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Silbrig schimmerte Selene am schwarzen Firmament. Weiß und flau schickte sie ihren milchigen Glanz durch den scheinbar undurchdringlichen Äther, um das Diesseits schwach zu beleuchten. Ohne zu Zaudern hatte Hannibal den kleinen Trupp durch die nächtlichen und unbeleuchteten Straßen von Rom geführt, bestehend aus Asny und den seltsamen Kerl, den sie mitsamt des stattlichen Kalbes angeschleppt hatte. Er war den gefährlicheren Vierteln ausgewichen, hatte auf Laterne oder Fackeln verzichtet. Immer mal wieder wurde ihr Weg jedoch durch die störrischen Ausreißer des Kalbes unterbrochen. Ab und an fluchte Hannibal leise und kaum hörbar durch seine Zähne hindurch, sah sich misstrauisch in den Gassen um, immer bereit seinen Dolch zu ziehen. Denn nicht nur Fuhrwerke bewegten sich des Nachts durch die Straßen, sondern auch jene Gesellen, die sich nicht mit den Beuteln der reichen Herrschaft am Tage ab fanden. Die nicht vor einem niederträchtigen Mord zurück schreckten, wenn sich ein Mann oder gar eine Frau leichtsinnig auf die Straßen der Stadt begaben. Schon schälte sich aus der Dunkelheit das monumentale Gebäude des Marcellus- Theaters heraus, umrahmt von einem schwarzen Himmelsdom, beleuchtet von den Sternen und der Mondesscheibe. Hannibal hielt darauf zu, ließ das halb runde Theater dann jedoch zu seiner Linken liegen um in der Straße daneben weiter zu laufen. Immer mal wieder sah er zu Asny zurück und war erstaunt, wie ruhig sie schien. Aber eigentlich hatte er bisher an ihr wenige Züge entdecken können, die eigentlich für eine junge Frau typisch waren. Die Sklavin erstaunte ihn immer wieder. Aber Hannibal wandte sich um und schenkte Asny wenig Beachtung, denn sie würden über die Tiberinsel die Stadt verlassen und die Tiberinsel war um diese Zeit immer noch genug bevölkert.
Schon trat er mit seinen Füßen auf die Brücke, die sich über den mächtigen Tiber hinweg streckte. Zahllose Gesellen tummelten sich hier. Aufschneider, Messerstecher, die ihre Frauen 'beschützten'. Frauen, die an dieser Stelle auf diejenigen warteten, die noch weniger Geld hatten, um einen Lupanarbesuch zu bezahlen oder auch so manch eine Frau, die in die Sänfte einer der ganz Reichen stieg, damit er ja nicht in einem Lupanar gesichtet wurde. Hannibals Hand ruhte jetzt an seinem Dolch, er drückte den Strick Milios in die Hand und ging der kleinen Gruppe voraus. Zwei Frauen, deren Gesichter stark geschminkt waren, ihre Wangen schienen in der Dunkelheit rot zu leuchten und ihre Lippen waren nicht minder angemalt, tuschelten leise. Die Jüngere von den Beiden grinste und rief mit heller Stimme, die etwas nasal klang. "Na, habt ihr euer Vieh net verkauf'n können?" Ein breitschultriger Mann mit Glatze und eine Narbe quer über das Gesicht schlendert wie zufällig heran und blieb neben den Frauen stehen, Hannibal und Asny, ebenso Milios mit den schmalen Augen fixierend. Hannibal musterte den Mann abschätzig, ein Hauch von Erkennen zog über Hannibals Gesicht und im selben Augenblick ebenso auf dem des Mannes. Der blinzelte verblüfft und ließ dann seine Mundwinkel nach oben wandern. "Ist das nicht die liebreizende Chrysantha?" Bellend lachte der Fremde, verstummte jedoch sofort als er sah, dass Hannibal ein Stück von seinem Dolch hervor zog. Hannibal sah hinter sich und zu Asny. Ohne ein Wort zu sagen marschierte Hannibal weiter, deutlich missmutiger als noch zuvor. Aber eisern schweigend. Hinter sich vernahm Hannibal noch das kichernde Gelächter der beiden Frauen, ehe er seinen Fuß auf die Tiberinsel setzte, um zwischen den Häusern entlang zu ziehen.
Dem Äskulaptempel schenkte Hannibal wenig Beachtung, er strebte über die nicht sehr große Insel und erneut über eine Brücke. Die Zeit schien sich unendlich lange zu dehnen, wie zähe Wachstropfen bewegte sie sich, um langsam in einem trägen Strom sich nach vorne zu schieben. Lange schien es zu dauern, bis sie endlich die Häuser von Rom hinter sich gelassen hatten und auf der gepflasterten Via Aurelia entlang kamen, um endlich ihr Ziel zu erreichen, was bis anhin nur Hannibal kannte. Das laute Lärmen der Fuhrwerke, die nun endlich durch die Straßen rollen durften, um Waren zu Mann und Haus zu bringen, die den Römern die Nachtruhe raubten, verhallten langsam. In seinem Rücken rauschte der Tiber, breit und träge. Er blieb einen Augenblick lang stehen und sah sich zu der Stadt um, die durch den Schein zahlreicher Häuser in einen schwachen Lichtschein eingerahmt wurde. "Es ist nicht mehr weit!", verkündete Hannibal und schritt forsch aus. Die Bäume raschelten um sie herum, wenn der Wind durch die Blätter strichen. Graufahl wirkte das Laub der immergrünen Bäume, der Zypressen und Pinien, die ihren würzigen Duft ausstrahlten. In der Ferne waren die Geräusche von Nachttieren zu vernehmen, eine dunkle Silhouette strich über den Himmel und verschwand in den Zweigen der säumenden Bäume. Hannibal ging an einem Meilenstein vorbei, der auf der Rückseite den Namen Roma eingemeißelt trug. Noch einige Minuten vergingen, in denen Hannibal der Straße folgte, bis er schließlich auf einen schmalen Weg deutete, den er einschlug. Es wurde schlagartig dunkler als sie unter den Zweigen entlang schritten, durch die Selene schwer zu dringen vermochte. Immer mal wieder knackte ein Ast, Hannibal strich mal mit der Schulter an Zweigen entlang, die sich nach vorne bogen und dann leise zurück schnappten. Irgendwo im Wald schien eine andere Silhouette von einem mit einer kleinen Kuppel versehenen Bau zu stammen schien, aber dorthin wandte sich Hannibal nicht.
Silbrig schimmerte Selene und brach durch das Dach der Zweige als diese Bäume ihrem Drängen nach zu geben schienen und sich zu einer Lichtung ausweiteten. Eine Lichtung, in der in der Mitte ein steinerner Schrein stand, ein großer und klobiger Klotz, der schon aus alter Zeit zu stammen schien, womöglich sogar schon von den Etruskern als Heiligtum genutzt wurde. Derart waren auch die Gestalten, die den Altar zierten, von grober Machart, der Sockel trug Schriftzeichen, die von den Menschen heute nicht mehr verstanden wurde. Das Gras um den Altar war welk und trocken und der Stein an manchen Stellen tief rot verfärbt als ob schon seit vielen, vielen Generationen das Blut hier floß. "Das ist der Schrein!", fügte Hannibal an. Er sah sich auf der Lichtung um und betrachtete die Bäume, die mit ihren noch kahlen Ästen in den Himmel stachen und sogar noch schwärzer als der Äther wirkten. Hannibal blieb einige Schritte vor dem Altar stehen und sah zu Asny. Es war ihr Opfer, darum wartete er darauf, was sie zu tun gedachte!