch die Höhle, froh jauchzend, daß ein Gott geboren wurde. Eine Lichtgestalt, die die Welt von dem Dunklen und Bösen befreite, wenigstens für eine Zeit, die stets wieder kehrte. Der Klang der Flöte hob sich bei jedem Schritt noch ein wenig mehr in die Höhe, den der Gott um den Altar herum machte. Hinter dem hölzernen Altar, den die Soldaten auch auf dem Kriegszug mitnehmen konnten, zog er einen geschwungenen Bogen hervor. Schritt für Schritt trat die Gottesgestalt auf die Mitte der Höhle zu, vorbei an einigen Männern, die am Rande lagen und gerade, mit ihren Masken auf dem Gesicht. Die Gestalt sah sich in der Höhle suchend um.
„Geboren ward Mithras. Doch noch schwach. Es dürstete, es hungerte ihn! So geschah das erste Wunder durch die Hand des Gottes Mithras!“
Mithras hob den Bogen und zielte auf etwas hinter dem Altar. Bauschige Tücher, fahl weiß, waren dort um etwas Rundes gebunden. Ein Pfeil löste sich von der Sehne und schnellte durch die Luft. Zitternd blieb der Pfeil in den Tüchern stecken, die sich dunkler färbten, dann tröpfelte Wasser hervor.
„In der Wüste entsprang aus dem Stein das Wasser.
Oh Wunder, von Mithras Hand geschaffen, der den Pfeil auf den Stein schoß!“
Der Gott eilte stumm auf das Wasser zu und hielt einen Pokal darunter. Dann trank er davon.
„Und von dem Baum der Feige erhielt Mithras die Frucht der Unsterblichkeit!
So gestärkt konnte er auf die Jagd gehen.“
Und so geschah es dann auch. Der verkleidete Soldat, der den Mithras darstellte, der Cornelier wohl, pirschte durch die Höhle. Die Trommel schlug langsam und rhythmisch, wurde immer schneller bis aus einer Ecke der Höhle ein stampfendes Ungetüm erschien – insbesondere für all jene, die schon sehr dem Haomawein zugeneigt waren – wer noch mehr bei Sinnen war, konnte indes erkennen, daß unter einer weiteren Maskerade zwei Männer steckten, die den Ochsen mimten. Mithras umkreiste den Stier, der immer wieder mit seinen Hörnern nach dem Gott stieß, doch dann konnte Mithras ihn an den Hörnern packen. Beide rangen miteinander, die Trommel schlug immer heftiger, bis der Stier irgendwann erschöpft aufgeben mußte. Da griff Mithras nach den Beinen des Stiers und zog ihn bis vor dem Altar, auf dessen Oberfläche ein Dolch lag.
„Mit seiner Kraft rang Mithras den Stier nieder.
Es widerstrebte ihm, das edle Tier zu töten.
Aber das Wunder der Heilung mußte die Welt erreichen!“
Mithras hob den Dolch. Er schien zu zögern, doch dann stieß er den Dolch herunter. Blut floß auf den Boden – oder war es doch mehr Wein? - der Stier bäumte sich auf und starb.
„Das Blut tränkte den Boden.
Seine Lebenskraft bachte das Leben auf Erden hervor.
Die Pflanzen wuchsen.
Die Kreaturen des Bösen suchten danach, in ihrer Niedertracht, das Wachsen der Samen zu verhindern.
Aber sie konnten das zweite Wunder nicht aufhalten.
Mithras, geboren aus dem Stein!“
Ein Raunen ging unter den Mithrasanhängern herum, wieder war der Name in aller Munde, wieder dankten sie dem Gott. Mithras trat in die Mitte des Raumes, hob die Arme und ging dann Schritt für Schritt zurück, bis ihn der Schatten aufnahm. Auch der Stier war verschwunden, scheinbar hatten die beiden Soldaten sich verdrückt, während die Stimme gesprochen hatte. Einige Herzschläge später kam der Cornelier wieder in den Lichtschein. Die Maske des Gottes hatte er abgenommen und trug nur den langen Umhang. Seine silbergrauen Haare waren etwas verschwitzt und klebten ihm an der Schläfe. Seine Brust hob und senkte sich etwas schneller und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Brüder! Heute ist ein freudiger Tag. Heute ist Mithras geboren worden. Ehren wir ihm, wie es sich gebührt, mit einem Opfer. Leider können wir unserem Gott keinen Stier opfern, wie wir es sonst tun, aber der Krieg läßt es nicht zu.“
Bedauernd sah der Cornelier in die Runde als ein Soldat das Opfertier heran führte. Einen Widder, dessen Fell weiß - wohl noch mehr geweißt als es die natürliche Farbe sein dürfte - und dessen Hörner rot bemalt waren, ebenso sein Hufen. Bis vor den Altar wurde das Tier geführt, während der Cornelier sich einen Moment umsah und schließlich Avitus erblickte, den er mit einer freundlichen Geste einlud, während er selber einen Schritt auf ihn zu machte.
„Möchtest Du den Dolch führen oder lieber die Hörner des Tieres halten, Artorius?“
Aufmerksam verfolgte Avitus die Zeremonie. Als die rituallen Formeln ausgesprochen wurden und das Ofertier hereingeführt wurde, trat er an den Altartisch. Sein Blick blieb einen Moment am Tier haften, ein Widder, ein, wie es der - Avitus wusste nicht recht, welchen Rang oder Titel der Priester des Mithras hatte - Cornelier ausdrückte falsches Tier, da man offenbar stets einen Stier opferte, da auch Mithras einen bezwang und tötete. Ob wohl der Gott Verständnis dafür hatte, dass man statt eines Stieres einen Widder nahm? Bestimmt, sie waren im Krieg, und da war halt hin und wieder Improvisation gefragt, was die genaueste Einhaltung irgendwelcher Vorgaben anging.
Avitus blickte zum Cornelier.
"Ich werde den Dolch führen"
sagte er entschlossen. Die Rolle des Victimarius fiel ihm damit zu. Nicht unwichtig, denn es war notwendig, das Opfertier möglichst sauber und professionell zu töten, um unnötige Fehler - und damit eine Wiederholung, für die es wahrscheinlich an einem Ersatztier mangelte - zu vermeiden. Und wenn Avitus als Soldat etwas konnte, dann war es ein Schwert oder ein Dolch zu führen.
Rot wie Blut wirkte die Farbe, die auf den Hörnern des Widders aufgebracht war, dessen gewundenes Horn sich unruhig hin und her bewegte, das Tier kämpfte gegen den Mann an, der es fest hielt und war wohl nicht betäubt, wie manche Priester es sonst mit ihren Opfertieren pflegten, damit sie den Moment der Opferung nicht ruinierten. Womöglich galten jedoch bei einer Opferung andere Regeln? Die Augen des Corneliers ruhten einige Herzschläge auf Avitus, dann nickte er mit großem Ernst und Zufriedenheit. Während ein anderer Soldat, der die Maske eines Rabens trug, dessen Federn blau schwarz im Licht einer Öllampe glänzte, die Hörner des Widders fest umpackte und ein Anderer – ebenfalls ein Rabe - die Hinterbeine ergriff. Der Cornelier drehte sich zu dem Altar herum und ergriff eine silberne Schale und einen geschwungenen Dolch, der der parthischen Machart nicht unähnlich war, was man in diesen Landen oft sah. Beide Gegenstände reichte er an Avitus weiter.
„Der Dolch für den Schnitt. Die Schale für das erste Blut.“
, fügte Cornelius Satensus erklärend an.
Dann wandte sich Satensus von Avitus ab und trat vor den Widder und vor den Altar. Mit einer Hand streifte er sich die Maske über, die das menschliche Gesicht darstellte – das eines Jünglings – und mit der phrygischen Mütze. Stille kehrte ein, nur unterbrochen von dem Blöcken des Widders, der sich weiter wehrte, dann jedoch aufgab und mit seinen dunklen Augen nach einer Gelegenheit zu suchen schien, aus zu büxen. Die Stimme von Satensus erhob sich in der Höhle und hallte von den Wänden wieder, geübt und wohlklingend war die Resonanz seiner Stimme. Sanft erhob sich der Klang der Flöte, die eine einfache, aber eindringliche Melodie von sich gab, aber unsichtbar für die Augen blieb.
„Der Ursprung des Ursprungs, Urgrund des ersten Urgrundes, der Du den Ursprung unseres Ursprungs bist, den Hauch in den Erstling geatmet hast, das Feuer in das Urwasser gebracht, den vollkommenen Leib aus dem Erdstoff geformt, gebildet von einem erhabenen Arm und einer unvergleichlichen Rechten, in die lichtlose und die lichtdurchstrahlte Welt hinein. Dein heiliges Feuer erstrahlt jeden Morgen und beglückt uns. Dein lebenserzeugender Äther umfängt uns, deine unsterblichen Augen erblicken wir, in Deinem unsterblichen Feuer, oh Mithras, der Du geboren wurdest aus einem menschlichen Leib und aufgestiegen bist in die Unsterblichkeit. Dich vertrauen wir uns an, Lichtbringer, Heilsbringer, denn wir sind Deine Söhne, oh Mithras!“
Einige Stimmen murmelten wieder beifällig und raunten ehrfürchtig den Namen oder: Dein Sohn bin ich! Satensus pausierte nur einige wenige Herzschläge, ließ die Ruhe wirken. Die Flöte jubilierte in einem fröhlichen Trillern, senkte dann jedoch wieder die Tonhöhe und kehrte zu der simplen Melodei zurück.
„Möge das Blut fließen für Dich, oh Mithras, wie einst der Stier sein edles Blut gegeben hat, um Dir Unsterblichkeit zu verleihen und uns das Licht an den Himmel zu tragen, damit Dein feuriger Kranze uns Leben spendet. Wir danken Dir, oh Mithras, für das göttliche Geschenk und wir vertrauen uns Dir erneut an.“
Satensus wandte sich langsam um, seine Augen hinter der Maske richteten sich auf das Opfertier.
„Möge sein Blut fließen zu Ehren des Mithras! Mögen wir, oh Brüder, die Ankunft eines Gottes damit krönen.“
Kein Agone, kein Age, aber ein Zeichen von dem Cornelier mit einem marginalen Neigen seines Kopfes in Richtung von Avitus. Doch das war gewiß kein Opfer nach römischen Riten. Der andere Rabensoldat ergriff fest die Widderhörner, damit sich das Tier nicht in letzter Sekunde aus dem Staub machte oder eine Opferung vereitelte und alle Blicke richteten sich auf Avitus, der den tödlichen Schnitt ansetzen sollte. Eine Trommel schlug im Hintergrund, langsam und im Takt mit der Flöte, die dem Opfer entgegen zu fiebern schien.
Avitus nahm die Klinge und die Schale entgegen, nickte dabei leicht.
"Ich verstehe"
sagte er und verharrte dann, während der Cornelier die Gebetsformel sprach. Irgendwie war es schon erstaunlich, dass man einen Gott, der für das Gute und das Licht stand, mitten in der Nacht in einer engen und schwach beleuchteten Höhle zelebrierte. Wäre es Tag gewesen, hätte Avitus damit gerechnet, dass sie im Anschluß an die Opferung nach draussen treten würden, ins Sonnenlicht. Aber auch draussen herrschte Dunkelheit, einzig der schwache Mondschein und das Funkeln der Sterne war sichtbar.
Avitus wusste nicht recht, ob er vor dem Schnitt die Frage an den Cornelier stellen sollte, auf dass dieser ihm mit der Antwort erlaubte, fortzufahren und den Hals des Widders zu durchschneiden. Doch aus der Gebetsformel schloss er, dass dies nicht üblich war. Nun ja, andere Läner, andere Sitten. Als die Blicke auf ihn gerichtet wurden, merkte er, dass er an der Reihe war. Der andere Soldat packte das Tier bei den Hörnern, hielt es fest und Avitus legte die Klinge an den Hals des Tiers, hielt mit der anderen Hand die Schale bereit. Eine schnelle Bewegung folgte und im selben Moment floß das Blut. Avitus hielt die Schale hin, so wie der Cornelier gesagt hatte, um das erste Blut aufzufangen...
Dunkelrot spritzte das Blut hervor, aus dem Schnitt des Artoriers, eine Fontäne ergoß sich über Hände, über Gewänder und den Boden, aber auch in die Schale floß es, glitt über kühles Metall, um sich in der tiefsten Kuhle des Silberbleigemisches zu sammeln und eine rote Lache zu bilden. Unaufhörlich schien es aus dem Hals des Tieres zu sprudeln. Kein Blöcken und kein Laut kam von dem Tier, es stand einige Herzschläge ganz ruhig, dann brach es mit einem Mal zusammen, als die Beine einfach weg zu sacken schienen. Die Schale war mit reichlich Blut gefüllt. Doch noch mehr von dem roten Lebenodem floß noch über den steinernen Boden der Höhle, vermengte sich mit Steinstaub und Erdkrumen und bildete eine Lacke, die sich in einem langen Oval bis zum Rande des Altars hinzog und an dessen Sockelrand zu einer scharfen Gerade formte, gezwungen durch die Form des Holzes. Der Soldat, der eben noch den Widder an den Hörnern gehalten hatte, zog einen geschwungenen Dolch und beugte sich über den Widder. Mit einem schnellen Schnitt trennte er ihm die Hoden ab und legte sie in die Schale, die Avitus für das Auffangen des Blutes genutzt hatte.
„Allmächtiger Mithras, soli invicto, rupe nato, Ordnung der Welt, Träger des unsterblichen Lichtes und Beschützer der Menschheit, wir bringen Dir das Blut dieses Tieres dar, seine Kraft, auf daß es Dir zur weiteren Unsterblichkeit gereichen wird. Wir sind Deine Söhne! Wir danken Dir für Deine Gnade!“
Langsam sanken die Arme des Corneliers wieder herunter, als ob sich schwarze Flügel vor dem Lichte von goldenen Fackeln herunter neigten. Das Licht umrahmte ihn mit einem goldenen Schimmer. Mit einer Hand deutete Cornelius auf die Kohlepfanne, die neben dem Altar stand und einen düsteren roten Schein in die Höhle warf und die gemalten Gesichtszüge auf der Maske des Cornelius mit ein dunkelroten Glast belegte. Auch die nächsten Worte offenbarten, was der Cornelier mit der Gestik an Avitus meinte.
„Mögen die Gaben in der Hitze des Feuers aufgehen und der Rauch zu Dir steigen, oh Mithras!“
Avitus hielt die Schale hin, die sich mit dem Blut des Widders füllte, nachdem erdem Tier die Kehle durchgeschnitten hatte. Schnell füllte sich die Schale und Avitus trat einen Schritt zurück, während das Tier weiter blutete und damit den Boden tränkte. Er verstand die Gestik und den Spruch des Corneliers und befand es als derjenige, der die 'Gaben' den Flammen preisgeben sollte für nicht unangemessen, ihn zu wiederholen, ungeachtet der Tatsache, dass er bloß ein gast war bei dieser Zeremonie.
"Ich bin Lucius Artorius Avitus, Erster Speer der ersten Legion. Ich bin hier, weil mich diese Mäner eingeladen haben. Ich habe die Ehre, bei der Opferung mitwirken zu können. Mögen diese Gaben in der Hitze des Feuers aufgehen... und der Rauch zu dir steigen, Mithras"
sprach er, ohne die allzu unterwürfig angehauchte Form der Anrede - 'oh Mithras' - zu benutzen. Nicht, dass es ihm an Respekt und Ehrfurcht mangelte, ganz sicher nicht. Mithras schien ein mächtiger Gott zu sein, nicht umsonst ist er dem Stein entsprungen, hatte einen Stier erlegt und wurde von diesen Soldaten verehrt. Einem schwachen Gott würden ausgerechnet diese Männer wohl kaum huldigen. Dennoch war da die Frage, warum dies so heimlich geschehen musste. Aber das konnte beizeiten noch geklärt werden. Er kippte die Schale langsam und behutsam, um das Feuer nicht zu ersticken, und das Blut ergoss sich zischend in die Flammen. Dann, als die Schale geleert war, stellte er sie aufdem Altartisch ab und blickte zum Cornelier.
Ein Raunen erklang durch die Höhle, wurde von den Wänden aufgefangen und wieder zurück in die Höhle geworfen. Immer wieder mischten sich die Klänge der Flöte, das dumpfe Schlagen der Trommel mit dem Namen des Sonnengottes, der von den Soldaten der verschiedenen Einheiten und Kohorten angebetet und verehrt wurde, wie in jener Nacht, die die Längste des Jahres darstellte und den Anbeginn eines neuen Zyklus, in dem die Sonne immer mehr an Macht gewinnen würde und die Tage erhellen, auch in der Heimat selbiger Männer, die teils aus Italia kamen, manche aus Gallien, Britannia oder Germania. Doch vereinte sie alle der Glaube an den orientalischen Sonnengott. Mit Wohlgefallen verfolgten die Männer den Rauch, der aus dem Blute und dem Opfer aufstieg, um in der Dunkelheit der Höhle zu verschwinden, ihre Gebete und ihr Ansinnen zu dem Gott tragend, wie sie hofften. Der Cornelier neigte andeutungsweise den Kopf als sich Avitus wieder ihm zu wandte. Seine Miene offenbarte durchaus, das er sehr zufrieden war mit dem, was er gesehen und von Avitus gehört hatte. Auch murmelten einige der Männer in der Nähe beifällig. Der Cornelier wandte sich den anderen Mithrasanhängern zu.
„Brüder, der Segen Mithras wird uns für ein weiteres Jahr ereilen. Mögen wir uns Seiner weiterhin als würdig erweisen. Mögen wir aufrecht und ehrenhaft durch das Leben gehen und nicht vom Pfad abweichen, den wir durch die Lehren des Sonnengottes erhalten haben. Treue und Mut, Ehre und Ehrlichkeit!“
Zwei Soldaten hoben den Widder hoch und trugen diesen in eine Ecke der Höhle, die von den roten Kohlepfannen nicht erhellt wurde. Eine Fackel nach der Anderen wurde angezündet. Die düsteren Klänge der Trommeln verstummten und die Flöte spielte heller und klarer als zuvor.
„Brüder, möge das Mahl beginnen, auf das der Gott zu uns herunter steigt und uns das Licht in die Seele trägt. Ein neues Jahr hat begonnen!“
Und so geschah es dann auch. Speisen wurden herein getragen, von Sklaven, aber auch den Soldaten, und ebenso kräftiger Wein, der in tönernen Bechern den Mithrasanhängern kredenzt wurde. Zwei Gestalten traten an den Altar und legten sich auf zwei große Felle, die wie Löwen- oder Tigerfelle aussahen. Der Eine trug eine Maske mit einem großen Sonnenemblem, der andere – ähnlich wie der Cornelier – die Maske eines Jünglings und jene phrygische Mütze. Beide Gestalten taten so, als ob sie an dem Mahl teil hatten, wenngleich sie das Essen nur andeuteten. Jedoch wurden Beide besonders bevorzugt bedient und die besten Bissen wurden jenen Gestalten dar geboten.
„Greift zu, Brüder! Lasst uns feiern!“
Die Wenigsten der Soldaten ließen sich lange bitten, auch Aristides nicht, der die ganze Opferung aufmerksam und interessiert verfolgt hatte, und immer wieder zu den beiden Gestalten nun blickte, etwas ratlos, was das zu bedeuten hatte. Selbst wenn Marcus durchaus eine Ahnung verspürte, ähnliche Riten gab es schließlich auch im cultus deorum. Der Cornelier nahm auf einem Schaffell Platz, wo sich auch Avitus und Aristides am Anfang der Zeremonie hingelegt hatten. Einen Becher in der Hand und ein Stück Fleisch, das der Cornelier zu seinem Mund führte, nickte er Marcus zu und deutete noch einmal seine Anerkennung für Avitus wohl gesetzte Worte an.
„Gut gesprochen, Artorius!“
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