Am Schrein des Domitius

  • Es war ein Schrein von unzähligen in der Stadt, in einer unauffälligen Straße mit wenig Durchgangsverkehr, prächtig geschmückt mit bunten Kerzen und kleinen Öllampen, vielen Tonfiguren und Votiven - Dankesgaben für ausharrende Eheweiber. Das Abbild des Genius, in Tuffstein gehauen, jedoch war ein wenig verwittert, kaum verwunderlich, da kein Dach es von Wind und Wetter zu schützen vermochte. Es war dies ein Schrein des Domitius, jenes unscheinbaren Schutzgeistes, welcher dafür Sorge trug, dass Ehefrauen im Hause ihrer Ehemännern blieben - und damit gleichsam auch in der Ehe. Gracchus hatte allen Grund zur Sorge, dass der Segen des Domitius bezüglich seiner eigenen Gattin dringend notwendig war. Er stand vor einem überaus exorbitanten ehelichen Problem, doch Antonia wusste noch nicht darum, musste jedoch darum erfahren. Zögerlich biss Gracchus auf seiner Unterlippe herum, drehte gedankenverloren das Päckchen in seinen Händen. Schlussendlich wickelte er drei Opferkekse daraus hervor, atmete tief durch und wandte leise dem Gotte sich zu.
    "Domitius, gütiger Heilsbringer, ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titius Vespasianus, bitte um Deine Hilfe und Deinen Segen. Nimm diese Gabe, Domitius, wie es Dir zur Ehre gereicht, und mäßige den Zorn meiner Gattin Claudia Antonia, Tochter des Marcus Arbiter, welcher in ihr erwachsen mag ob der Worte, die ich gezwungen sein werde, an sie zu richten, und halte sie mir in meinem Hause. Domitius, gütiger Wächter über die Beständigkeit der Ehe, ich bitte um Deinen Segen ob unseres Bündnisses, auf dass nicht zerbrechen mag, was einst von den Götter begünstigt, auf dass mein Heim das ihre verbleiben mag. Dir, Domitius, will Dein hiesiges Heim ich erneuern, so Du Deine Gunst mir wirst gewähren, dies gelobe ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, Dir, gütigem Domitius."
    Als wären es Scheiben aus Gold legte Gracchus umsichtig und feierlich die Gebäckstücke auf dem Altar ab. Hernach zündete er eine Kerze an einer bereits brennenden Flamme an, ließ ein wenig ihres Wachses auf den steinernen Altar tropfen und befestigte sie darauf. Als er sich abwandte, den Sklaven zu, welche ein Stück die Straße hinab auf ihn warteten, hoffte er zutiefst, dass der Gott ihn erhört haben mochte, denn nicht nur seine Ehe war in Gefahr, mit ihr auch die gesamte Karriere, welche noch vor ihm liegen mochte.

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  • Viele Tage bereits waren in die Welt eingezogen und hatten sie wieder verlassen seitdem Gracchus am Schrein des Domitius sein Gelöbnis hatte geleistet, mehr als ein verzweifelter Ehemann war seit diesem Tage an jenem Ort erschienen, hatte ebenso den Genius um dessen Gunst gebeten, manch einer hatte Tage danach sich von den Göttern und seiner Ehefrau verlassen gesehen, manch anderem waren die einen wie die andere zugeneigt gewesen. Tage waren vergangen, ohne dass Gracchus den Schrein des Domitius hatte erneut aufgesucht, indes, er hatte nicht darum vergessen. Trotz all der bitteren Konsequenzen, welche sich aus dem Gespräch mit seiner Gattin Antonia hatten ergeben, hatte sie nicht ihn verlassen und hatte Gracchus darob noch am nächsten Tage die Arbeiten an einem neuen Bildnis des Genius in Auftrag gegeben. So kam es nun, dass einige Sklaven das alte, verwitterte Bildnis des Domitius aus Tuffstein vom Altar herab hoben und an seiner statt ein fein gearbeitetes, detailreiches Bildnis eben derselben Genius aus lunensischem Marmor auf ihm befestigten. Der Meister selbst überzeugte sich von der Ansehnlichkeit, bevor er den Platz räumte für jenen, welcher für seinen gefüllten Tisch über die nächsten Wochen hinweg hatte Sorge getragen. Denn kurze Zeit nach ihm fand Gracchus selbst sich ein, betrachtete zufrieden die kleine Inschrift an der Seite - V.S.L.M. M'.F.G. *-, verbrannte eine Hand voll Körner einer kostspieligen Räucherung und breitete die Arme zur Seite, die Handflächen zum trüben Himmel empor gewandt.
    "Domitius, gütiger Heilsbringer, ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titius Vespasianus, danke Dir für Deine Gunst, und erfülle, wie ich Dir gelobte, meine Pflicht gerne und verdientermaßen mit diesem Bildnis, wie Dir, Domitius, dies nach der Gabe Deiner Gunst zusteht."
    Er entzündete eine Kerze, befestigte diese mit einigen Tropfen ihres eigenen, goldgelbfarbenen Wachses am steinernden Altar und wandte sich hernach ab. Zumindest einige Götter waren noch ihm gewogen.



    *votum solvit lubens merito

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