[Atrium] Flavii hospiti

  • Oh ja, die Welt schien wieder in Ordnung zu sein, für den Moment jedenfalls. Sie hatten sie wieder in die rechten Fugen gerückt und sich dabei auf ihre Männer, oder in ihrem Fall, auf den Zukünftigen, berufen. Sergia lächelte wieder, obwohl sie sich sicher liebend gerne noch weiter über die „Schandtaten“ ihres aktuellen Lieblingsfeindes ausgelassen hätte, und die Flavia tat es ihr gleich, da sie eigentlich heilfroh war, jene heiklen Themen „Tiberius“ und „Hochzeit mit Tiberius“ (welches in sich bereits die Steigerung aus Thema 1 war) endlich vom Tisch zu haben.
    Passend dazu sprach Fausta auch gleich einen weiteren, weniger verfänglichen Punkt an, den man gut unter Freundinnen klären konnte. Zwar war dies natürlich längst nicht nicht so skandalbehaftet, wie besagte andere Themen, allerdings auch nicht minder wichtig. Richtig, die Hochzeitsvorbereitungen! Und was stand da wohl im absoluten Vordergrund? Nicht etwa in welchen farblich abgestimmten Tönen die Villa Flavia geschmückt werden sollte oder gar welche Köstlichkeiten man den Gästen anzubieten gedachte. Nein, Numero Uno war natürlich das Kleid! Der Traum oder auch Alptraum jeder Braut, je nachdem wie gut ihre handarbeitlichen Geschicke ausgeprägt waren oder wie groß der Geldbeutel von Papi war. Nun, in Domitillas Fall hielten sich diese beiden Möglichkeiten die Waage. In Sachen Handarbeit war sie zwar nicht sonderlich versiert, doch verfügte sie und natürlich auch ihr Vater über ein ordentliches Vermögen, dass es ihr erlaubte, sich klammheimlich von den althergebrachten Traditionen zu lösen.
    „Oh, ich kann nicht klagen. Alles läuft Bestens! Doch was ich dich gerne fragen wollte, liebe Sergia, wie hast du es nur geschafft, für deine Hochzeit ein so bezauberndes und aufsehenerregendes Hochzeitskleid herzustellen?“ Domitilla erinnerte sich noch gut daran. Es war ein wahrer Hingucker gewesen, auch wenn es an manchen Stellen vielleicht ein wenig… Nun ja, Schweigen war bekanntlich Gold!
    „Ich muss gestehen, dass mir diese Gabe leider fehlt.“ Denn immer wenn ihre Mutter sie dazu angehalten hatte, sich mehr mit Handarbeiten zu beschäftigen, fand sie immer einen triftigen Grund, dies nicht zu tun. Vielleicht konnte Fausta ihr ja nun mit einigen Tipps aushelfen, wie sie doch noch zu einem attraktiven Kleid kam, welches ihr in jederlei Hinsicht würdig war.

  • Die Hochzeitsvorbereitungen liefen bestens. Ich lächelte, denn das hörte ich gerne. (Nicht dass die Flavierin mir am Ende noch irgendwelche unliebsamen Aufgaben aufs Auge drückte.. Einladungen zu diktieren.. oder das Haus zu dekorieren.. oder das Menü für die Gäste zu organisieren.) Dann aber gab es doch noch eine Frage. Ich hielt für einen kurzen Augenblick die Luft an, bis ich erfuhr, worum es ging. Dann konnte ich wieder ganz frei und entspannt atmen (soweit das mit meinem Bauch-weg-Verband eben möglich war). "Ach, das war nicht weiter schwer.", behauptete ich anschließend. "Denn soweit ich weiß verlangt die Tradition ja auch nur, dass man den Stoff des Kleides selber webt. Das Schneidern kannst du dann ganz getrost wieder anderen überlassen." Dass ich auch den Stoff meines Kleides nicht selbst gewebt, sondern nur persönlich seinen Import aus meiner alten Heimat Alexandria in Auftrag gegeben hatte, verschwieg ich natürlich. Denn bei meinem Talent fürs Weben hätte am Ende auch der beste Schneider wahrscheinlich nicht mehr viel retten können. "Deshalb hatte auch ich mich damals bei meiner Freundin Pontia Paula umgehört. Sie war auf der Hochzeit meine Pronuba." Und weil eine Pronuba natürlich immer eine verheiratete Frau sein musste, wusste sie natürlich auch selbst, wie sie damals zu ihrem Hochzeitsdress gekommen war und konnte mir deshalb wertvolle Tipps geben. Logisch. "Und sie hat mir dann eine Schneiderei namens "Vestitor Romanus" empfohlen." Allerdings.. "Allerdings weiß ich nicht genau, aber ich glaube, dass der Laden zur Zeit geschlossen ist." Warum auch immer. Umbauarbeiten, Fachkräftemangel. Gründe dafür konnte es ja viele geben. Aber für solche Details interessierte ich mich eigentlich nicht. Denn entweder ein Laden war offen, dann kaufte ich auch gerne was. Oder ein Laden hatte zu, dann gab ich mein Vermögen eben woanders aus.


    Blieb die Frage, was ich der Flavierin stattdessen empfehlen sollte. "Wenn du dich rechtzeitig mit ihm in Verbindung setzt, könntest du natürlich versuchen, dass Gargonianus Arminius die Zeit für einen solchen Sonderauftrag findet." Ich ließ eine kleine Kunstpause. Denn Arminius war mein absoluter Lieblingsmodemacher. "Oder du kontaktierst Calavius Paulus, das wäre auch eine Möglichkeit." Auch wenn der sehr viel mehr Zeit bestimmt auch nicht hätte. "Ansonsten kommen mir viellecht noch Dorso et Gannascus so in den Sinn." Oder irgendwer anders. Der Modemarkt bot ja ein breites Spektrum exklusiver und guter Modemacher. "Nur falls du zu einem der von mir genannten gehst, sei bitte so lieb, und lass sie auch wissen, auf wessen Empfehlung du kommst.", schloss ich am Ende noch an. Denn obwohl ich gerade von Erstgenanntem, aber auch vom Zweiten wirklich ein großer Fan war, der aus ihren Kollektionen auch immer irgendwelche Teile kaufte, hatten die Herren Modemacher noch immer nichts für mich persönlich geschneidert. Oder zum Beispiel irgendein Kleid mal nach mir benannt. Wenn ich ihnen beweisen konnte, dass ich ihnen gutaussehende, zahlungskräftige Patrizierinnen (mit womöglich gleich einer ganzen langen Liste teurer Extrawünsche) vermitteln konnte, dann würden sie in Zukunft ja vielleicht auch mir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Eine einfache Rechnung. "Die Kunst des Schneiderns, ganz unter uns, beherrsche ich selbst übrigens auch nicht.", versuchte ich am Ende die Flavia noch ein bisschen zu beruhigen. "Aber das ist ja auch eigentlich eher was für die armen Leute, die sich den Gang zu einem Modekünstler einfach nicht leisten können, oder?" Meine Meinung.



  • Nanu, hatte sie Sergia mit ihrer Fragerei etwa in Bedrängnis gebracht? Nein, ganz und gar nicht. Sie beteuerte ihr, den Stoff zu weben wäre ja gar nicht so schwieriggewesen.Na sicher! Wenn man geschickte Hände hatte und jede Menge Geduld. Unglücklicherweise besaß sie Falvierin beides nicht, was für sie immer mehr zu einem Problem wurde, wollte sie an den Traditionen festhalten.


    „Ach tatsächlich? Ja, natürlich, das ist mir bekannt. Ich dachte nur, der Stoff war ja so filigran gewebt,“ dass er beinahe durchsichtig gewesen war! „Das muss doch furchtbar zeitaufwändig gewesen sein.“ Falls sie den Stoff denn selbst hergestellt hatte. Doch eins wurde Domitilla klar. In puncto Stoff musste sie sich noch dringend etwas einfallen lassen!
    Fausta hatte sich damals an ihre Pronuba gewandt. Vielleicht sollte das Domitilla auch tun. Lucia wusste da vielleicht eine Lösung. Aber ach wie schade, der Schneider, der ihr Kleid entworfen hatte, hatte seinen Laden leider geschlossen. Welch ein Pech! Allerdings hatte die Sergia noch einige Tipps auf Lager. Sie kannte noch einige namhafte Alternativen. Allerdings konnte sie sich so viele Namen auf einmal gar nicht merken. Deswegen aber machte sie sich keine Sorgen, denn sie hatte ja ihre Leibsklavin dabei, die die ganze Zeit still im Hintergrund verharrte und hoffentlich das Gesagte aufnahm.
    „Ach Sergia, ich kann dir gar nicht beschreiben, wie überaus dankbar ich dir bin. Das sind ja in der Tat ganz vorzügliche Empfehlungen, die du mir da gibst. Ich werde am besten gleich Morgen ihre Läden aufsuchen und mich beraten lassen. Und es versteht sich von selbst, dass ich erwähne, von dir empfohlen worden zu sein“ Wahrscheinlich bekam Sergia dann bei ihrem nächsten Besuch Rabatt oder sonstige Vergünstigungen. Aber sollte sie doch! Wenn Domitilla dafür an ein ansprechendes Hochzeitskleid kam


    „Da sagst du was, Sergia!“ stimmte sie ihrer Freundin zu. Glücklicherweise gehörte sie zu jenen, die nicht darauf angewiesen waren, das Kleid selbst zu schneidern. Das Resultat wäre eine einzige Katastrophe geworden.


    „Ach Sergia, ehe ich es vergesse. Wie du es dir vielleicht denken kannst, werden der Tiberius und ich durch die Confarreatio verbunden werden. Ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht die Ehre erweisen könntest und eine meiner Trauzeuginnen werden möchtest.“ Wie hatte ich einen solch wichtigen Aspekt beinahe vergessen können? Es war schob scher genug, zehn Trauzeuginnen aufzutreiben! Wenn die Sergia nun noch zusagte, hätte sie alle beisammen.

  • Ich lächelte zufrieden. "Das freut mich.", ließ ich offen, was genau ich damit nun meinte. Vielleicht freute ich mich, dass ich der Flavierin weiterhelfen konnte. Vielleicht freute ich mich, dass sie meinen Namen bei den hohen Herren Modemachern fallenlassen wollte. Vielleicht freute ich mich auch über beides zusammen. Das durfte jeder interpretieren, wie er wollte.


    Wenig später erzählte mir die Patrizierin dann, dass dieser Tiberius und sie durch Confarreatio verbunden wurden.. wie ich mir vielleicht denken konnte. Ich lächelte reserviert. Denn woher hätte ich das auch nur erahnen sollen..? Es gab schließlich auch genügend Patrizier, die heutzutage per usum heirateten und nicht das ganze Brimborium der confarreatischen Hochzeit mit Pontifex Maximus und Flamen Dialis und allem auf sich nahmen. Sobald ich dann aber gefragt wurde, ob ich nicht eine der Trauzeuginnen der Flavia werden wollte, hob ich überrascht meine Augenbrauen und vergas auf der Stelle meinen kleinen Gram. "Aber Flavia, natürlich erweise ich dir gerne diesen Dienst!", ließ ich sie sofort wissen, bevor sie ihre Worte wieder zurücknehmen konnte. "Wir sind doch schließlich Freundinnen, nicht wahr?" Ich lächelte gewinnend und hätte sie jetzt wahrscheinlich gefragt, ob sie mich nicht zukünftig Fausta nennen wollte. Hätte. Wenn ich selbst noch (wie viele meiner Vorfahren) eine Patrizierin gewesen wäre. Aber seit Sergius Catilina (oder eigentlich: seit Tullius Cicero!) war mein Familienzweig ja nicht mehr patrizisch. Und als Plebeierin konnte ich einer Patrizierin natürlich nicht das Cognomen anbieten. Das machte man nicht. (Und soviel Anstand hatte ich gegenüber dem Patrizierstand auch, das nicht einfach zu machen.)



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