In der Villa | Kein doppeltes Lottchen, aber zwei in einem? Oder: Die Ankunft einer neuen Sklavin

  • Idyllisch erstreckte sich die Straßen in dem Viertel, dass die Villa Flavia Felix von Rom beherbergte. Wohl gepflegte Häuser standen in den Straßen, leuchtende rote Dächer streckten sich hinter Mauern in den winterlichen Himmel, Baumkronen rauschten hinter den Bauten, manch ein paradiesischer Garten war hinter Tonsteinen verborgen, die mit weißem Kalk bestrichen waren. Tauben flatterten am Himmel entlang, sie schlugen mit ihren grau blauen Flügeln, der Vogelschwarm schwang sich wie ein Korpus durch die Luft, schlug einen Hacken, um in einer scharfen Wendung über ein prachtvolles Anwesen zu gleiten. Eine ziemlich hohe Mauer rankte sich um das Anwesen, dass mehrere Bauten, nebst dem großen Hauptkomplex, enthielt. Die Mauer war von eisernen Spitzen besetzt. Um Eindringlinge fern zu halten oder manch einen Bewohner in der Villa? Das konnte wohl nur der Flavier sagen, der das Anwesen erbaut hatte. Keine Wagen polterten durch die Straßen, es war am Tage verboten, einige Kinder tollten an der Mauer entlang und rauften sich eines kleinen Welpen wegen, den ein Mann am Morgen an einem Baum über den Tiber gebunden hatte und den die Kinder der Nachbarschaft gerettet hatten. Ihr Lärmen und Brüllen löste den Klamauk der Stadt und des Sklavenmarktes ab, untermalt von den Schritten der Sklaven, die zur Villa Flavia zurück kehrten, oder dort das erste Mal einkehrten. Dido rieb sich immer noch ihre Handgelenke, selbst wenn sie nicht mehr weh taten, so schmerzte die Erinnerung immer noch. Wegen der mahnenden Blicke von Hannibal schwieg Dido erst noch, wenn sie auch Asny immer mal wieder neugierige und gespannte Blicke zu warf. Sie folgte Hannibal durch das Tor hindurch und vorbei an einigen Eibenbüschen, die von dem Gärtner in Form geschnitten worden waren und auf ein massives Tor, dass von einem mit Statuen gesäumten Eingang umrahmt wurde. Hannibal klopfte, es wurde geöffnet und der Ianitor, der Sklave, der eigens für das Öffnen der Tür abgestellt worden war, ließ die drei Sklaven hinein, mit einem mürrischen Grummeln und einem abfälligen Kommentar, wie dieser es stets von sich gab. Dido sah ihn mit verengten Augen an und schritt eilends in den Fauces und das große Atrium hinein, ehe der Ianitor es sich anders überlegte und doch ihnen die Tür vor der Nase zu schlug. Was auch nicht schlimm wäre, dann müsste Dido nur um die Villa laufen und den eigentlichen Eingang für die Sklaven und das Fußvolk nutzen.


    Licht fiel in weichen Strahlen durch die Öffnung im Dache, dass das Atrium überspannte. Die Sonne spiegelte sich in dem Wasserbecken wieder. Das Wasserbecken befand sich in der Mitte des Atriums und war eine Vertiefung im Marmorboden. Wahrlich lieblich erblühten Wasserrosen in dem Becken, das noch, wie das Atrium überhaupt, von der kundigen Hand der Flavia Leontia geschmückt worden war. Marmorsäulen erhoben sich an der Seite, der Boden glänzte, war er doch vor kurzem frisch gewischt worden und links und rechts säumten Ahnenstatuen das Atrium, alte grimmig oder 'erhaben' vor sich hin starrende Büsten von Flaviern. Auf steinernen, runden Tischen zu allen vier Seiten stand je eine attische Vase mit braun, schwarzen und weißen Figuren und die Rosen aus dem eigenen felixschen Garten, eine Winterblüte, in sich trugen. Hannibal wandte sich zu Dido und Asny um und meinte zu Beiden. „Dido wird Dir die Villa zeigen und auch die Unterkunft. Ich komme später hinzu. Willkommen in der Villa Flavia, Asny. Du wirst Dich sicherlich hier schnell einleben und sehen, dass man hier nicht übel als Sklave lebt.“ Hannibal lächelte kurz, Dido musterte ihn misstrauisch und traute dem erst als der andere Sklave durch das Atrium geschritten war und aus ihrer Sicht entschwunden. Dido klatschte fröhlich in ihre Hände und wandte sich um. „Wunderbar. Wir sind ihn los!“ Dido grinste breit, sie hatte zwar Zwille auf dem Mark verloren auch ihre Kreide und ebenso die Murmeln, aber das würde sie sich noch zurück stehlen. Die blaugrünen Augen von Dido blitzten vergnügt. „Möchtest Du zuerst die Villa sehen oder sollen wir lieber Spielen gehen...solange uns niemand Arbeit aufbrummt?“

  • Wie sich die Richtung, in die sie den Sklavenmarkt verließ, von der unterschied, aus der sie ihn betreten hatte. Selbst das Wetter schien in diesem Teil Roms ein anderes zu sein, reflektierten die weißen, edlen Häuser und Villen doch auch noch den schwächsten Sonnenstrahl und belohnten ihn mit einem besonderen Glanz, welchen er in den ärmeren Vierteln wohl niemals gefunden hätte. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sich die Schönheit hier noch stärker ballte, wo sie ohnehin schon lebte und fürsorglich gepflegt wurde. Alles schien perfekt, wie aus einem lebenstrunkenen Vers gestohlen und in die Wirklichkeit gepflanzt. Asny fühlte sich wie in eine andere Stadt versetzt, obwohl sie ab und an Botengänge auch in dieses noble Viertel hatte unternehmen dürfen. Doch solch wohlhabende Kunden ihres Vaters waren selten gewesen und selbst seine ehemaligen Herrschaften hatten im Vergleich zu dieser Herrlichkeit in eher bescheidenen Verhältnissen gelebt.
    Ebenso still, wie die Luft nach dem Tumult des Marktes nun erfüllt war, hatte die neue Sklavin der Villa Flavia sich auf dem Weg zu ihrer neuen Arbeitsstätte betragen, die Eindrücke mit wachen Sinnen aufsammelnd und dabei wie so oft nichts ihrer innerlichen Dialoge nach außen hin tragend. Doch ihre Augen waren aufmerksamer, als es den Anschein hatte und ihr entging wenig der Dinge, die sich um sie herum abspielten und zu denen sie sich die Gedanken machte, die Asa nicht bevölkerte.


    Dazu ging sie gerade und aufrecht, obwohl ihr Bündel sich mit der Zeit deutlich schwerer anfühlen musste. Es war eine eigentlich unmögliche Aura aus Würde, Eleganz, aber auch Passivität, die sie umgab, und mit welcher sie sich offenbar dem neuen Verlauf ihres Lebens zu stellen gedachte. Obgleich es fraglich war, ob sie sich tatsächlich Gedanken zu ihrer Wirkung auf andere machte. Würde sie tatsächlich zur Konformität tendieren und sich allem widerstandslos anpassen, was von ihr verlangt wurde, befände sie sich nun vermutlich nicht als Sklavin auf dem Weg in eine teure, bewachte Villa. Sie hätte Asa aus ihrem Leben verbannt, und sei es nur aus Furcht vor den Konsequenzen des Andersseins. Dies war aber nicht eingetreten, Asny hatte das Gegebene akzeptiert, sich der Folgen vielleicht bewusst, vielleicht auch nicht. Vielleicht vermisste sie ihre Geschwister, während ihre Augen über die munteren Gestalten der sich um den kleinen Welpen zankenden Kinder wanderten, vielleicht waren ihre Schritte auf dem gepflasterten Weg deswegen beinahe lautlos, weil sie es sich über die Jahre angewöhnt hatte, so wenig wie möglich auf sich aufmerksam zu machen. Und vielleicht hatten ihre Eltern sie genau aus diesem Grunde nicht mehr ausgehalten, weil sie das gänzliche Unwissen ob der Gedankengänge ihrer ältesten Tochter nicht mehr ertragen konnten. Gewiss, sie log nicht, sie beantwortete Fragen direkt und ehrlich, womöglich zu direkt, als dass es noch erträglich gewesen wäre, doch die Erklärungen, die sie anbot, warfen nur noch mehr Fragen auf, bis ihre Eltern sich vor weiteren Nachforschungen zu fürchten begannen. Damit hatte das Schweigen eingesetzt, bis auch jenes sich zu einer unerträglichen Dichte und Schwere zusammengezogen und über der Familie geschwebt hatte wie ein dunkles Tuch gewebt aus Angst, Grauen und Misstrauen. Nicht, dass sich bei Asny dadurch etwas geändert hätte in ihrem Verhalten, ihren Worten. Sie würde nichts tun, um ihnen zu helfen, war ein oft wiederholter Vorwurf gewesen. Sie würde sie hassen, sie zerstören, wäre entweder abgrundtief böse, besessen und verflucht, oder einfach wahnsinnig. Nicht einmal ihren Blick hatten sie mehr ertragen, weil er eben nicht mit Tränen gefüllt war und flehte, etwas offenbarte, das sie verstehen konnten. Seit Asas Tod wäre die Asny, die sie einmal kannten, nicht weniger tot, nur ersetzt durch ein Wechselbalg, ein verfluchtes Geschenk von Dämonen und bösen Geistern.
    All dies zu hören war nicht schön, aber auch nicht dramatisch gewesen. Und Asny fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis dieser Schatten sie selbst in jenem lichtdurchfluteten, strahlenden Villenviertel der Stadt einholen würde.


    Der gewohnte nebelzarte Schleier vor dem blassen Blau ihrer Augen verdichtete sich bei dieser Überlegung ein wenig, ehe sie ihn blinzelnd wieder zurückdrängte und genug der Wirklichkeit bemerkte um zu verstehen, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Dido musste Erleichterung über diesen Umstand verspüren; dass sie nur aufgrund Hannibals gestrengen Blicken und der Erinnerung an den Zusammenstoß mit der Autorität so lange hatte still sein können, war ein derart sonderbarer Umstand, dass Asny beinahe hoffte, er würde recht bald vorbeigehen. Ihre Schwestern hatte man immer gehört, sie hatten selbst in den tiefsten Träumen versunken noch beständig vor sich hin gemurmelt und ganze Bibliotheken diktiert.
    Die Sklavin mit den nordischen Wurzeln hatte sich den Weg zu ihrem neuen Zuhause weitesgehend eingeprägt und nickte dem Ianitor dementsprechend zufrieden mit sich selbst zur Begrüßung zu, was von jenem allerdings in keinster Weise erwidert wurde, abgesehen von einem Blick, mit dem man Milch hätte säuern können und der in Asny die Frage aufkeimen ließ, was wohl ausgerechnet einen derart mürrischen Gesellen in den Posten eines Ianitor geholt hatte. Fürs erste überfragt zuckte sie zu sich selbst und wohl auch Asa mit den Schultern und folgte den beiden anderen Sklaven tiefer in das Atrium hinein, welches sie ebenfalls auf ihre eigenartig gleichmütige Art musterte, zwar interessiert, aber nicht unbedingt eine Meinung dazu nach außen tragend. Ob sie nun beeindruckt oder eingeschüchtert von den winterlichen Wasserblüten oder der allgemeinen Sauberkeit und Schönheit dieser edlen Hallen war, ließ sich nicht einmal erahnen, glich ihr Blick doch vielmehr dem eines fähigen Kenners von Baukunst und teuren Materialien, als dem eines kleinen Mädchens aus armen Verhältnissen, das man nun in ein anmutig schlagendes Herz aus Reichtum und Prunk geführt hatte.


    Trotzdem löste sich Asnys Aufmerksamkeit etwas schwerfällig und langsam von der Inneneinrichtung, um die Gestalt von Hannibal wiederzufinden und halbwegs zu fokussieren. Zu seinen erklärenden Ausführungen nickte sie verträumt-liebenswürdig lächelnd und neigte den Kopf im Ansatz einer dankbaren Geste leicht zur Seite. Wiederum schien es ihr schwer zu fallen, ihren Blick jetzt umgekehrt wieder von ihm zu lösen, als er ihrem Sichtfeld entschwand, ehe sie sich nun Dido zuwandte und ebenfalls erfreut merkte, dass nun ohne Hannibal die gewohnte Fröhlichkeit eines kleinen Mädchens die Gestalt ihrer neuen Freundin erneut erfüllte. Dabei musste sie doch eigentlich dem Verlust ihrer vielen Kostbarkeiten hinterher trauern, doch Asny war sich sicher, einen Weg finden zu können, der die Kleine über ihren verlorenen Schatz hinwegtrösten könnte.
    Dass Asa Feuer und Flamme für wilde, ausgelassene Spiele ohne mahnende Zeigefinger und strenge Blicke war, überraschte sicherlich niemanden. Wenn man als Elfjährige gestorben war, blieb die Seele in gewissem Sinne immer irgendwie ein Kind, auch wenn sie sich einbildete, nun viel reifer und erwachsener zu sein und es mit jedem Unhold, der es wagte, ihr dort draußen zu widersprechen, aufnehmen zu können, weil man ja viel schlauer und stärker wäre. Doch diese Einstellung hatte Asa bereits mit sieben Jahren besessen, als sie noch essen und schlafen konnte.
    Asnys Lächeln verstärkte sich und der Hauch eines geheimnisvollen Schimmers legte sich über die Blässe ihrer Augen, ehe sie mit leicht übertriebener Höflichkeit und einer angedeuteten Verneigung erwiderte:
    "Nun, Herrin Dido, es wäre mir lieb, wenn du mich in deiner prachtvollen Villa herumführen würdest, damit ich dir auch angemessen dienen kann. Stell' dir nur vor, dich verlangt es nach einer Portion mit Honig gesüßter Früchte, und ich finde die Vorratsräume nicht. Oder ich soll die Peitsche holen, weil du einen ungehorsamen, jungen Sklaven bestrafen möchtest, der dir auf dem Markt die Zunge herausgestreckt hat, und ich weiß nicht, wo diese aufbewahrt wird. Das wäre doch sehr unangenehm, meinst du nicht, Herrin Dido?"

  • Die Statue eines Knaben starrte Dido entgegen, die Tunika aus der kalten Materie locker um den Leib geschlungen, ein Horn in den Armen und aus dem Horn plätscherte sanft sauberes und klares Wasser in das Becken des Atrium, munter sprangen die Wellen um die vielen Brüder, die sich in dem großen Wasserbecken mit den Schwestern vereinten, Ringe bildeten sich, die keine Frau ergreifen könnte und sich an die Finger oder Arme stecken würde. Nur ab und an stockte der kleine Brunnen, der beständig für ein mildes Raunen im Atrium sorgte. Dann war es ruhig, dann glättete sich die Oberfläche des Wassers und die rosé farbenen Blüten kamen zur Ruhe, strahlten um die Wette um das Auge eines Besuchers, aber jetzt von zwei Sklaven, zu erfreuen. Aber Dido interessierte sich nicht für den Tant der Villa, sie ist als Sklavin mit Prunk aufgewachsen, selbst wenn ihr das alles nicht gehörte, aber es hatte sie abgestumpft, desensiblisiert des Prunkes, der doch im scharfen Kontrast mit der Einfachheit stand, mit der die Mehrheit der Römer lebten und leben mussten. Aber womöglich vermochten dadurch die einfachen Freuden des Lebens Dido noch zu ergötzen? Oder war sie aus dem Grund so ein seltsames Kind geworden, die bereits in den jungen Jahren das Manko der flavischen Zuchtlinie der Sklaven offenbarte? Hatten doch die meisten der letzten vier Generationen dieser phönizischen Zucht einen Hang zu einem...ja, man kann es schon Wahnsinn nennen. Doch da reihten sie sich in guter Gesellschaft mit ihren Herrn, warum es all die Gernationen nicht aufgefallen ist, beziehungsweise von den Herrn durchaus toleriert wurde. Womöglich war das auch der Preis, wenn man wahrhaft loyale und ergebene Sklaven haben wollte. Aber genug von Didos verkorkster Abstammung, kein Wort mehr über flavischen Wahn, sklavische Verrückheiten, Folterkammern, Mordaufträge, psychopathische Anfälle, Grausamkeiten, die manch einem Kind den Schlaf rauben würde und es schreiend in die Arme seiner Mutter treiben würde. Vorerst zumindest! Aber in dem Augenblick zeigte sich heiteres Vergnügen, eine freudiges Lachen auf Didos Gesicht und sie lachte tatsächlich vergnügt und ohne Scheu, ihr kindliches Glucksen und Kullern von Fröhlichkeit scholl von einer Wand zur Nächsten, warf sich zurück und versickerte nur in der Geräuschkulisse, dass der Brunnen im Atrium schuf. Dido kicherte noch einen Moment vergnügt, ehe sie sich auf das erste Spiel einließ und ihre magere und infantile Gestalt straffte und grinsend zu Asny hoch spähte, es würde gewiss noch einige Jahre dauern, bis Dido mal auf Augenhöhe war oder gar die Sklavin nordischer Herkunft an Größe übertrumpfen könnte, wenn überhaupt. "Das wäre wohlan...ne, in facto...auch nicht in facte...na egal...es wäre sehr deplooooraaabel, wenn das passieren würde, meine getreue Sklavin." Dido gluckste leise, sie wußte nicht was deplorabel hieß, nur, dass es das Lieblingswort bei soetwas von dem Onkel ihres Herrn war und der sagte dauernd so kluge Sachen, die Dido nicht verstand. "Also, als erstes würde ich Hannibal bestrafen. Er hat mich auf dem Markt im Stich gelassen!" Das noch mehr folgen würden, erkannte man daran, dass Dido ihre Kinderhand hob und den Daumen abstreckte für Hannibal. Der Nächste bekam den Zeigefinger. "Danach muss Lars eine Tracht Prügel bekommen." Der Mittelfinger folgte. "Sodann der gemeine Koch! Der böse Germane, der meinen Herrn beleidigt hat." Didos Prioritäten waren schon genau festgelegt. Erst ihre eigenen Animositäten, dann die ihres Herrn und dann kam der Rest der Welt. "Der Stallknecht auch! Die blöden Sklavinnen, die immer kichern. Die, die nicht arbeiten wollen..." Dido dachte kurz an Sciurus, das würde ihm gewiss auch gefallen. "Und über den Rest muss ich nachdenken. Komm, ich zeige Dir dann alles, damit Du auch ja alles findest. Sonst wird nämlich Sciurus böse, weißt Du?" Wie sollte Asny das wohl wissen, aber daran dachte Dido nicht wirklich. Es wäre unverständlich für Dido, dass jemand nicht Sciurus kannte, nach dem Ausflug an den Saturnalien glaubte sie gar schon, dass der Sklave ganz Rom bekannt war. "Komm'!", forderte Dido fröhlich die neue Sklavin des Haushaltes an und lief bereits los.


    Schon umrundete Dido das Wasserbecken, strich keck über den Kopf von dem steinernen Knaben und sprang fröhlich in die Luft, um gleich wieder, den Gesetzen der Welt folgend, auf dem Boden zu landen. Mit jedem Schritt, es war ein halbes Hüpfen, ein halbes Gerenne, kam sie auf den Ausgang des Atrium zu, dass gleichzeitig Einlass tiefer in die flavische Villa gewährte, vorbei an Schreinen, hinter denen die Ahnenmasken bewahrt wurden und an denen, selbst am Tage, kleine Lichter glommen. Sicherlich, auch einfache und arme Plebejer hatten solche kleinen Ahnenschreine, aber meist nicht mal Ahnenmasken, geschweige denn das kostbare Holz und Elfenbeinverzierungen, die die toten Gesichter schmückten und auch nicht das Wachs, mit derem Lichte die Antlitzer mit all den Falten, dem starren Ausdruck und der leblosen Mimik illuminiert wurde. Dido würdigte dem ollen Zeug, wie sie es nennen würde, keines Blickes, denn sie strebte bereits durch den lichtdurchfluteten Gang, dessen Wände mit stilistisch kunstvoll verzierten Blumen, mythischen Gestalten in Zwergengröße und fröhlichen Vögeln geschmückt waren, alles nur in Farben und Form fest gehalten. Auch jene beachtete die kindliche Sklavin nicht länger, sie kannte es zu gut, nur an einer Stelle blieb Dido stehen, sah sich nach links und rechts um und deutete verschwörerisch auf eine Kreidezeichnung, die fast neben einigen Rosendarstellungen unterging. Es war eindeutig ein Mann, eine Strichmännchenzeichnung, der von einer Frau geschlagen wurde. "Wenn Du länger hier bist, darfst Du raten, wer das ist. Das haben Serenus und ich gemalt!" Ja, es war unverkennbar die krakelige Note eines Kindes darin zu erkennen. Stolz, als ob es das schönste Kunstwerk der Villa war, nickte Dido und wandte sich um, um schnell weiter zu laufen.


    Wieder erhob sich ihr schmaler Körper in die Luft, ihre wilde feine Haarmähne flatterte in alle Richtungen, einige Strähnen blieben in ihrem Gesicht haften, Dido blies sie energisch nach oben. Schnell sah sie zu Asny. "Zuerst zeige ich Dir den aaaaaalllerwichtigsten Raum in der Villa." Schwupps, schon eilte sie weiter, vorbei an prachtvollen Statuen, die mal abwechselnd schöne Jünglinge oder sinnliche Frauen zeigte, mal mehr, mal weniger bekleidet, grimmige Römer, die auf sie herab starrten, glücklicherweise in Stein gemeiselt, hohe Säulen, die einen Innenhofgarten umrankten, zahlreiche Türen, die verschlossen waren und nur so danach riefen geöffnet und erkundet zu werden. Es war als ob jeder Türgriff sprach: 'Komm, öffne mich. Hinter mir liegen die Schätze der exotischen Orients.', während die Nachbartür laut rief: 'Nein, hierher, hinter mir liegt das Paradies mit Milch und Honig.' Dido schien es nicht zu hören, womöglich waren die Türen doch nur Konstrukte aus Holz und stumpfen Metall. Endlich erreichten sie einen Trakt, der deutlich bescheidener wirkte. Keine Fresken zierten die Wände, keine Ornamente die Übergänge der Wände zu der Decke, keine Statuen standen in Alkoven und auch die Fenster waren kleiner, bescheidener und boten weniger Licht für das Innere der Villa. Dafür herrschte hier keine würdevolle Stille, keine Grabesstimmung, die, wenn man es mit den Gängen hier verglich, in den herrschaftlichen Teilen so anmutete. Nein, Sklaven eilten durch die Gänge, eine dicke Frau stieß eine Tür auf und trug einen großen Korb mit dampfenden weißen Lacken an Asny und Dido vorbei, keiner beachtete jedoch die beiden weiblichen Sklaven. Dido ging langsam zu einer Tür, hinter dem es laut polterte, eine seltsam männliche Stimme mit einem gar merkwürdigem Akzent laut etwas rief. Dido griff nach der Türklinge und zog sie hinab. Ein Schwall von Dampf drang durch den nun offenen Türspalt, Dido zog die Tür noch weiter auf und deutete einladend auf das Innere. "Die Culina!", fügte Dido unnötigerweise hinzu, denn die Küche offenbarte sich eindeutig als das, was sie von ihrer Funktion her war. Es brannte ein Feuer unter einem Herd, der aus roten Backsteinen gemauert war, teilweise weiß verkalkt, ein großer Tisch stand an einer Mauer, über dem ein schmales Fenster das Licht auf die Arbeitsfläche schickte, Sklaven eilten wie aufgeschreckte Gänse hin und her, auf einem Holzhocker wurde gerade einer Gans die Federn ausgerupft, weißer Flaum wehte durch die Luft, eine einzelne Feder flog sanft hin und her, wie ein Boot auf Luft, wurde von einem Luftzug in den Ofen geschickt und verbrannte in einem Bruchteil von einem Herzschlag. Und das schlagende Herz von allem war Attalus, der Koch der flavischen Familie, der sie, den Götter sei Dank, noch nicht bemerkt hatte, war der Meister der Küche und der Kochkunst noch gänzlich mit der abendlichen Cena beschäftigt. "Hier kann man sich ab und an etwas zu Essen holen, wenn der Gerstenbreitag ist!", flüsterte Dido verschwörerisch zu. "Komm'!", Dido huschte an dem Koch vorbei, der gerade aus einem großen Topf das Garum abschmeckte und zu einer älteren Frau, deren grauen Haare zu einem festen Dutt hochgebunden waren. "Psst...Ilisia? Hast Du was leckeres für uns? Schau, das ist eine neue Sklavin, Asny heißt sie." Die ältere Frau, deren Gesicht von zahlreichen Falten geziert wurde, wandte sich von einem großen Brotteig, den sie walkte, ab und lächelte breit, wobei sie eine Reihe von Zahnlücken offenbarte. "Grüss D'ch, Asny. Aber sicher, D'domaus." Dido lächelte liebenswürdig, denn wenn sie auch den Spitznamen haßte, so wollte sie doch weiterhin die gute Ilisia ausnutzen. Ilisia griff nach einer großen Wurst und schnitt zwei ordentliche Scheiben ab, die sie Asny und Dido reichte. "Bist' neu in der V'lla, hmh? Na, w'rst hier ein gutes Zuhause f'nden. Musst Dich nur vor Sc'urus in Acht nehmen und vor S'ca. Und immer so brav sein, wie D'domaus!"

  • Es war nicht gerade eine brillante, strategische Taktik gewesen, die Asny mit ihrem begonnenen Spiel verfolgte, doch es wäre ebenfalls nicht korrekt zu behaupten, dass sie nicht den ein oder anderen Hintergedanken dabei gehabt hatte, Dido zu ihrer temporären Herrin zu ernennen und damit womöglich mehr sowohl über das Mädchen als auch ihre neue Heimat herauszufinden, Dingen, denen sie ansonsten gar nicht oder nur sehr langsam begegnet wäre. Dass sie sich die Villa Flavia von einem Kind zeigen lassen musste, empfand sie ebenfalls ganz und gar nicht als Nachteil. Die Sichtweise der kleinen Sklavin mochte vielleicht einen etwas anderen Winkel besitzen, von ihrem Naturell ausgehend würde sie jedoch auch kein Blatt vor den Mund nehmen und unter Umständen Dinge laut aussprechen, die andere, ältere Sklaven vielleicht nicht einmal mehr zu denken wagten. Dass sie Dido damit zusätzlich noch eine Freude machte war ein willkommener Nebeneffekt. Und dass es ihr Freude machte, wurde so überdeutlich, dass Asny für den irrwitzigen Bruchteil eines Herzschlages glaubte, eine kleine heranwachsende Tyrannin vor sich zu haben. Was natürlich absurd war. Dido wollte schließlich Amazone werden.
    Doch wenn man in so jungen Jahren bereits im Sklavenstand aufwachte, dachte man sicherlich schon früh daran, was man denn tun würde, wären die Rollen einmal vertauscht und man selbst im Besitz der Macht. Zudem war vermutlich einfach nur die Akustik des Atriums schuld an dem Bild, das die Kleine wirklich nur ganz kurz offenbart hatte.
    Die nordische Sklavin jedenfalls fühlte sich bereit, all jenem, was nun folgen würde, gegenüberzutreten und versuchte, trotz der zuckenden Mundwinkel einen ergebenen Eindruck zu machen. Womöglich wäre es ohnehin nicht verkehrt, dies rechtzeitig zu üben, schon manches Mal hatte sie sich den Vorwurf anhören müssen, überheblich und arrogant zu wirken, wenn sie immer nur dieses leichte, abwesende Lächeln mit sich herumtrug. Nicht, dass sie es deswegen eingestellt hätte.


    Kurzerhand legte Asny ihre Habseligkeiten nieder als sie merkte, dass Dido ganz offensichtlich an einer längeren Liste zu arbeiten begann, gefüllt mit Leuten, die ihrer bescheidenen Meinung nach ein bisschen Schmerz verdient hätten. Nun also bewaffnet mit einer unsichtbaren Schreibtafel und einem ebenso wenig sichtbaren Griffel begann die weißblonde Ausnahmesklavin einer Sklavin, sich imaginäre Notizen zu machen. Schon bei Hannibal merkte sie allerdings, dass Dido auf kurze Sicht recht nachtragend sein konnte und wohl tatsächlich noch einiges kommen würde, wenn sogar ein vergleichsweise friedlicher Hannibal es gleich auf Platz 1 der Peitschenliste schaffte. Zudem für einen Vorfall, den man mit ein wenig gutem Willen auch deutlich positiver auslegen konnte, vielleicht hatte er sich nur deswegen von dem Mädchen fort und zu jenem wankelmütigen Gesellen hin bewegt, um diesem das Mitbieten auszureden. Möglicherweise sollte sie Dido beizeiten einmal diese Ansicht schmackhaft machen, damit sie sich nicht verraten und verkauft vorkam.
    Doch die Liste wurde zügig fortgesetzt und Asny glaubte zu ahnen, dass der junge, provozierende Frechdachs auf dem Markt auf den hübschen Namen Lars hörte, wer sonst würde einen solchen Spitzenplatz auf Didos persönlicher Feindesliste erringen? Die Animositäten schienen sich immer weiter auszubreiten und ihre weiten Kreise von Dido als Mittelpunkt fortzuziehen. Beim Koch war also auch Vorsicht geboten. Und offensichtlich gab die Kleine eine Menge auf ihren Herrn, wenn seiner Ehre doch schon auf Platz vier Gerechtigkeit wiederfuhr. Dann, nach den speziellen Treffern, folgte offenbar die flächendeckende Bestrafung. Sklavinnen die kichern und nicht arbeiten wollen... soso. Entweder war das Mädchen sehr besorgt um die Führung des ordentlicher Flavierhaushaltes, oder sie fühlte sich unter ihresgleichen nicht sehr gut aufgehoben. Da sie mit ausgerechnet dieser letzten Gruppe gewiss eine Unterkunft teilte, würde sie es dort unter diesen Voraussetzungen aber nicht gerade einfach haben.
    "Herrin, ich fürchte, wir werden nach der Bestrafung all dieser Aufsässigen über die Anschaffung einer neuen Peitsche nachdenken müssen...", warf die gebürtige Römerin ein, mit einem gespielt kritischen Blick auf die imaginäre Liste, einen Hauch des typischen sanftmütigen Lächelns dabei aber nach wie vor beibehaltend. Mit leicht schräg gelegtem Kopf glitt ihr Blick von ihrer leeren, geöffneten Handfläche fort und zu der Kleinen zurück, die sie im üblichen kindlichen Übermut aufforderte, ihr zu folgen. Brav nickte sie, verstaute ihre unsichtbaren Schreibutensilien zügig in ihrem Bündel und folgte ihrer Herrin auf Zeit deren Geschwindigkeit angepasst durch illustren Gänge und Hallen des großzügig angelegten Gebäudes.


    Nun, genauer gesagt folgte sie Dido und einer nicht minder aufgekratzten Asa, die mal hierhin, mal dorthin eilte, Statuen berührte, Masken die Zunge rausstreckte und alles in sich aufnahm, geradezu atmete, das sie auch nur mit ihrem Blick zu berühren vermochte. Ihre Erkundungsreise war durchwirkt von aufgeregten Asny, schau mal hier!, grübelnden Was bei Plutos schwarzen Zähnen soll DAS denn sein?! und kichernden Was man hier alles machen könnte! Und es steht völlig leer! Auf dem Boden kann man klasse schlittern, pass auf!. Asny selbst hatte aufgrund der von Dido gewählten Geschwindigkeit nicht die Zeit, alles mit der Ruhe und Muße zu betrachten, die sie bei neuen Dingen unter anderen Umständen an den Tag zu legen pflegte, doch wenn Asa etwas sah, das auch nur annähernd interessant oder wichtig erschien, machte sie auch so lautstark darauf aufmerksam. Die für die anderen Menschen unsichtbare Schwester zeichnete mit ausgestreckten Fingern gerade eine filigrane Wandtaube nach, die sicherlich wie lebendig wirkte, wenn man ein Auge zukniff, leicht den Kopf schüttelte und genügend Wein getrunken hatte, als Dido innehielt und auf Asny wartete, deren Blick sich förmlich an ihrer Umgebung festsaugte und sie anflehte, doch länger zu verweilen und sich dies alles gründlich anzuschauen. Sowohl sie als auch Asa beugten sich dann jedoch nebeneinander zu der Kleinen, beziehungsweise zu deren versteckter Zeichnung hinab. Asa gab ein ziemlich dreckiges Kichern von sich, das auch nicht durch den Umstand, von einer Toten ausgestoßen zu werden, an Charme gewann. Ihre Schwester musterte das Kunstwerk fast andächtig, schon diesen Unbekannten mit dem Namen 'Serenus' im Geiste auf die Seite der 'Guten' verschiebend, und nickte schließlich anerkennend.
    "Ich finde, diese Art der Zeichnung ist eine Kunst für sich. Ich bleibe immer gerne an den Häuserwänden der Stadt stehen um sie zu studieren..." begann sie mit leiser Stimme, bemerkte dann aber, dass ihre Begleitung einem flatterhaften Winde gleich schon wieder davoneilte, um sie zum aaaaaalllerwichtigsten Raum in der Villa zu führen. Nun ja, den sollte man sich wohl nicht entgehen lassen.


    Asnyyyy, du bist immer zu langsam! trieb ihre Schwester sie in einer Mischung aus Ungeduld und Neugier an, auch sie war offensichtlich angesteckt worden von der Aussicht, jenen aaaaaalllerwichtigsten Raum in der Villa besuchen zu können und überholte sogar schon Dido, nur um zu merken, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte und letztendlich wieder ein ordentliches Stück Gang zurücklaufen musste, was sie jedoch nicht zu stören schien. Und ja, Asny war beim Anblick der prächtigen Statuen und Figuren tatsächlich ein wenig langsamer geworden, fand sich eingefangen in deren faszinierender Gestaltung wieder und setzte schon an zu fragen, ob man nicht eine kurze Pause einlegen könnte - doch Asa schob sie energisch voran und so beschränkte sie sich seufzend auf die Aussicht einer späteren, intensiveren Inspektion dieser Kunstwerke.
    Die Türen hingegen hätte Asa verdammt gerne aufgestoßen, und sei es nur, um kurz die Stupsnase in den Raum dahinter zu stecken, und sie anschließend mit Karacho wieder zuzuwerfen, sodass der folgende Knall noch in den Gärten die Vögel von den Teichen verscheuchte.
    Schließlich erreichten sie den 'interessanteren' Teil der Villa, welcher zwar zu Asnys stillem Unmut durch weniger Kunst hervorstach, dafür aber entschieden besser bevölkert war. Im Slalom um diverse lebende und tote Hindernisse herumlaufend eilte die Sklavin ihrer kleinen Freundin hinterher, bis sich jener aaaaaalllerwichtigste Raum in der Villa endlich vor ihnen öffnete. Die Culina also. Nun, alles andere wäre wohl eher wunderlich gewesen. Die blassblauen Augen weiteten sich angemessen und eine Hand fuhr langsam durch weißblonde Haarsträhnen, um sie ordentlich hinter die schmalen Schultern zurückzustreichen.
    Boah, ich hab' noch niemals 'ne so riesige Küche gesehen... staunte Asa und blieb sogar einige Herzschläge lang ehrfürchtig in der Tür stehen, ehe sie auch schon vorstürmte, um alles zu untersuchen und sich weder am Mobiliar, noch an den Menschen zu stören.
    Und wie das riiiiiecht....
    Asny nickte sacht, entweder zu Didos Präsentation oder zu Asas Kommentar, und trat sehr viel bedächtigeren Schrittes vor. Hier zu arbeiten, zu kochen und zu backen, wild und ohne sparsam sein zu müssen alle Zutaten ausprobieren zu dürfen... ein Traum würde wahr. Ihre Augen leuchteten geradezu, angefacht auch durch das sich darin spiegelnde Ofenfeuer. Sie vernahm die geflüsterte Mitteilung, dass man sich hier ab und an etwas Essen holen könnte, und fand die Vorstellung der Zubereitung nach wie vor weitaus verführerischer.


    Dann folgte sie Dido in ähnlicher unauffälliger Weise tiefer hinein in den aufgeheizten, bevölkerten Raum und das darin wohnende Gemisch aller möglicher Düfte und Gerüche. Asa pustete die Gänsefeder, welche zuvor im Ofen verbrannt war, spielerisch vor sich hin und drehte dem Koch eine lange Nase, was dieser jedoch vermutlich erst nach seinem Tod herausfinden würde. Beide musterten anschließend die freundlich wirkende, ältere Frau, deren erklärter Liebling mit Sicherheit Dido hieß und dem sie immer heimlich etwas zuschob. Dido konnte schließlich so furchtbar süß sein, dass die Stimme wie unter Zwang höher gelegene Töne wählte, wenn man mit oder über sie sprach, allerdings wohl nur, wenn sie gerade keine Zwille mit sich herumschleppte. Asny als die Sichtbare lächelte der Bäckerin freundlich zu und deutete wiederum eine leichte Verneigung an, ehe ihre hellen Augen sich auf dem Brotteig auszuruhen schienen, den die ältere Frau bis eben noch durchgeknetet hatte. Wie irgendwie nicht anders zu erwarten fragte Dido nach etwas Essbarem woraufhin Asa ihr anerkennend auf den Rücken klopfte, oder diese Geste wenigstens andeutete. Ilisia wanderte ebenfalls auf die Seite der Guten und mit einem sanften
    "Vielen Dank!" nahm Asny das Wurststück entgegen. Wann hatte sie eigentlich zuletzt etwas gegessen? An diesem Tag zumindest noch nicht, soweit sie und ihr leerer Magen sich erinnern konnten. Dennoch war ihr erster Biss in das unerwartete Essen ein kleiner, eher zurückhaltender, während ihr Blick unaufdringlich auf Ilisia ruhte und sie deren Worten sowie dem Akzent/Sprachfehler/besonderen Klang ihrer Stimme lauschte. Um Asas Flehen ein Ende zu bereiten, teilte sie ihr Stück Wurst jedoch alsbald, um die bislang unangebissene Hälfte in den nächstliegenden Ofen zu werfen, und ihn somit einer begeisterten toten Zwillingsschwester zuzuführen, die sich heißhungrig darüber hermachte. Was sie selbstverständlich nicht daran hinderte, mit vollem Mund kauend und schmatzend zu sprechen.


    Disch'n Schkiurusch... langscham wert' isch neugierisch auf ten...
    Sie schluckte und warf vor dem nächsten Bissen deutlich verständlicher ein:
    200 Sesterzen, das ist ein Minotaurus. Oder eine Chimära. Zwei unabhängige Warnungen innerhalb so kurzer Zeit... das MUSS ein Monster sein. *haps*
    Gedankenverloren kaute Asny auf ihrer übrigen Wurst herum, dabei wohl eher über Asas Worte nachdenkend, als darüber, dass ein Geist tatsächlich 'hapsen' konnte. So schlimm sollte dieser Mann umgekehrt wohl auch nicht sein, schließlich war er nicht auf Didos Peitschenliste aufgetaucht, also entweder respektierte sie ihn irgendwie, oder sie fürchtete ihn so sehr, dass sie nicht einmal wagte, sich vorzustellen, Rache an ihm zu verüben. Und wer war 'S'ca'? Asas stets aufmerksame Ohren wussten Rat.
    Frau Pferdezahn verschluckt gerne 'i's. Anzunehmen, dass so ein 'i' auch hier fehlt. Dann hieße es richtig: 'Sica'. Und wer ist 'Sica'?
    Damit war dann wiederum auch Asny überfragt und so zuckte sie nur leicht mit den Schultern, über die innere Zwiesprache mit ihrer Schwester anscheinend wieder einmal vergessend, dass auch noch Lebende anwesend waren.
    Nein, wie schlau, sie warnen dich vor Namen. Und sollst du jetzt jeden Hansel, der dir entgegenkommt fragen, ob er zufällig Sciurus oder Sica heißt, weil du dich dann unter Umständen vor ihm in acht nehmen sollst? Hm, käme dir ein Minotaurus entgegen, wäre die Sache natürlich um einiges leichter...
    Asa verschlang kichernd den letzten Rest Wurst und ihre Schwester fand nun auch endlich in die realen Welt zurück.
    "Danke für den Rat, ich werde mein Bestes geben um so brav zu sein, wie Dido. Obwohl es natürlich nicht einfach sein wird, diese hohe Zielmarke zu erreichen..."
    Ein kurzer Seitenblick in Richtung der kleinen Sklavin folgte, in welchem sich ein wissendes Funkeln spiegelte, auf das sie jedoch ansonsten nicht weiter einging. Stattdessen wanderte ihr Blick beinahe gefesselt durch die geräumige Küche. In die Stimme der neuen Sklavin legte sich ein fast sehnsüchtig ehrfurchtsvoller Klang.
    "Diese Culina ist großartig... ich weiß noch nicht, welche Aufgaben ich in der Villa bekommen werde, aber ich hätte nichts dagegen, wenn man mich hier arbeiten ließe... Ilisia, du hast wirklich Glück..."

  • Ein großer eiserner Kessel klapperte als der Topf von einer Stange hinab gehoben wurde, die an der Wand angebracht war, und viele Köpfe über den von Dido balanziert wurde. Der schmackhafte Brei aus Korn, Gemüse und würzigen Ingredienzien sollte in diesem Topf gekocht werden, den halben Nachmittag würde das Korn darin quellen, reifen und den Geschmack annehmen, um dann in kleinen oder größeren Portionen in den patrizischen Mündern der Flavier zu landen. Den Rest erhielten zuweilen die Sklaven, natürlich getreu der Ordnung in der Villa, die nicht nur in der Tierwelt, sondern auch in der Villa ab und an strengstens bewacht wurde, selbst wenn manche der Sklaven sich als die Edelsten der Sklaven betrachteten oder gar als gar keine Sklaven. Dido bekam, wie die anderen kindlichen Sklaven, meist erst ganz am Schluss etwas zu Essen, darum war die gute Ilisia, seitdem Serenus sie nicht mehr mit dem guten Mahle versorgte, besonders wichtig für Dido geworden. Gierig, Dido hatte immer und stets Hunger, griff Dido nach der Wurstscheibe und biss mit ihren Zähnen kräftig in das Wurststück hinein, erschmeckte den pfeffrigen Geschmack, die intensive Salznote und schlang das Stück, fast ohne zu kauen, hinunter. Danach leckte sie sich sorgfältig und ausgiebig die fettigen Finger ab. Gutmütig lächelnd beobachtete Ilisia das Verschlingen der Beute bei der kleinen Dido, sah abwechselnd zu Asny hinüber, die Opferung der halben Wurstscheibe war beiden Frauen, ob kindlich oder tattrig, entgangen. "Das'st gut, Asny, das'st sehr gut." Ilisia spähte schnell zu dem Koch, der gerade mit einem Sklaven aus einem groben Sack mit Korn die Portion für den heutigen Tage abmaß und den Sklaven das Korn waschen schickte, man wußte nie, welche Wege das Korn genommen, wer es begrabscht, welche stinkenden und dreckigen Plätze es bereits kennen gelernt hatte. Der Sklave goss aus einem Eimer Wasser über die große hölzernen Schüssel und fing an das Korn darin hin und her zu schwenken, schnell färbte sich das Wasser milchig trübe. Der Koch griff nach einem großen und bedrohlich wirkenden Messer und packte die Gans, die bereits fertig gerupft war und nun darauf wartete, ausgenommen zu werden. Zufrieden wandte sich Ilisia dem Brot zu und begann es weiter zu walken. "Ja, ja...gute D'do, lieber Serenus...sind gute K'nder, gute K'nder. Ich b'n ja schon lange in der V'lla, lange bei den Flav'rn, sie haben viele gute K'nder, viele gute K'nder." Ilisia lächelte selig und hob den Teig, streute etwas Mehl auf dem Tisch aus, um die Masse auf das Holz klatschen zu lassen und weiter zu kneten. "Gute K'nder...", murmelte sie abwesend. Dido rollte genervt mit den Augen. "Komm'! Sonst hört sie gar nicht mehr damit auf.", flüsterte sie leise. Sie hätte aber auch Brüllen können, die grünlich, etwas trüben Augen von Ilisia richteten sich auf die Wand, sie arbeitete mechanisch weiter und beachtete die beiden jungen Sklavinnen nicht mehr, selbst als Dido artig meinte, sie wollte schließlich auch in Zukunft versorgt werden. "Danke Ilisia. Bis bald!"


    Mißtrauisch spähte Dido zu dem Koch, der das Messer in den Bauch der Gans stieß und sie mit einem sauberen Schnitt öffnete. "Willst Du wirklich hier arbeiten? In der Küche? Also ich weiß nicht...DER da ist nicht gerade nett!" Zu Dido zumindest, denn Kinder schienen dem Mann mehr im Weg zu sein, wenn sie keine Hilfsköche waren oder das Holz herein trugen, mit dem der Herd angefacht wurde. "Ah, ah, c'est bien la jeune Dido? 'abe ich Dir nicht oft genug gesagt, nicht in meiner Küche. Damné!" Erschrocken zuckte Dido zusammen, sie waren von dem Koch entdeckt worden, der mit zusammen gezogenen Augenbrauen und wild einen Kochlöffel schwingend auf sie zu marschierte. Dido sah sich eilends um. "Flucht durch den Hinterausgang, dort!" Sie deutete auf eine weitere Tür. "Durch die Vorratskammer und dann die Treppen hinunter, aber schnell." Wie ein Wirbelwind rannte Dido los, denn sie hatte schon das eine oder andere Mal einen kräftigen Klaps von Attalus erhalten, schwupp, schon war sie durch den Gang und stieß heftig gegen den Küchenjungen, einen dürren Burschen mit schiefen Zähnen und zahlreichen Pusteln auf dem Gesicht.


    Hohe Schränke zierten den nächsten Raum, weniger als ein Ellen große Fässer standen dort, manche waren mit Salz gefüllt, andere mit eingelegten Fischen, getrocknete Früchte, Gemüse, Käselaiber lagen auf den dunklen Holzbrettern, die Wachsschicht um das würzige Gelb war dunkel verfärbt, der Raum roch nicht minder nach wunderbarem Essen. Von dort führte direkt eine Treppe, hinab in die tiefen Gewölbe der Villa Flavia, tief in Weinkeller, Vorratsräume, aber auch Gefilde, die so manch ein Gerücht in Rom schürte. Dido stolperte die Treppen hinunter, ihre Beine verkreuzten und verdrehten sich einen Moment gefährlich in ihrer Hast zu entkommen, fast wäre sie der Länge nach hingefallen und die letzten Stufen hinunter gerutscht, doch im letzten Moment hielt sie sich an einem hölzernen Geländer fest, dass in der Wand befestigt war und japste erschrocken auf. Sie sah jedoch nicht zurück, sondern marschierte schnell in den kühleren Raum hinein. Fässer wurden hier gelagert, erneut breiteten sich gefüllte Regale vor dem Blicke eines Neugierigen aus, hier wurde all das gelagert, was im Lichte des Tages und der Hitze der überirdischen Welt leichter verderben könnte. Dido ließ ihre Finger über ein Faß streichen, in dem gepökeltes Fleisch bewahrt wurde, spähte hinauf zu den Schinkenleibern, die an einer Stange aufgehängt waren und bekam erneut Hunger. Suchend sah sie sich um und ging zu einem Schemel, der in einer Ecke stand, doch wenngleich sie gerne vom Schinken stibitzt hätte, sie hatte ein anderes Ziel. Sie schob den Stuhl vor die nächste Tür, das Holz gab ein schabendes Geräusch als es über den rauhen Stein glitt. "Die Tür ist immer abgeschlossen.", erklärte Dido. "Damit die Sklaven nicht klauen oder so...aber wenn man durch die Küche kommt, dann kann man das auch. Der Koch weiß nämlich nicht, davon..." Dido grinste und deutete auf den Stuhl. Sie kletterte hinauf und reckte und streckt sich, glitt mit ihren Fingern über der Kante der Tür entlang bis sie etwas gefunden hatte. "Ich hab mich mal hier versteckt, weil ich nicht wollte, dass mich Attalus findet, aber da hab ich gesehen, dass einer der Küchenjungen den Schlüssel genommen hat und einen Schinken gestohlen. Ich glaube, den hat er verkauft." Dido zog einen gußeisernen Schlüssel hervor und präsentierte ihn stolz an die Mitwisserin eines ihrer Geheimnisse in der Villa. "Mince!", ertönte es vom Treppenabsatz, Dido riß die Augen auf und steckte eilends den Schlüssel in die Tür. Das Schloss klemmte ein wenig, Dido ruckelte heftig daran herum, hörte schon Schritte, die die Treppen hinab stiegen. "Dido? Wo bist Du, mein 'erz! Und Deine amie?" Endlich öffnete sich die Tür, Dido riß sie auf und winkte Asny schnell hindurch, gerade erspähte sie einen dunklen Bart, eine Fußspitze, da schlüpfte Dido schon durch den Eingang und schloß die Tür hinter sich, steckte den Schlüssel rein und schloß ab. "Was ist das? Durch die Tür?" Ein Hämmern an der Innenseite der Tür. "Das wirst Du mir büßen, mein 'erz. Kleiner Daimonbraten!" Dido streckte dem Holz ihre Zunge entgegen und drehte sich um. "Den sind wir erst mal los. Schade, das mit der Tür zieht wohl nicht mehr.


    Dido deutete auf den düsteren Gang, der sich vor ihnen erstreckte und nur am Ende von einem einsamen Öllicht erhellt wurde, der den Aufgang zum Oberirdischen beleuchtete. "Das ist der Keller der Villa Flavia!", hauchte Dido. Die Schatten spielten auf ihrem Gesicht, die Schwärze griff nach Didos schmächtiger Gestalt. Ihre Stimme nahm einen düsteren Klang an. "Hier sind schon viiiiiele Sklaven verschwunden. In Ketten hinunter gezerrt und niemals wieder an das Licht der Welt gekommen." Dido grinste breit, sie kannte die ganzen Schauergeschichten auch nur von Erzählungen, aber hatte nicht jeder Mythos seinen wahren Kern? "Man sagt, der flavische Kaiser...ich hab seinen Namen vergessen...hat hier auch seine Feinde her verschleppt und sie persönlich gefoltert. Und Felix..." Dido pausierte, scheinbar glaubte sie, dass der Name Felix etwas besonders unheilvolles an sich hatte. "...hat hier ebenfalls einen geheimen Raum. Voll mit Brenneisen und Streckbänken." Didos Feixen war in dem Moment nicht ganz so übertrieben, war womöglich doch etwas Wahres an all den Geschichten? "Wenn Du willst, dann zeige ich Dir all die Räume und auch die Räume wo die unnützen Sklaven hinkommen. Die Dummen, die sich gegen ihre Herrn erheben oder gar fliehen." Dido wußte, dass Asny noch leicht an der Nase herum zu führen war, wußte sie doch wenig davon, dass der Germane Rutger Severus die angebliche Härte und flavische Grausamkeit mit seinem Weiterleben ad absurdum führte. Ein Sklave, der geflohen war und dennoch noch weiterleben durfte. Dido war dem Geheimnis noch nicht auf die Spur gekommen, wie der Sklave das geschafft hatte. Aber Dido hatte schon gehört, dass sein Herr einfach zu weichherzig war. Didos verzog bei dem Gedanken angewidert das Gesicht und vermißte ganz schrecklich Flavius Serenus, ihren Herrn, der bestimmt die passenden Worte hier gefunden hätte und sowieso.


    Dido steckte den Schlüssel in eine Nische in der Mauer, dort, wo sie ihn später noch finden würde. "Es gibt ein paar sehr wichtige Sklaven hier im Haus, von den Herrn erzähle ich Dir später." Dido ging einige Schritte weiter und blieb dann wieder stehen. "Der allerwichtigste Sklave, das ist Sciurus. Sciurus ist der Leibsklave von Flavius Gracchus und genießt sein uuuuuneingeschränktes Vertrauen oder so...das sagt man auf jeden Fall in der Sklavenunterkunft. Er ist somit der Obersklave hier. Auf sein Wort sollte man hören! Wenn man nicht unglücklich werden will!" Dass Hannibal ihr widersprechen würde, erwähnte Dido nicht. Warum auch? Sciurus war viel wichtiger in ihren Augen. "Sciurus ist blond und hat blaue Augen. Aber verwechsel ihn nicht mit dem Germanen. Der ist auch blond und hat, glaub ich, auch blaue Augen. Aber Sciurus geht anders." Dido beugte den Kopf einen Finger breit nach vorne, zog die Schultern etwas mehr in die Mitte und ging, als ob sie jederzeit erwartete, angegriffen zu werden. "So in etwas! Und der Germane Severus geht so..." Dido streckte die Nase in die Luft, stemmte beide Hände in die Taille und ging breitbreinig und wie ein Gockel stolzierend den Gang entlang.


    Didos Schultern sackten herab, sie drehte sich zu Asny um und grinste von einem Ohr zum Anderen. "Und der Letzte, der steht gar nicht gut im Hause dar. Selbst bei der komischen Gans Bridhe nicht. Die waren mal so zusammen oder so...weiß auch nicht, was die damit meinen. Die Bridhe, die lacht auch dauernd und kichert. Und ist bestimmt auch ganz unnütz!" Dido begann sich schon in die Sciuruswelt einzudenken. "Weiß auch nicht warum, aber ist wohl so!" Dido zuckte ratlos mit den Schultern. "Bridhe gehört auch Flavius Aquilius! Von dem erzähle ich später, auch von den Anderen. Sie ist auch nicht so wichtig. Viel wichtiger, das ist Straton. Er ist der Leibsklave von Aquilius und ich glaube, Sciurus findet ihn nicht faul." Schon wieder eine Adlung, die ein Sklave erhalten würde. Sciurus schien Didos ganzer Maßstab zu sein. Aber seit den Saturnalien redete Dido ständig von: 'Sciurus tut dies', 'Sciurus denkt bestimmt das', 'Ich glaube, Sciurus würde'. "Der Straton geht so!" Dido verzog das Gesicht, es wurde ganz starr und Dido streckte die Arme durch, richtete sich auf als ob sie einen Stock verschluckt hätte. Mechanisch marschierte sie einige Schritte weiter. "Er ist Hispanier oder Grieche oder so, galub' ich...ist ja fast dasselbe." Die Flamme der einsamen Öllampe im Gang flackerte einen Augenblick heller, beleuchtete Didos mehr gleichgültig anmutendes Gesicht, wenigstens was den Sklaven betraf, das sofort eine fröhliches Funkeln annahm. "Was willst Du sehen? Die Folterkammer oder den Carcer? Der Weinkeller ist auch hier irgendwo..." Wein fand Dido ekelhaft, darum interessierte sie sich dafür nicht.

  • Im Nachhinein sollte sich Asny wohl glücklich schätzen, dass weder Dido noch Ilisia mitbekommen hatte, auf welche Weise sie ihr Essen mit der toten Zwillingsschwester geteilt hatte. In ihrem Zuhause jedenfalls hatte jedes Mal wieder eine wahre Grabesstimmung geherrscht, wenn die älteste Tochter gutes Essen verbrannte, und mochten es noch so kleine Portionen sein. Und eigentlich verlangte es eine Tote für gewöhnlich auch nicht andauernd nach einer Mahlzeit, doch Asa hatte beim Übertritt in die Schattenwelt diese Information entweder nicht mitbekommen oder stellte wieder einmal ihre eigenen, persönlichen Regeln auf, wie sie es bereits als Lebende getan hatte. Und nun bestand sie eben weiterhin auf angemessene Verköstigung, wann auch immer Asny selbst etwas aß. Im Grunde machte der das nichts aus, wäre da nur eben nicht die Umgebung mit ihren verengten Augen und den gerunzelten Stirnen.
    Die sichtbare Schwester jedenfalls brachte zwar etwas langsamer, doch aufgrund der geschrumpften Menge auch recht bald ihre kleine Zwischenmahlzeit hinter sich, säuberte ihre Finger aber an einem an der Wand hängenden Tuch, während man Asas Schmatzen beinahe lauter vernehmen konnte, als das ebenfalls recht kräftige Arbeitsgetöse der Culina. Doch Asny gefielen der arbeitsame Lärm, die Geräusche, die Gerüche, auch jene, die sich etwas strenger und schärfer unter die sonstigen Wohldüfte mischten. Natürlich würde sie an diesem Ort niemals schalten und walten können, wie sie wollte und immer unter strenger Aufsicht stehen, und dennoch... Ihre Brust hob und senkte sich unter einem tiefen, wenn auch stummen Seufzer. Sie achtete weit mehr auf die Geschäftigkeit der Küche als auf Ilisias Antworten, wenigstens, bis das laute Klatschen des Brotteiges sie wieder auf die achtbare ältere Frau aufmerksam machte. Dido jedoch strebte verständlicherweise wieder von ihr fort, ebenso wie Asa, der die Küche auf Dauer trotz der darin herrschenden Aufregung langweilig wurde.


    Achja, der Koch hatte sich ja ebenfalls recht weit oben auf der Peitschliste befunden. Davon ausgehend war der Blick der kleinen Sklavin auf ihren 'Feind' wohl nur zu verständlich. Asny hingegen betrachtete ihn mit dem gleichen milden Interesse, mit dem sie alle neuen Bekanntschaften erst einmal zu mustern pflegte und bei dem man nur raten konnte, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging. Aber, unnetter Koch hin oder her - und nettes Verhalten ihr gegenüber war sie auch von deutlich näherstehenden Personen nicht mehr gewohnt -, auch nach Didos kritischer Nachfrage sah sie nach wie vor keinen Grund, die Arbeit in der Küche zu meiden. Schon lange hatte sie einmal die ein oder andere Rezeptur ausprobieren wollen und genau hier fanden sich alle sonst so weit entfernten Voraussetzungen dafür erfüllt. Man würde unter Umständen sogar von ihr verlangen, sie auszuprobieren... irgendwann, nach der Eingewöhnungsphase. Aber doch, ja, neben dem Wunsch, die großartigen, kunstvollen Statuen säubern zu können, stand die Küche doch auch schon recht weit oben auf Asnys Liste der Lieblingsarbeitsplätze. Und dabei hatte sie bislang kaum mehr als Gänge und Culina gesehen!
    Dann hatte der Koch sie auch schon entdeckt und wenigstens Dido hatte schnell entschieden, wie sie darauf reagieren sollten. Weglaufen war normalerweise zwar nicht Asnys Taktik, ganz im Gegenteil, aber sie musste notgedrungen in der Nähe ihrer Fremdenführerin bleiben, und so blieb ihr kaum Zeit für ein knappes "Entschuldige!" als sie sich auch schon umdrehen musste, um der jüngeren Sklavin hinterher zueilen und sie nicht aus den Augen zu verlieren. Einen guten ersten Eindruck hinterließ das freilich nicht, doch zu gegebener Zeit würde sie sich angemessen vorstellig machen. Mit diesem inneren Versprechen wieder im Einklang mit sich selbst wich Asny dem Küchenjungen aus, der sich nach dem Zusammenprall mit Dido aber ohnehin erst einmal wieder sammeln musste, und folgte dem Mädchen in die gutgefüllte Speisekammer, die Asa mit einem entzückten Schrei begrüßte und sich mehrmals schnell im Kreis drehte, um sich alles anzuschauen. Viel Zeit ließ Dido sich allerdings auch hier nicht und der neuen Sklavin stockte kurz das Herz als die Kleine um ein Haar den Rest der Treppe auf sehr schmerzvolle Art bewältigt hätte.
    Klasse Reflexe, die Kurze! johlte dagegen Asa, der diese halsbrecherische Flucht sichtlich Spaß machte. Hey, vielleicht ist sie meine Wiedergeburt... aber müsste ich das nicht wissen?


    Asny ließ ihre grübelnde Schwester ein Stückchen hinter sich und folgte der Kleinen in den nächsten Raum, sich allmählich wünschend, ihr Bündel in irgendeiner Ecke verborgen zu haben, bis diese aufregende Villabesichtigung ein Ende gefunden hatte. Kühl war es hier und der Blick der weißblonden Sklavin glitt über das in vielen verschiedenen Variationen hier gelagerte Fleisch, während sie Dido endlich wieder einholte. Hart spürte sie ihren beschleunigten Herzschlag an ihren Rippen und holte einmal tief Luft, was aber eher von dem Beinahe-Unfall der Kleinen herrührte, als von einem Ende ihrer Kondition. Doch die Flucht war augenscheinlich noch nicht beendet und Dido erklärte ihr auch stolz wie eifrig, wo diese weitergehen würde - was Asa erneut in Lobeshymnen ausbrechen ließ - als die sich zuspitzenden Umstände es auch schon erforderten, eben jene letzte Station eilig hinter sich zu bringen.
    Ich hoffe, du bist dir der Ehre bewusst, in so ein tolles Geheimnis eingeweiht zu werden! zischte Asa ihr zu, als sie beide fast gleichzeitig durch diese letzte Tür hasteten und ebenso einträchtig seufzten, als Dido den Schlüssel hinter ihnen umgedreht hatte und dieses süße Geräusch ihre Ohren erfüllte. Die tote Schwester bedauerte heftig und in blumigen Beschreibungen den Umstand, dass 'der Feind' nun von diesem tollen Geheimnis wusste, Asny indes sah mit jedem wütenden Wort des Kochs ihre Karriere in der Culina ein wenig weiter fortrücken. Doch derlei Sorgen machte sie sich in der Regel nur kurz und schon wenig später war sie sich wieder sehr sicher, auch eine Lösung für dieses Problem zu finden.


    Dann bekamen beide Schwestern Zeit und Gelegenheit, sich in ihrer neuen, deutlich andersartigen Umgebung umzuschauen, die Dido freundlicherweise auch gleich mit dem passenden Stimmenklang zu untermalen verstand. Asas Mund öffnete ich in abenteuerlustigem Staunen, während Asny den Kopf leicht nachdenklich und wie üblich mit mildem Interesse zur Seite neigte und ihre Augen durch die lauernden Schatten hindurch die Tiefen des Ganges erkunden ließ. Beide lauschten aufmerksam Didos wirklich fachmännisch klingenden Beschreibungen, während ihre Gedanken allerdings mit Sicherheit völlig unterschiedliche Wege einschlugen.
    Asny fand, dass sich Didos Erklärungen ziemlich gut mit dem schnitten, was man sich allgemein über die Flavier und die Gewölbe unter deren Villa erzählte. So schwer es allerdings war, die neue Sklavin zu einem herzhaften Lachen oder zu einem wütenden Gebrüll zu reizen, so schwierig war es ebenfalls, sie zu einer angsterfüllten Reaktion zu verführen. Zwar war es mehr eine tiefgehende Gleichmütigkeit gepaart mit der Sicherheit durch die Anwesenheit ihrer Schwester, als wirkliche Kaltblütigkeit und Furchtlosigkeit, aber das Ergebnis blieb zunächst dasselbe. Nämlich gar keines. Die Aussicht auf Streckbänke und Brenneisen empfing Asny ebenso wie die Wurstspende zuvor. Leidlich interessiert, sacht lächelnd und in erster Linie ruhig und gelassen. Obgleich die Beschreibung der 'dummen Sklaven' ihr Lächeln ein wenig verstärkte. Wenn man das Mädchen so reden hörte, mochte man annehmen, dass sie selbst eher zu den Herrschaften denn den Dienenden gehörte. Nun, Asny hatte eigentlich nicht vor, zu fliehen und auch gewiss nicht zu rebellieren, ganz einfach weil es ihr persönlich recht wenig bringen würde. Wo sollte sie auch hin? Am Ehesten würde sie erneut den Sklavenhändler als Ziel wählen, der hatte sich wenigstens gefreut, sie zu sehen. Ansonsten waren ihre Möglichkeiten ziemlich eingegrenzt. Wenn diese Einstellung für einen nützlichen Sklaven sprach - nun gut.


    Dann begann die Kleine über einige wirklich wichtigen Personen des Haushaltes zu sprechen und ihre Zuhörerin hätte sich an dieser Stelle tatsächlich gerne Notizen gemacht, aber ihr Gedächtnis würde vorerst ausreichen müssen.
    Kein Minotaurus?? Asa war ehrlich enttäuscht, nicht nur, weil sie zweihundert imaginäre Sesterzen verlor, sondern weil sie das - bislang nur aus einem Gang bestehende - Labyrinth hier unten im Geheimen bereits zum Wohnort dieses Sciurus erklärt hatte. Dass es sich da nur um einen blonden, blauäugigen Sklaven handeln sollte, deprimierte sie zutiefst, Obersklave hin oder her. Asny hingegen betrachtete interessiert die folgenden Beschreibungen und Präsentationen jener wichtigsten Sklaven des Hauses und versuchte, sich alles weitesgehend einzuprägen. Zwar wusste sie immer noch nicht recht, worin sie nun eigentlich nicht faul sein sollte, davon abgesehen, dass sie 'faul' gerne ein wenig näher definiert hätte, dennoch glaubte sie gegen Ende, sich ein ganz brauchbares Bild von diesen Sklaven gebildet zu haben. Dido war allerdings wie gewohnt ein wenig schneller als ihre lebende Begleitung und hatte bereits die Frage nach der nächsten Station gestellt, während Asny noch bei dem vorherigen Thema weilte und innerlich wiederholte, wie sie es von ihren Unterrichtsstunden gewohnt war, die in den letzten Jahren rapide zugenommen hatten, weil sie dafür praktischerweise das Haus verlassen und sich zu den früheren Herrschaften ihrer Eltern begeben musste, sprich wohltuend aus den elterlichen Augen verschwand. Und da mündliche Wiederholungen dort fester Bestandteil der Lehreinheiten gewesen waren, hatte sie sich dies so angewöhnt.
    "Verzeih, Herrin, ich will nur rasch all diese wichtigen Informationen noch einmal wiederholen, damit ich sie auch nicht vergesse."
    Sie lächelte entschuldigend, räusperte sich dann leise und fuhr fort:
    "Sciurus ist..."
    ...die größte Enttäuschung dieses Tages.
    "... der Leibsklave von Flavius Gracchus und der Obersklave des Hauses. Wenn ich nicht auf ihn höre oder faul bin werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach unglücklich werden."
    Er wäre wohl der Erste, dem das gelänge. Begegne ihm einfach nicht, ja?
    "Ich darf ihn nicht mit dem Germanen Severus verwechseln, der ihm zwar ähnlich sieht, aber einen ganz anderen Charakter besitzt." Sie zögerte kurz nachdenklich, während ihr Blick sich etwas über Didos Kopf hinaus hob und leicht trübte.
    "Sciurus geht... hm..."
    Aaaasny, die Folterkammer... du denkst zuviel, das hab ich schon immer gesagt!
    Die blassblauen Augen senkten sich langsam zurück auf die ozeanfarbenen des Mädchens, schienen sie jedoch nur langsam wieder richtig zu fokussieren und überhaupt wahrzunehmen. Deutlich abwesender fuhr die neue Sklavin leise fort:
    "Bridhe und Straton dienen beide Flavius Aquilius, Straton ist sein Leibsklave und hat Probleme im Haus, obwohl er gute Arbeit leistet, und er war einmal mit Bridhe zusammen, die meistens fröhlich ist."
    Asny schien langsam aus ihrer Träumerei wenn man es so nennen wollte zu erwachen, nicht zuletzt aufgrund der Unruhe ihrer Schwester. Ihr Lächeln fand rasch wieder den gewohnten Platz auf ihren Lippen.
    "Ich würde gerne soviel wie möglich sehen... aber verliert die Folterkammer nicht einen Teil ihrer abschreckenden Wirkung wenn ich sie schon kenne?"

  • Sachte schabte es an der Wand, drei lange dunkle Barthaare spähten aus einer Lücke im Gemäuer hervor, verdeckt noch von den Schatten, die die Öllampe in dem Kellergang erzeugte. Nicht mal eine Hand groß war die Spalte in der Wand, eine schwarze Rattennase schob sich nach vorne, erneut erzitterten die Barthaare als sie die Witterung nach den fiesen Katzen, die es doch zahlreich in der Villa gab, aufnahm. Seitdem immerhin der gemeine Kampfhund weg war, schien das Leben der Ratten wieder besser geworden zu sein. Die behaarten Wangen des Nagetiers schoben sich nach vorne als die kleine Ratte die beiden Menschen witterte und einen Herzschlag lang verharrte, eilends schlüpfte die Ratte aus dem Loch und trippelte an der Wand entlang, schon fern von Licht und Menschen. Ein Windzug stob durch den Gang, von weit oben, und spielte mit der einsamen Feuerzunge der Öllampe, warf sie nach rechts, nach hinten und stieß sie vor. Die Lichter glitten über die Mauerabschnitte, verzerrt und unstet, einen Augenblick lang spiegelte sich das Licht in den beiden Knopfaugen der Ratte wieder. Dido, die Asny noch erst aufmerksam zugehört hatte, stutzte und sah zu der Ratte, ein mörderischer Ausdruck und die Lust, einer kleinen, hilflosen Kreatur den Gar aus zu machen, schlich sich auf die kindlichen Züge der kleinen Dido, die in dem Moment gar nicht unschuldig oder lieblich wirkte, selbst mit ihren blonden Haaren nicht mehr. Sie griff nach ihrem Gürtel, wie automatisch, und in die Leere, denn kein Beutel hing dort, der ihre Zwille enthielt. Dido stob empört die Luft durch die Nase und ließ ihre Hand wieder sinken, die Ratte ahnte gar nicht, dass sie dem Tode nur knapp entronnen war, sondern trippelte eilig weiter und verschwand in einem weiteren Loch, ehe Dido sich nach einer anderen, geeigneten Waffe umsehen konnte. Dido verzog das Gesicht verärgert und wandte sich Asny zu. „Hm?“, murmelte Dido und hob die Hand, um sich an der Nasenspitze zu kratzen. Es entlockte ihr sicherlich erneut ein Lächeln, ein Geschmeicheltes, als sie mit Herrin angesprochen wurde. „Ja, Sciurus...richtig...“, murmelte Dido und nickte eifrig mit ihrem Kopf. „...gaaaanz anderer CharaaaadaCharakter...richtig faul und unnütz...“ Mehr Kriterien, warum ein Sklave ein schlechter Sklave war , außer Rebellion und ähnliches, kannte Dido nicht. „Ja, tun die Beiden...Flavius Aquilius...“, kommentierte Dido auch die nächste Wiederholung, doch dann stutzte Dido.


    „Neeeeeein! So ist das nicht!“, protestierte Dido eifrig. Und war genauso beflissen, Asny gleich zu korrigieren. „Severus und Bridhe waren zusammen und Straton nicht. Also, ich glaube nicht...ich weiß es nicht so genau...“ Weil sie nicht wusste, was mit 'Zusammen sein' gemeint war. Dido war auch mit ihrem Herrn zusammen, ist es nun mit Asny und zahlreichen anderen Menschen sonst auch, aber sie würde, wenn sie das jemanden erzählte, gewiss nicht so bedeutsam angeguckt werden. Wie die anderen Sklaven im Haus das taten, wenn sie über die Ihresgleichen tratschten. „Hat Straton Probleme?“ Dido blinzelte verwundert nach oben. „Meinst Du, Bridhe war auch mit ihm zusammen? Ja, das stimmt wohl...ich habe die Beiden neulich zusammen gesehen...dann hast Du wohl Recht. Doch. Das ist so. Dann ist Bridhe wohl mit Severus und mit Straton zusammen. “ Dido nickte. „Und Straton und Severus? Sind die auch zusammen?" Dido steckte einen Finger in ihren Haaren und drehte an den armen Strähnen wie wild hin und her. „Aber Severus hat noch mehr Probleme als Straton. Aber ich glaube, Severus ist schlauer. Der macht alles möglich, wird aber dennoch nicht bestraft. Ja!“ Immer wenn Dido ganz konfus wurde, dann hatte sie das Bedürfnis ihren Finger in die Nase zu stecken, der Finger wanderte schon hoch, verharrte jedoch einen Zoll vor ihrem kleinen Nasenloch. „Hm. Also, das waren so die wichtigsten Sklaven, es gibt natürlich viiiiiel, viel mehr hier in der Villa. Hmm...“ Erneut erntete Asny mehr Ratlosigkeit bei Dido. „Hm...? Was meinst Du damit? Wie kannst Du etwas fürchten, was Du nicht kennst?“ Diese Logik erschloss sich der kindlichen Dido nicht so ganz. Dido verschränkte ihre Arme vor ihrer mageren Hühnerbrust und spähte in die Dunkelheit, als ob ihr sich dort die Antworten offenbarten. „Du musst Dir die Bilder anschauen, dann wirst Du bestimmt fürchten, dort hinein gesteckt zu werden...aber wenn Du nicht magst...dann zeige ich sie Dir ein anderes Mal oder wenn mal wieder ein Sklave bestraft wird oder gar nicht!!“


    Dido zog ein schmollendes Gesicht, dass deutlich zum Ausdruck brachte: 'Das hast Du halt davon, wenn Du die Folterkammer nicht sehen möchtest. Dann entgeht Dir die Attraktion eben. Pah, selber Schuld!' Dido sprach es jedoch nicht aus, sondern griff nach der Öllampe, die in einer Nische stand, betont gelangweilt machte sie einige Schritte in den Gang und blieb vor einer verschlossenen Kellertür stehen, wo nur ein schmales Gitterfenster Einblick gewährte. Dido reckte sich, um mit ihren Fingern die Eisenstäbe zu umgreifen und ihren Augen gerade noch hinein zu spähen. „Da war dieser Severus gefangen. Der mit Bridhe...oder Straton? Egal...“ Nur ein wenig Lichtschein fiel in den nun verlassenen Carcer. „Er war hier viele Monate eingesperrt, wie Vieh...ja...das passiert, wenn man unartig ist in der Villa Flavia...“ Dido grinste breit und etwas bösartig. Sie wusste nicht warum, aber irgendetwas reizte Dido doch, Asny das Fürchten zu lehren. War es das stete unerschütterliche Lächeln, dass die neue Sklavin der Villa Flavia an den Tag legte? Es schien Dido zumindest etwas zu reizen. Dido drehte sich um und hielt die Öllampe in ihrer Hand, das Licht beschien ihre untere Gesichtshälte und warf lange Schatten bei ihren Augenhöhlen und ihrer Stirn. „Manche sagen...“, raunte Dido. „Hier spucken die Geister, denen die Ruhe für immer verwehrt wurde. Sie sind verflucht und sie hassen uns und würden uns am Liebsten alles Leben raus saugen. Und wer hier zu lange ist...“ Didos Augen funkelten, begeistert über all den Schrecken, den die Villa Flavia enthielt. „...in der Villa und ganz besonders im Keller. Der wird selber verrückt...wie alle Flavier...keiner hier ist normal...KEINER!“, hauchte Dido etwas lauter und mit einem kräftigen Zischen durch ihre Zähne. Dido sah Asny intensiv an, immer wieder bewegten sich ihre Mundwinkel auf und ab, ihre Augen waren etwas geweitet und Dido atmete flacher, aufgeregt und ganz fiebrig bei all den schrecklich-schönen Vorstellungen, die sie bei solchen Geistern hegte. Flackerte nicht auch der Hauch von Irrsinn bereits in die kindlichen Augen? War sie womöglich mit dem Familienerbe ihrer Linie früher dran, als alle Sklaven zuvor? Ganz still wurde Dido, denn ein leises Säuseln ließ sie inne halten. Es knarrte leise im Keller und wenn man erst mal darauf hörte, mischten sich noch ganz andere Geräusche hinzu. Irgendwo tropfte es leise, etwas quietschte, waren dort nicht Schritte zu hören? Dido lächelte bedeutungsvoll und legte ihre kühlen Fingerspitzen auf Asnys Arm. „Wenn wir warten, dann kommen SIE. Hörst Du es schon?“ Dido blinzelte nicht ein einzige Mal und flüsterte weiter kalt und ohne Emotionen. „Der Senator Iturius...ich höre schon seine Schritte...er wurde hier in dem Keller getötet...von den Schergen des Kaisers....seine Schreie sollen drei Tage durch die Villa gehallt sein, aber niemand ist ihm zu Hilfe geeilt, denn der Kaiser hätte jeden dafür hinrichten lassen...der flavische Kaiser, dem auch diese Villa gehört hat...oh ja! Er schreit manchmal immer noch, wenn man genau hinhört. Besonders nachts.“ Dido fand zunehmend Gefallen an den Geschichten, aber ihr wurde langsam kalt und selbst unter der wollenen Tunika fröstelte sie ein wenig. „Aber Du wirst ihn schon noch kennen lernen, eines Tages....oder nachts, wenn Dein Herr Dich zur Strafe hier herunter schickt.“


    Dido zog die Öllampe weg, es beschien nun nicht mehr ihr Gesicht, sondern den Weg vor ihnen. „Komm, lass uns nach oben gehen. Oder? Möchtest Du den Garten sehen? Oder willst Du lieber erst Mal in die Sklavenunterkunft? Beeilen müssen wir uns nicht. Dein Herr ist sowieso in Pattia. Wo auch immer das liegt. Und er wird Dich gewiss nicht so schnell rufen.“ Darum war Dido aber eigentlich recht froh, diesen großen, düsteren Mann hatte sie nur undeutlich vor Augen, aber er musste ein ganz gemeiner Kerl sein. Denn Severus war nicht ohne Grund von zu hause abgehauen und sogar bis nach Ägypten gereist. „Vielleicht stirbt er auch in Pattia.“ Gleichmütig zuckte Dido mit der Schulter. „Ich mag ihn nicht. Er ist ein blöder Herr. Aber sein Sohn, Serenus, der ist toll! Vielleicht kommt er wieder zurück nach Rom, hoffentlich. Soll ich Dir von den anderen erzählen, die hier wohnen und wo möchtest Du jetzt hin und was sollen wir machen und hast Du Hunger und sowieso?“, plätscherte es munter aus Didos Mund heraus und ohne PunktundKomma.

  • Gemessen an Asnys sonstigem Wesen machte sie sich wohl kaum Gedanken oder gar Sorgen bezüglich der Wirkung einer Folterkammer auf sie selbst. Oftmals schien sie sich einfach zu weit fort von der Welt zu befinden, um auf die Geschehnisse, die sie umgaben, überhaupt auch nur eine kleine Reaktion zu zeigen. Sie fand nur einfach, womöglich nachvollziehbar, dass ein so kleines Mädchen wie Dido einen solchen Raum nicht öfters sehen sollte, als notwendig. Unschön genug, dass sie diesen offenbar jederzeit besichtigen konnte. Asa war zwar keineswegs entzückt, denn sie hätte dieses morbide Gemach schrecklich gerne zu Gesicht bekommen, aber ihre Schwester war nun einmal die Lebende und was sie sagte, wurde in der Regel auch gemacht. Die Verstorbene wollte sich schließlich nicht zu einem wahren Plagegeist entwickeln.
    Asnys teilweise etwas nachdenklich getrübtem Blick entging Didos blutrünstige Mimik in Bezug auf das quiekende Nagetier, und abgesehen davon wurden Ratten zumeist auch nicht sehr freundlich begrüßt, ganz gleich von wem. Und ein kalter, dunkler Gang, ein Kerker ohne Ratten? Irgendetwas würde ganz sicher fehlen.
    Die weißblonde Sklavin hielt inne, als das Mädchen sie korrigierte und nickte zunächst verständlich, im Folgenden wiederum ein wenig stärker lächelnd. Sollte sie Dido aufklären? Wenigstens was das ohne nähere Kenntnisse schwer zu deutende 'zusammensein' betraf? Was diesen, doch recht persönlichen Tratsch anging, sollte sie sich indes wahrscheinlich mit jener Bridhe selbst auseinandersetzen, die es möglicherweise auch gar nicht so toll fand, dass ihre Beziehungen Inhaltsteile einer kindlichen Einführung in den flavischen Haushalt darstellten. Doch wenn man der Kleinen nun erklärte, dass mit 'zusammensein' etwas anderes gemeint war als das beieinander stehen, würde sie mit ihrem neuen Wissen dann nicht gleich noch aufgeregter und 'informativer' durch die Villa laufen? Möglicherweise war es jedoch auch wahrscheinlicher, dass sie angeekelt das Gesicht verzog und nichts mehr von solcherlei dummem Zeug wissen wollte.


    Oha. Mit ihrem Einwand bezüglich der Folterkammer hatte sie ihre kleine Führerin ganz offenbar beleidigt. Oder, wie sich später herausstellte, doch eher herausgefordert? Asny folgte der Kleinen zum leerstehenden Carcer und hörte stumm, doch wie immer sacht interessiert die dazugehörige Geschichte an. Hier war also Severus gefangen gehalten worden? Jener Severus, der doch angeblich nicht bestraft würde, obwohl er alles mögliche machte? Über Didos blonden Schopf hinweg blickte die Sklavin ebenfalls durch die Gitterstäbe hindurch in den schmalen, dunklen Raum dahinter und musste zugeben, dass die Aussicht, hier eingeschlossen zu werden, keine schönen Gefühle weckte. Doch ihr Interesse war nach wie vor eher sachlicher als emotional aufgeladener Art, und so erschauderte sie weder, noch weiteten sich ihre Augen in Furcht vor dem, was ihr hier zustoßen könnte. In gewisser Weise musste sie zwangsläufig eine Enttäuschung für jeden leidenschaftlichen Fremdenführer sein, obwohl ihr dies gar nicht so bewusst wurde. Sie war ja interessiert, sich machte sich sogar recht viele Gedanken, nur hielt sie all jene fest und sicher in ihrem Kopf verwahrt, wo außer Asa niemand Zugriff hatte. Manch eine Frage lag ihr ebenfalls auf der Zunge, die sie auf einer mentalen Liste notierte, trotz der sie jedoch noch nicht den richtigen Zeitpunkt gekommen sah, sie tatsächlich zu stellen. Zu gerne lauschte sie auch Didos Geplaudere, wenngleich deren Thematiken sich anscheinend immer stärker der Umgebung anzupassen schienen. Und dass das Mädchen ihr mit ihrer gruseligen Art und der kindlichen Phantasie offenbar Angst einjagen wollte, merkte auch Asny, ohne dass ihre Schwester noch zusätzlich nachhakte. Was sie selbstverständlich trotzdem tat. Schließlich ging es auch um Geister.


    Sie macht das klasse! folgte dann auch sogleich, während sie das unheimliche Licht- und Schattenspiel beobachtete, das Didos kindliche Züge zu einer geheimnisvollen Fratze verzerrte. Vermutlich war die tote Schwester auch nur deswegen so begeistert, weil es gerade um Geister ging. Folgsam blickte sie sich anschließend auch um und lauschte, zuckte dann jedoch mit den Schultern.
    Hier bin nur ich. Wenigstens soweit ich sehen kann. Aber... aber Asny, nun versuch doch wenigstens, ein ängstliches Gesicht zu machen! Ziemlich ungehalten grummelte Asa ihren Zwilling an, die auch jene wirklich bühnenreife Demonstration in ihrer üblichen Haltung aufnahm und nur kurz den Blick von Dido fort und zur Seite zucken ließ, um das miesepetrige Geistergesicht zu sehen. Doch was sollte sie machen? Wüsste die Kleine um die Worte ihrer Eltern, würde sie von sich aus gar nicht erst versuchen, ihr mit der Unnormalheit der Villenbewohner Furcht einjagen zu wollen. Und Geister - sie lief seit fünf Jahren mit einem Geist durch die Gegend, wegen dem man sie schlussendlich in die Sklaverei verkauft hatte. Was peinigten sie da fremde Gruselgestalten aus einer Flaviervilla? Natürlich lauschte auch sie auf die fernen Kellergeräusche, was sie aber viel mehr interessierte, war die Beobachtung eines kleinen, fröstelnden Körpers vor ihr, was bei diesen Temperaturen und der feuchten Luft auch nicht überraschte. Dido sollte nicht so lange hier unten bleiben, auch wenn sie es ganz offensichtlich im gewissem Sinne genoss. Wie Asa nicht zuletzt ebenfalls, die überhaupt kein Verständnis für fröstelnde Kinder hatte und immer noch quengelte, die Folterkammer sehen zu wollen.
    Ihre Schwester hingegen räusperte sich nur leise, hielt jedoch in ihrem Ansatz inne, als die Kleine wiederum das Thema um 180 Grad wendete und es plötzlich wieder um etwas sehr viel Wichtigeres ging als Geister - Verwandte ausgenommen -, nämlich ihren neuen Herrn. Auf den sie als frischgebackene Sklavin natürlich irgendwie neugierig sein musste. Sogar ihre Augen weiteten sich eine Winzigkeit, für ihre Verhältnisse ein todsicheres Zeichen ihrer grenzenlosen Aufmerksamkeit. Didos Ansichten ihrem Herrn gegenüber riefen gemischte Gefühle in ihr hervor. Einmal war sie froh, dass sie noch eine gewisse 'Gnadenfrist' besaß, um ihre Eingewöhnungsphase angemessen fortsetzen zu können, andererseits war sie natürlich - für ihre Verhältnisse - begierig darauf, diesen Flavier kennen zulernen, der sie ohne sein Wissen ersteigert hatte. Didos doch recht negative Meinung klang nicht gerade ermutigend. Allerdings war es nicht leicht zu ergründen, wieso ihr Herr 'blöd' sein sollte. Wenn sie ihn jedoch nicht mochte, war das kein sonderlich gutes Zeichen. Dennoch...


    "Ich möchte nicht, dass er in Pattia stirbt", murmelte Asny nach einer kleinen Pause leise und eigentlich mit der üblichen Gleichmütigkeit und Freundlichkeit, wenn man davon absah, dass ihr Blick gerade nicht auf ihrer Begleiterin ruhte, diese anschließend aber zielsicher wiederfand.
    "Denk dir nur, vielleicht verkaufen sie mich dann wieder. Das fände ich sehr schade." Möglicherweise wollte sie Dido nur behutsam auf die Seite derjenigen ziehen, die sich wünschten, dass Marcus Flavius Aristides in einem Stück und auf eigenen Beinen in die Villa zurückkehrte, verfluchte, irre Flavier hin oder her. Dennoch zuckte sie schwach mit den Schultern und ihre blassblauen, im Schein der Laterne seltsam grünlich flackernden Augen hoben sich zur steinernen Decke, als könnte sie problemlos durch sie hindurch schauen.
    "Vielleicht sollte ich um seine sichere Rückkehr beten. Fünftausendfünfhundert Sesterzen sollten es doch eigentlich wert sein, dass man für ihn betet, oder?" Langsam glitt ihr Blick zurück zu Dido und ihr Lächeln verstärkte sich, als hätte sie innerlich noch etwas Amüsantes ergänzt. Asa bemerkte, dass es immer noch Momente gab, in denen selbst sie ihre Schwester nicht folgen konnte. Ihr verständnisloses Kopfschütteln hörte erst auf, als Asny auf ein für sie sehr delikates Thema zurückkam.
    "Und Dido, wegen der Geister. Ich glaube, Geister spuken nicht an Orten, sie verfolgen vielmehr bestimmte Menschen. Bleiben bei ihnen, schützen sie oder verfluchen sie. Und je nachdem, wie sensibel die verfolgte Person ist, umso deutlicher kann sie deren Anwesenheit wahrnehmen. Außerdem sind längst nicht alle Geister böse. Hass und Schmerz und Furcht sind natürlich sehr starke Gefühle, die eine Seele daran hindern können, in die Unterwelt zu gehen, aber Liebe und Sorge sind doch keine schwächeren Empfindungen. Ohje, ich hoffe, ich habe dir jetzt nicht den Spaß genommen..." Mit sacht zur Seite geneigtem Kopf tippte Asny sich gegen die Wange, als wolle sie sich selbst ein wenig tadeln für ihre sachlichen Erklärungen einem wundersamen Thema gegenüber.


    "Aber ich denke auch, dass Geister nicht seltener missverstanden werden, als Menschen. Hannibal, zum Beispiel, der auf deiner Liste ganz oben steht. Vielleicht ist er auf dem Markt nicht gegangen, weil er dich bösartig alleine lassen wollte, vielleicht ist er gegangen, um den anderen Mann am Mitbieten zu hindern und so zu sichern, dass ich zu dir komme. Vielleicht verdient er eher ein Dankeschön als Schläge. Oder, Herrin? Doch das überlasse ich natürlich deiner Weisheit."
    Anmutig deutete Asny eine Verneigung an, ehe sie, obwohl sie schon für ihre Verhältnisse unnatürlich viel gesprochen hatte, gleich noch die letzte Frage ihrer 'Herrin' aufgriff, während ihr Blick dem Gang folgte.
    "Nun, wenn ich die Folterkammer nicht sehe, malt meine Phantasie mir vielleicht viel schrecklichere Dinge aus, als es dort in Wirklichkeit gibt. Stattdessen würden mich wirklich die Gärten interessieren, wenn du so nett wärst, sie mir zu zeigen. Falls du aber Hunger hast, können wir auch gerne zuerst etwas essen. Ich möchte meine Herrin nicht von ihren üblichen Gewohnheiten abhalten."

  • Einen wilden und unbändigen Tanz schien die kleine Flamme an der schlichten Öffnung der tönernen Lampe zu Vollführen. Gelb loderte das leuchtende Licht um ein tief rotes Herz, das sich immer nur mal wieder schüchtern am Rande des dunklen Lampenloches zeigte, um gleich darauf wieder in den Tiefen zu verschwinden, ganz als ob sie die Dunkelheit, die Menschen und den steten Windzug fürchtete, der das gelbe Lodern hin und her warf und das Licht in dem Gang mit seinem Hauchen steuerte. "Hm.", murmelte Dido und sah Asny nachdenklich an, immer noch bewaffnet mit der Öllampe in ihrer Hand. "Wahrscheinlich kommst Du dann zu der Mutter von dem Vater meines Herrn, Flavia Agrippina. Sie lebt in Baiae und ist eine ganz gemeine, böse Hexe." Dido nickte energisch, oh ja, seitdem die Großmutter von Serenus Dido bestraft hatte, das erste und einzige Mal, dass Dido die Peitsche auf ihrem Rücken gespürt hatte, seitdem hasste das Mädchen diese Frau, davor hatte sie sie lediglich gefürchtet, denn ihr Ruf war wohl schlimmer als der von Flavius Felix oder sonstigen Flaviern der Gegenwart. Dido presste fest ihre Lippen aufeinander und griff sich mit der freien Hand unwillkürlich an den Rücken, es waren nicht viele Hiebe gewesen, aber sie hatten Dido noch Wochen danach geschmerzt und ein einziger Hieb hatte ihren Rücken dauerhaft gezeichnet, eine weiße Linie auf ihrer Haut, etwas, worauf Agrippina wert gelegt hatte, sollten sich doch die Sklaven jeder ihrer Strafen entsinnen, damit sie das Vergehen niemals wieder begangen. Hatte es bei Dido geholfen? Nicht ganz, aber sie würde es gewiss nicht mehr ihre Vergehen derart gestalten, dass die Herrin sie dabei erwischen konnte oder ein Sklave sonst sie verpfiff. Was Dido an den jungen Herrn Lucanus erinnerte und, dass er sie am nächsten Tag zu ihm zitiert hatte. Dido fröstelte einen Augenblick lang, fuhr mit der Hand vom Rücken zu ihrem Arm. Aufmerksam lauschte sie dennoch der anderen Sklavin. Ob die Götter auf die Gebete einer Sklavin hörten? Dido war sich nicht sicher, sie war noch nie einem Gott begegnet, also konnte sie die Frage nie stellen, aber die Summe war tatsächlich viel, das sah Dido ein, darum nickte sie zustimmend. Nur SIE, die junge Dido, würde gewiss nicht für den Mann beten, der ihren Herrn so unglücklich gemacht hatte, so hatte Dido es zumindest erlebt damals. Dido legte den Kopf etwas zur Seite als Asny zu den Geistern zurück kam. Von Geistern verfolgt werden...Hass...Liebe...Flüche? Didos Hand wanderte nun doch zu ihrer Nase und sie steckte sich, völlig abwesend, den Finger in die Nase und drehte ihn hin und her, so dass sich ihr rechter Nasenflügel mal in die eine, dann in die andere Richtung ausbeulte. "Hm.", gab sie erneut zur Antwort. Es schien, als ob Asny gut über Geister Bescheid wusste, was Dido etwas aus dem Konzept brachte, aber gleichermaßen erfreute. Erneut ein Pluspunkt, den die andere Sklavin bei Dido landen konnte und das mit der Folterkammer völlig aus ihrem sonst nachtragenden Gedächtnis strich.


    Einen Minuspunkt erhielt Asny jedoch, als sie das mit Hannibal erwähnte. Didos Augen verschmälerten sich ein wenig, sie wackelte ungnädig mit der Öllampe hin und her und atmete zischend durch ihre Nase ein. Nein, die junge Dido wollte kein Verständnis für Hannibal zeigen, gerade für den nicht. Dido presste ihre Lippen fest aufeinander und wandte sich beleidigt ab und wollte schon davon stapfen, sollte Asny doch sehen, wo sie blieb. Auf das mit der Folterkammer wollte Dido gar nicht mehr reagieren, sie marschierte einige Stufen nach oben und gedachte, ganz die beleidigte Leberwurst zu spielen. Sie schnaubte vor sich her und dachte erneut an Serenus, der sie sicherlich sofort verstanden hätte, er war doch ihr einziger Freund auf der Welt, selbst wenn er ihr Herr war...ihr einziger Freund...ihr Einziger und weit fort. Dido blieb mitten auf der Treppe stehen und ließ die Öllampe herunter sinken. Asny war nicht gemein zu ihr gewesen, hatte kein einziges Mal geschimpft, sie nicht ausgelacht, sie nicht geschlagen, war immer geduldig und hörte ihr aufmerksam zu, welcher Erwachsener konnte das schon behaupten? Somit hatte Dido doch schnell ein Einsehen, sie drehte sich um und sah zu Asny herunter, der indignierte Ausdruck war aus ihrem Gesicht entschwunden. Sie hob ihren rechten Mundwinkel ein wenig, ganz lächeln konnte sie noch nicht, denn ein wenig säuerlich war Dido schon noch, aber sie wusste ja auch, dass Asny nicht wissen konnte, warum. Dido bemühte sich einen versöhnlichen Gesichtsausdruck zu ziehen. "Na gut, ich zeig' Dir dann den Garten. Komm, wir können da weiter reden." Dido drehte sich um und stieg weiter die Treppen hinauf, wobei sie die Beine stärker heben musste als die Erwachsenen, die Stufen waren recht hoch für Dido, aber sie kam trotzdem wenig außer Atem, schließlich war sie mehr ein kleiner Wildfang und tobte und rannte den ganzen Tag.


    Blendend und grell erschien das Tageslicht, das auf die Treppe zum Keller hinab fiel, als Dido die Tür öffnete, das Mädchen blinzelte einige Male um sich erneut an das Tageslicht zu gewöhnen. Sie stellte die Öllampe auf einen Vorsprung in der Mauer, wo eine kleine Kule das Gefäß umfasste, damit es nicht von einem heftigen Windstoß hinunter geworfen wurde und womöglich die ganze Villa anzündete. Die Tür knarrte leise als Dido sie noch ein Stückchen mehr aufmachte und dann hindurch trat, in einen weiteren schlichten und ungeschmückten Gang, wie die des Sklaventraktes und damit wenig von dem Prunk und Reichtum dieser Villa verratend. Leise vor sich hin summend marschierte Dido voran, hüpfte wieder fröhlich auf und ab, lief ein Stück sehr viel schneller, denn Dido hasste es, langsam zu gehen, sie hatte einfach keine Geduld und wollte stets schnell am Ziel ankommen, egal, welches es war. Gut, ganz egal nicht, dort wo sie Prügel oder Schelte erwartete, dorthin brauchte die junge Dido immer eine halbe Ewigkeit, konnte rumbummeln und schleichen wie es nur möglich war. Aber jetzt wollte sie in den Garten, Hunger hatte sie keinen, außerdem wollte sie Asny nicht mit den anderen Sklaven im Haus teilen, noch nicht, zumindest. Und im Garten war im Moment hoffentlich niemand von der Sklavenbandage. Nicht die herrschaftlichen Gänge nutzte Dido, sondern die unauffälligen der Angestellten, Dienstboten und Sklavenschaft. Eine unscheinbare braune Holztür war es, auf die Dido in dem schmalen Gang zustrebte, ihre Hand streckte sich nach dem Türriegel, sie schob ihn schnell zur Seite und stieß die Tür auf. Vogelgezwitscher drang ihnen entgegen, fröhlich, trillernd und froh jauchzend, über die Sonne, den schönen Tag und, dass die armen kleinen Vöglein nicht mehr für ihre Nachkommenschaft sich abrackern mussten, der Winter war auch für die erwachsenen Vögel eine Zeit des 'Müßigganges', wenn man außer acht ließ, dass die Piepmätze den ganzen Tag nach Futter suchen mussten, die im Winter freilich rarer war, selbst die Würmer verkrochen sich tiefer im Erdreich.


    Stets die Türe hinter sich auf lassend, wie schon beim Keller, und darauf hoffend, dass Asny selbige schon zumachen würde, trat die junge Sklavin hinaus ins Sonnenlicht, ließ sich die Sonne einen Augenblick lang ins rundliche Gesicht scheinen und hüpfte erneut munter darauf los. "Tumtitumtiralala!", summte Dido und lief einen Weg mit weißen Kieselsteinen entlang, vorbei an hohen Rosenhecken, die an manchen Stellen grüne Knospen trugen, woanders in einen Winterschlaf gefallen waren, nachdem man sie gestutzt hatte, und an gänzlich anderen Orte in Winterblüte standen und einen zartmilden Duft verströmten. Platanen und Schirmpinien standen zwischen den Rosensträuchern, winterlicher Lavendel umrankte die dornigen Gewächse, damit ja keine bösen Läuse kamen und die wertvolle Rosenzucht des Flavius Felix mit ihren gierigen Mäulern angriffen. Dido sah über ihre Schulter hinweg und fragte mit einem fröhlichen Leuchten in den Augen, das sehr gut ihre ständigen Stimmungsschwankungen verriet: "Magst Du den Fischteich sehen? Du weißt ja, diese reichen Römer lieben Fische...weißt Du waaaaas?", krakeelte Dido sofort, ohne wirklich auf eine Antwort von Asny zu warten. "In Baiae...das ist im Süden von Italia, direkt am Meer...da liiiiiieeeeben die die Fische...die Hausfische...die mögen die sooo sehr, dass sie ihnen sogar Schmuck an die Flossen hängen. Die sind schon manchmal ganz schön blöd die Herrschaften, nicht wahr?" Dido gluckste vergnügt, sah sich jedoch erschrocken um, doch glücklicherweise war keiner der Herrschaften in Sichtreichweite. Dido blieb neben einer Darstellung eines geflügelten Knaben stehen, der von weißen Rosen umrankt wurde. Aus Marmor gemeißelt, seine Flügel waren vergoldet, seine Haare ebenso, seine vollen Lippen mit einem leuchtenden Rot versehen, seine Augen erstrahlten blau und seine Haut war in einem zarten Silber angemalt. Fleischig dick wirkte die Gestalt des Eros, nur ein winziges Lendenschürzchen trug die Statue und hielt einen Bogen mit einem goldenen Pfeil in den Armen. "Weißt Du, das mit den Geistern..." Dido zuckte mit der Schulter. "Da kannst Du Recht haben. Womöglich sind die Geister ja auch hier, um die Flavier zu verfluchen, die gesamte Sippe...kann doch sein, oder?" Dido sah fragend zu Asny und senkte die Augen, etwas verlegen zupfte sie an einer Blüte von den Rosen. "Duhu...sag das niemandem weiter...aber ich mag Hannibal einfach nicht, weil er...ja..ähm...er ist...öhm...mein...Vater..." Bei jedem Wort wurde Dido etwas leiser. "Also nicht wirklich...nur mein...wie sagt man..Erschaffer...Erzeuger...oder so...", jedes Wort kam wie nach einer Qual heraus, Dido wusste gar nicht, warum sie das Asny erzählte, sie hatte es sonst nie jemandem gebeichtet, auch Serenus nicht. Es war ein kleines Geheimnis zwischen ihr und Hannibal. "Wegen der Zuchtlinie der Sklaven ist das so...ich bin schon die achte Generation bei den Flaviern...ja...darum mag ich ihn nicht. Er ist blöd, gemein und fies. Das hat meine Mutter schon gesagt!" Auch das verriet Dido sonst nicht einfach so. "Willst Du den Fischteich nun sehen oder nicht? Sonst gehen wir halt wieder zurück!", ungnädig wurde die Stimme von Dido, sogar fast schon grantig, ganz als ob sie es bereute, das Geheimnis an Asny weiter gegeben zu haben.

  • Langsam begann die feuchte Kühle auch nachhaltig über Asnys Haut zu kriechen, aber da sie wusste, dass die milde Wintersonne sie vermutlich recht bald wiederhaben würde, sah sie dieses Gefühl nicht als störend an. Das Klima gehörte zu den äußeren Einflüssen und äußere Einflüsse hatten es in der Regel schwer, die neue Sklavin nachhaltig zu beeindrucken. Dass Dido sie so rasch und endgültig auf ihre Seite hatte ziehen können bedeutete eine größere Überraschung, als der Kleinen vermutlich bewusst war. Sicherlich, Asny war eigentlich zu allen Menschen nett und freundlich, was jedoch nicht gleich hieß, dass diese und deren Schicksal sie groß interessierten. Oder dass es ihnen gelang, in ihrem recht abgeschirmten Inneren eine wichtige Rolle zu spielen, über die das weißblonde Mädchen noch Tage später nachgrübelte. Selbstredend konnten bei ihrem introvertierten Charakter solche Verhaltensweisen vorkommen, allerdings meist aus einem triftigen Grund. Momentan wollte sie ihre neue Freundin und deren Stellung und Bekanntschaften in der Villa besser kennenlernen und einordnen, wovon sie selbst aber auch schlussendlich profitieren würde. Asny war nett, aber keineswegs selbstlos und aufopfernd. Für so ein Verhalten hatte sie sich inzwischen selbst zu sehr von den Geschehnissen dort draußen abgegrenzt, und was einen Menschen nicht interessierte, dafür setzte er sich eben meist nicht ein.
    Dido interessierte sie, denn Dido erinnerte sie an ihre Schwestern. Und erst einmal war Dido auch ihre Verbindung zur Villa Flavia. Gut, Hannibal hatte sie ebenfalls kennengelernt und sie war ihm überaus dankbar für sein Können bei der Versteigerung, damit endete ihr Interesse an ihm allerdings schon wieder, wenn es nicht gerade um seine Verbindung zu Dido ging. Die Kleine war die Mitte des Spinnennetzes, wegen der man zwangsläufig auch die anderen klebrigen Fäden beachten musste, um diesen wichtigsten Punkt erreichen zu können. Natürlich war Asny bewusst, dass keineswegs Dido die Mitte dieses kleinen Imperiums namens Villa Flavia darstellte, um die sich alles drehte und nach der man sich zu orientieren hatte, doch bislang hielt sich wie vernommen ihr eigentlicher Herr seinem Zuhause fern und solange nahm Dido in Asnys Augen dessen Platz ein.


    Hast du wirklich vor, für diesen Aristides zu beten?
    Asas Augen verengten sich zweifelnd wie ungläubig, während Dido anscheinend ob der Erwähnung von Hannibal recht schmollig ihren Weg voraus fortsetzte. Schon zu Lebzeiten war die Schwester nicht gerade ehrfurchtsvoll mit den Namen und Besitztümern der Götter umgegangen und nun, nach ihrem Tode, hatte sich ihr Verhältnis zu Jupiter und seinen Kindern nicht im Geringsten gebessert. Ganz im Gegenteil. Nachher bemerkte noch einer der Herrschaften, dass so ein kleines Menschenkind sich geweigert hatte, in die Unterwelt zu fahren, eine Ungeheuerlichkeit, die dringend nachgeholt werden musste. Asa verspürte absolut keinen Ehrgeiz, sich Pluto in Bälde zu stellen, also hielt sie sich von allem fern, das auch nur irgendwie nach Göttlichkeit roch. Was wiederum bedeutete, dass sie Asnys Gebeten außerordentlich fern zu bleiben gedachte.
    Die wiederum zuckte nur knapp mit den Schultern, folgte langsam dem schwindenden Licht und bewegte mehr die Lippen, als dass tatsächlich ein Laut zu hören war:
    "Warum nicht? Die Frage ist nur, zu wem ich beten sollte..."
    Na, wenns unbedingt sein muss, dann wohl zu Mars! hatte ihr Zwilling recht zügig entschieden und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während sie neben ihrer Schwester durch den Gang spazierte.
    Er kämpft doch in Parrrrthia, wie Hannibal sagte - nicht 'Pattia', nebenbei bemerkt. Und damit er gut kämpft und anständig austeilt, betet man zu Mars! Aber ohne eine anständige Opferung sehe ich da ziemlich schwarz.
    Was den Ort des Kampfgeschehens betraf, so musste Asny ihrer Schwester still zustimmen, bei der Gottheit allerdings war sie sich weit weniger sicher.
    "Aber wäre Vesta nicht eher geeignet? Er soll schließlich gesund und sicher nach Hause zurückkehren. Und ich glaube nicht, dass es dem Kriegsgott in erster Linie um eine sichere Rückkehr der Krieger geht..."
    Die Götter juckt es so oder so nicht, was du wie inbrünstig von dir gibst! warf Asa ungeduldig ein und verdrehte die Augen demonstrativ gen Steindecke, ehe sie sich mit einem raschen Satz vor ihre Schwester begab und ihr rückwärts gleitend voranging.
    Ehrlich, glaubst du allen Ernstes, dass du als frischgemeißelte Sklavin mit deinem Gebet irgendwas erreichst bei einem Kerl, den du noch nicht mal gesehen hast, und der unglaublich weit weg ist?
    Asnys in den Schatten liegende Augen weiteten sich eine Winzigkeit, ehe sie gleichbleibend sanft antwortete:
    "Aber natürlich."
    Ihr Zwilling gab das Thema an dieser Stelle erst einmal auf, auch, weil Dido auf der Treppe, die nach oben führte, stehen geblieben war und offensichtlich aus welchen Gründen auch immer für sich entschlossen hatte, trotz Asnys scheinbar sehr taktlosen Bemerkung der Neuen gnädig eine zweite Chance einzuräumen. Die sichtbare Schwester lächelte dankbar und nickte ebenso, während sie ihrer Anführerin weiterhin vertrauensvoll folgte.


    Als das Licht des Tages sie wiederhatte, stieß Asa einen tiefen, trauernden Seufzer aus und drehte sich noch einmal mit bedauernder Miene Richtung der Kellergewölbe um, in denen sie es verpasst hatte, die Folterkammer besichtigen zu können. Asny blinzelte leicht der Helligkeit entgegen und blickte Dido hinterher, die ihr in diesen Licht- und Temperaturverhältnissen um einiges besser gefiel. Ganz abgesehen davon, dass sie tatsächlich auch die Gärten sehen wollte, etwas, das sie bislang nur in sehr kleinem Rahmen bei den früheren Herrschaften ihrer Eltern hatte betrachten können. Jetzt im Winter würde die Pflanzenvielfalt dort vermutlich etwas geringer ausfallen, doch sobald der Frühling wieder anbrach, würde sie von Beginn an Entwicklung und Erwachen der Blumen, Gewächse und anderer grün-bunter Gäste des Villengartens mitverfolgen dürfen, vorausgesetzt natürlich, man entließe sie ab und an in die gepflegten Weiten dieser Anlage. Doch warum sollte man ihr dies verweigern? Vielleicht setzte man sie sogar teilweise hier ein, als Hilfe der Gärtner. Ein weiterer Arbeitsplatz, den sie sich mehr als gut für sich vorstellen konnte. Noch mochten die meisten Pflanzen ruhen und Kräfte sammeln, doch sobald die an Macht gewinnende Sonne die schlafenden Triebe zu wecken begänne, gäbe es hier sicherlich mehr als genug zu tun.
    Asny hatte die offenstehende Tür zu den Grünanlagen freilich ordentlich hinter sich geschlossen und begrüßte die Rückkehr aus den Tiefen an die Oberfläche mit ihrem gewohnten Lächeln, ehe sie Dido folgte, die zugegeben ab und an wieder etwas schneller unterwegs war, als es den Bedürfnissen des Neuzugangs entsprach. Dennoch versuchte sie, so gut und schnell wie möglich zu folgen, ohne den weißen Kies aufzuwirbeln oder das Vogelgezwitscher durch laute Geräusche zu übertönen. Die Luft war selbst jetzt geschwängert von milden, zarten Düften, welche in einer wärmeren Jahreszeit sicherlich zu einem fast erdrückend schweren Bouquet anschwellen würden, das sich selbst zu übertreffen suchte. Die blassblauen Augen streiften ruhig über Knospen und zaghaft geöffnete Blüten, bis die kleine Sklavin vor ihr wieder ihre Aufmerksamkeit einforderte.


    Anscheinend jedoch weniger eine tatsächliche Antwort, wie Asny ebenfalls bemerkte, was ihr jedoch nichts ausmachte. Schweigen und Zuhören lag ihr im Grunde auch um einiges mehr als die Führung eines Gespräches. Asa kicherte vergnügt, sowohl bei der Erwähnung schmuckbehängter Fische, als auch aufgrund der 'blöden Herrschaften'. Die aufwendig verzierte Gestalt des Eros wiederum ließ sie abschätzend das Gesicht verziehen und ein Stück weiter vorauslaufen.
    Ihre Schwester indes blieb bei Dido stehen und deutete eine leichte Verneigung vor der kleinen, aber bekanntlich machtvollen Gottheit an, ehe ihr Blick zu dem kleinen blonden Mädchen zurückfand und es aufmerksam betrachtete. Deren Vermutung ob der grollenden Geister erwiderte sie mit einem leicht zur Seite Neigen den Kopfes, ehe sie sich wiederum einige im Sonnenlicht noch farbloser wirkende Haarsträhnen zurückstrich.
    "Es ist nicht ganz unmöglich. Aber ich glaube, dass die Menschen sehr oft auch selbst dafür verantwortlich sind, ob sich ein Fluch ihrer bemächtigt hat. Das sind dann keine Geister, sondern nur die Folgen ihrer Taten. Wenn die Flavier in ihrer Vergangenheit vieles verrichteten, was ungerecht oder grausam war, müssen sie damit rechnen, dass sich dies irgendwann einmal rächt."
    Asnys Stimme hatte wie so oft ruhig und sogar ein wenig abwesend geklungen, mächtige Überzeugungsarbeit war sicher etwas anderes, und auch ihr anschließendes, leichtes Lächeln folgte anscheinend einem ganz anderen, unbekannten Plan als dafür zu sorgen, dass man ihren Worten mehr Gewicht beimaß.
    Didos folgende Erklärung zu Hannibal und sich selbst nahm die weißblonde Sklavin ebenfalls in ihrer üblichen Art mit mildem Interesse und einem ebensolchen Lächeln entgegen, sodass man weder ihre Gedanken dazu zu deuten wusste, noch merkte ob sie erkannte, dass die Kleine dieses Geheimnis normalerweise nicht einfach so herumerzählte. Vorerst zog sie sich in Schweigen zurück, nickte jedoch zum Fischteich und hielt Dido ihre freie Hand hin, falls sie diese auf dem Weg zu dem kleinen Gewässer ergreifen wollte.
    "Gut, wenn du Hannibal nicht magst, respektiere ich das. Aber Zuchtlinie hin oder her und trotz der Meinung deiner Mutter, ohne ihn gäbe es dich nicht, und wie die Umstände auch aussehen mögen, ich bin sehr froh, dass es dich gibt." Irgendwo zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit angesiedelt und auch deswegen nicht direkt und sicher einzuordnen teilte Asny leise ihre Ansichten mit und ergänzte noch gedämpfter, den Blick der Kleinen sanft erwidernd:
    "Oh, und ich werde dein Geheimnis sicher für dich bewahren, versprochen."

  • Ein Rotkehlchen sprang von einem Ast zum Anderen, die Zweige erzitterten marginal und die Blätter raschelten leise, der kleine Vogel blieb auf einem filigranen Ast sitzen und plusterte sein Federkleid auf. Ein Fiepen entfleuchte seinem leicht geöffneten Mund und er ließ sich nicht im Mindesten von den beiden weiblichen Wesen am Fuße des Baumes stören. Dido sah zu Asny hoch und dachte einen Augenblick lang über die Aussage mit den Geistern nach, ihr Blick schweifte zur Villa Flavia und ein Grinsen breitete sich über ihre kindlichen Züge aus. "Oh ja!" Da konnte Dido ganzen Herzens zustimmen. "Die Flavier sind gewiss kein netten Leute, die haben bestimmt schon viel Böses getan und vielen Leid angetan...jaja, ganz sicher!Verdient haben sie das allemal!", somit war für Dido klar, warum die Geister in dem Haus herum streiften, die im Keller erwähnten, aber womöglich waren es noch weit mehr. Dido erschauderte wohlig, sie liebte solche Geschichten. Was Hannibal anging, verzog Dido etwas skeptisch das Gesicht, ganz unrecht hatte Asny gewiss nicht mit der unschlagbaren Logik, aber welches Kind war schon einer rational, vernünftigen Erklärung und Begründung gegenüber offen, wenn sie im Grund daran nicht glauben wollte. So gab Dido nur ein undefinierbares: „Grmpf!“ von sich. Dido wollte es sich jedoch nicht mit Asny verprellen, sie hatte schon genug Feinde im Haus und genug Erwachsene, denen die kleine Dido völlig egal war. „Gut. Ich werde es mir mal überlegen, was Du gesagt hast. Aber meine Mutter kannte den Hannibal schon gut...glaub ich und sie mochte ihn nicht. Meine Mutter war keine dumme Sklavin, kein unnützes Ding, nein!“ Dido nickte und ihre Augen leuchteten einen Moment ganz stolz, ehe sie sich trübten, denn es war schon mehr als zwei Jahre her, dass Dido ihre Mutter gesehen hatte, ehe die mütterlich blonde Sklavin fort geschickt wurde zu einem anderen flavischen Haushalt. Oder wurde sie gar woanders hin verkauft? Dido wusste es einfach nicht. „Danke!“, erwiderte Dido auf das Versprechen. „Das werde ich nicht vergessen und Du kannst immer auf mich zählen, Asny. Das verspreche ich Dir auch. Morgen hab ich meine Zwille bestimmt auch wieder und ein Messer bekomm' ich sicherlich auch bald! Dann werde ich für Dich kämpfen, wann immer Du das brauchst! Versprochen!“ Dido lächelte wohlgemut. Ohne ein Zaudern streckte Dido ihre eigene Hand der von Asny dargebotenen, dabei Asny gleich mit sich ziehend und vorbei an der geflügelten Armorgestalt tiefer in den Garten schreitend, nein, hüpfend und marschierend, zu einem Schreiten war Dido nicht in der Lage. Das Licht der Sonne fiel durch das dornige Dach der Schirmpinien, an deren Äste schwere Pinienzapfen hingen und die Zweige tief nach unten drückte, würzig war der Duft der Bäume, belebend, berauschend, zumindest für die junge Dido, die wieder fröhlich vor sich hin summte. „Tarilutatata!“


    Die Sonne spiegelte sich wie eine weiße und fahle Laterne auf dem Teich wieder, das Wasser bewegte sich sachte hin und her, durch das sanfte Plätschern einer schmalen Wasserfontäne aus dem Schnabel einer Gans, die von einem Mädchen in einer leichten Tunika gekleidet, auf dem Arm gehalten wurde. Auch aus Marmor und mit leuchtenden Farben war die Statue bemalt, der Ausdruck des Mädchens indes verträumt zum Himmel gehoben. Zwei weiße Seerosen schwammen auf der Oberfläche des grünblauen Wassers, dunkle Schatten glitten durch das Nass, erst wenn man genauer hinsah, erkannte man die Zierfische, die dort unter den Blättern der Seerosen schwammen, ihre Flossen gegen das Wasser schlugen und ab und an auftauchten, um eines der wenigen Insekten, das sich auf das Wasser verirrten, mit dem Maul zu schnappen. Aber nötig hatten die Fische die Insekten nicht, denn drei Mal am Tage kam ein Sklave, der nur für die Fische abgestellt war, und warf den edlen Tieren, von denen manch ein Exemplar teurer als ein Sklave war, gutes Futter vor, getrocknete Insekten, Brotkrumen, für manche der Fische sogar kleine Fleischhappen. Dido ließ am Rande des kleinen Teiches wieder die Hand von Asny los und tapste bis zum Rand des Wassers. Das Mädchen beugte sich nach vorne und glitt mit den Fingern in das Wasser hinein. Langsam sank sie auf das winterliche Gras, was etwas kümmerlich wirkte, hinunter und beließ ihre Hand im Wasser. „Alsoooo...ich hab Dir ja versprochen, Dir auch etwas über die Herrn dieses Hauses zu erzählen. Die Villa gehört Flavius Felix!“, begann Dido und spähte nach oben, wobei sie einige Male blinzeln musste, schließlich sah sie gegen die Sonne, um Asny zu erkennen. „Den kenn' ich nicht wirklich, aber der muss ein gaaanz böser Mann sein. Aber die Rosen, die Rosen sind ihm heilig, wer seine Rosen hier im Garten ruiniert, der stirbt eines qualvollen Todes!“ Dido nickte eifrig, das hatte sie zwar noch nicht erlebt, aber aus irgendeinem Grund musste damals die Sklavin schließlich zu der Löwung verurteilt worden sein. „Der ist aber ganz weit weg, auf Sadintium oder so...weiß nicht, wo das ist. Eine Insel im Meer, die ihm gaaaaaaaaanz alleine gehört. Glaub ich!“ Dido kratzte sich an der Nase, dachte kurz darüber nach und fuhr gleich fort. „Wenn er nicht da ist, gehört die Villa Flavius Gracchus. Der ist gaaaaaanz komisch. Seltsam, meine ich damit, nicht lustig oder so.“ Didos Körper nahm eine steife Haltung ein, sie hob ihre Hand und fing an, an ihrer Unterlippe zu kneten. „Deplorapel ist das und enubambel ebenso, darum assutiere ich, dass Du eventalder antepierst!“, sprach Dido würdevoll und mit getragener Stimme. „Soooo spricht er die ganze Zeit, ich versteh kaum ein Wort, was er sagt. Spricht immer viel Griechisch und so. Außerdem ist er unheimlich. Aber er ist der Onkel von Serenus und Serenus mag ihn, darum gehört er zu den Guten, wenn auch Serenus nicht mehr ganz einverstanden mit Gracchus ist, aber trotzdem gehört er noch immer zu den Lieblingsonkel von Serenus. Du wirst ihn bestimmt noch kennen lernen. Ach und Sciurus, der ist der Sklave, der Leibsklave, von Flavius Gracchus. Und Flavius Gracchus ist Pontifex Maximus, glaub ich. Also einer deeeeeer wichtigsten Männer in ganz Rom, wenn nicht sogar der Welt, außer dem Kaiser natürlich, aber das ist ja bald Serenus...ups!“ Dido schlug sich hastig die Hand vor dem Mund, da war ihr aber was entfleucht. Erschrocken spähte Dido nach oben, womöglich hatte Asny es gar nicht wirklich mehr gehört, schließlich redete sie wie ein Wasserfall.

  • Asas graublasses Geistergesicht schwebte in etwa einer Zeigefingerlänge Abstand vor dem Schnabel des Rotkehlchens, welches von ihr mit starrem Blick fixiert wurde. So intensiv, dass sie schon beinahe auf den gefiederten Punkt vor sich zu schielen begann, fokussierte sie sich auf die flinken, und doch anmutig wirkenden Bewegungen des kleinen Vogels, ehe sie sich mit einem unzufriedenen Seufzer zurückzog und frustriert die Augenbrauen zusammenzog. Welchen Sinn hatte es, ein Geist zu sein, wenn man nicht einmal so einen Piepmatz mit einer unheimlichen Aura dazu bringen konnte, seinen quiekenden Schnabel zu halten? Wenn die Götter derart 'verlorenen Seelen' wie ihr irgendwelche übersinnlichen Kräfte zusprachen, sollten sich diese so langsam doch einmal bemerkbar machen. Zugegeben, zu Hause bei dieser Gruppe von Leuten, die man einmal als ihre Familie gekannt hatte, war sie absichtlich äußerst zurückhaltend gewesen, um der sichtbaren Schwester nicht noch mehr Schwierigkeiten zu bereiten, aber hier, HIER, in dieser Herberge voller nicht-netter Menschen, in der sogar die Sklaven an die mörderischen Fähigkeiten der gequälten Verstorbenen glaubten, HIER würde sie sich lang und breit austoben können - war sie erst einmal dahintergestiegen, wie so etwas tatsächlich ablief.
    Langsam wieder gen Boden schwebend wechselte sie einen kurzen Blick mit Asny und verschränkte die nackten Arme vor der Brust. Allerdings war Dido Asnys Aufmerksamkeit recht bald wieder sicher, spätestens bei dem leidenschaftlichen Schwur, dass die achte Sklavengeneration der Flavier samt und sonders einschreiten würde, um die neue Sklavin mit allen verfügbaren Waffen zu verteidigen - sobald man die Obrigkeit so dumm war, sie ihr zurückzugeben. Trotzdem lächelte Asny sichtlich dankbar und erfreut, schließlich sollte man eine zukünftige Amazone wenn möglich nicht beleidigen. Und Dido schien recht sparsam mit ihrer Zuneigung umzugehen. Darüber hinaus sollte man sich mit der Spinnennetzmitte gut stellen, wenn man wollte, dass zuzüglich soviel als möglich der klebrigen Fadenumgebung sichtbar wurde. Auch deswegen ließ die weißblonde Sklavin das Thema 'Hannibal' nun ruhen. Sie hatte ihre im Grunde recht bedeutungslose Meinung dazu verlauten lassen, eine Antwort erhalten und für sich beschlossen, dass eine Fortführung gänzlich unfruchtbar wäre.


    Darum bemüht, kein lästiges Gewicht zu sein, das Didos kindlich-vergnügte Aktivitäten nur behinderte, lief sie mit ihrer kleinen Anführerin weiter in den Garten hinein und zu den Fischen hinüber, Asa wie gewohnt als eine nur von ihr sichtbare Begleitung quer durch die schüchtern blühende Landschaft preschend.
    Tarilutatata? grinste Asa zu ihrem Zwilling hinüber, während sie kurz innehielt und versuchte, mittels schwarzer Geistergedanken dem winterlich blühenden Lavendel eine schwarz verwelkte Ranke zu bescheren.
    Erzähl ihr mal von der Tari-Lari-Lan-Wüste, vielleicht kann sie unseren Rekord brechen. Sie erntete einen sehr zweifelnden Blick aus blassblauen Augen der verdeutlichte, dass Asny sich weitaus schönere Dinge vorstellen konnte, als einen neuen Rekord ausgerechnet auf diesem Gebiet. Die Tari-Lari-Lan-Wüste war eine Station in einer größer angelegten Abenteuergeschichte gewesen und hatte unter anderem dazu geführt, dass ihre sämtlichen Geschwister - lebend wie tot - tagelang bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten 'Tari-Lari-Lan!' gekräht hatten, gefolgt von einem rapide anschwellenden Gekicher, bis ihre Eltern es schließlich unter der Androhung von Essensentzug und lebenslanger Stadtverbannung verboten hatten. Dies war auch vorerst das Ende jener großangelegten Erzählung gewesen. Nun gut, der Held war auch eher zweifelhafter Natur gewesen, und die Götter - im Grunde erschien es im Nachhinein noch wie ein Wunder, dass sie noch niemals aus heiterem Himmel ein Blitz getroffen hatte.


    Schließlich erreichte man den nicht minder malerisch und zu träge-verträumter Stimmung einladenden Fischteich, in welchem Neptuns Kinder ihre Kreise zogen, ein wenig müder geworden durch die abgekühlte Wassertemperatur. Asny folgte Dido zum Rand des kleinen Gewässers und betrachtete die künstliche Wasserlandschaft eingehend. Die ruhige, wohlige Stimmung litt freilich ein wenig wenn man mitverfolgte, wie Asa unter johlendem Geschrei auf den Teich zuhielt, um sich anschließend mit einem gewaltigen Satz in die vollkommen unbeeindruckten Fluten zu stürzen, in denen sie wie ein Stein versank, ohne auch nur einen Fisch zu einem plötzlichen Zucken zu provozieren. Vermutlich recht unzufrieden auf die nicht vorhandene Reaktion ihrer Umwelt verharrte sie ein Weilchen auf dem dunklen, von allerlei glitschigem Pflanzenzeugs bewachsenen Grund und beobachtete die stromlinienförmigen, schwach glitzernden Fischleiber über ihr, die sich wie schwebende Schatten gegen die milchige Wintersonne abhoben.
    Ihre Schwester kniete sich neben Dido nieder, beobachtete die zitternden Kreise, die sich ausgehend von den kleinen Fingerspitzen auf der Wasseroberfläche bildeten, sowie die sich langsam nähernden Fische, welche unter sich zu klären schienen, ob das Ergebnis den Aufwand wohl rechtfertigte, einmal das runde, fleischlippige Maul über diese sich bewegenden Eindringlinge zu stülpen. Da die kleine Sklavin ihre Einführungszeremonie jedoch fortsetzte, lauschte Asny alsbald wieder aufmerksam auf deren Worte und versuchte, weiterhin ein wenig zwischen den Zeilen zu lesen. Es barg keine sonderlich große Überraschung, dass die werten Herren der Villa allesamt auf die ein oder andere Weise durch Didos weitmaschiges Netz sackten. Auch wenn sie zugab, diese gar nicht wirklich zu kennen. Selbstredend versuchte Asny sich dennoch wenigstens die Namen einzuprägen. Flavius Felix liebte also seine Rosen. Nun gut, die Rosenzüchtung und -pflege war mit Sicherheit kein einfaches Unterfangen und der blauäugigen Sklavin fiel ein, dass sich das Thema dieser grazilen Blume tatsächlich sowohl durch die Villa wie selbstredend ebenso durch den weitangelegten Garten gezogen hatte - abgesehen einmal von der Küche und den Kellergewölben. Doch da Flavius Felix gegenwärtig ohnehin nicht in der Villa weilte sondern auf... wo? Sadintium?
    Sardinia! drang es ungeduldig aus den wässrigen Tiefen des Teiches, die offenbar Asas wechselhaftes Interesse ein wenig länger zu fesseln verstanden.
    Da er also auf Sardinia weilte schob Asny jenen rechtmäßigen Besitzer der Villa erst einmal ein Stückchen zurück, nicht zuletzt, weil ihr neben Didos fröhlichem, informativem Geplauder nicht recht die Zeit für innere Dialoge blieb.


    Dass Flavius Gracchus eher seltsam-komisch denn lustig-komisch war, hätte inzwischen nicht mehr besonders erwähnt werden müssen, doch auch dazu wurde verständnisvoll genickt, während eine sanfte, von einem zarten Hauch Lavendel berührte Winterwindbrise Asnys Lächeln flüchtig verstärkte - vielleicht war es aber auch der Anblick ihrer Schwester, welche nun langsam wieder aus dem Fischteich empor schwebte, mit der Mimik und Gestik eines vor Jahrzehnten brutal ertränkten Rachegeistes. Didos Geplapper nahm jedoch einige verschachtelte Züge an, sodass Asnys inneres Auge einen perspektivischen Plan ausarbeiten musste, um die etwas verwirrenden Angaben formal darstellen zu können. Was nicht gerade durch den Umstand vereinfacht wurde, noch von keiner der beteiligten Personen ein passendes Bild einsetzen zu können. Flavius Gracchus besaß also eine gehobene Sprache und bevorzugte das Griechische - Einwurf: ausgezeichnet um die eigenen Kenntnisse zu vertiefen und zu ergänzen -, er war unheimlich, aber - Pfeil zu Serenus - Serenus' Lieblingsonkel, und weil von Dido bereits ein dicker Sympathiepfeil zu Serenus verlief, musste zwangsläufig auch Flavius Gracchus von der Seite des Unheimlich-Dunklen auf die Seite des Freundlich-Hellen überwechseln - trotz einiger Ecken und Kanten. Dass Sciurus der Leibsklave von Flavius Gracchus war, stellte eine wiederholt erwähnte Information dar, insofern kreiste Asny jenen Aspekt auf ihrer imaginären Tafel noch einmal besonders auffällig ein, zum Zeichen, dass der Grad der Wichtigkeit gestiegen war. Weshalb auch immer. Ein wenig was biss sich allerdings in dieser Übersicht. Weswegen war Flavius Gracchus' Leibsklave der Obersklave der Villa und nicht Flavius Felix'? Und wer war überhaupt Flavius Felix' Leibsklave?
    Das sind alles reiche Säcke, da brauchst du mit normaler Logik nicht zu kommen zischte Asa, die sich bei einer Welle von Informationen bevorzugt die herauspickte, die ihre Schwester trotz aller Sorgfalt eher übersah.
    Felix ist auch der mit dem geheimen Raum voller Brenneisen und Streckbänke. Aber ehrlich gesagt dröhnt mir so langsam mein durchsichtiger Schädel. Unter einem theatralischen Seufzer stützte sich das Geistermädchen mit den Ellbogen auf dem Uferrand ab und bewegte die Beine langsam hinter sich im Wasser - oder schuf zumindest diese Illusion.
    Wie dem auch war, Flavius Gracchus war einer deeeeeer wichtigsten Männer in ganz Rom, wenn nicht sogar der Welt und bekam dementsprechend in Asnys Übersicht symbolisch einen Lorbeerkranz über seinem Bildnis, das bislang noch Didos Interpretation dieses Unbekannten darstellte, wie bei fast allen übrigen Bildnissen ebenso.


    Offenbar war Dido in ihrem Geschnattere etwas mehr herausgerutscht, als sie zu sagen beabsichtigt hatte. Nach raschem Abwägen beschloss Asny jedoch trotz allem Interesse so zu tun, als hätten ihre Gedanken noch in tausend anderen Sphären geweilt, anstatt buchstabengenau den Ausführungen der Kleinen zu sorgen. Einen abwesenden Eindruck machte Asny ohnehin in der Regel und wenn ihre Begleitung sich wegen dieser Sache vornähme, in Zukunft besser auf das zu achten, was sie von sich gab, wäre dies eine überaus bedauernswerte künstliche Zurückhaltung.
    Also überging die neue Sklavin sowohl die Bemerkung über den künftigen Kaiser als auch Didos Schrecken, indem sie wie gewohnt sacht nickte und ihr verträumtes Augenmerk auf die ruhigen Wasser richtete.
    "Pontifex Maximus - hoffentlich begegne ich ihm nicht allzu bald, ich wüsste ja gar nicht, was ich sagen sollte", begann sie und blickte nur kurz zu Dido, um ihr leicht zuzuzwinkern.
    "Dann hoffe ich, dass die Geister der Villa Flavia gnädig zu ihm sind. So wie du ihn beschreibst, scheint er ihre Wut doch eigentlich nicht verdient zu haben. Wahrscheinlich fürchten sie sich eher vor ihm."
    Ich schlottere.
    "Ich möchte mich auch bei dir bedanken, dass du mich so tapfer verteidigen willst. Kann ich denn irgendetwas tun, damit du deine Waffen auch sicher morgen zurückbekommst? Nicht, dass der werte Lucanus es sich doch noch anders überlegt und du erst irgendeine Herausforderung überwinden musst, bevor er dir deine Waffen wiedergibt."
    Die freundlichste Unschuld in Person begann Asny eine ihrer langen, hellen Haarsträhnen um den Zeigefinger zu drehen, ehe sie ihr Bündel von den Knien neben sich ins Gras setzte und es geduldig zu öffnen begann.

  • Völlig still war die Hand von Dido, die im Wasser versunken ruhte und von kühlem Nass umfangen wurde, das wilde metaphysische Platschen, Wassersprudeln und Spritzen erreichte die Finger nicht, selbst die Fische waren nicht sonderlich beunruhigt und Dido völlig ahnunglos. Etwas glitt an ihrem Finger vorbei, Dido betrachtete den Fisch, deren Flosse ihre Hand kurz gestreift hatte und wartete weiter ab, dabei sah sie zu Asny hoch und lauschte ihren Worten. Ja, dem Dominus Gracchus wollte Dido auch nicht zu gerne begegnen, der sah sie immerzu sehr befremdlich an, als ob Kinder und Sklaven von einer anderen Welt kamen, einer Sphäre, die sonst den niederen, dienenden Kreaturen vorbehalten war und es mehr ein Unfall war, dass Kinder und Sklaven in die Welt der Patrizier stürzten, um sie zu unterhalten oder mehr noch zu ärgern! Didos Augenbrauen zuckten, sie kräuselte ihre Nase bei dem Gedanken an Flavius Gracchus. Nein, wenn der weit weg von ihr war, dann war es gut. Aber immerhin nahm er sie meistens nicht wahr, was auch von Vorteil war. Da! Wieder fühlte sie etwas an ihrem Finger, schnell schloß sie ihre kindliche Hand, doch der Fisch entschlüpfte Dido und das Wasser wurde heftig aufgeworfen, die anderen Fische verschreckt. Enttäuscht sah Dido auf die Ringe und zuckte mit der Schulter, es war ihr noch nie gelungen, so einen Fisch zu fangen, obwohl es ihr der Gärtner ein Dutzend Mal gezeigt hatte, aber der hatte ja auch den ganzen Tag Zeit im Garten das zu üben, so zumindest in Didos Vorstellung. Sie legte den Kopf zur Seite und betrachtete Asny nachdenklich, wobei sie sich ihre tropfende Hand an ihrer Tunika trocken rieb, einige Wasserflecken zeigten sich nun auf dem groben Stoff, der im Winter zumindest warm hielt, wenn er auch kratzte und Dido ihn nicht mochte. "Hm?", murmelte sie und bewegte ihre Nasenflügel mal nach rechts und dann nach links, indem sie entsprechend ihre Oberlippe verzog. "Hm! Darüber muss ich nachdenken.", erwiderte Dido auf das Angebot, wie sie ihre Waffe zurück bekommen könnte und der Anmerkung bezüglich Lucanus Entscheidungsvielfalt.


    Dido griff mit beiden Händen in das Gras und stemmte sich in die Höhe. "Also, wenn Du einem der Domini begegnest, musst Du gaaaaar nichts sagen, wenn sie Dich nicht fragen und wenn Dir nichts einfällt. Einfach so machen!" Dido verbeugte sich, sah dabei auf die vielen graugrünen Grashalme zu ihren Füßen. Das junge Sklavenmädchen richtete sich wieder auf und blies sich eine bonde Haarsträhne aus dem Gesicht. "Also, wenn Du nix zu sagen hast, dann reicht auch eine Verbeugung. Ansonsten kannst Du noch sagen: Salve, Herr. oder Salve. Kann ich etwas für Dich tun? Oder eben halt gar nichts oder so!" Dido hob die Hand und rieb sich an ihrem Nasenflügel herum, dieses Mal verirrte sich der Finger jedoch nicht in ihr Nasenloch. "Wenn die Herrschaft was will, dann sagt sie das schon. Und wenn sie das dringende Bedürfnis nach Konva...Konvi...Konvasitation verspüren, werden sie auch schon das Wort an Dich richten. Du wirst bestimmt sowas hören wie: Bist Du neu in der Villa? Wem gehörst Du? Kommst Du aus Germania? Hast Du Geschwister? Und ähnlich bescheuertes Zeug. Dabei interessiert es die Herrschaft doch gar nicht wirklich, aber ich glaub', sie fühlen sich dann besser, weil sie uns nicht wie Dinger behandelt haben, dann sind wir nicht wie die Tür, die man benutzt, der Stuhl auf dem man sitzt. Die Herrschaften sind einfach seltsam manchmal." Dido zuckte mit der Schulter und verzog abfällig das Gesicht. "Und von dieser komischen Herrschaft haben wir einen ganzen Haufen hier in der Villa. Flavius Lucanus hast Du ja schon heute kennen gelernt. Den kenne ich auch nicht so gut, der ist erst seit kurzem hier in der Villa! Aber er ist der Jüngste, wenn Serenus hier wäre, wäre der der Jüngste, aber so ist das Lucanus." Dido vermochte es tatsächlich herum zu plappern ohne zwischen den vielen Sätzen Atem holen zu müssen. Aber da selten jemand mit Dido derart lange sprach, beziehungsweise Dido endlich mal die Gelegenheit hatte, ihrem Plappertrieb nachzukommen, war sie nicht mehr zu bremsen.


    "Dann ist hier noch Flavius Lucullus. Der ist der Bruder von Flavius Gracchus, den wirst Du aber fast nie oder gar nicht sehen, der ist entweder außer Haus oder in seinem Zimmer und der läuft immer sooo herum." Dido zog die Schultern ein, die Mundwinkel herunter und tappste schlürfend durch den Garten und am Rande des Sees entlang. Sie richtete sich auf, rollte mit den Augen und zeigte deutlich mit Mimik und Gestik, dass sie von dem Flavier auch nichts hielt, was sie wohl von vielen nicht tat, außer sie hatten die Serenus-Ehrung erhalten, zu den Ausgewählten zu gehören und die waren momentan recht rar gesiedelt. Außer Leontia hatte wohl noch kein Flavier nicht die Gunst des Flavius Serenus verscherzt. "Felix, Gracchus, Lucullus...die haben wir schon. Lucanus auch...Furianus, das ist der Cousin von Serenus, der ist aber schon groß und der ist der Legatus von Hispania oder so etwas...keine Ahnung, ganz wichtig zumindest. Aber der lebt in Hispania, ab und an. Oft ist der auch in Rom, aber ich weiß nicht, wann der wieder kommt. Den kenne ich auch nicht so gut. Hab ich wen vergessen?" Dido spähte zu Asny hoch, als ob Asny ihr bei dem flavischen Monolog behilflich sein könnte.


    Dido spähte zum See, in den Himmel, zu den Ställen, zum Haus, zum Hühnerstall. Da kam es ihr! "Ah! Ich weiß, Flavius Aquilius." Dido klatschte sich in die Hände. "Der ist ja der Herr von Bridhe und Straton und Severus und der ist Vingimbingins, irgend so ein Amt, aber noch kein Senator!" Wie stand Aquilius auf der Rangliste von Serenus? Wohl eher bei den Neutralen, aber Dido konnte es nicht beschwören. "Den wirst Du gleich erkennen, entweder ist der mit einer der Frauen hier zusammen oder geht soooo durch die Villa!" Dido richtete sich auf, hob das Kinn einige Zoll in die Höhe, streckte die Brust voran und stolzierte, Hände in die Seiten gestemmt, am Seeufer auf Asny zu. Vor Asny blieb sie stehen und zwinkerte ihr einige Male auffällig zu, Dido senkte die Stimme tiefer, um wohl einen Mann nach zu äffen. "Na, meine Hübsche, kennen wir uns nicht von irgendwo her?" Erneut ein Gezwinkere und dann kollerte Dido vor Lachen los und hielt sich dabei den Bauch. Zwischen einigem Lachen, prustete sie hervor: "Der ist auch mit Bridhe zusammen. Vielleicht auch mit Straton und Severus, aber ich weiss das auch nicht so genau, die sind halt oft zusammen und Severus weicht ihm nie von der Seite. Glaub ich!" Dido holte tief Luft und wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln. "Und mit Antonia ist der auch zusammen, die sieht man auch ständig zusammen. Claudia Antonia, die Frau von Flavius Gracchus. Man sieht sie auch selten, sie ist oft beim Einkaufen oder so, weiß auch nicht so genau. Sie hat einen gaaaaaaanz dicken Hintern, jawohl! Und ja..ähm...der...also der Aquilius... will wohl bald so eine blöde Patriziergans heiraten, sind ja alle blöd die Patrizierfrauen, Claudiae, Aureliae, nur Leontia, die ist toll!" Wobei Dido nicht wußte, warum Leontia toll war, eigentlich erschien Dido die Flavierin immer etwas seltsam und sie hatte so ein grausames Funkeln in den Augen gehabt, was Dido gar nicht behagte, aber Serenus hat sie abgöttisch geliebt. "Aber die ist leider tot." Dido sah einen Moment andächtig traurig auf das Gras, aber wirklich berührt war sie davon nicht. So dass sie schnell wieder ihre Augen hob und recht vergnügt wirkte. "Aber die wirst Du alle bestimmt noch kennen lernen, ganz bestimmt." Dido bückte sich und griff nach einem Stein, der am Rande des Teichs lag, sie zielte und warf den Stein auf das Wasser. Plumps! Der Stein versank im Wasser. Dido verzog mißmutig das Gesicht, auch das wollte ihr nicht gelingen, dass der Stein endlich mal hüpfte. "Ich weiß!", krakeelte Dido plötzlich und drehte sich zu Asny um. "Du kannst mir helfen, eigentlich soll ja Hannibal morgen mit mir mitkommen zu Lucanus, aber ich hab ihn...also den Hannibal...deswegen angelogen. Er weiß davon gar nicht! Wie wäre es, wenn Du mitkommst? Ja, machst Du das? Biiiiiiiiittteeeee!" Treuer Hunde-Kinder-Augenaufschlag, ein breites Lächeln, vielleicht tat das auch hier seine Wirkung.

  • Tze! Anfängerin! kommentierte Asa herzerfrischend mitleidlos Didos gescheiterte Angelversuche und verzog die Lippen zu einem Lächeln, welches man äußerst hübsch als Vorlage einer Dämonenmaske gebrauchen könnte. Im inoffiziellen Wettstreit der beiden eher draufgängerisch veranlagten Mädchen sah Asnys Zwilling sich immer noch als deutlich überlegene Siegerin, wenn man freilich die kleine Nebensache unerwähnt ließ, dass nur noch eine von ihnen wenigstens theoretisch in der Lage war, tatsächlich nach einem Fisch greifen zu können. Doch da Dido sich ohnehin nicht als verlierende Teilnehmerin einer Mini-Olympiade der Unruhestiftersportarten wähnte, folgte kein Einwand zu Asas völlig objektiver Spielstandsanalyse.
    Und Asny empfand es als deutlich angenehmer, mit einem gutgelaunten Schwesterngeist durch Rom zu laufen, als der einzige Ansprechpartner einer frustrierten, wütenden, spirituellen Toten zu werden. Obwohl sie doch, bei den Göttern, bereits genug damit zu tun hatte, ihre innerkopfliche Flavierübersicht auf einem aktuellen Stand zu halten und keine Beschreibung und keine Präsentation der kleinen Sklavin zu vergessen oder falsch zuzuordnen. Anscheinend war jedoch in dieser Aufreihung illustrer Persönlichkeiten immer noch kein Ende in Sicht. Asny hielt mit leicht in die Höhe gezogenen Augenbraue inne, als Dido sich erhob und mit ihren Lektionen fortfuhr, anstatt wie angekündigt über die Herausforderung ihrer Waffenwiederbeschaffung nachzudenken. Eine Hand schon in suchender Absicht in ihrem Hab und Gut versunken schaute die weißblonde Sklavin zu ihrer derzeitigen Herrin empor und folgte in gewohntem mildem Interesse der Lehrstunde die da lautete: 'Was tun, wenn man einem der vielen Domini der Villa Flavia begegnet?'.
    Auf den Boden werfen und tot stellen.


    Verträumt folgten Asnys blassblaue Augen der vorgeführten Verneigung. Sie war recht zuversichtlich, dieses 'Schweigen & Verneigen'-Modell ohne größere Schwierigkeiten anwenden zu können, darin besaß sie eine gewisse Übung. Zudem hoffte sie, dass sie als dezente eigene Note auch auf ihr übliches leichtes Lächeln weiterhin zurückgreifen konnte. Asa warf ihr einen spöttischen Blick zu und verschränkte genüsslich die Arme vor der Brust, als hätte sie ganz plötzlich einen Sack adlige Arroganz geschenkt bekommen. Ein in dieser Geste fast sardonisch anmutender Mundwinkel zog sich empor, erzitterte kurz ob der ungewohnten Haltung und verfiel schließlich zurück in das geübtere freche Grinsen.
    Wenn dir nichts einfällt, sollst du dich verbeugen. Da dir aber immer was einfällt und du dich für dein Leben gern um Kopf und Kragen quatschst, sollte es dein kleinstes Problem sein, ob dir jemand dein Lächeln verübeln könnte.
    Asnys Blick glitt flüchtig von Dido fort und zu ihrer Schwester hinüber, die inzwischen die Beine zu einem Schneidersitz verknotet über dem See schwebte und etwas äußerst Meditatives hätte verkörpern können, würde sie sich nicht gerade mit einem kleinen Finger im Ohr bohren. Trotzdem hatte sie einen Punkt aufgegriffen, über den sich vielleicht sogar eine Asny ein, zwei Gedanken zu machen sollte. Schön, laut Didos persönlicher, repräsentativer Aussage waren in dieser Villa alle einen Hauch abseits des Alltäglichen, Normalen... allgemein Üblichen. Die blassblauen Augen stiegen empor zum gleich gefärbten, pastellgemalten Winterhimmel. Womöglich würde man sie wegen ihrer toten Schwester im Gepäck nicht einmal schief ansehen. 'Ah, du hast deinen toten, unsichtbaren Zwilling bei dir? Darf ich dir im Gegenzug meine Heerscharen lichtscheuer, hochgiftiger, ledergeflügelter Schwarz-Mini-Dämonen vorstellen, die hier alle unsichtbar um mich herumflattern? Ich hatte auch mal ein paar rote, aber die wurden alle vom violetten, landlebenden Leviathan - unsichtbar, nebenbei bemerkt - meines Bruders gefressen.'
    Langsam kippte Asnys Kopf zur Seite, bis Asa sich lautstark räusperte und darauf hinwies, dass Didos gegenwärtige Lektion noch lange nicht beendet wäre.


    Das ohnehin stets ein wenig mysteriös wirkende Lächeln auf den Lippen der älteren Sklavin hatte einen noch seltsameren Zug angenommen, dem der Begriff 'interessiert' deutlich zu klein geworden war, welcher jedoch recht bald wieder verschwand. Das Verhalten den Herrschaften gegenüber sollte sie schließlich tatsächlich ein bisschen verinnerlichen, immerhin wollte sie ihnen nicht den Schock einer unerwarteten Sklavenreaktion zumuten. Noch nicht. Nicht, wenn es sich vermeiden ließe.
    Und dann ging es auch schon weiter und Asny sah sich gezwungen, imaginäre Schreibtafel und gedankengesteuertes Schreibgerät wieder zu zücken, um nichts zu versäumen. Ihre Schwester stöhnte wie die arme, gepeinigte Seele, die sie im Grunde nicht war. Noch mehr?? Mann... irgendein Vater muss irgendeine Mutter da aber besonders gemocht haben...
    Der sichtbare Zwilling nickte knapp, machte aber keinerlei Anstalten, sich halsbrecherisch zwischen Dido und ihren Redefluss zu werfen. Zudem hatte sich Flavius Lucanus' Plätzchen in dieser Darstellung bislang tatsächlich noch nicht offenbart und nun vermochte sie ihn wenigstens grob einzuordnen - dazu noch als einer der wenigen, der als Abbildung nicht mit einer Dido-Interpretation vorlieb nehmen musste. Sonstige Familienverhältnisse und Pfeile schienen allerdings noch etwas warten zu müssen, da ihre kleine Mentorin bereits fröhlich zum nächsten sprang. Flavius Lucullus. Von dem hatte sie ja noch gar nichts gehört bislang. Porträt und Verbindung zu Gracchus wurden angelegt.
    Der scheint aber schon scheintot zu sein. Lohnt sich glaube ich nicht, sich noch groß um den Gedanken zu machen. murmelte Asa direkt wie immer und ihre eigene Existenz wie des Öfteren völlig außer acht lassend. Auf Lucullus folgte Furianus, der jedoch leider ohne schauspielerische Höchstleistungsdarstellung auskommen musste und so mit einigen kleinen Notizen gesichtslos an Serenus gehängt wurde. Nunja, wenn der werte Herr augenblicklich ohnehin woanders weilte, würde sie hoffentlich spätestens bei seiner Rückkehr anhand der Banner und Lobhuldigungen merken, wer da zurückgekehrt war. Reiche, adlige Leuten veranstalteten doch zu jedem Anlass ihre wilden Feiern, ganz einfach weil sie es sich leisten konnten - zumindest hatte man dies in ihrem Wohnviertel oftmals gegrummelt, gerne begleitet von bunt-kreativen Flüchen und fantasievollen Tagträumen mit dem Thema 'Was ich täte, wenn ich einmal dem und dem allein in einer Gasse begegnen würde und zufällig einen Gegenstand bei mir trüge, mit dem man seinem Gegenüber eine recht unangenehme Zeit bescheren kann'. Arme, leidgeplagte Menschen konnten eine Vorstellungskraft besitzen...


    Auf Didos fragenden Blick hin wusste Asny nicht mehr als ein Schulterzucken zu erwidern. Vielleicht hatte sich irgendwo noch ein vergessener Flavier versteckt, zuzutrauen wäre es dieser üppigen Familie auf alle Fälle. Bei dem Gedränge konnte schon einmal einer über den Rand fallen und übersehen werden.
    Aquilius, also. Nicht sehr überrascht, jedoch weiterhin recht interessiert nickte die fleißige Schülerin artig. Beruhigend, dass sie dieses Exemplar also rasch würde erkennen können, bei einer solchen Zahl ging doch nichts über einen guten Wiedererkennungswert. Und sei es nur der Eindruck, dass das Gegenüber eine kleine Fliege ins Auge bekommen hatte. Dennoch machte sich Asny an diesem Punkt der Lehrstunde die geistige Notiz, Dido bei Gelegenheit doch einmal die unterschiedlichen Bedeutungen von 'zusammensein' zu erklären. Irgendwann. Jetzt noch nicht, noch war es amüsant.
    Und dann die Frauen... richtig, die gab es ja vermutlich auch noch. Zumindest schienen es deutlich weniger zu sein, was beide Zwillingshälften als äußerst angenehm empfanden, dies sah man der lebenden allerdings auch nicht an. Aber dicke Hintern als charakterliches Merkmal... ach, warum nicht? Und dass sie alle blöd sein sollten überraschte bei Didos allgemeiner Sichtweise auch nicht mehr. Dass die einzige tolle Frau auch noch gestorben war, stellte einen bedauerlichen Umstand dar, wobei Asny nicht ganz sicher war, ob möglicherweise gerade ihr Tod Dido zu Begeisterungsstürmen verlockte.
    Jaja... es sind immer die Besten, die jung sterben. Ich... Leontia.... ich.... Achilles.. ich...
    Asas trübe Stimmung hellte sich jedoch sehr schnell wieder auf als sie sah, dass Dido nicht einmal einen Stein übers Wasser tanzen lassen konnte. Ihre Schwester schien noch ein wenig zu gedankenverloren, um auch nur Notiz vom Steineinschlag genommen zu haben und selbst, als die Kleine so impulsiv auf sie einzureden begann und dabei auch gestand, Hannibal gegenüber nicht ganz bei der Wahrheit geblieben zu sein, konzentrierten sich die verschleierten, hellen Augen nur langsam auf das runde Kindergesicht. Nachdenklich wirkte Asny einige Herzschlage lang, nicht zuletzt, weil sie gegenüber treuer Kinder-Augenaufschläge so abgestumpft war wie ein Schwert, mit dem man den Versuch unternommen hatte, sich durch den Ätna zu schlagen.
    Sie war nicht Hannibal. Lucanus müsste blind sein, um das nicht zu erkennen und die murmelschießende Dido hatte er überaus deutlich wahrgenommen. Endlich, nach einer Zeitspanne, die der Kleinen wie eine zähe Ewigkeit erschienen sein musste, nickte sie knapp um sanft und beinahe heiter, als sprächen sie über ein hübsches Blumenmosaik, zu erwidern:
    "In Ordnung, ich komme mit. Und wenn Lucanus fragt, weswegen Hannibal nicht dabei ist, sagst du ihm, dass du allein die volle Verantwortung übernehmen möchtest und die Schuld nicht auf einen Erwachsenen, der auf dich acht geben sollte, abschieben willst. Du stehst selbst zu deinen Fehlern. Wenn Lucanus diesen Vorfall betreffend etwas klären möchte, soll er dies bitte mit dir persönlich tun. Ich komme als Zeugin mit. Und anschließend werde ich mit Hannibal darüber sprechen."
    Als wäre es niemals fortgewesen, so fließend kehrte das gewohnte träumerische Lächeln zurück, während Asny die Hand endlich aus ihrem Bündel zog, das darin enthaltene kleine Tuchpäckchen auseinander faltete und der Kleinen elegant die in dem hellen, groben Stoff ruhenden getrockneten und honiggesüßten Datteln darreichte.
    "Eine Dattel, Herrin?"

  • Langsam beschlich Dido so ein seltsames Gefühl, während sie am Rande des Teiches stand, in dem sich Fische tummelten, Seerosen sich im Wasser wogen ließen und die Sonne sich in funkelnden Strahlen brach, um das klare Nass mal in dunkle und dann wieder gleißende Nuancen zu tauchen. Aber selbst wenn Dido sich prächtig mit sich selber unterhalten konnte, wenig dann von ihrer Umgebung mitbekam, denn Dido war in den letzten Wochen meistens in der Villa alleine und tat am Tage, wozu ihr der Sinn stand, wenn nicht gerade einer der Sklaven auf die Idee kam, sie herum zu scheuchen mit: 'Dido, mach die Betten der Herrschaften hier.', 'Dido, jetzt trag mal die Kohle in das Zimmer. Nichtsnützige Sklavin!' oder 'Dido, helfe mal in der Küche, wir bekommen heute Besuch!' und ähnliche Aufträge, die ihren meist langweiligen Müßigang unterbrach und mit Plackerei füllte; lange Rede, kurzer Sinn: Dido war nicht gänzlich taub und blind ihrer Umgebung gegenüber, denn sie hatte zwischen dem Strom von Erzählungen immer wieder zu Asny gespäht und konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass die etwas ältere, dennoch junge Frau, immer mal wieder abwesend wirkte, als ob sie vor sich hin träumte. Didos Augen verengten sich und sie betrachtete Asny nun einen längeren Augenblick sehr aufmerksam, aber dann konnte Dido wiederum nichts entdecken und gab ihren Argwohn schnell wieder auf. Außerdem wollte Dido da nichts sehen. Wenn es ihr in den Kram passte, konnte Dido ganz wunderbar blind für gewisse Dinge werden und sie wollte kein Haar in der Suppe bei Asny finden. So wie sie es bei all den anderen Menschen, die sie sonst umgaben, es tat. Dido bückte sich und griff nach einem weiteren Stein, rieb damit gegen die Innenseite ihrer Handfläche und spürte die kalte und etwas schorfige Marterie. Das, was Asny vorschlug, das klang in der Tat nicht nur gut, sondern regelrecht brillant. Sie, Dido, wäre gewiss nicht auf eine so gute Idee gekommen. Angetan lächelte Dido, ihre Mundwinkel hoben sich als ob sie danach suchten ihre Nase an Höhe zu übertrumpfen. „Oh, das ist gut. Das ist toll. Das ist groooßartig. Genial, formi...formi...toll halt!“


    Achtlos ließ Dido den Stein auf den Boden fallen, sie hatte nicht vor, ihn noch mal zu werfen, außerdem gab es andere Dinge, die ihre Aufmerksamkeit fesselten. Süßigkeiten!!! Welches Kind würde sich da noch mit Steinewerfen abgeben? Dido eilte auf Asny zu und ließ sich nicht lange bitten, sondern nahm gleich die Dattel entgegen und stopfte sie sich in den Mund. „D..Du...Duanke!“, gab sie schmatzend von sich und schlang gierig, Dido hatte immer Hunger, Dido konnte stets essen wie ein Nimmersatt!, die süße Frucht hinunter und leckte sich noch sorgfältig die Finger von dem süßen Honig frei. „Hmm...Du hast ja tolle Sachen!“ Dido reckte und streckte sich und wollte wohl in den kleinen Beutel von Asny spähen, Diskretion war eine Tugend, die Dido völlig fremd war und der sie nicht im Mindesten frönte. Aber wirklich viel konnte Dido in dem Augenblick nicht erspähen, wusste somit nur, dass dort ein Hort von begehrlichen Leckereien lag. Dido wippte auf und ab auf ihren Zehenballen und spitze die Lippen, in einer nachdenklichen Mimik. „Hmm...ja, dann wunderbar. Dann gehen wir morgen gemeinsam zu Lucanus. Wenn er mir meine Zwille nicht gibt, muss ich mir eine Neue ertauschen. Aber das ist keeeein Problem.“ Dido lächelte verschwörerisch. „Ich häb nämlich da so meine Verbindungen...wenn Du verstehst, was ich meine?!“ Dido grinste fröhlich. Die kleine Kinderbande der 'Gaius ist der Beste-Fanclub' hat Dido in gänzlich andere Kreise noch geführt, schließlich hatten auch viele der anderen patrizischen und plebejischen Kinder Sklaven in ihrem Alter. „Mir wird kalt!“, verkündete Dido plötzlich. „Gehen wir ins Haus! Ich zeig' Dir mal die Sklavenunterkunft, dann kannst Du dort Deine Sachen ablegen. Komm!“


    Wie ein kleiner Zinnsoldat marschierte Dido vorran, im schnellen Marsch, aufgerichter Haltung und wichtigtuerischem Gesichtsausdruck, ehe sie wieder zur fröhlichen Dido wurde und anfing von einem großen Stein, der als Weg diente, zum Nächsten zu hüpfen. „Und hopp, hopp, diehopp!“ Mit einem großen Sprung landete Dido vor einer großern Terasse, an deren Aufgang zwei steinerne Löwen saßen und die Treppe zum Haus hinauf säumten. Didos Finger strichen über die steinerne Mähne, berührten die langen Fangzähne des Löwens, dessen Augen golden glänzten. Einige schnelle Schritte und schon war Dido die Treppen hoch geeilt und stand auf der Terrasse, betrachtete von hier aus den Garten, der für eine Villa in der großen Stadt Rom, nicht unprächtig und sogar sehr luxeriös war, sich aber nicht mit den Gartenanlagen in seiner Weite mit einer Landvilla messen konnte. In der Ferne erspähte Dido das Kapitol und die prachtvollen Bauten, einige Vögel zogen in Schwärmen ihre Kreise über das Stadt, an zahlreichen Häusern stieg der Rauch auf, den die Öfen ausspuckten, es war zwar ein milder Wintertag, aber dennoch immer noch die kältere Jahreszeit. Wirklich interessierte sich Dido jedoch nicht für die Aussicht, sie drehte sich flink um und eilte in das Haus hinein, vorbei an dem großen Säuleninnenhof, in dessen Mitte ein weiterer, aber in Kleinform gehaltener, Garten angelegt war und der auch einen Brunnen hatte, in dem es mild vor sich her plätscherte. Dido hüpfte über den Marmor, ihre ledernen Sandalen klackten auf dem glänzend polierten Boden, respektlos strich sie über die Freskenwände und war gleich darauf in einen anderen Gang abgebogen, der erneut in Richtung des Sklaventraktes führte.


    Düster erschien der Gang, nach all der hellen Pracht der flavischen Villa, schmucklos, grob und regelrecht abweisend, Dido stiess eine Tür auf und trat in einen Raum hinein, der die Nacht darstellte, wenn der Luxus der Villa der Tag war. Strohlager waren hier zu besichtigen, ein kalter und abweisender Boden, schmale Fenster, die kaum Licht hinein fallen ließen, einige Öllampen aus groben Ton und nicht sehr kunstvoll gefertigt erhellten den Raum, wenn man von 'erhellen' überhaupt sprechen durfte, denn im Grunde berußten die Öllampen mehr die Decken, machten den Raum stickiger und spendeten nur flackerndes und unstetes Licht. Dido trat in die Mitte des Raumes und drehte sich einmal im Kreise herum, die Arme ausgestreckt. "Das ist es! Unser bescheidenes Heim!" Bescheiden war wahrlich noch eine Übertreibung, armselig passte sehr viel besser. Einige Sklaven waren in diesem Raum eingepfercht, die Anzahl der Lager verriet es eindeutig. Auch die Umgebung schlug auf das Gemüt der kindlichen Sklavin, denn das fröhliche Hüpfen wurde durch ein vorsichtiges Schleichen ersetzt, Dido sah sich in der Sklavenunterkunft um, ob einer der unliebsamen Gesellen gerade dort war, einer der Schnepfen, die Dido tagein, tagaus plagten und ihr das Leben schwer machten, denn schließlich wußten die Sklaven, dass ihr Herr in Baiae war und Dido niemanden hatte, der sich für sie stark machen würde oder die Sklaven disziplinieren, sollten diese die kleine Dido verletzen, egal welcher Weise. Und da Dido vorher, als Serenus noch in der Villa war, nicht zimperlich mit ihrem Geprahle bezüglich ihrer Stellung als 'Leibsklavin' war, hatte sie genug Neider und zornige Sklaven gegen sich aufgebracht.


    Dido konnte indes niemanden in der Sklavenunterkunft entdecken, im Moment, und bewegte sich auf einer der Lager zu. Mit einem Grunzen ließ sich Dido auf das Lager fallen, das Stroh raschelte unter dem groben Tuch, was sich Dido über das Stroh gelegt hatte. "Da schlaf ich!" Auch Didos Stimme war nun eine Nuance leiser, nicht mehr laut und krakeelend, sondern etwas gedämpft. "Das Lager an der Wand dort, das neben der Tür und das dort hinten sind noch frei, alle anderen sind schon belegt. Außer mit den gaaaaaanz wichtigen Sklaven, selbst wenn sie blöd sind, so sind manche doch wohl wichtiger, aber die gaaaaanz wichtigen Sklaven, die schlafen oft bei ihrem Herrn oder in ihrer Nähe. Sciurus schläft nicht hier, zum Beispiel! Ich hatte früher auch eine eigene Kammer, jaaaha! Bei Serenus! Aber der ist ja jetzt in Baiae." Einladend deutete Dido auf die 'freien' Lager, die nicht wirklich ansprechend waren. "Da, such Dir ruhig aus, wo Du schlafen willst. Und Decken und Tücher für das Stroh sind in der Kiste dort..." Dido deutete auf eine grobe und große Holzkiste unter einem der schmalen Fenster, die kaum Licht der Unterkunft spendete. Dido rutschte etwas von dem Strohlager herunter und an den Rand, ließ dabei ihre Beine über den Boden baumeln. "Magst Du noch mehr sehen von der Villa?" Didos Ton suggerierte gerade zu, dass das Mädchen die Lust verloren hat, länger durch die Villa zu toben. "Wir könnten Tauben abschiessen, sonst kommt noch Hannibal oder jemand anders und gibt uns Arbeit."

  • Auf der Suche nach den gesüßten Datteln, die ihr vermutlich eines ihrer Geschwister heimlich vor ihrer Abreise zu ihrem wenigen Gepäck dazugelegt hatte, war Asnys Aufmerksamkeit in Gestalt ihrer wandernden Finger flüchtig von etwas anderem eingefangen worden, welches nicht die geringste Ähnlichkeit mit honigüberzogenen Früchten besass. Dadurch war sie gezwungen, ihren Tastsinn zunächst auf etwas anderes zu konzentrieren. Raues Leinen, lose Wollfäden, schmale Nähte wie eine Spur aus sich selbst jagenden Fußabdrücken, weiches, polsterndes Tuch, und winzige, an ihre Aufgabe festgebannte Splitterchen, deren Identität sich den Fingerspitzen nur offenbarte, wenn das Gedächtnis eingriff und diese Objekte zu geschwärzten Knochenstückchen erklärte, sorgfältig aufbereitet und einer neuen Aufgabe zugeführt. Die Hand hatte sich flüchtig um die selbstgeformte Kopie eines Menschen geschlossen, eher unbewusst und einem ebenso kurzlebigen inneren Gefühl unterworfen. Diese kleine Puppe, kaum so groß wie Asnys Mittelfinger, hatte einmal einige Brüder und Schwestern wie ihresgleichen besessen, allesamt entstanden in sorgfältiger Handarbeit und geboren unter einer immer gleich gesummten Melodie, den immergleichen leisen Worten, aus Resten, Lumpen, zerrissenen Kleidern, abgerissenen Fäden, die sich zu einem weichen Rumpf, gedrehten und abgebundenen Extremitäten, einem oval gebeutelten Kopf und penibel in Finger und Zehen endenden Händen und Füßen zusammenfanden. Die Haare waren wollene Mähnen aus einem Schopf gelb, schwarz, weiß oder braun gefärbter Wolle; Nase und Münder aufgestickte Linien, welche zumeist ein dünnes Lächeln zeigten, die vernähten Lippen mal geschlossen, mal leicht geöffnet wie unter einem stummen Kichern. Die Augen indes waren stets recht gleich gewesen; schwarz gerußte Knochensplitter verschiedenster Herkunft, leicht schräg aufgenäht, so dass ein stetig festgebannter, auf den unschuldigen Betrachter irgendwie hinterlistig wirkender Blick sich in dem Puppengesicht festsetzte.
    Einmal war es eine richtig große Gruppe dieser kleinen Figuren gewesen, die sich auf einem schmalen Regal, das mehr ein einfaches Holzbrett gewesen war, über Asnys Lager versammelt hatte und ab und an Zuwachs erhielt. Dann war deren Schöpferin eines Tages von ihrem Unterricht zurückgekehrt und hatte das Brett war leer vorgefunden. Warum nur war ausgerechnet sie mit einer solch überängstlichen, misstrauischen Familie geschlagen worden? Diese dumme Angewohnheit ihrer Eltern, einfach alles hinauszuwerfen, was ihnen nicht behagte und unheimlich erschien, hatte im Grunde damals schon auf das zukünftige Schicksal ihrer Tochter hingedeutet. Irgendwann überwanden sie sich und ihr Grauen und fassten das an, wovor sie eine so immense Angst hatten, selbstredend nur, um es loszuwerden. Manche Dinge besaßen im Haus ihrer Eltern einfach keine Existenzberechtigung. Hinterlistig lächelnde Puppen und phantasierende Töchter gehörten zweifellos zu dieser Gruppe.


    Asnys Lächeln verstärkte sich zufrieden, als Dido sowohl mit ihrem Plan einverstanden war, als auch mit der angebotenen Dattel kurzen Prozess machte. Asa hatte Datteln schon immer gehasst, insofern war sie großzügig damit einverstanden gewesen, der Kleinen die Leckerei zu überlassen, ohne selbst einen Anteil zu fordern. Stattdessen formte sie eine gnädige Handbewegung, die zu einer herrschaftlichen Königin gepasst hätte, denn diese Art von unstillbarem Appetit kannte sie nur zu gut aus ihren eigenen Lebenszeiten.
    Jaja, die Jugend, immer Hunger, immer Futtern, als wäre ihr Bauch ein Loch ohne Boden. Höhöhö. In der Parodie eines alten Greises kratzte sich die tote, weiterhin über dem See schwebende Schwester am Bauch, um kurz danach etwas wie einen unsichtbaren Gehstock zu schwingen.
    Aber pass auf, bei zu vielen Dattelkernen wächst dir ein Baum aus dem Bauch!
    Sorgsam packte Asny die übrigen Früchte für einen späteren Zeitpunkt ein - Wenn die Kurze sie dir bis dahin nicht geklaut hat. - und tat so, als hätte sie Didos neugierige Blicke nicht wahrgenommen. Über den Gehalt des 'Tollseins' in ihrem Beutel ließ sich ganz sicher streiten, doch die weißblonde Sklavin wollte es erst einmal widerspruchslos dabei belassen und enthielt sich jedweden Kommentars, der die Kleine vermutlich nur noch neugieriger gemacht hätte. Asas Neugier indes schlug an wie ein blutgieriger Wachhund als das Mädchen ihre Verbindungen erwähnte, welche abgelesen an jenem verschwörerischen Lächeln glattweg die gesamte Untergrundbewegung der Stadt beinhalten konnte. Oder eben nur drei Kindersklaven aus anderen Häusern. Derart organisierendes Bandentum war der Toten allerdings auch aus eigener Erfahrung bekannt, und, oh Wunder, für sie ein ganzes Stück wichtiger als ihre Familie geworden. Sie war sich ziemlich sicher, in spätestens drei Jahren zum Kopf ihrer eigenen kleinen Truppe aufgestiegen zu sein, wäre ihr da nicht dieses unglückliche Missgeschick in den Weg gekommen. Ärgerlich, aber der Tod hatte es so an sich, überaus nervig sein zu können.


    Nachdem Asny ihrer Schwester versprochen hatte, wenn möglich mehr über Didos Verbindungen herauszubekommen, folgte sie ihrer aktuellen Herrin zurück in die Villa und zum Sklaventrakt, welcher, wie nicht anders zu erwartet, ein wenig vom Rest des Anwesens abwich. Dennoch änderte sich rein gar nichts am Verhalten der neuen Sklavin; das Lächeln milden Interesses ließ sich von kahlen Räumen und düsteren Schatten nicht abschrecken und auch die Aussicht auf einfache Strohlager störte sie rein äußerlich nicht im Geringsten. Das veränderte Verhalten ihrer jungen Freundin entging ihr jedoch ebenso wenig wie die zynisch-belustigte Miene ihrer Schwester, die noch nicht zu sagen wusste, ob diese Unterkunft nun ausgesprochen gut, oder absolut gar nicht zu dem geschwisterlichen Pärchen passte.
    Hier kann man sicher einiges draus machen murmelte sie schließlich spöttisch, während sie ein wenig weiter in die zwielichtigen, engen Tiefen des Raumes vordrang und wirklich hervorragend mit ihrem Umfeld zu verschmelzen schien. Ein wenig Farbe, ein paar Blumen und man möchte nirgendwo anders mehr hin.
    Ihre Schwester wählte derweil das Lager an der Wand, zum einen, weil dieser Strohhaufen Didos am nächsten lag, zum anderen, weil das Lager neben der Tür ein potentiell gefährlicher Ort war - wenigstens in der Theorie. In irgendeiner Lehrstunde hatte sie gehört, dass immer dem Niedersten einer Gruppe der Platz zufiel, welcher dem Eingang am Nächsten lag, denn Angreifer würden ihn zweifellos als Ersten töten. Dränge also eine marodierende Horde in den Sklaventrakt ein, stünde Asny wenigstens noch ein zufriedenes und bestätigtes Gefühl zu, bevor sich ihr Blut über die kahlen Wände verteilte.
    Während Dido noch erklärte und ihre Pläne eröffnete, untersuchte Asny bereits ihr zukünftiges Lager auf Untermieter und Überraschungen. Beides fand sich in Form von insgesamt sechs Spinnen verschiedener Größe und Lebendigkeit, sowie einer toten, hervorragend mumifizierten Maus. Erstere wurden behutsam auf ein anderes, unbewohntes Lager umgesiedelt, Letztere wurde ein Stückchen entfernt auf den Boden gelegt. Erst dann wandte sich die neue Sklavin der Kiste zu, stemmte den Deckel hoch und bediente sich am Deckenvorrat. Dass sich Didos Interesse bezüglich weiterer Führungen in Grenzen hielt, war aufgrund des nicht nennenswerten Grad der Subtilität nicht schwer zu bemerken. Obwohl sie gerne noch mehr gesehen hätte, entschied die Ältere, dies auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.


    Nachdem ihr Lager den unter diesen Voraussetzungen bestmöglichsten Eindruck erweckte, nahm sie probehalber darauf Platz, der Kleinen zugewandt und ihr Hab und Gut auf ihren Beinen abgelegt. Im Nachhinein wurde ihr bewusst, dass Dido sehr rasch von ihrem Plan bezüglich Lucanus und Hannibal begeistert gewesen war, weitaus mehr, als ihre eigene Schwester es gewesen wäre. Asa war misstrauischer, besonders der letzte Teil, das Gespräch mit Hannibal, hätte ihr vermutlich nicht ganz gefallen.
    "Du fragst mich kaum Persönliches", stellte Asny schließlich fest, sich aber auch dadurch keinen Zoll von ihrer üblichen milden Sanftheit fortbewegend. Sie legte den Kopf leicht schräg und betrachtete ihr Gegenüber mit hellen Wolkenaugen.
    "Hast du Angst, ich würde dich enttäuschen, wenn du mehr über mich erfährst?"
    Sie wirkte keineswegs böse, es war wie so oft ein freundliches Interesse, das ihr Wesen prägte, und das an dieser Stelle gerne eine Antwort erhielte. Würde keine erfolgen, wäre dies jedoch ebenfalls völlig in Ordnung.
    "Es wäre auch nicht schlimm, wenn du nicht fragst. Ich bin nicht so gut im Antworten, fürchte ich. Ich neige dazu, die falschen Antworten zu geben. Die Wahrheit, ja - aber ich glaube es wäre besser, wenn ich so gut flunkern könnte wie du. Ohne rot zu werden. Wenn ich lüge, dann... habe ich immer das Gefühl, mich selbst irgendwie mit zu verleugnen. Und das..."
    ... ist keiner dieser Lebenden wert.
    "... schadet mir denke ich mehr, als es mir nützt. Es hat etwas mit... Stolz zu tun, nehme ich an."
    Asny zuckte schwach mit den Schultern, während ihre Fingerspitzen über das raue Tuch in ihren Händen glitten.
    "Besitzt du ein Vorbild hier im Haus? Hannibal ist es wohl nicht. Eines, an dem ich mich vielleicht auch orientieren sollte?"

  • Eine einzige Öllampe brannte in jenem Augenblick in der Sklavenunterkunft, altes und billiges Öl füllte das tönerne Gefäß, weswegen die schwache Flamme immer mal wieder beleidigt aus der Öffnung des Tons hervor spähte, in die Sklavenunterkunft blickte und noch mehr indigniert sich schnell wieder zurück zog und nur eine einsame und stinkende, schwarz graue Rauchsäule in den Raum schickte, ganz als ob die Flamme damit sagen wollte: Das habt ihr nun davon, mir diesen billigen Fusel zu geben. Viel Licht spendete die Lampe nicht in dem Raum, weiße Flecken zeichneten sich auf dem Boden ab, dort wo ein wenig von der Sonne durch die schmalen Fensterschlitze hinein fielen. Schatten spielten in dem Licht, kleine graue Flecken, die hin und her tanzten, Blätter, die, neidisch und geizig, der Sklavenunterkunft noch mehr von dem spärlichen Licht rauben wollten. Das Stroh raschelte leise bei jeder Bewegung von Dido, die immer wieder auf ihrem Lager hin und her rutschte, dabei Asny nicht aus den Augen lassend. Blinzelnd beobachtete die junge Sklavin, wie mehrere von den Spinnentiere errettet wurden. Dido hätte mit einem Brett kurzen Prozess mit den kleinen Wesen gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken und schlechtes Gewissen. Dido teilte aber auch nicht gerne, schon gar nicht ihr eigenes Lager und am Allerwenigsten mit Ungeziefer. „Manchmal gib's auch Ratten hier!“, murmelte Dido leise. Dafür brauchte sie unbedingt ihre Zwille wieder. Dido beugte sich zu ihren Sandalen vor und begann an dem Lederband herum zu spielen, denn ihr drückten die Sandalen schon seit dem Morgen auf ihre Zehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass Asny ihr neues 'Bett' einweihte und spürte den Blick auf sich ruhen. Dido spähte auf. Persönliches? Dido stockte und richtete sich langsam auf. Persönliches? Fragen? Asny fragen? Enttäuschen? Dido war im ersten Moment verwirrt über eine solche Aussage, was man, wie immer, an ihren sehr lebhaften Mimikspiel erkennen konnte. Dido wähnte sich zwar als abgebrüht und eifrig, im Nachäffen von Sciurus, aber wirklich gelang ihr das noch nicht. Ihre Augen weiteten sich, ihre Pupillen wurden ein wenig größer und ihr Mund öffnete sich. Dido hatte irgendwie das Gefühl, sie hätte etwas falsch gemacht. Da hast Du's! Sie wird Dich bald auch nicht mehr mögen. Du bist ganz schön blöd, Dido. Ganz schön dumm! Eine dumme, unnütze Sklavin eben, die keiner in diesem Haus braucht. Keiner!


    Didos Unterlippe erzitterte einen Moment lang und sie senkte die Augen, betrachtete stumm und verlegen ihre Fußspitzen, die Haut war an ihrem Zeh etwas gerötet, womöglich bekam sie morgen dort eine Blase, die schrecklich brennen würde. Das alles nur, weil sie neue Sandalen bekommen hatte vor ein paar Tagen. Die Alten, mit den zwei Löchern in der Sohle, waren einfach bequemer gewesen, aber auch viel zu klein. Es war nicht zu leugnen, Dido wuchs eben noch. Sie wackelte mit ihrem großen Zeh hin und her und dachte darüber nach, was sie erwidern sollte. Das mit dem Lügen schien ihr ein weiterer Vorwurf zu sein. Asny war ehrlich, Dido log gerne, so kam das bei Dido an, die noch ganz schockiert war, davon, dass sie wohl eindeutig etwas falsch gemacht hatte. Frag sie doch etwas! Dido grübelte. Was sollte sie bloß fragen. Ob sie gerne spielt? Dooof, sie ist doch erwachsen. Die spielen nicht gerne. Ob sie Geschwister hat? Neee, will ich gar nicht wissen. Am Ende will sie zu ihnen zurück, weil sie viel toller als ich sind und dann bin ich wieder alleine! Ob sie auch Süßigkeiten mag? Noch dooofer! Etwas trotzig sah Dido auf und starrte Asny an. „Ich bin auch stolz, jawohl!“, erwiderte Dido patzig. „Ich bin schließlich eine wertvolle Sklavin, in der aaaachten Generation. Nicht so ein Frischling wie Du!“ Schmollend verzog Dido den Mund. Sie konnte ganz schön ungerecht und gemein werden, wenn sie Angst hatte. Und das hatte Dido in dem Moment ganz gewiß, denn im Grunde wollte sie Asny als Verbündete, als Freundin gewinnen. Aber sie glaubte, schon wieder alles ruiniert zu haben. Das milde Lächeln von Asny wirkte gar nicht milde, sondern im dem Moment spöttisch auf Dido, die ihre Augen etwas verengte. „Ja!“, grummelte sie. „Sciurus ist mein Vorbild! Der ist ein ganz großer Sklave. Nicht groß nur vom Körper, sondern auch weil er mächtig ist. Und das werde ich auch eines Tages sein!“ Didos Augen funkelten drohend, ganz als ob sie damit sagen wollte: Sieh, ich werde mächtig, stell' Dich also am Besten gleich gut mit mir. Das wird besser für Dich sein. Dido verschränkte die Arme vor der Brust, abwehrend und mit eingesunkenen Schultern.


    Innerhalb weniger Momente schlug Didos Stimmung um, das kleine Mädchen war auch recht wankelmütig, teils aus ihrem Wesen heraus, andererseits aus der latenten Unsicherheit, die sie besaß, seitdem sie alleine war und ohne Herrn. Dido verzog ihr Gesicht, liess ihren Mund von einer Seite zur anderen Wandern, kniff mal das eine Auge zu, dann das Andere, zog ihre Augenbrauen zusammen, hatte die Lippen fest zu einem schmalen Strich zusammen gepresst, all dieses Spiel offenbarte sich in kürzester Zeit. Sie ist auch blöd, wie alle Großen!, dachte sich Dido und betrachtete Asny stumm. „So wie Sciurus kannst Du bestimmt nicht werden...“ Dido sprach und sprach, ehe sie nachdenken konnte. „Dafür bist Du zu schwächlich! Blöde Sklavin!“, platzte es ihr sofort pampig und rüde heraus. Dido sprang auf und wollte sich herum drehen, um aus dem Zimmer zu stürmen. Du hast es vermasselt, Dido, ganz eindeutig. Blöde, unnütze Sklavin! Dido hatte das Gefühl, Sciurus Stimme in ihrem Nacken zu vernehmen, die sich ihr näherte und kalt in das Ohr raunte. Didos Augen wurden feucht und sie lief schnell auf die Tür der Sklavenunterkunft zu und riß sie auf, um vor Asny zu fliehen und der Wut, die sie bestimmt ihr, Dido, gegenüber hegen würde. Doch sie prallte gegen einen Körper, spürte eine Hand die sich auf ihre Schulter legte. „Dido, wo willst Du hin?“ Dido sah auf, die Tränen verschleierten ihren Blick und sie sah verschwommen Hannibal, der im Eingang der Sklavenunterkunft stand. Sie schniefte und suchte schnell danach, die Tränen, die sich in ihren blaugrünen Augen sammelten, weg zu drängen. Mit mäßigem Erfolg, sie spürte, wie Hannibal sie aufmerksam musterte und mochte das gar nicht, hätte sich am liebsten wie eine kleine Maus in einem Loch versteckt und zusammen gerollt. Sie spürte, dass Hannibal sie wieder in die Sklavenunterkunft dirigierte und die Tür hinter sich schloß. Willenlos und wie eine Puppe folgte Dido ihrem Vater, den sie am Meisten in der Villa verachtete, und wehrte sich nicht als Hannibal sie neben sich auf ein Lager zog, wo sie sich hinsetzte und den Anblick von Asny mied. Sie warf einen schnellen Seitenblick zu Hannibal und sah, dass er sich auch auf das Lager gesetzt hatte, Asny gleich gegenüber. Sie schniefte und hob die Hand, um sich ein paar Tränen von der Wange zu wischen, doch die Tränen dort bekamen weiteren Zuwachs aus ihrem Augenwinkel.



    [Blockierte Grafik: http://img155.imageshack.us/img155/3671/hannibal2yq4.jpg]


    Ein fragend, verwunderter Gesichtsausdruck zeigte sich bei Hannibal, als er auf dem Lager, Asny gegenüber saß. Eine schlichte, dunkelgrüne Tunika trug Hannibal, gegürtet mit einem dunkelbraunen Ledergürtel. Im Gegensatz zu Dido hatte Hannibal seine Arme nicht vor der Brust verschränkt, sondern stützte sich damit auf dem Strohlager ab. Sein Blick schweifte durch die Sklavenunterkunft, die nicht einen Deut besser geworden war, seitdem er das letzte Mal hier genächtigt hatte. Schließlich ließ er seine Augen über Dido gleiten, die sich abmühte, nicht zu sehr zu schniefen und sich immer wieder Tränen abwischte, die über ihre schon rot gefleckte Wange lief, dann sah Hannibal zu Asny und musterte sie aufmerksam, um die junge Frau noch einmal zu begutachten. „Hat Dido Dir die Villa gezeigt?“, fragte Hannibal und ignorierte im Moment das Schluchzen von Dido. Den Grund dafür würde er eventuell später noch erfahren können. „Du hast Dir schon ein Lager ausgesucht?“ Hannibal sah fragend auf das, wo sich 'ausgebreitet' hatte. Da Hannibal nicht oft in der Sklavenunterkunft war, war ihm die 'Belegung' der Betten nicht sonderlich geläufig.

  • Asnys Blick war kurzfristig von Didos kindlicher Mimik fort und zu einem der schmalen Lichtkegel hinüber geglitten, in welchem Wolken aus Staub tanzten wie ein träger hochsommerlicher Mückenschwarm. Ihre neue Behausung stellte keine gravierenden Unterschiede zu dem Zustand dar, welchen man ihr zuletzt daheim geboten hatte. In ihrem kleinen Haus genau an der Ecke einer vielgenutzten Straßenkreuzung hatte es für die große Menge an Bewohnern auch nicht viel mehr Platz gegeben, mit dem Unterschied, dass der Anteil heranwachsender Kinder dort sicherlich wesentlich höher gewesen war. Raum für sich selbst zu finden war außerhalb der eigenen Gedanken eine Unmöglichkeit gewesen. Das Geld war knapp gewesen und mit ihm Geduld, Ruhe und Frieden. Doch Asny war bewusst, dass sie es in vielerlei Hinsicht immer noch besser gehabt hatte, als einige ihrer zahlreichen Geschwister. Sie als das älteste Mädchen hatte niemals mangelhafte Kleidung oder schlechtes Schuhwerk auftragen müssen, und weil man auf sie als die erste heiratsfähige Tochter zählte, hatte man auf ihre Bildung noch außergewöhnlich viel Wert gelegt. Sie hatte Jüngere unterrichten sollen, der Familie mit einer erfolgreichen Heirat zu mehr Ansehen und Wohlstand verhelfen können, hätte die erste, großartig in Freiheit gedeihende weibliche Züchtung aus den Händen ihrer freigelassenen Eltern sein dürfen, die das Bild ihrer Zukunft mit so vielen Schichten greller Farben gemalt hatten, dass sie schon vom Papyrus tropften. 'Ironie' wurde dieser Zusammenhang wohl genannt, wenn man sich anschaute, wo sich all die vortrefflichen Aussichten ihrer Familie nun befanden. Der einzige, dem die ganze erzieherische Mühsal etwas gebracht hatte, war der Sklavenhändler. Dieser Gedanke war es wohl, welcher Asnys Lächeln so konstant hielt, dachte sie an die Umstände und Verwicklungen, die sie in diese Villa gebracht hatten. Sie hatte den Händler gemocht, wenngleich es vermutlich eher seine Schlüsselrolle in diesem Spiel gewesen war, die sie ermunterte, ihre Gedanken ein wenig länger um jene Figur herumschweben zu lassen. Natürlich grübelte und überlegte sie wieder einmal zu lange, dies hatte schon ihr alternder Lehrmeister in einer nicht enden wollenden Litanei immer und immer wieder betont. 'Kurzche, präziche, prägnante Antworten, Mädchen, soncht chläft dein Konchervatchionchpartner ja ein bevor du dich verchiehcht!' Asa wurde ihrerseits nie müde zu ergänzen, dass seinen 'Konservierungspartnern' dies wohl nicht passieren könnte, da sie stets wach und aufmerksam den herumfliegenden Speicheltropfen ihres Gegenübers ausweichen müssten. Allen Spötteleien zum Trotz hatte der gute Mann natürlich recht, doch weil sich in Asnys Kopf ein Gedankenfaden an den nächsten wie eine nicht enden wollende Kette anschloss, war es eben nicht ganz einfach, damit plötzlich und abrupt innezuhalten.


    Ein solcher Zeitpunkt war nun jedoch gerade wieder erreicht. Dass es hier Ratten gab war angesichts der schon vor mehreren Wochen verschiedenen Maus nicht verwunderlich. Eine lebende Maus hätte sie mehr überrascht, denn dort, wo sich Rattengetier tummelte, suchte man meist vergeblich nach den kleineren, tellerohrigen Gesellen, die Asa einmal durch mehrere Generationen konsequenter Inzucht aufgezogen hatte, bis ihre Mutter sie endlich doch erwischt und der Hauskatze zum reichhaltigen Abendmahl serviert hatte. Ein Drama sondergleichen, Sophokles wäre vor Freude aus dem Bett gefallen.
    Toten Dichtern und langschwänzigen Nagern zum Trotz verletzte Asny gerade ohne es wirklich wahrzunehmen eine wichtige Regel im Umgang mit Kindern. 'Entziehe ihnen nie zu lange deine Aufmerksamkeit', alternativ 'Wende ihnen nie den Rücken zu.' Oder aus Asas Mund und speziell für ihre Schwester ausersehen: 'Sprich niemals ohne deine Worte in für normal Sterbliche nachvollziehbare Begriffe zu übersetzen'. Insofern hatte die tote Schwester schon lange die blassen Augen gen Decke verdreht und sich an die substanzlose Stirn gefasst, während die lebende noch vom Rausch der Staubpartikel gefangen gehalten worden war. So folgte dann für Asny ein wenig überraschend das, was für Asa einfach kommen musste. Drama, Tragödie, weltsäulenerbebendes Unheil, auch bekannt als 'Der große Knatsch' (sprich Knaatsch). Basierend selbstverständlich wie so oft auf einer unterschiedlichen Auffassung eines kleinen Wortes. In diesem Fall das Begrifflein 'stolz'. Asny konnte sich nur zu gut an eine der Predigten ihres Vaters zum Thema 'Stolz und wo er nicht angebracht ist' erinnern. Es war eine Art Schimpfwort, gleichbedeutend mit 'selbstgerecht' und 'arrogant', 'eingebildet' und 'herablassend'. Jemand aus ihrer Familie hatte nicht stolz zu sein. Zufrieden ja, dankbar ebenfalls, aber doch niemals 'stolz'! Alles, was Asny war, hatte sie ihren Eltern zu verdanken und alles, was ihre Eltern waren, hatten sie ihren großzügigen Herrschaften zu verdanken, Stolz bedeutete, sich mit fremden Federn zu schmücken und so zu tun, als wäre die Entstehung und Erhaltung des Selbst ganz und gar dem eigenen Verdienst zu verdanken. Unmöglich, absurd, lächerlich, anmaßend. 'Jetzt tut sie wieder so stolz als wäre sie etwas Besseres! Klüger, geschickter und weiser als wir alle zusammen! Weil sie Hirngespinste sieht! Weil sie ihre Zeit mit unnutzem Zeug verschwendet! Besonders will sie sein, dabei ist sie einfach nur verrückt!'
    Dies alles war außerordentlich unschön gewesen. Hätte sich Asny zu diesem Zeitpunkt noch dafür interessiert, was ihre Familie von ihr hielt, hätte sie solches möglicherweise stören können.


    Nachhaltig beeinflusst hatte sie jene Beurteilung anscheinend aber doch, denn Didos überdeutliche Stellungsnahme ließ vermuten, dass sie eine etwas andere Auffassung von diesem kleinen Wörtchen hatte. Als Sklavin war es offensichtlich gut, wenn man Stolz besaß und zeigte. Dies wirkte ein wenig befremdlich auf das neue Mitglied der dienenden Gesellschaft, schließlich waren ihre Eltern auch einmal Sklaven gewesen. Als Sklave stolz, als Befreiter demütig? Passte das zusammen? Unglücklicherweise blieb dem weißblonden Mädchen wenig Zeit, um über jenes Rätsel angemessen lange zu sinnieren, denn Didos verbale Zurechtrückung des Weltbildes nahm keine Rücksicht auf nähere Analysen. Asny wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass die Kleine krampfhaft versuchte, sie zu beleidigen. Was, wie genügend andere bestätigen konnten, die es ebenfalls probiert hatten und gescheitert waren, ein Ding der Unmöglichkeit darstellte, weil das Zielsubjekt ganz einfach viel zu weit über derart irdischen Vorgängen wie einer zünftigen Beleidigung schwebte, als dass man es ernsthaft damit behelligen könnte.
    Augenblicklich sah die Sklavin nordischen Blutes in erster Linie, dass Dido versuchte, aus unumstößlichen Wahrheiten eine Kränkung hervorzupressen, was von Asnys tödlich logischem Standpunkt her einfach nicht möglich sein konnte. Selbstverständlich war die Kleine eine Expertin in der achten Generation und sie selbst noch keinen halben Tag in ihrem neuen Wirkungsfeld, also war sie in diesem Vergleich natürlich der Frischling. Und dass sie nicht werden könnte wie Sciurus, dessen war sich die weißblonde Sklavin selbst sehr sicher, trotz des wenigen, das sie bislang über jenen 'allerwichtigsten Sklaven' wusste. Im Grunde hatte sie mit ihrer Frage nach Didos Vorbild nur noch die letzte Bestätigung gesucht, hatten doch bereits alle Anzeichen in Elefantengröße auf diesen Unbekannten hingedeutet. Über den Begriff 'schwächlich' hätte man diskutieren müssen und 'blöde'... gut, dies war Didos Meinung und was das Wissen über die Villa und das Sklavendasein betraf hatte sie wahrscheinlich sogar recht.
    Wem Asny allerdings nicht ganz folgen konnte war die plötzliche Aufgebrachtheit des Mädchens sowie die folgende, recht kopflos anmutende Flucht, die sie mit erstaunt geweiteten Augen verfolgte. Und hatte Dido nicht gesagt, sie wolle Amazone werden anstatt eine mächtige Sklavin?


    Aaaaasnyyyy... Eine Geisterfaust färbte die Umgebung vorübergehend schlierig hell, da Asas Absicht, ihrer Schwester erweckend eine wohlmeinende Kopfnuss zu verpassen, aufgrund massgebender Naturgesetze jämmerlich fehlgeschlagen war. Der gefassten Absicht tat dieser peinliche Zwischenfall jedoch keinen Abbruch.
    Das ist ein Kind, ein kleines Mädchen, da ist deine entwaffnende Logik gänzlich fehl am Platze!
    Der lebende Zwilling runzelte fragend die Stirn. Bei ihr zu Hause hatte ein Kindergewimmel sondergleichen geherrscht, wollte Asa nun etwa behaupten, sie wüsste nicht mit Heranwachsenden umzugehen?
    Jaaaa, tue ich, mit aller Macht meines körperlosen... Körpers. Obwohl... eigentlich hast du dieses Problem nicht nur mit Kindern, sondern mit beinahe allem, das sich 'Mensch' nennt und vor dir auftaucht.
    Asnys Kopf kippte leicht zu Seite, der Anflug von Misstrauen war stummer Überraschung gewichen. Dido weinte, dies war eine nicht zu leugnende Tatsache und womöglich hatte sie sich wirklich ein wenig zu lange in sich selbst verkrochen, um nun Schwierigkeiten im Umgang mit der Welt dort draußen zu bekommen. Wenn sie von dieser Welt indes etwas lernen wollte, so würde sie derartiges so schnell wie möglich korrigieren müssen um sich wieder mehr auf dieses 'draußen' einzulassen, bevor sie es nur noch wie durch einen verzerrten Schleier sah - mit einem Ruck rutschte sie auf ihrem Bett ein Stückchen zur Seite, so dass die Geisterhand nicht länger in ihrem Kopf und vor ihrem Blick schwebte.
    Jetzt fang bloß nicht wieder an zu grübeln! Lauf ihr nach! Hopp hopp!
    Noch ehe sich jedoch herausstellen konnte, wie sich Asny nun entschied, vernahmen beide Schwestern eine inzwischen bekannte männliche Stimme und irgendwie wussten beide sofort, dass Didos Flucht an diesem Punkte vermutlich enden würde. Während Asa misstrauisch die Augen verengte und langsam die Arme vor der Brust verschränkte, setzte Asny wieder ihr sanftes Lächeln auf und verlieh ihrem Blick dadurch einen passiveren Eindruck, als es tatsächlich der Fall war. Sie nahm vielleicht an sie gerichtete Worte und Taten etwas anders wahr, als diese ursprünglich gemeint waren, doch ihre Umgebung wurde von ihr zumeist sehr viel aufmerksamer sondiert, als es auf Beobachter den Eindruck machte. Zumindest falls ihr Gehirn nicht gerade ein wichtiges analytisches Problem auseinander nahm.


    So langsam verstehe ich die Einstellung der Kurzen bezüglich ihres 'Erzeugers'... fauchte Asa gepresst hervor und klang wie das drohende Zischen einer kurz vor ihrem tödlichen Angriff stehenden Kobra. Demonstrativ setzte sie sich - oder vielmehr schwebte sie in sitzender Haltung - neben ihrer Schwester auf dem Strohlager und schickte bohrende Blicke aus dem Totenreich zu Hannibal hinüber wie eine nach Arbeit gierende Furie. Umso mehr störte sie die gewohnte milde Freundlichkeit, mit der ihre lebende Schwester die Fragen dieses unseligen Kerls beantwortete.
    "Ja, Dido ist wirklich eine großartige Fremdenführerin. Ich kenne auch bereits die wichtigsten Personen der Villa, was sowohl die Herren- als auch die Sklavenseite betrifft. Alles übersichtlich eingeprägt."
    Zur Verdeutlichung tippte sie sich sacht mit der Zeigefingerspitze gegen den Kopf, während sich ihr Lächeln eine mysteriöse Spur verstärkte.
    "Natürlich bin ich noch ein Frischling hier, aber ich versuche, mich so schnell wie möglich an alles zu gewöhnen. Das hier ist mein Lager."
    Mit der Handfläche klopfte sie einmal leicht auf das Laken neben ihr um zu verdeutlichen, dass sie sich keinesfalls auf das Bett einer Fremden gesetzt hatte. Dann erwiderte sie Hannibals Blick mit einer abstrusen Mischung aus Intensität und Verträumtheit um die Gelegenheit nutzend ihrerseits einige höfliche Fragen zu stellen.
    "Wie ich hörte, weilt mein Herr derzeit in Pa..."
    Rrrrrrrrrr...
    "..rthia. Darf ich fragen, wann mit seiner Rückkehr zu rechnen ist? Und wo bis zu diesem Zeitpunkt meine Aufgaben liegen? Ich würde gern bis zu seinem Erscheinen so viele Tätigkeiten wie möglich gut beherrschen, um ihn nicht zu enttäuschen. Allerdings muss ich auch Gesang, Tanz und Flötenspiel täglich trainieren, damit ich mich darin nicht verschlechtere. Womöglich irre ich mich, doch ich hatte das Gefühl, dass du mich auch deswegen gekauft hast. Dieselbe Pflicht gilt ebenfalls für meine übrigen Fähigkeiten. Falls es sonst noch etwas gibt, womit ich das Herz meines Herrn erfreuen kann, so sollte ich dies ebenfalls frühzeitig zu üben beginnen. Vielleicht die Kunst der Massage oder das Erlernen der Lyra, so dass ich mich beim Singen selbst begleiten könnte. Oh, und ich überlege, für die sichere Heimreise des Marcus Aristides angemessen zu beten, gibt es dafür einen bestimmten, geweihten Ort in der Villa oder ist dies aufgrund meiner Position nicht von Bedeutung?"
    Sich weiterhin jener seltsam anmutenden Kombination aufmerksamster Entrücktheit hingebend versenkte Asny ihre aufgrund des herrschenden Zwielichts schattenumspielten Augen ebenso in Hannibals Seelenspiegel wie ihre Schwester, deren blutleere Lippen ein zynisches Halblächeln zierte.

  • [Blockierte Grafik: http://img155.imageshack.us/img155/3671/hannibal2yq4.jpg]
    Hannibal


    Eine braune Haarsträhne strich Hannibal an der Schläfe entlang, der Rauch der Öllampe kitzelte in seiner Nase. Er drehte seinen Kopf ein wenig nach links und nach rechts und betrachtete die Sklavenunterkunft, wobei seine Augenbraue andeutungsweise nach oben wanderte, in einer schönen geschwungenen Wölbung. Seine Augenbrauen waren überhaupt sehr akkurat gestrichen, elegant geschwungen, ganz als ob er dem etwas nachgeholfen hätte. Was er auch hatte, aber zu dem Thema kommen wir heute besser nicht, werte Leserschaft, sondern widmen wir uns lieber ganz und gar der Betrachtung der Sklavenunterkunft. Dreckig war sie nicht unbedingt, selbst wenn man die Generationen, die die Sklavenschaft schon in diesen Räumlichkeiten gehaust hatte, nicht mehr wegwischen konnte, nicht ausradieren. Manche der Bewohner hatten sich mit Kohle oder Messerspitzen in den Wänden verewigt. Ein Romulus war hier!, prangte neben einer kleinen obszönen Zeichnung. Hannibal inspizierte näher die Wand, an der mancherorts Stellen der Kalk bereits abgeblättert war und darunter die nackten und braun roten Ziegelsteine offenbarten, woraus auch die Villa Flavia gemacht war. Egal welchen Prunk und Luxus, Dekadenz und Verschwendungssucht sie sonst zeigte, so war sie aus dem selben Stein gemacht, wie hunderte Insulae von Rom, in denen die Ärmsten der Armen hausten, dicht gedrängt, nicht selten hungernd, ohne zu Wissen, was die Zukunft ihnen schenken mag. Wie die Sklaven in dieser Unterkunft. Domitian ist eine T... Was Domitian laut des bestimmt schon verstorbenen Sklavens war, Hannibal konnte es nur vermuten, ließ es aber lieber und wandte sein Gesicht wieder der jungen Asny zu. Die Gesichtskonturen der jungen Sklavin betrachtete Hannibal, die Form, die Linien und Rundungen, die sich in ihrem Antlitz zu einem Bild von der jungen Asny formten, dass Hannibal gleichsam ein Kind, ein Mädchen verriet, aber dennoch die Ernsthaftigkeit einer erwachsenen Frau zeigte. Besonders jene Augen, die so hell und klar wie ein leuchtender Winterhimmel waren. Die stille Würde, die ihre Haltung auszudrücken vermochte, die Stimme, die Wahl der Worte, freundlich, ruhig, gesittet. Ohne Aufbegehren, Stursinn oder Hass zu verraten, die viele Sklaven zeigten, wenn sie gerade erst in Gefangenschaft gekommen waren und das erste Mal als Sklaven in ein vornehmes römisches Haus kamen. Ein Haus, was sie nicht zu einer Arbeit zwang, wo sie den ganzen Tag auf dem Feld schuften mussten und nur nachts in ihr Bett, auf ihren Strohsack, fielen, um ermattet einzuschlafen. In einem Haus mit wenig Arbeit, da konnte es sich ein Sklave leisten, aufmüpfig den ganzen Tag zu verbringen und dem persönliche Groll zu frönen...oder wie Hannibal, seinen nächtlichen Angelegenheiten nachzugehen. Turteltaube? Trantüte? T...T...! Spartakus ließ Hannibal mal außer acht und dass eben jener bestimmt den ganzen Tag geschuftet hatte und gelitten. Um ihn nicht zu enttäuschen? Hannibal lauschte den Worten der jungen Asny und war deutlich positiv überrascht. Sicherlich, sie hat zwar auf dem Sklavenmarkt schon sehr ansprechend auf ihn gewirkt...


    Moment, werter Leserschaft, nicht das, was Sie jetzt denken könnten, nein, rein von ihrem Benehmen her. Wir wissen ja, Hannibal hat erst mal genug von den Frauen und außerdem war die junge Asny womöglich doch ein wenig zu jung für den Mitte-Dreißiger...sagen wir mehr auf die Vierzig zugehende, Marke Süditalien...aber zurück zum eigentlichen Thema: Asnys vorzügliches Benehmen!


    Hannibal unterbrach den Blickkontakt einen Augenblick lang, um sich der Betrachtung der schniefenden Dido zu widmen, die sich immer wieder an der Nase rieb und deutlich, statt sich zu schnäuzen, den Schnodder lieber hoch zog. Die Vorstellung der Personen in der Villa hätte Hannibal wohl lieber selber vorgenommen, aber Dido war ihm eindeutig zuvor gekommen. Als er sein Gesicht wieder Asny zu wandte, zog er aus einer kleinen Tasche, die an seinen ledernen Gürtel gebunden war, ein Taschentuch hervor...


    Für den aufmerksamen Beobachter und Leser: Es ist mit einer Fliederblume und zahlreichen sehr weiblich anmutenden Stickereien verziert....aber wieder zurück.


    Das Taschentuch reichte Hannibal weiter, an die junge Dido, die es mehr widerwillig an nahm und feindselig auf das Tuch starrte. Tunte? T...T...? Hannibal beachtete das bockige Verhalten seiner Tochter jedoch nicht länger, hatte er doch früh gemerkt, damit auch nur auf taube Ohren und sturem Verhalten zu stoßen. „Ein Frischling? Womöglich kann man das so sagen. Aber ich denke, Asny, Du wirst Dich schnell in der Villa einleben. Insbesondere, da Du jetzt schon einen bewundernswerten Fleiß offenbarst.“ Hannibal lächelte, doch schon die nächsten Worte vertrieben Dieses von seinen Lippen. „Dein Herr befindet sich mit den Truppen des Kaisers im Krieg, natürlich gegen die Parther. Es kommt also darauf an, wie lange der Kaiser den Kampf in Parthien fortsetzen möchte und kann. Ob sie einen schnellen Sieg oder längere, erbitterte Kämpfe ausfechten müssen. Danach entscheidet sich, ob Dein Herr bald oder mehr in ferner Zukunft nach Italia zurück kehren wird.“ Hannibal schwieg einen längeren Moment und sah an Asny vorbei, nachdenklich und in sich versunken. „Es gibt einige, die auf seiner Rückkehr warten...seine Familie...und...“ Hannibal wußte nicht so recht, ob er selber tatsächlich darauf wartete, dass sein Herr zurück kehrte. Freute er sich schon darauf? Fürchtete er sich mehr? Denn dann würde Hannibal ihm gewiss Rede und Antwort stehen müssen und das würde sehr schwer werden. Hannibal konnte es noch nicht mal vor sich selber, wie dann vor seinem Herrn. Immer mit der Gewissheit, versagt zu haben. Was die Tochter von seinem Herrn anging. Ein kräftiges Schnäuzen ließ ihn aus der Gedankenwelt auffahren, Hannibal blinzelte einige Male und registrierte erstaunt, dass Dido tatsächlich das Tuch benutzte, um sich von den Zeugnissen ihrer Tränen zu befreien.


    Hannibal leckte sich schnell über die Unterlippe und nickte. „Tatsächlich, Asny, hast Du nicht unrecht. Ich habe Dich wegen Deiner musischen Talente erworben...für unseren Herrn. Marcus Flavius Aristides hat ein Faible für Musik, für schöne Musik. Wenn er aus Parthia zurück kehrt, wird er ein wenig Aufmunterung und eine fröhliche Gesellschaft gut gebrauchen können. Ein Mädchen wie Dich, liebenswürdig, aufmerksam und talentiert in den schönen Künsten.“ Und dabei war Asny, trotz aller ihrer Talente und ihrem erstaunlich gutem Benehmen, fern von dem Beuteschema des Aristides, schließlich hatte sein Herr vor zu heiraten, da würde Hannibal erst mal es tunlichst unterlassen, ihm die Versuchung direkt vor die Nase zu setzen. „Natürlich kannst Du jeden Tag Zeit darauf verwenden, Dich in Deinen Fähigkeiten zu üben. Es gibt auch manche Sklaven im Haushalt, die ebenfalls ein Instrument spielen.“ Wie Hannibal, aber das ließ er im Moment noch außen vor, außerdem hielt sich Hannibal für einen Dilettanten. Mehr holprig als melodiös entlockte er dem Instrumente die Stücke. „Wenn Du es Dir zutraust, kannst Du sicherlich auch noch den Umgang mit der Lyra lernen. Das Massieren wird nicht notwendig sein, die Flavier besitzen einen Sklaven für derartige Belange.“ Selbst wenn die Flavier nicht derart sich der Dekadenz und Luxus hingaben, um Sklaven für jede kleine Handlung, wofür der Sklave ausschließlich zuständig war und sonst keine Aufgaben hatte, zu halten, so gab es dennoch schon genug Sklaven, die den Komfort der Patrizier in der Villa steigern sollten. Oder auch die groben Dinge erledigten.


    Interessiert betrachtete Hannibal die Gesichtszüge von Asny und suchte darin, die Gefühle und Intention der jungen Frau zu erkennen. Meinte sie es gar ernst mit der Sorge um einen Mann, den sie noch nicht einmal begegnet war und der ihr neuer Herr war? Dem sie als Sklavin dienen musste und der über Leben und Schicksal der jungen Frau bestimmen konnte? Die Entrücktheit konnte Hannibal jedoch in seinem Suchen nicht durchdringen, er konnte kein Zeichen von Falschheit oder dem Einschmeicheln, das manche Sklaven am Anfang versuchten, erkennen. Was nicht hieß, dass es nicht da war. Hannibals Mundwinkel hoben sich ein kleines Stück. „Es gibt einen Hausaltar. Das Lararium, an denen die Ahnen der Patrizier, aber auch die Götter verehrt werden können. Aber das ist der Altar der Patrizier. Es wird nicht gerne gesehen, wenn ein Sklave dort sein Gebet an die Götter richtet.“ Hannibal dachte einen Augenblick nach. Unreligiös war Hannibal gewiss nicht, aber was hatten die Götter ihm schon zu bieten, würden sie überhaupt auf ihn hören? Hannibal war schon vor vielen Jahren zu dem Schluss gekommen, dass die Götter nicht für die Sklaven da waren. Sondern für die Herrschaft, deren Macht und Glück sie förderten. „Es kommt natürlich darauf an, zu welcher Gottheit Du beten möchtest. Bona Dea womöglich? Diana? Oder bist Du...“ Hannibal zögerte einen Moment und suchte danach keine Abneigung in seine Stimme zu legen. „...ein Christin?“ Man konnte nie sicher sein, schließlich vereinte die Sklavenschaft alle Glaubensrichtungen, von dem Geisterglauben der Nubier bis hin zu dem strengen Glauben der Hebräer oder Christen.



    Dido


    Das voll geschnäuzte Taschentuch hielt Dido fest in ihren Händen und hatte die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen gepresst. Wütend, auf die Götter und die Welt, sich selber und Asny, auf Hannibal sowieso und jederzeit, stierte sie auf das kleine Tuch in ihrer Hand, betrachtete die Stickereien darauf und runzelte die Stirn. Ein wenig zögerlich sah sie auf und von Hannibal zu Asny, konnte aber nicht lange zu der Sklavin schauen, deren Gunst Dido als verspielt glaubte. Was soll's! Ist halt wie immer, Dido! Rom ist nun mal nicht Baiae! Dido nickte, zustimmend zu ihren eigenen Gedanken. Ohne auf das zu hören, was Hannibal von sich gab. Dem Blabla von ihrem Vater, nein, sagen wir besser, Erzeuger, lauschte Dido selten, es sei denn, sie wurde direkt angesprochen und dann hörte sie auch nur widerwillig zu.

  • Asas silberschattige Augen hatten sich zu verengten Halbmonden gewandelt und musterten den ihr gegenüber sitzenden Hannibal, dass jenem, und hätten die Götter der Toten auch nur einen winzigen Hauch von Macht verlieren, gewiss ein Kopfschmerz wie mit einer Gladiatorenfaust gebastelt sicher gewesen wäre. Betrachtete er selbst Asny schon aufmerksam, so loderte die Intensität, mit welcher umgekehrt er beobachtet wurde, heller und gefährlicher als die Schmiedefeuer des Vulcanus. Man musste wirklich nicht mehr am Leben sein um zu merken, was für einen Eindruck der lebende Zwilling hier machte. Natürlich, bei jener arbeitswilligen Eifrigkeit, der Ausdrucksweise, den Umgangsformen, die hier präsentiert wurden, wirkte selbst die frischluftbedürftige Sklavenunterkunft in edlere Gefilde gehoben. Der Geist stieß ein substanzloses Schnauben aus und kreuzte die Beine wiederum zu einem Schneidersitz. Würde Asa ihre Schwester nicht kennen wäre ihre Laune schon längst in die Tiefen der Unterwelt gesunken, wenn der Rest sich schon weigerte, dort unten seine Aufwartung zu machen. Trotz des besseren Wissens um die inneren Vorgänge Asnys, die jedoch auch für sie nicht immer nachvollziehbar waren, fiel es der geborenen wie gestorbenen Unruhestifterin und Rebellin schwer, ihre Meinung nicht lautstark kundzutun. Aber als guter Zwilling sollte sie wohl lieber froh und dankbar sein, dass es bislang so gut im neuen Heim funktionierte, gerade weil sie wusste, dass es auch ganz anders laufen konnte. Weit weniger... harmonisch. Noch war ja auch alles in Ordnung. Und Hannibal war positiv angetan, die Wellen seiner angenehmen Überraschung waren durch mehrere Existenzebenen spürbar. Dafür musste man nicht der Hexerei oder Magie mächtig sein. Keine Spur von Misstrauen. Entweder er verbarg es äußerst geschickt, oder andere Empfindungen hielten ihn noch davon ab zu denken, dass Dinge auch zu glatt laufen konnten. Doch selbst wenn Asa Lippen und Zunge besessen hätte, um ihn aufzuklären, hätte sie von beidem keinen Gebrauch gemacht. Vielleicht war ja hier wirklich in dieser Villa voller verrückter Flavier der Ort, an dem auch jemand wie Asny recht ungehindert ihrer Lebensphilosophie folgen konnte. Gut, die meisten Sklaven sahen eher Einschränkungen als Freiheiten, doch dass der Neuzugang ein wenig anders war als üblich war schließlich auch bereits Hannibal aufgefallen. Und vermutlich würde der 'Frischling' selbst eher früher als später seine Sonderausstattung präsentieren. Damit halbwegs besänftigt versuchte die geisterhafte Schwester eine verirrte, kleine rote Spinne in Richtung des Mittdreißiger-Sklaven vom Laken zu schnippen. Unnötig zu erwähnen, dass Asny auch nach diesem Versuch das Krabbeltierchen aufnehmen und in ihren Händen bergen konnte, während sie mit charmant getarntem Höchstinteresse den Antworten des Mannes lauschte.


    Während all die Lobeshymnen auf ihren Fleiß und ihre Liebenswürdigkeit kaum eine Veränderung auf den stetig sanft lächelnden Zügen offenbarten, gab ihre Schwester diverse Laute von sich, die irgendwo zwischen dem Heulen eines Schakals in einer einsamen mondlosen Nacht und dem knurrigen Lachen eines beuteerspähenden ausgehungerten Wolfes lag. Besonders die erwähnte 'Liebenswürdigkeit' erntete fast etwas wie stürmischen untoten Beifall. Aber nun gut, vielleicht war Asny im Vergleich zu anderen Hausbewohnern tatsächlich liebenswürdig und... fröhlich. An ein wenig Ehrgeiz sollte der gute erste Eindruck schließlich nicht scheitern, oder? Oder an ein paar Hintergedanken. Asny mochte nicht dem Beuteschema ihres Herrn entsprechen, allerdings passte Marcus Flavius Aristides, mochte er auch noch so fernab inmitten von Kriegsgetümmel, Leichen und Strömen von Blut vor sich hinkämpfen, geradezu schmerzhaft gut in Asnys Beuteschema. Denn schließlich hatte man mit ihr keinen wirklich selbstlosen, weichherzigen, zartblütenblättrigen Menschen vor sich, der im Hinblick auf das Wohl anderer mal eben die eigenen Prinzipien über Bord kippte, mit den Schultern zuckte und sich unterwarf. Wenngleich es auch manchmal danach aussah, so wie gegenwärtig. Sie war was den gesellschaftlichen Stand betraf eindeutig gesunken. Von einem freien Menschen hinab zu einer Sklavin. Nur sah Asny eben nicht mit den Augen der Gesellschaft. Wäre sie frei geblieben und hätte sich ihren Eltern untergeordnet hätte sie zweifellos irgendwann einen netten Mann geheiratet, ein paar süße Kinder bekommen und glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende in Rom gelebt. Wären in diesem Bild nicht zu viele Adjektive vorgekommen, gegen die sie eine nicht unerhebliche Abneigung verspürte. 'Nett'. 'Süß'. 'Zufrieden'. Selbst 'glücklich' war ihr zuwider. Glücklich, zufrieden zu sein bedeutete den Willen zu verlieren, sich weiterzuentwickeln, mehr zu lernen, mehr zu wollen, mehr zu sein. Hier, durch ihren Herrn, würde sie ganz bestimmt niemals glücklich werden. Sie würde nicht heiraten und sich mit irgendeinem lausigen Idioten von Mann herumärgern müssen, anstatt ihre eigenen Talente zu fördern und zu verfeinern. Sie würde sich auch nicht mit Kindern herumärgern müssen, denn selbst wenn - WENN! - sie auf irgendein absonderliches männliches Wesen anziehend wirken sollte und es dadurch zu einer Schwangerschaft käme, würde sie sich niemals um ihre Brut kümmern müssen. Dies sah man doch bestens an Dido. Wann hatte sie wohl zuletzt ihre Mutter gesehen? Es musste ein nettes Weilchen her sein. Danke Flavier, danke Sklaventum. Und dank ihres lieben Herrn konnte sie jeden Tag das machen, was sie am Liebsten tat. Sich mit sich selbst beschäftigen, lernen, üben, trainieren, dichten, nachdenken, immer mit dem Hintertürchen, dies alles doch nur und ausschließlich für Marcus Aristides zu tun, also quasi gar keine andere Wahl zu haben. Keine dämlichen, besserwisserischen, verklemmten Eltern. Keine nervtötenden, lauten Geschwister. Kein alter, spuckender, mehr und mehr dem Suff und dem Selbstmitleid verfallender Mentor. Nein, hier gab es nur sie und sie und nochmals sie und eine riesige Villa mit unzähligen Menschen darin, die sie samt und sonders studieren und von denen sie lernen konnte. Läge diese Empfindung nicht weit außerhalb ihrer Prinzipien so wäre Asny wohl von nicht enden wollenden Glücksgefühlen beseelt gewesen und hätte all die reizenden Menschen aus den Reihen und der Züchtung der Flavier kräftigst umarmt, weil sie sie so schön und hemmungslos und gezwungenermaßen für ihre eigenen Zwecke benutzen und ausbeuten durfte. Ohne den Anflug eines schlechten Gewissens so wie zu Hause manches Mal, denn man konnte sich recht sicher sein, dass jeder Bewohner der Villa sein Fuhrwerk in genau dieselben egoistischen Bahnen lenkte. Sogar Dido suchte in erster Linie nach einer ihren Ansprüchen genügenden und hoffentlich nützlichen Freundin und Verbündeten. Die Götter hatten wirklich einen sonnigen Nerv gehabt, als sie die Familie der Flavier schufen.
    Zudem gab es noch einen Grund, Marcus Aristides' Ruf zu wahren und ihn nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen zu lassen. Sklavenprestige. Der Herr einer Sklavin wie Asny, mit dem wohlversteckten Stolz in den Ausmaßen eines am Nachthimmel gut sichtbaren Sternbildes war, natürlich, vortrefflich. Bedacht mit einer Unzahl bester Eigenschaften, anhand derer man sich sicher sein konnte, den guten Namen nicht zu verunglimpfen oder gar zu beschmutzen. Schließlich war er, wie Hannibal selbst sagte, ihr Herr. Von Asnys Standpunkt aus betrachtet war sie nicht in Marcus Aristides' Welt hineingekauft worden, nein, der werte Herr hatte sich in die ihre geschoben, ein Privileg, mit dem Ansprüche und Erwartungen einhergingen. Keiner in der Villa war besser als Marcus Aristides. Dieser Umstand war der neuen Sklavin bereits auf dem Markt aufgegangen, und wies mit Sicherheit sehr viel Ähnlichkeit zu Didos Verehrung von Serenus auf. Mit dem kleinen Unterschied, dass Dido ihren Herrn kannte. Asny kannte sich selbst. Das war bereits vollkommen ausreichend.


    Hätte Asa um diese Umstände nicht gewusst, wäre sie vermutlich angeheizt durch früheres Rebellentum wirklich vom allzu anschmiegsamen Verhalten ihrer Schwester genervt gewesen, so allerdings hielt sich ihr Widerstand in Grenzen. Und ihre Stimmung besserte sich bei jedem Lob, das Hannibals Lippen entschlüpfte.
    Asny war nicht der abgebrochene Satz entgangen betreffs der erwarteten Rückkehr von Herrn und Beute, was möglicherweise darauf schließen ließ, dass es bei dem Wiedersehen des Kriegshelden Komplikationen geben könnte. Nunja, nach einer solch langen Abwesenheit gab es gewiss nicht nur Gutes zu berichten und vielleicht machte man sich auch Sorgen um die Stimmung, in die ein gerade aus dem Krieg Zurückgekehrter hinabgefallen war, neue Eigenschaften, die er plötzlich an den Tag legte, Ticks, Anfälle, Verletzungen, Lähmungen, die Liste war lang und unangenehm. Doch dies waren Angelegenheiten der Zukunft, um die Asny sich gegenwärtig noch nicht zu kümmern brauchte. Abgesehen von einigen wohl nachvollziehbaren Fragen bezüglich des Charakters ihres neuen Herrn.
    Asa grinste breit ob Didos Elefantengetröte und auch das Lächeln ihrer Schwester verstärkte sich ein wenig, nicht weniger aufgrund Hannibals überraschter Reaktion. Doch auf diesem Wege fand er wenigstens zum eigentlichen Gesprächsthema zurück. Die Aussicht, mit anderen Sklaven zusammen musizieren zu können, faszinierte den lebenden Zwilling, denn schon oft hatte sie sich die Möglichkeiten und Kompositionen ausgemalt, die Wirklichkeit werden konnten, wenn man viele unterschiedliche Instrumente zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügte. Gut, bis zu diesem Endergebnis würde Zeit und Geduld erforderlich sein, aber Asny war diesbezüglich guter Dinge. Ganz besonders was das Erlernen der Lyra betraf, bei deren Erwähnung sogar eine Art nebliges Leuchten in ihre hellen Augen trat und sie nachdrücklich nicken ließ. Ihre Eltern waren der Meinung gewesen, dass ein Instrument völlig ausreichend wäre, doch die Ansprüche ihrer Tochter lagen deutlich oberhalb einer einfachen Flöte. Was sonstige Fertigkeiten anbetraf, so würde sie womöglich von den darin talentierten Sklaven wenigstens die Grundzüge erlernen können, um einen Einblick in fremde Gebiete erlangen zu können. In ihren Augen war Wissen und Können mit nichts zu vergleichen und vermutlich hätte sie sich sogar mit Freuden an einem Schwert versucht, bekäme sie die einmalige Gelegenheit einer Lehrstunde.


    Die kleine rote Spinne in ihren Händen war quirlig über blasse, feingliedrige Finger gelaufen und hatte sich schließlich zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand im Schutze der Knöchel vorläufig zur Ruhe begeben. Aufgrund dessen hatte Asny lediglich ihre linke Hand benutzen können, um den weichen Knoten ihres Bündels langsam zu öffnen um erneut nach den Datteln zu tasten, von denen sie zwei vorsichtig herauszog. Dann erhob sie sich kurz, beugte sich vor und legte beide Früchte auf Didos schmalem Oberschenkel ab, während sie der Kleinen freundlich zuzwinkerte. Ob das Mädchen nun mit ihrem 'Erzeuger' teilen wollte oder nicht, blieb ihr überlassen, allerdings verwettete Asa bei dieser Gelegenheit wieder einmal mehrere hundert Sesterzen darauf, dass die meeräugige Sklavin die gesüßten Leckerbissen schneller hinunterschlang, als Asny brauchte, um sich wieder auf ihrem Lager niederzulassen.
    "Ich würde sehr gerne das Spiel der Lyra lernen, um mich so selbst begleiten zu können. Ich mag die Flöte und ihren Klang, aber manches Mal schränkt sie mich auch ein wenig ein."
    Die Mimik der jungen Sklavin war weiterhin ein sanftes, freundliches Mysterium, ein geheimnisvoller Nebel, in den man sich jedoch durchaus gerne hineinbegeben wollte, strahlte er doch Ruhe und inneren Frieden aus. Wiederum nickte Asny verstehend bei der Erwähnung des Hausaltars, den es im Grunde geben musste, und sei es nur, um über die wilden, blutigen Rituale und Orgien in den Kellergewölben hinweg zu täuschen. Und dass die Gebete eines Sklaven dort unangemessen waren störte den blonden Neuzugang in keinster Weise. Ihre Art zu beten bannte sie selten an einen festen Punkt, zudem dauerten ihre Bitten und Wünsche an die Götter immer ein wenig länger und sie wollte nicht Gefahr laufen, mittendrin von einer Herrschaft unterbrochen zu werden. Asa sah dem immer noch eher misstrauisch entgegen, doch bei ihrem postmortalen Zustand war eine solche Einstellung wohl nicht überraschend.
    "Nein, ich bin keine Christin, ich verehre hauptsächlich die römischen Gottheiten." Von einigen nordischen Ausnahmen abgesehen, doch sie würde nicht zu einer nordischen Gottheit für die sichere Rückkehr eines Römers beten.
    "Um ehrlich zu sein bin ich noch unschlüssig, bei wem mein Gebet wohl am Besten angebracht wäre. Einerseits erscheint mir Vesta passend, andererseits betrifft meine Bitte die Domäne des Kriegsgottes. Oder besitzt Marcus Flavius Aristides eine Schutzgottheit?"
    Mars passt viel besser. Das wird er dir auch gleich sagen. Außer natürlich er traut es einem zierlichen Geschöpf wie dir nicht zu, angemessen beim hohen Meister der Kriegskunst vorsprechen zu können.
    "Da das Gespräch eben auf meine Fähigkeiten kam, so ist es wohl auch meine Pflicht zu gestehen, dass der Sklavenhändler an zwei Punkten leider etwas übertrieben hat. Ich besitze zwar Kenntnisse im Umgang mit Zahlen, doch das Wesen der Buchführung hat sich mir leider bislang noch nicht erschlossen. Und was die einsamen Nachtstunden betrifft - sagen wir, dass mein Herr in den letzten Wochen sicherlich mehr als genug Blut und Dilettantismus gesehen hat, als dass er mich für so etwas wirklich haben wollte.„
    Immerhin war Asny aufrichtig und direkt (ruhig und lächelnd), wenngleich ihre Schwester zeitweise von einem seltsamen Hustenreiz geschüttelt vom Lager zu kippen drohte.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!