Atrium - (seltene) Salutatio des Septemvirs

  • Von all der großen, weiten politischen Welt merkte man im Hause Vinicia selber wenig. Die Sklaven und Sklavinnen verrichteten genauso wie immer ihren Dienst, lediglich die vermehrte Abwesenheit des Hausherrn fiel auf, der besseres und interessanteres zu tun hatte, als das Haus zu hüten. Das allerdings - wen wunderte es - störten den Sklaven eher weniger.


    Und so erschien das Atrium nicht anders als sonst, als der Ianitor den Septemvir mit dessen Sklavin hereinführte und dem Klienten des Hausherrn versicherte, daß der Herr sofort von dessen Ankunft verständigt werden würde.

  • Wieder fuhr Siv sich, einigermaßen nervös, mit der Zungenspitze über die Lippen. Einen Moment lang sagte niemand etwas, bevor Corvinus schließlich das Wort ergriff. Hätte sie doch etwas sagen sollen? Ihre Kiefern spannten sich an, als sie die Zähne aufeinander presste. Oh, wie sie solche Situationen hasste, in denen sie so unsicher war… das hatte sie schon immer. Sie war nicht gut darin, Fehler zuzugeben, und sie mochte es nicht, Fehler zu machen – was jetzt dazu führte, dass sie noch unsicherer wurde. Der Ianitor machte eine einladende Handbewegung und hieß sie ins Atrium zu gehen, und wieder stocke Siv, wusste nicht was sie nun tun sollte – vorgehen? Oder auf Corvinus warten? Lerne die Regeln, damit du weißt wie du sie richtig brichst… Siv stöhnte innerlich auf. In der Villa Aurelia kannte sie sich inzwischen aus, wusste was sie zu tun hatte, was von ihr erwartet wurde, meistens jedenfalls… Warum hatte Corvinus sie nicht einfach dort lassen können? Hier gab es wieder so viel, was sie nicht wusste, nicht konnte, und das machte sie fast wahnsinnig, dieses Gefühl, ständig drauf und dran zu sein in ein Fettnäpfchen zu treten oder einen Fehler zu machen. Wenn sie sich bewusst daneben benahm, war es ja eben kein Fettnäpfchen oder Missgeschick, war es nichts wofür sie das Bedürfnis haben würde, sich zu entschuldigen, oder wofür sie sich schämte… Es waren Römer. Trotzdem wollte sie nicht, dass sie sie für dumm oder ungeschickt hielten. Aufsässig, widerspenstig, stur – ja. Aber nicht dumm oder ungeschickt.


    Der Moment verging, ohne dass Siv sich rührte, und Corvinus betrat schließlich vor ihr das Haus und ging ins Atrium, Siv einen halben Schritt hinter ihm. Sie wusste nicht, ob es schon wieder falsch gewesen war, was sie getan hatte. Sein Flüstern verlangte ihr erst ein Stirnrunzeln hab, bis sie die leisen Worte richtig zugeordnet hatte, dann antwortete sie, ebenso leise: "Wie, dran? Ich… ich soll reden, mit, mit Ianitor? Aber er… er dich fragen, er… Bei den abscheulichsten Kreaturen der Unterwelt, das kann doch nicht wahr sein!" fluchte die Germanin schließlich. Sein Schmunzeln trug ihm einen bösen Blick von ihr ein, weil es das Gefühl gab, dass er sich über sie amüsierte. Vielleicht tat sie ihm unrecht damit, aber sie war gerade etwas empfindlich. "Lernen, ja. So viel zu lernen… ich nur noch lernen, seit in Rom, und für eins was lernen, drei neue da sein." Sie seufzte lautlos und grinste dann schief, während sie ihrem Herrn und dem Ianitor ins Atrium folgte. Letzterer ließ sie gleich darauf allein, und Siv blieb in Corvinus’ Nähe, sah sich um und bemühte sich, alles in allem ruhig stehen zu bleiben – was ihr, bis auf ihre Hände, gelang. Die aber schienen nicht still halten zu wollen, bewegten sich wie kleine, flatternde Vögel, von ihrem Rücken zu ihren Hüften, in einer fließenden Bewegung hinauf zur Taille, verschränkten sich vor dem Bauch, hingen dann an ihrer Seite, nur um sich gleich darauf wieder vor ihrem Bauch regelrecht zu verknoten.

  • Sivs Nervosität war nicht nur sichtbar, sondern auch deutlich zu spüren. Die vielen kleinen Gesten, die nur unfertig oder viel zu schnell ausgeführt wurden, sprachen Bände. Instinktiv machte sie es richtig und folgte mir in nur wenig Abstand, und ich beglückwünschte mich zu der Entscheidung, sie mit hierher genommen zu haben. So konnte sie lernen, wie sie sich außer Haus verhalten sollte, ohne dass ich gleich dumm dastehen würde. Ihr Hinweis, der ianitor habe mich gefragt, verblüffte mich einigermaßen. Stets hatte ich es als gegeben hingenommen, wenn Sklaven ankündigten, erklärten oder baten an Stelle des eigentlich gemeinten. So wurde es erwartet und so musste man es machen. Da würde sie also nicht drum herum kommen. "Das hat er zwar, aber du solltest antworten. Das ist eben so", erwiderte ich. Sivs anschließender Fluch amüsierte mich, meine Mundwinkel zuckten.


    Der Sklave verließ uns kurz darauf, um Hungaricus Bescheid zu geben, und so fanden Siv und ich uns also im atrium wieder. Ob ihres bösen Blickes verkniff ich mir das breite Grinsen mit letzter Mühe, musste aber dennoch leise lachen, als sie vom Lernen sprach. "Ein Geist, der das Lernen aufgegeben hat, rostet ein, Siv. Du solltest froh darüber sein, wenn du noch Dinge findest, die du lernen kannst", erwiderte ich und lächelte sie flüchtig an. Ihre Hände schienen eine ganz eigene Vorstellung davon zu haben, was sie tun wollten, und ich lehnte mich zu Siv und sagte aufmunternd: "Sei einfach aufmerksam und entspannt, Siv, das ist alles."

  • Wie? Was für ein Bote? fragte der Hausherr, als der Ianitor seinen Herrn über die Besuche informierte. Der kann warten. sagte er nach einigen Momenten, während er sich von seinem Leibsklaven ankleiden ließ. Etliche Augenblicke später - das Anlegen einer synthesis war ja nicht gerade eine besonders einfache Angelegenheit, zwar nicht so schlimm wie eine Toga, aber dennoch, und außerdem pflegte der Hausherr sich in seinem eigenen Hause nicht stressen zu lassen - kam er dann ins Atrium.


    Aurelius! Sieh an, wir haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen. Wenn der Klient einen leicht vorwurfsvollen Ton heraushören wollte, dann würde er es tun.

  • Die Germanin musterte Corvinus einen Moment lang, als ob er nicht mehr alles beisammen hätte. Wieso bitte sollte sie antworten, wenn der Mann an der Tür doch ganz eindeutig ihn angesprochen hatte? Sie runzelte leicht die Stirn. "Aber … sonst… … In Ordnung." Siv zuckte leicht die Achseln, sah dem Sklaven hinterher und ärgerte sich schon wieder, weil sie nicht begriff, was wann von ihr erwartet wurde. Allerdings gab sie es für den Moment auf. Bisher hatte sie nie für ihn antworten sollen, wenn jemand ihn direkt angesprochen hatte, aber vielleicht war das bei Besuchen ja anders. Nur fragte sie sich, wie sich dann ein Gespräch entwickeln sollte. Römer, dachte sie missmutig. Immer dasselbe. Sein Lachen quittierte sie erneut mit einem finsteren Blick, aber seine Antwort ließ ihren Gesichtsausdruck wieder etwas heller werden. Sie lernte gern neue Sachen, und gerade hier, wo es so viel Interessantes zu entdecken gab, hatte sie das festgestellt. Siv war noch lange nicht so weit es wirklich zuzugeben, aber zumindest in manchen Dingen tat es ihr gut, in Rom zu sein – wenn auch als Sklavin. Sie war neugierig, und sie hatte einen enormen Wissensdrang, den sie in Germanien schon lange nicht mehr wirklich hatte befriedigen können. Dass es hier immer noch mehr gab, was sie interessierte, was sie lernen konnte, lenkte nicht nur von ihrem Dasein als Sklavin ab, sondern faszinierte sie tatsächlich. Dementsprechend nickte sie jetzt, allerdings in Kombination mit einem Stirnrunzeln. "Rostet?" fragte sie zunächst, aber sie konnte sich ungefähr denken, was er hatte sagen wollen. "Ich weiß. Und ich, ich… lerne gern. Ich mag das. Mag neu, neu Wissen. Ich mag… mehr wissen."


    Dass sie nervös war, entging Corvinus ebenso wenig wie die finsteren Blicke, die sie ihm zugeworfen hatte, und sie seufzte nur, als er ihr sagte, sie solle entspannt sein. Leichter gesagt als getan, vor allem für ihn. Er war ja kein Sklave, und er war auch bestimmt nicht zum ersten Mal irgendwo zu Besuch. Sie setzte gerade zu einer Antwort an, als jemand das Atrium betrat und Corvinus begrüßte, und Siv stand da und war irritiert. Was war das für eine Situation? Sollte sie antworten, so wie sie es gerade eben hätte tun müssen? Oder nicht? Aber sie hatte ja keine Ahnung, wie lange Corvinus nicht hier gewesen war, und auch nicht ob das schlecht war oder gut, oder… Siv gab sich einen Ruck. Vorhin hatte sie nichts gesagt, und sie hätte antworten sollen, für ihn – da war er deutlich gewesen. Warum sollte es jetzt anders sein? "Salve. Aurelius Corvinus ist jetzt hier, für Salutatio. Er will reden, mit dir."

  • Es dauerte länger als gewöhnlich, bis mein Patron das atrium erreichte. Eben noch hatte ich über Siv geschmunzelt und Zeit gefunden, um ein wenig mit ihr zu plaudern, und doch war er dann ganz plötzlich anwesend. Seine Worte hätten vermutlich dann wie ein sachter Vorwurf für mich geklungen, hätten wir nicht zuvor die Absprache getroffen, die gemeinhin allmorgendlich übliche salutatio nur bei besonderen Begebenheiten abzuhalten. So neigte ich aber nur grüßend den Kopf und öffnete gerade den Mund, um etwas zu erwidern, als Siv vortrat und ihrerseits etwas sagte.


    Ein überraschter Blick streifte sie, einen kurzen Moment sah ich sie irritiert an, dann trat Verstehen in meinen Ausdruck, obgleich ich doch nicht recht verstand, was sie so hatte reagieren lassen - dafür war ich zu sehr Römer und diese Situation hier zu normal. Ich wandte mich wieder ab und richtete meine Aufmerksamkeit nunmehr wieder auf meinen Patron. "Salve patronus, und entschuldige meine vorwitzige Sklavin. Es ist ihr erster Besuch in einem anderen Haushalt", sagte ich entschuldigend und hoffte, dass damit die Sache gegessen sein würde. "In der Tat ist unser letztes Treffen lange her. Es gab allerdings auch nichts zu berichten, was du nicht ohnehin bereits vor mir erfahren hättest. Die Neuigkeit, die Rom seit dem Morgen bewegt, wird dein Ohr gewiss auch schon erreicht haben", fuhr ich fort und spielte damit auf den Kaisertod an, der auf dem forum publik gemacht worden war. Meine eigene Wahlkandidatur stellte ich hinten an, sie war im Vergleich zu den sonstigen Geschehnissen von viel zu geringem Stellenwert.

  • Hungi war etwas überrascht, als diese Frau ihn auf eine sehr belustigende Weise ansprach, doch minderte sich diese Überraschung sofort, als sein Klient ihn diesbezüglich aufklärte. Eine Neuerwerbung? Ich mache das schon länger nicht mehr. Die Erziehung dauert mir einfach zu lange. Er führte den Aurelier zu den Sitzgelegenheiten im Atrium.


    Nimm doch Platz. Es verwundert mich aber, daß ich schneller über Nachrichten verfügen soll als der Auctor der Acta Diurna. schmunzelte Hungi, wurde aber sofort wieder ernst. Doch ich nehme an, du spielst auf eine bestimmte Nachricht an?

  • "In manchen Fällen lohnt es sich durchaus, ein wenig Geduld zu investieren", gab ich zurück und schmunzelte.
    "Als auctor verfügt man zwar über gewisse Vorteile, was Informationen anbelangt, doch Hochoffizielles trägt sich zumeist erst nach der Benachrichtigung des Senats zu mir", erwiderte ich, während ich Hungaricus folgte und mich setzte. Kaum getan, hob ich verblüfft die Brauen. Konnte es tatsächlich sein, dass er noch nicht wusste, welches Unglück Rom widerfahren war? "Ja, das tue ich. Ich wollte es selbst nicht glauben, als einer meiner Klienten mich davon in Kenntnis setzte: Auf dem forum wurde verkündet, dass Ulpius Iulianus in Parthien gefallen sei. Ich habe mich überzeugt, die consules bestätigen dies. Das ist ein schwerer Schlag für Rom und mag vielleicht den Zorn der Götter darstellen, der in letzter Zeit so häufig um sich gegriffen hat. Es bleibt zu hoffen, dass sein Sohn stark genug sein wird, um das Erbe anzutreten - man munkelt, er sei krank." Sorge zeigte sich auf meinem Gesicht. Es wäre denkbar schlecht für Rom, wenn dem Vater auch der Sohn folgen würde.

  • Schon als Siv den überraschten Gesichtsausdruck des Römers vor sich sah, ahnte sie, dass sie wieder einen Fehler gemacht hatte. Als sie dann aus dem Augenwinkel Corvinus’ Blick bemerkte, wusste sie es. Von einem Moment auf den anderen begannen ihre Wangen zu brennen, und sie musste sich nicht in einem Spiegel sehen um zu wissen, wie rot sie soeben wurde. Als Corvinus dann das Wort ergriff und sich für sie entschuldigte, wurde sie nur noch röter, und am liebsten hätte sie sich auf der Stelle umgedreht und wäre verschwunden. Nur leider ging das nicht, nicht weil sie als Sklavin dazubleiben hatte, sondern weil sie kein Mensch war, der aus solchen Situationen flüchtete. Sie hatte sich in diese peinliche Lage gebracht, sie würde es aushalten, bis es vorbei war – etwas anderes kam für sie gar nicht in Frage. Trotzdem trugen die nächsten Worte, die fielen, nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Die Erziehung dauert zu lange… Im ersten Moment begriff Siv gar nicht, was der Römer meinte, bis es ihr klar wurde, und als Corvinus auch noch darauf einging, presste sie die Lippen zusammen und ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Hatte sie etwa Sklavin werden wollen? Nein, hatte sie nicht. Ganz im Gegenteil. Trotzdem war sie inzwischen so weit, dass sie sich Mühe gab, dass sie es richtig machen wollte – wenigstens heute. Und was war das Ergebnis? Sie redeten über sie wie… wie… wie über eine Sklavin. Siv schloss für einen Moment die Augen, während die beiden Römer sich etwas entfernten und hinsetzten. Das weitere Gespräch interessierte sie für den Moment kaum. Wie eine Sklavin… Ein Besitz, sein Besitz, so wie die anderen Sklaven, und die Pferde, und die Gegenstände in seinem Haus. Nur weil sie selten wirklich so behandelt wurde, änderte das noch lange nichts an den Tatsachen – und dass sie in letzter Zeit dazu neigte, das zu vergessen, änderte ebenfalls nichts daran. Unsicher, was sie jetzt tun sollte, und innerlich gleichzeitig wütend wie hilflos über ihre Situation, folgte sie den beiden schließlich und lehnte sich in der Nähe an eine Säule, wo sie einfach nur wartete und darauf hoffte, für den Rest des Besuchs übersehen zu werden.

  • Anders als sein Klient vermutete, wußte Hungi natürlich schon längst vom Ableben des Kaisers. Er hätte natürlich seinerseits alle informieren können, aber er kannte die Zungen Roms und wie schnell sich eine Nachricht verbreiten konnte. Was es hier auch getan hatte. Daher war es nicht verwunderlich, daß seine Miene ganz ruhig blieb, wenn auch ein wenig sorgenvoll. Ich weiß, ich habe es gehört. sagte er nur und ließ offen, was genau er damit meinte, ob den Tod des Kaisers oder der Krankheit seines - adoptierten - Sohnes.


    Wir sehen auf alle Fälle aufregenden Zeiten entgegen. Ich selbst hatte mit Valerianus nur wenig zu tun, aber ich denke, nein, ich weiß, daß Valerianus kein politischer Mensch ist und sehr dem Militär zuspricht. Manche werden dies begrüßen... und er wußte schon genau, welche dies sein würden, ... andere hingegen werden Iulianus schmerzlich vermissen.

  • Nachdenklich musterte ich meinen Patron. Seine Worte waren nur zu wahr. "Ich nehme an, er befindet sich bereits auf dem Weg nach Rom?" fragte ich, da mir solche senatsinternen Dinge noch verwehrt blieben, zumindest solange, bis man sie dem Volk preisgab. "Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass Valerianus seinem Vater ein würdiger Nachfolger werden wird. Auch wenn er eher militärisch veranlagt ist, so wird er sich doch in die Politik hineinfinden." Wie es jeder tuun musste, von dem es erwartet wurde.


    "Die Wahlen werden aber doch wie gehabt stattfinden, nehme ich an? Dieser Tage erscheint es mir unabdingbar, dass am Ansehen und Wohle des Staates gearbeitet wird." fuhr ich fort und neigte den Kopf leicht zur Seite. Ein prüfender Blick glitt zu Siv, die eher teilnahmslos an einer Säule lehnte. Vermutlich war es ihr peinlich, zuvor falsch reagiert zu haben.

  • Es war die rechte Augenbraue, die im Gesicht des Hausherrn langsam, fast schon unmerklich in die Höhe wanderte. Du bist Auctor der Acta Diurna, du solltest der am besten informierte Mann des Reiches sein, nach dem Praefectus Praetorio natürlich. schmunzelte Hungi. Ich denke jedoch schon, daß er sich so bald als möglich nach Rom begeben wird. Er würde auch gut daran tun, seine Stellung so schnell und entschlossen wie möglich zu festigen.


    Er kratzte sich ein wenig an seinem Bart. Selbstverständlich finden die Wahlen wie gehabt statt. Ich weiß von nichts Gegenteiligem und würde eine Aussetzung der Wahlen auch auf keinen Fall begrüßen.

  • Als neuer auctor musste ich mich noch in die teilweise abstruse Welt der legalen und auch illegalen Informationsbeschaffung hereinfuchsen. Eine Angelegenheit, mit der ich noch nicht so recht zufrieden war bisher, die sie aber gewiss bald einpendeln würde. So zuversichtlich war ich zumindest schon. Daher erwiderte ich nichts weiter auf den Hinweis und nickte nur bei der Erwähnung des neuen Kaisers. "Soviel steht fest. Andererseits kursiert das hartnäckige Gerücht, dass es nicht allzu gut um seine Gesundheit steht. Was, wenn der schlimmste nur mögliche Fall eintritt? Es würde eine Rangelei um den Platz des princeps entbrennen. Rom und dem Reich stünden dann schwere Zeiten bevor", wagte ich das Unaussprechliche auszusprechen und neigte den Kopf.


    "Das ist gut. Kontinuität gibt Sicherheit." Ich schwieg einen kurzen Moment. "Ich denke, ich werde zum Quästor kandidieren, Patron. Ich habe eine ganze Weile überlegt, ob ich diesen Schritt vertreten kann angesichts der Tatsache, als septemvir und noch dazu als auctor recht neu im Amt zu sein. Daher würde ich dich neben deiner Wahlunterstützung auch um deinen Zuspruch vor dem Senat bitten, mich in Rom einzusetzen."

  • Ich weiß, ich kenne das Gerücht. Aber ich kenne auch das aufbauschende Temperament des Römers, das ständig irgendetwas hinzudichtet und aus einem gescheckten Kalb auf einmal ein Monstrum mit 2 Köpfen und 5 Füßen werden lässt. Und ich habe noch nie ein zweiköpfiges Kalb gesehen. kommentierte Hungi das Gerücht um die Krankheit des Kaisers. Er tat es jetzt so ab, als hätte der designierte Kaiser nur einen gewöhnlichen Schnupfen, doch innerlich war auch er besorgt und hatte sich schon Gedanken für den schlimmsten einzutretenden Fall gemacht. Doch natürlich sprach er die nicht aus, das gebot ihm sein Amt als Praefectus Urbi, aber auch die Tatsache, daß sein Klient Auctor der Acta Diurna - immerhin der Staatszeitung - war, sprach gegen eine Formulierung seiner wahren Gedanken. Was, wenn Corvinus seine, also Hungis, Bedenken und Mutmaßungen in die Acta setzen würde? Nicht auszudenken...


    Aber den Göttern sei Dank kamen Patron und Klient auf ein angenehmeres Thema zu sprechen. Du willst kandidieren? Sehr gut. Selbstverständlich kannst du mit meiner Unterstützung rechnen, sowohl bei der Wahl als auch nachher bei der Vergabe. Sonst wollen dich ein paar Idioten noch nach Mauretania oder Dacia oder sonstwohin schicken.

  • Ob es tatsächlich nur ein Gerücht war, würde man spätestens dann feststellen, wenn der Kaiser hier in Rom eintraf. "Wollen wir hoffen, dass es sich wie mit dem zweiköpfigen Kalb verhält", erwiderte ich daher nur und schwieg ansonsten. Vermutlich erlaubte es ihm sein Posten auch nicht, offener über diese drohende Gefahr zu sprechen, daher bohrte ich auch nicht weiter nach.


    Schmunzeln musste ich, als mein Patron doch recht abwertend über einige seiner Senatskollegen sprach. Wen er damit iinsbesondere meinte, konnte ich natürlich nur mutmaßen. "Mein Dank ist dir gewiss", erwiderte ich. Damit schienen die beiden Hauptgründe meines Besuchs weitestgehend abgehandelt, und ich war selbst erstaunt, wie schnell das vonstatten gegangen war. "Wie geht es deiner Tochter?" begann ich damit die etwas entspanntere Phase des Gesprächs. Einen flüchtigen Blick warf ich auf Siv, die sich ruhig verhielt und nahe einer Säule stand.

  • Meine Tochter? wiederholte er. Ich denke recht gut. Zumindest hält sie die Amme auf Trab. Viel Zeit hatte er ja nicht für seine Tochter, außerdem konnte er mit schreienden Bündeln Mensch nur wenig anfangen, erst wenn sie richtige Worte artikulieren konnten (und damit dem Säuglingsalter entwachsen waren), dann erst fand er sich mit ihnen zurecht.


    Wie sieht es mit dir aus? Es wäre gut, wenn du dich endlich verheiraten würdest.

  • „Das freut mich zu hören", erwiderte ich. Kinder waren etwas Schönes. Zumindest, wenn sich andere um sie kümmerten, sobald sie zu schreien begannen. Bei Hungaricus' nächsten Worten indes blickte ich ihn erstaunt an. Die Heirat war etwas, über das ich mir selbst bereits Gedanken machte. Nur welche Dame sollte es sein? Viel Auswahl hatte das Imperium ja gegenwärtig nicht zu bieten. Genau genommen beschränkte sich die Zahl der infrage kommenden Damen auf weniger denn eine Hand voll, wenn überhaupt. Ich konnte gerade noch vermeiden, dass ich unruhig hin und her rutschte, dennoch dauerte es einen Moment, bis ich in meinem Patron antwortete. "Nun, ich suche gegenwärtig noch nach einer Dame zwecks geeigneter Verbindung", gab ich zurück. Ob ich den Spieß nun umdrehen sollte? Immerhin hatte auch Hungaricus keinen Erben vorzuweisen... Doch ich entschied mich dagegen, schließlich wollte ich ihn nicht vor den Kopf stoßen.

  • Zunächst stand Siv einfach nur, an der Säule angelehnt, da, und versuchte sich so unauffällig zu verhalten wie möglich – nicht dass sie großartig Gelegenheit gehabt hätte etwas falsch zu machen, immerhin stand sie ja nur da. Und die beiden Römer beachteten sie auch nicht weiter, nur Corvinus warf ihr gelegentlich einen Blick zu, den Siv nicht ganz deuten konnte. Aber vermutlich wollte er nur sicher gehen, dass sie nicht im nächsten Moment wieder irgendetwas Dummes sagen oder tun würde, das ihn und noch viel mehr sie blamierte – vor allem, wenn er danach so über sie sprach. Die Kommentare von vorhin und vor allem die Beiläufigkeit, in der sie ausgesprochen worden waren, hatten Siv getroffen, und ob sie es zugeben wollte oder nicht, aber sie schmerzten. Eine Sklavin, mehr war sie nicht – wenn sie alles andere weg ließ, ihr Leben hier, das vergleichsweise gut war, das Verhalten der anderen, vor allem der Römer im aurelischen Haushalt, die Freiheiten, die sie im Gegensatz zu manchen anderen Sklaven genoss… wenn sie das alles weg ließ, blieb nur, dass sie eben doch eine Sklavin war, unfrei, an ihren Herrn gebunden und ihm ausgeliefert. Für einen Moment fragte sie sich, ob es nicht besser war, wenn sie so behandelt wurde, dass ihr das die ganze Zeit klar war – dann konnte sie jedenfalls von so einem Moment nicht so eiskalt erwischt werden.


    Allerdings achtete sie bald wieder mehr auf ihre Umgebung – auch wenn sie sich nicht rührte, begann sie nun zuzuhören, einfach um sich abzulenken. Zuerst ging es um Politik und den Kaiser, so viel begriff sie, aber viele der Worte waren ihr fremd, und sie hatte Mühe dem Gespräch zu folgen, zumal logischerweise keiner der beiden versuchte, sich für sie verständlich und langsam auszudrücken. Als der Römer, den sie besuchten, auf einmal von einem Tier sprach mit zwei Köpfen und fünf Füßen, rührte Siv sich zum ersten Mal und warf ihm einen erstaunten Blick zu. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte oder ob er tatsächlich von irgendwelchen Wesen aus der Unterwelt sprach, aber sowohl er als auch Corvinus wiederholten zumindest das mit den zwei Köpfen, wenn sie sich nicht täuschte. Wie ein Fluch hatte es aber auch nicht geklungen, und Siv fragte sich Momente lang, wieso die beiden über eine solche Kreatur sprachen, und noch dazu in Zusammenhang mit dem Kaiser. Hatte der die Unterstützung der Götter in Form eines solchen Wesens? Oder war es gerade ein Zeichen dafür, dass er sie nicht hatte? Aber bevor sie mehr herausfinden konnte, wechselten die beiden schon wieder das Thema, und die Stimmung entspannte sich etwas, was sowohl am Tonfall als auch an der Haltung zu erkennen war. Das Wort Tochter fiel, und anschließend das Wort verheiraten, was Corvinus – wenn Siv sich nicht täuschte – nicht sonderlich gefiel. Wenn sie daran zurückdachte, was er ihr erzählt hatte, über die gelöste Verlobung, konnte sie verstehen, dass ihm das Thema unangenehm war. Was zumindest einem Teil von ihr gefiel, immerhin fühlte sie sich selbst gerade auch nicht wohl, und das war sein Verschulden – er hätte sie ja in der Villa lassen können… Corvinus antwortete inzwischen, und Siv war sich nicht ganz sicher, ob er die Wahrheit sagte oder nicht einfach nur versuchte auszuweichen, und ein Teil von ihr – derselbe, der sich freute – hoffte, dass der andere Römer dieses Thema weiterverfolgen würde. Sie sah überhaupt nicht ein, warum sie die einzige sein sollte, die sich ein Loch zum Verkriechen wünschte.

  • Von einer mangelnden Auswahl an Frauen, wie sein Klient denkenderweise vermutete, hatte er, der Hausherr, selber noch nichts mitbekommen. Einer mangelnden Auswahl an standesgemäßen Damen auch noch nicht. Allerdings hatte er sich seit dem Tod seiner Frau, obwohl... genauer seit seiner Hochzeit, nicht wirklich darüber Gedanken gemacht. Er sollte auch schön langsam wieder heiraten, bemerkte er in diesem Augenblick.


    Ich bin mir sicher, du wirst bald die Passende finden. Lass dir aber nicht zuviel Zeit. Ein zu großer Altersunterschied wäre nicht schicklich.

  • Insgeheim überlegte ich, ob mein Patron von der Entlobung wusste. Wenn ja, so fragte ich mich, was er davon hielt. Gefragt hätte ich ihn das niemals freiwillig, und wenn es mich noch so brennend interessierte. Es gab Dinge, über die man nicht sprach. Dies war so eine Sache, und dessen war ich mir bewusst. Es gehörte einfach eine Ehe dazu, wenn man gemäß den römischen Sitten und Traditionen leben wollte, und dies war anzustreben, wollte man es in den Senat schaffen und dort zumindest respektiert werden. Ich überlegte, wie lange die Trauerzeit bei meinem Patron noch andauern mochte. Ob er schon eine Dame im Auge hatte?


    Hungaricus' Worte setzten mich indes etwas unter Druck. Mehr als versichern, dass ich mich umsah, konnte ich nicht. Oder doch? "Ich gebe mir Mühe. Mein nomenclator berichtete mir, dass eine Flavierin aus Hispania in Rom angekommen sei. Die Flavia ist eine alte, angesehene Familie, sie stammt damit aus gutem Hause. Andererseits sollte ich mich angesichts der Abstammung des neuen Kaisers vielleicht noch zügeln. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Aelier damals die Flavier ins Exil geschickt haben", dachte ich laut nach. Auch Priscas Geplante Verbindung warf diesbezüglich Fragen auf. Andererseits, wenn meine Familie loyal zum Kaiserhaus und den Flaviern stand, bestand vielleicht eine Möglichkeit, im Falle des Falles den Kaiser zu beeinflussen. Doch noch war es nicht an der Zeit für derlei Gedanken.

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