Die (un)erträgliche Leichtigkeit des Seins

  • Endlich war es soweit! Ich hatte es kaum abwarten können. Bereits am frühen Morgen hatte mich Ylva geweckt. Auf gar keinen Fall wollte ich auch nur eine Minute des heutigen Tages verplempern. Mein Frühstück hatte ich aus diesem Grund noch vor der Morgentoilette eingenommen, um mich dann anschließend von Ylva waschen und ankleiden zu lassen. Natürlich hatte sie für die anstehende Einkaufstour eine geeignete Tunika aus feinem lachsfarbenem Tuch ausgesucht.
    In meinem neuen, lieben Bruder hatte ich ein williges Opfer gefunden, meiner absoluten Lieblingsbeschäftigung zu frönen. Deshalb wollte ich ihn auch nicht warten lassen. Wahrscheinlich ging es ihm ja ähnlich. War doch ein netter, gemütlicher Einkaufsbummel doch die Gelegenheit, die neue Schwester noch besser kennenzulernen.
    Nachdem es in der Villa dann doch zu einer kleineren Wartezeit von gut zwei Stunden gekommen war, konnte es endlich losgehen! Mit einigen gut motivierten Sklaven, die hinter uns her trotteten, hatten wir uns auf den Weg zu den Märkten der ewigen Stadt gemacht. Selbstverständlich hatte ich auch meine Ylva mitgenommen! Sie kannte mich und meinen Geschmack am besten und hatte sich bereits des Öfteren als gute Einkaufsberaterin herausgestellt.
    "Mein Lieber, du erahnst wahrscheinlich gar nicht, wie glücklich du mich machst, indem du mich heute begleitest!" Das Kompliment war an Lucanus, meinen Bruder gerichtet, der sich scheinbar völlig selbstlos sofort bereit erklärt hatte, mich zu den exklusivsten Läden der Stadt zu begleiten.

  • 'Vor allem, indem ich bezahle', denke ich mir. Aber als Witwe wird sie sicherlich eigene Vermögen zum Verschleudern haben. Ein nettes Geschenk, nun vielleicht irgendwas Praktisches, etwas das frommt, Stickzeug, eine Spindel oder einen kleinen Webstuhl, da will ich mich aber nicht lumpen lassen. Ich kichere leicht.


    "Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite". Lügner. Schamlos, ohne rot zu werden. "Was möchtest Du besichtigen? Oder vornehmlich auf den Märkten und in den Hallen nach Aegrablem suchen? Schmuck? Kleidung? Einrichtungsgegenstände? Tafelsilber? Pafrüm? Öle? Sklaven?" Was gibt es noch so? Opfertiere. Naja, inzwischen grüßen mich die Widderhändler recht freundlich, spöttisch-freundlich, aber eben freundlich. Ob ich nicht für den Marstempel ein Gros an jungen Widder erwerben wolle? 12x12 Stück!

  • Glücklicherweise hatte mir mein Gatte eine erhebliche Summe seines Vermögens vermacht, als er das zeitliche segnete. Dadurch war ich in der Lage, auch weiterhin meinen hohen Lebensstandard zu halten. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte ich auf viele schöne Dinge verzichten müssen. Notfalls hätte ich sogar meine Ylva verkaufen müssen! Doch daran wollte ich in diesem vollkommenen Moment keinen Gedanken verschwenden.


    Die selbstlose Art meines lieben Bruders bewundernd wandte ich mich wieder lächelnd Lucanus zu, um seine Frage zu beantworten. Oh, wie zuvorkommend er doch war! Wollte er mich wirklich durch die Stadt führen und deren Sehenswürdigkeiten zeigen? Normalerweise interessierte mich ja dieser kulturelle Schnickschnack gar nicht so sehr! Mein Augenmerk galt doch in erster Linie den bunten und glänzenden Tempeln der Glückseligkeit, über deren Pforten Namen wie Guccius, Dolce & Gabbanus oder Versaceanus. Doch um ihn nicht zu enttäuschen und seinen Ansporn zu drosseln, log ich ein wenig.
    "Oh, du möchtest mir die Schönheiten dieser Stadt zeigen? Wunderbar! Ich liebe es, Sehenswürdigkeiten zu besichtigen!" Wie gut, daß ich nicht sah, wie Ylva ihre Augen verrollte!
    "Später möchte ich mich dann gerne davon überzeugen, inwiefern die römischen Modeschöpfer ihren gallischen Kollegen etwas vormachen können!" Diese Bemerkung war natürlich als Scherz gemeint! Keiner konnte es mit den römischen Designern aufnehmen!

  • Und so spazieren wir in trauter Harmonie, beseelt vom Geiste der Aufrichtigkeit und Selbstkasteiung Brüderlein und Schwesterlein, Fleisch vom Fleisch, Blut vom Blut, in Eintracht durch die Gassen Roms.


    "Ehrlich?" frage ich mit einem Seitenblick auf meine Schwester, nachdem ich ihr das Forum Romanum, das Forum Caesars, das Forum des Nerva, jenes unseres Ahnen Flavius Vespasianus, das des Augustus gezeigt habe. Wir schlendern durch den nordöstlichen Säulengang, linker Hand der equus Traiani, hin zur Basilica Ulpia und der dahinterstehenden Säule des Imperators.


    "Du hast wirklich tapfer durchgehalten, jeder Zoll eine Flavia, hart im nehmen - aber hat es Dich ehrlich interessiert?" Ich kratze mich am Kopf. "Wie wär's: Laß uns etwas trinken und dann schauen wir mal bei C. L. Tiffanius vorbei, vielleicht finden wir 'was nettes. Magst Du Silber?"

  • Eigentlich war mein Bedarf an Kultur bereits mehr als gedeckt. Doch wollte ich mir nicht die Blöße geben und vor all der kulturhistorischen Pracht kapitulieren.
    "Oh ja! Mach nur weiter! Zeig mir alles, was dir wichtig und interessant erscheint!" Und schon ging es weiter zu noch mehr Sehenswürdigkeiten und Hinterlassenschaften unserer Ahnen.
    In der Tat! Nun fühlte ich mich nicht nur wie gerädert, ich war es auch! Eigentlich wäre es das nun für mich gewesen, hätte sich da nicht noch etwas in meinem Gehörgang verirrt, das sich wie Silber angehört hatte.
    "Nun also mal ehrlich! Deine Führung durch die Stadt war wirklich mehr als formidabel, doch gewiss auch sehr anstrengend, mein Lieber. Da wäre eine kleine Pause äußerst agreabel! Und dann laß uns zu Tiffanius gehen!" Ich zwinkerte ihm freundlich und anerkennend zu und hoffte inständig, daß nun kein Palast, Tempel oder Säulengang mehr unseren Weg kreuzen würde. Ab jetzt hätte ich nur noch Augen, Ohren und ein Näschen für teuren Schmuck, edle Gewänder und exorbitante Düfte.
    "Ich persönlich habe eine besondere Vorliebe für Silberschmuck, besonders dann, wenn er sich mit edlen Steinen paart! Wo liegen denn deine Vorlieben?"

  • Ich muß lachen: "Onkel Gracchus und seine amüsable Diktion färbt schon bei einem ersten Kontakt ab, kriegt man kaum wieder weg; ist wie Tintenfischflecke!"


    Wir waren kurz stehengeblieben und nun ziehe ich sie weiter. "Prima. Dann schauen wir uns noch die columna des Traian und die Bibliotheken an, einige ganz rare Schriftrollen sind da zu finden, sehr spannende Sachen." Eigentlich habe ich auch schon keine rechte Lust mehr, mein Magen knurrt und meine Zunge wünscht schon seit einiger Zeit den würzig-fettigen Geschmack von Mäuseblasen.


    "Ich liebe Silbergeschirr: Becher, Kannen, glänzend poliert, daß man sich darin spiegeln kann. Schlicht und schwer. Praktische Sachen, Siegelöffner, Rückenkratzer aus Horn mit Silbergriff und sowas. Schmuck, zumal mit funkelnden Edelsteinen steht mir wohl nicht so gut zu Gesicht. Vielleicht finde ich heute ja einen netten Würfelbecher, ich spiele abends gerne noch mit Laas, das Leuchten im Lampenschein ist sicherlich sehr reizvoll. Leder tät's zwar auch, aber ein Besuch bei Tiffanius ohne eine wenigstens kleine Erwerbung ist kein Besuch bei Tiffanius gewesen.

  • Eigentlich hatte ich es mit meiner Aufforderung, er solle nur weiter machen, nicht wirklich ernst gemeint. Sein Elan kannte auch keine Grenzen. Bei der Erwähnung der columna des Trajan und der Bibliotheken war ich wirklich hin und her gerissen. Doch diesmal überwog ein Anfall von Hunger und Durst die Liebe zu den Schriftrollen. Zumal dieser Ausflug eigentlich ja nur einem Zweck dienen sollte, nämlich der Entdeckung der römischen Luxusläden und deren Angebot.
    In diesem Fall konnte nur noch eines helfen! Meine schauspielerische Begabung war bereits meiner Pflegemutter schon während meiner Kindheit aufgefallen. Auch später, als ich verheiratet war, konnte dies oftmals hilfreich sein.
    In meinem Gesicht spielgelte sich meine gespielte Begeisterung wieder. So, als könne ich es kaum erwarten, wollte ich ihm schon folgen. Während er mir von seiner Vorliebe für Silbergeschirr berichtete, hörte ich aufmerksam zu und achtete nicht so genau auf den Weg. Dummerweise strauchelte ich über einen imaginären Stein und schrie kurz auf vor Schmerz. "Au, mein Fuß, mein Fuß! Ah, wie dumm von mir!"
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute ich zu Lucanus. Ylva war natürlich auch aufmerksam geworden und war zu mit hergeeilt, um mich zu stützen.
    "Lucanus, es tut mir leid! Ich fürchte, ich muß mich nun erst etwas setzen und ausruhen. Ich hoffe, mein Fuß wird sich wieder erholen! Laß uns doch bei dieser Gelegenheit etwas essen und trinken!"
    Nach einer kleinen Erfrischung wäre dann mein Fuß auf wundersame Weise wieder geheilt! :D

  • 'Jetzt übertreibt sie's aber - hält sie mich wirklich für so einfältig?' Oder sollen wir uns weiter gegenseitig veräppeln? Nur, zu, bitte, gerne:


    "Oh. Wie schrecklich! Ylva, los hilf mir, Deine Herrin zu der Bank da zwischen den Säulen zu führen. Und Du," rufe ich einen der uns begleitenden Sklaven herbei, "Du sorgst für eine Sänfte. Wir brechen umgehend unseren Ausflug ab, domina Flavia Celerina muß von einem Arzt behandelt werden." Ich setze ein wirklich verzweifeltes Gesicht auf:


    "Schwesterherz, wer weiß, wenn der Fuß gebrochen ist, vielleicht wir er brandig und wenn wir ihn nicht ordentlich behandeln, müssen wir ihn amputieren. Welch' furchtbares Los! Ihr unbarmherzigen Götter! Du brauchst jetzt Ruhe, wir holen alles später nach, die columna, die Bibliotheken, Tiffanius, Guccius, Dolce & Gabbanus und wer der Händler mehr sind. Nur nicht heute."


    ich komme mir vor wie in einem Stück von Plautus.

  • De arme Ylva hatte alles für bare Münze genommen und schaute meinen Bruder ganz ängstilch an. "Ach Goddele!" war alles, was sie nun noch hervorbringen konnte. Eigentlich hätte sie nach all den Jahren unseres gemeinsamen Weges wissen müssen, daß all dies nur reinste Schauspielkunst war! Allerdings schmeichelte mir ihre Reaktion auch ein wenig, zeugte sie doch von meinem Können!
    "Ach laß nur Lucanus. Schau, so schlimm ist es gar nicht", beschwichtigte ich schnell meinen Bruder, bevor ich noch beim Medicus landen würde. Um ihn davon zu überzeugen, trat ich vorsichtig auf meinem Fuß auf und bewies ihm somit, daß ich durchaus noch in der Lage war, selbst zu gehen. "Siehst du, ich kann wieder laufen! Ich bin geheilt! Durch wundersame Weise bin ich wieder geheilt!" Ich rief nicht zu laut, sonst kam vielleicht nuch jemand auf den Gedanken, hier wären Christianer zu Gange! :D
    Ylva hingegen konnte es kaum glauben. Wie ein kleines Kind freute sie sich bei meiner wundersamen Genesung. "Ach was ä Glick, du kannschd widder laafe!"
    Glücklich, einer Gehbehinderung entgangen zu sein, lächelte ich meinen Bruder tapfer an. "Ach Lucanus, etwas Ruhe würde mir nun gut tun. Außerdem dürstet es mich!"
    Mein Blick wanderte zu einer in der Nähe befindlichen Garküche, die es in Rom zu hunderten gab. Diese hier schien sogar etwas über das normale Maß hinaus exklusiver zu sein. Ein Platz also, in dem ich mich nun von all den Strapazen erholen konnte!

  • Freudig klatsche ich in die Hände. "Na, Bravo!" Aus dem rechten Augenwinkel sehe ich die Sänfte mit den Trägern, nein, die Träger mit der Sänfte herantraben, was fang' ich jetzt mit dem Ding an? Der Taxameter läuft natürlich schon, ich fertige die vier mit 10 Sesterzen ab - dankedanke, wir haben's uns anders überlegt - und geleite dann meine Schwester aus der Säulenhalle immer der Nase nach zur nächsten Taverne, die einige ansprechende Sitzgelegenheiten an der frischen Luft aufgestellt hat.


    Na, ob Schwesterherz inzwischen noch weiß, welcher Fuß ihr so ein Ungemach bereitet haben soll? Links oder rechts? Komisch, ich finde, rundheraus und ehrlich kommt man eigentlich besser zum Ziel. Aber was ein gutes Theaterstück ist, das lebt von den Kniffen und Finten, wäre ja langweilig sonst. Ich mache mir m Kopf ein, zwei Notizen, vielleicht komme ich nachher dazu etwas auf eine Wachstafel zu werfen.


    "Ist's recht hier, Schwesterherz? Heda Wirt!" Wenn die Taverne ihr nicht gefällt, ob sie dann umstandslos in Ohnmacht fällt?

  • Puh! Gefahr gebannt! Das war wirklich nochmal gut gegangen. Eines wußte ich jetzt, über meine Zukunft mußte ich mir wirklich keine Gedanken mehr machen! Würde es mit einem neuen Ehemann nicht klappen, hätte ich auf jeden Fall gute bis sehr gute Chancen beim Theater!
    Langsam setzt sich unser Tross wieder in Bewegung. Mein Bruder steuert direkt eine Taverne an, die über ein Angebot bequemer Sitzgelegenheiten im Freien verfügte. Ich humpelte tapfer hinterher. Seine Frage wollte ich indes nicht sofort beantworten, schließlich war man sich ja verpflichtet! Zuerst besah ich mir die Klientel der Taverne, bevor ich mich entscheiden wollte. Dieses Etablissement wurde offensichtlich eher von der jüngeren, aber trotzdem besseren Gesellschaft genutzt. Gut, gut! Gut genug…. für mich!
    "Ich denke, dieser Ort ist ausreichend für mich!" antwortete ich ihm lächelnd und ließ mich auf einem Stuhl nieder.

  • Ob die Menschen hier in 1900 Jahren immernoch sitzen? Ob Rom dann noch Haupt der Welt ist, alle Wege hierhin führen und die Menschen auf den Straßen vor den Tavernen sitzen, ihre Seele baumeln lassen bei einem guten warmen Wein, Gebäck, einer kleinen oder größeren Zwischenmahlzeit, wonach auch immer einem der Sinn steht? Ob sich Lebensart und Kultur über viele, viele Generationen erhalten oder die Menschen völlig anders sein werden? Keine Muße, nur Hektik, Geschäfte, Geldverdienen, Politik, Gerichtsreden, aber keine Zeit für einen kleinen Doppelten guten Hausweins?


    Die ersten warmen Sonnenstrahlen klatschen auf meiner inzwischen nicht mehr so angenehm gebräunten Haut auf, der Winter war lang und unanständig blaß. Ein wenig dunklen Teint habe ich von Natur aus, aber eben nur ein wenig. Es wird schön sein, im Sommer die Tage am Strand zu verbringen. Vielleicht bekomme ich ja mal irgendwo ein günstiges Segelboot her.


    "Nun? Bis jetzt habe ich geführt, jetzt bist Du an der Reihe! Wohin als erstes, wie sieht der Schlachtplan aus?" Kleidung, Kleidung, Kleidung, Kleidung, Schmuck, Kleidung, Kleidung, Schmuck. "Wir stärken uns - und dann bin ich einsatzbereit. Solange ich mir auch nicht den Fuß verknaxe ..." :D

  • Ein wirklich nettes Plätzchen hatte da mein Bruder gefunden! Ideal, um etwas Frühjahrssonne zu tanken. Zufrieden seufzte ich, während ich mich interessiert umsah. Wie mir schien, war ich nicht die einige Dame, die sich entschlossen hatte, hier ein Päuschen einzulegen. Mein Blick kehrte schließlich wieder zu Lucanus zurück. Ich war ja über alle Maßen erfreut, einen solch aufmerksamen Bruder zu haben. Wie aufopfernd er doch war und dabei nicht einmal seinen Humor verlor.:D Ahhh, ich war im siebten Himmel! Endlich ein Mann, auch wenn es sich dabei nur um meinen Bruder handelte, der sich darum scherte, was ich wollte. So etwas muste ich unbedingt ausnutzen. Aber nicht Hals über Kopf hineinstürzen! Nein, einem Mann mußte man das Gefühl der Freiheit lassen, selbst dann, wenn er gefesselt und geknebelt neben einem herlief. :D Gib ihm das Gefühl der Macht über dich und er ist dein Sklave. Das müßte auch bei Brüdern funktionieren! :P
    "Ach weißt du, da richte ich mich voll und ganz nach dir! Sagtest du nicht, du wolltest noch bei Tiffanius reinschauen? Also, da hätte ich sicher auch Interesse! Ansonsten möchte ich mir gerne mal ein Bild über die aktuelle Frühjahrskollektion der einzelnen Modehäuser machen. Du hast doch sicher genug Zeit für mich eingeplant?" Der Ärmste, ob er wußte, was er sich da aufgeladen hatte?

  • An diesem Tag war das Wetter wirklich überaus toll. Die Sonne lugte immer wieder zwischen den vorbeiziehenden Wolken hervor und es herrschten bereits angenehme Temperaturen. So langsam erwachte der Frühling. Der perfekte Tag also für eine Stadtbesichtigung und - was noch viel wichtiger war - für eine ausgedehnte Shoppingtour.


    Mit einer Handvoll Sklaven im Schlepptau, die sich diskret im Hintergrund aufhielten, schlenderte Minervina über die Straßen. Auch Tilla, die junge Sklavin, der sie bereits bei ihrer Ankunft begegnet war, begleitete sie. Im Gegensatz zu den anderen Sklaven durfte sie neben Minervina gehen. Zum einen, weil schlielßlich irgendwer der Aurelia alles zeigen musste. Man hatte ihr vor Aufbruch versichert, dass sich das Mädchen gut hier auskenne. Zum anderen aber auch, weil sie das Wesen des Mädchens als sehr angenehm empfand.


    Bevor es allerdings richtig losgehen konnte, wollte Minervina sich noch eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Schließlich wollte sie sich nicht nur gut gelaunt, sondern auch gut gestärkt auf den Marktbummel machen. Ihr fiel eine Taverne ins Auge, bei der man auch draußen Platz nehmen konnte. Ein kurzer, unauffälliger Blick flog über die Gäste, sie wollte schließlich nicht beim allerletzten Pack sitzen. Erleichtert stellte sie fest, dass es sich bei dieser Taverne nicht um so einen dubiosen Schuppen handelte, wie es sie zu Hauf gab, sondern eine feinere Klientel darbot. Sehr schön, hier könnte man es aushalten. "Komm Tilla, lass uns dort drüben Platz nehmen" Mit einer Handbewegung zeigte sie auf einen freien Tisch und steuerte sogleich darauf zu. Leider hatte sie die Bedienung nicht gesehen, die mit einem Tempo wie die Feuerwehr um die Ecke rauschte, und wurde unsanft angerempelt. Durch diesen Rempler wiederrum fiel Minervina ein wenig zurück und stieß mit ihrem Hintern an einen jungen Mann, der mit einer Frau an einem Tisch in der Nähe saß. :D Wie blamabel! Während die Bedienung sich kurz entschuldigt und anschließend das Weite gesucht hatte, stand sie nun vor den zwei Herrschaften und blickte die Beiden entschuldigend an. "Oh Verzeihung... ich...die Bedienung... wo ist sie denn jetzt hin?" Sie lächelte verlegen. Hoffentlich waren die jetzt nicht allzu empört. Sowohl der Mann als auch seine Begleitung sahen aus, als kämen sie aus einem gehobenen Haushalt. "Was ein dummes Versehen. Kann ich das vielleicht wieder gut machen, indem ich dich und deine Gattin auf einen Wein einlade?"

  • Wie schön, sie hatte sich Tiffanius gemerkt. Ein Besuch dort ist immer so beruhigend, die gedämpfte Atmosphäre, die Ruhe und die schönen Silberwaren, die im Raum verteilt eine eigene Kraft ausströmen.


    "Ich würde nur ungern zu spät zu meinem eigenen Begräbnis kommen, aber ansonsten habe ich mir vorsichtshalber nichts weiter in meinem Leben vorgenommen. Du kannst also über mich verfügen." Solange ich das will, Schwesterchen.


    "Jetzt machen wir erstmal eine Pause, vor allem, damit sich Dein Fuß erholen kann", setzte ich unverschämt hinzu. "Dann gehen wir strategisch vor, ein, zwei Klamottenläden liegen auf dem Weg zu Tiffanius, da müssen wir auf alle Fälle hin. Ich brauche außerdem mal wieder einen neuen Badezusatz und etwas Rosenöl. Liegt auf dem Weg zu Guccius, genauer gesagt: direkt daneben. So etwa circa." :)


    "Ups, na hallo!" Ich schaue mich um und auf. Dann erhebe ich mich höflich: "Das Versehen liegt ganz auf meiner Seite - und der des Wirtes. Die Tische sind einfach zu eng gestellt, in der Tat ist kaum ein Durchkommen."
    Ich lächele und mein Blick fällt auf Tilla, die die junge Dame begleitet. Auch ihr schenke ich ein freundliches Nicken. Hallo, Kleine!


    "Es wäre uns eine Ehre, wenn Du uns Deine Anwesenheit schenkst, nicht wahr, Flavia Celerina? - Darf ich vorstellen: meine Schwester Flavia Celerina. Und ich bin Flavius Lucanus." Ich verbeuge mich gemessen.

  • Die Schwester von Ursus war wirklich nett. Sie durfte sogar neben ihr gehen. Weil gleichzeitiges Gehen und Schreiben sich nicht vertrugen, zeigte Tilla immer wieder mal auf bestimmte Gebäude oder deren Geschäftsschilder. Wegen eiliger Passanten musste sie auch mal zur Seite hüpfen aber sie war dann meist recht fix wieder neben Minerva zur Stelle. Durch so eien Menschenmenge zu gehen behagte ihr nicht wirklich, aber die Orientierungspunkte 'sagten' ihr, dass es nicht mehr weit sein würde zum eigentlichen Marktplatz. Sie musste nur noch das Quentchen Geduld aufbringen, welches bei einer 'Beutel abschneiden'-Tour so wichtig war.


    "Komm Tilla, lass uns dort drüben Platz nehmen." Hm? Was? Ruckartig hob sie den Kopf, blickte zwischen Minerva und der Taverne hin und her. Verdutzt blickte sie Minerva hinterher. Das war ihr neu, dass eine Aurelia noch ganz am Anfang eines Vorhabens eine Taverne besuchte. Eilig trabte sie hinterher und blickte wenige später in Lucas schöne Augen. Huh? Was machte der denn hier? Tilla errötete über und über, lächelte scheu zurück und machte einen spontanen Knicks. Salve. gebärdete sie stockend.


    Ihr Blick lag immer noch auf Luca. Die Worte zwischen Minerva und Luca rauschten nur so an ihr vorbei bis ihre Ohren interessantes auffingen. Der junge Mann hatte auch eine Schwester! War heute der Tag der Schwestern? Tilla merkte, daas sie Luca inzwischen anstarrte und verkrümelte sich mit kleinen Schritten hinter Minervas Rücken. Ihre Ohren brannten wie Feuer. Oh mann.. konnte jemand ihr Herz klopfen hören? Sie musterte aus sicherer Entfernung Flavia Celerina. Was für ein Glück die doch gerade hatte! Ob sie das wussete? Achja.. sie brauchten einen Tisch! Wie bei Ursus zupfte das stumme Sklavenmädchen an Minervas Ärmel und plumpste auf die Bank, die auf der anderen Tischseite der Flavier freigeworden war. Sie wagte es nicht sich an die Tischkante anzulehnen oder die Arme draufzulegen.

  • "Oh, wie schön! Ein Mann der Wert auf einen exquisiten Badezusatz legt! Das ist formidabel!" Das war ich wirklich nicht gewohnt. Mein geliebter und zum Glück verblichener Gatte tangierte diese Frage nur peripher. :D
    Unsere Unterhaltung fand jäh ein Ende, als wir, mein Bruder mehr und ich weniger angerempelt wurden! Wer erdreistete sich? Etwa die Bedienung, deren Erscheinen ich bereits herbeigesehnt hatte, da es mich dürstete. Sicher mußte man sie bestechen, um mit ihrem Erscheinen rechnen zu dürfen! Kann sie nicht aufpassen, dummes Ding?, wollte es schon aus mir heraussprudeln. Doch ich beherrschte mich und das war auch gut so! Nicht die vertrottelte Bedienung war es, jedenfalls nicht direkt. Nein, der Podex einer stattlichen jungen Dame war der Übeltäter. Natürlich trug der Wirt die Schuld daran. Warum mußten auch die Tische und Stühle so eng beieinanderstehen? Mein Bruder, charmant wie immer, erhob sich sofort und sprach die junge Dame an. Dabei vergaß er natürlich nicht, auch mich vorzustellen. Mein Blick fiel auch auf das junge Anhängsel der Dame. Kam es mir nur so vor oder kannte Lucanus jenes junge Mädchen, welches sich nun hinder der Dame versteckte?
    "Oh, aber bitte, setz dich doch zu uns! Es wäre auch mir eine Freude! Im Übrigen handelt es sich hier um meinen Bruder Flavius Lucanus. Wie ist dein werter Name?"erwiderte ich freundlich lächelnd und deutete auf die noch freien Plätze am Tisch. Vielleicht erhöhte sich ja nun die Wahrscheinlichkeit, von der Bedienung heimgesucht zu werden.

  • Was für ein charmanter junger Mann! Das war der erste Gedanke, der Minervina durch den Kopf schoss, als der junge Herr ihr höflich entgegen kam. Da hatte er aber auch vollkommen recht, dass die Schuld beim Wirt lag. Der zweite Gedanke, den sie hatte, war, dass sie mal wieder recht mit ihrer Einschätzung hatte. Sie beide kamen also aus gutem Hause. Aus dem gleichen Hause, wie sich herausstellte. Als Bruder und Schwester wurden sie ihr vorgestellt. Oh, und sie hatte angenommen, es handelte sich hierbei um ein Ehepaar! Das war mal wieder typisch für sie. Wenn schon sich blamieren, dann aber auch richtig. Das war der dritte Gedanke, der sich ihr auftat.


    "Flavia Celerina, Flavius Lucanus, es freut mich eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Aurelia Minervina." Sie nickte ihnen freundlich zu und vernahm plötzlich das leichte Zupfen an ihrem Gewand. Es war Tilla gewesen. Diese hatte ihr einen freien Platz angeboten und sich dann ebenfalls hingesetzt. Als Minervina Platz genommen hatte, deutete sie zu der Sklavin. "Das ist Tilla. Sie begleitet mich heute und zeigt mir ein wenig die Stadt. Ich bin nämlich erst vor einigen Tagen in Rom angekommen." Dass das Mädchen bereits den Herren kannte, ahnte sie nicht im Geringsten. Auch die Blicke, die sie wenige Sekunden zuvor mit ihm austauschte, hatte sie nicht bemerkt. Nur dass sich das junge Mädchen auf einmal hinter ihr versteckte, hatte sie mitbekommen, doch das hatte Minervina als Schüchternheit abgetan. Zu sehr hatte sich die Aurelia für das tolle Kleid, dass Celerina trug, interessiert. Einen guten Geschmack schien zu besitzen. Woher sie es wohl hatte? Sie müsste die Flavia unbedingt nach dem Händler fragen. Nachher. Jetzt ging es erst mal darum, dass sie versorgt wurden. "Was möchtet ihr trinken? Oder habt ihr bereits bestellt?"

  • "Die Freude ist auch auf unserer Seite, Aurelia Minervina" antworte ich freundlich. Wieso die Aurelier mit derart vielen und derat hübschen Frauen gesegnet sind? Weil flavische Männer darauf warten, sie zu freien?


    An Tillas Erziehung würde man noch feilen müssen, läßt sich einfach fallen wie ein nasser Wäschesack, ohne auf ihre Herrin zu warten. Sklavin hin oder her, die Jüngeren warten auf die Älteren. Ich warte, bis Aurelia Minervina selbst Platz genommen hat und setze mich dann.


    "Leider konnten wir die Aufmerksamkeit des Personals noch nicht erringen, ein Siegespreis, so schwer wie ein Ölzweig bei einer Olympiade, denke ich." Als ob die Bedienung hier wichtiger ist als die Gäste, die Gäste gerne das Personal bezahlen, allein dafür, das es herumsteht.


    "Hallo Tilla, alles klar?" grinse ich sie an. Wie üblich sieht sie ein wenig verhuscht aus, "Ich nehme ein Birnenwasser, und Du?"

  • Tilla nickte zu jedem Wort, dass Minerva über sie sagte und wagte ein scheues Lächeln zu Lucas Schwester. Immer noch fragte sie sich, ob Flavia Celerina es wusste, wie gut sie es getroffen hatte. Unterm Tisch zog sie die unvermeidliche Tafel hervor und begann unter der Tischplatte auf der Tafel zu schreiben. Danke, das ist nett, dass du mich vorstellst. Ich kenne Luca schon. Von einer Sklavenversteigerung her und bei der Saturnalienfeier in seinem Haus habe ich ihn wiedergesehen. Er weiss erst seit kurzem, dass ich nicht frei bin. Das ist alles schon eine ganze Weile her... Er ist nett!!! Vorsichtig schob sie diese auf Minervinas Schoß, hoffte, dass Ursus Schwester die Notiz bemerken würde.


    Bei Lucas Worten hob sie den Kopf, blickte ihn an. Ja gerne. Birnenwasser haben wir auch beim ersten Mal.. äh Treffen getrunken! Weisst du noch? errinnerte sie sich langsam gebärdend. Und wo sie sich als Caro vorgestellt hatte. Eiwei.. wegen der Namenschwindelei musste sie sich unbedingt noch bei ihm entschuldigen. Und wie stellte sie das bloß an? Sie fühlte sich schon wie eine Ertrinkende in seinen wunderschönen Augen. Tilla fühlte wie ihre Wangen wieder rot wurden. Ähm.. wegen Caro Mioben.. sie gibt es nicht. Ich hab dir was dummes vorgeschwindelt. Tut mir leid. Ich hab dir dafür die Papageienfeder geschenkt. Weisst du noch? Tilla liess ihre Hände sinken, die soviel zu 'sagen' hatten. Hatte sie überhaupt so viel 'sprechen' dürfen? Sorgenvoll sah sie zu Minervina auf, hoffte ihren Platz behalten zu dürfen, damit sie weiter Luca angucken konnte.

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