atrium | Im Auftrag des Herrn unterwegs II

  • Siv war aufgeregt. Nein, aufgeregt war noch untertrieben. Sie war… es gab keine Worte, das zu beschreiben. Ihr Herz schien zu flattern wie ein kleiner Vogel, in ihrem Magen machte sich allerlei Getier breit, und beides sandte ein Kribbeln aus in ihren ganzen Körper, bis in Arme und Beine. Germanien. Zuerst hatte sie nicht glauben können, was Corvinus ihr gesagt hatte. Germanien. Der andere Aurelier, Ursus – seinen Namen hatte sie sich endlich merken können – ging aus irgendwelchen Gründen nach Germanien, für länger, und außerdem wollte er – also Corvinus, nicht Ursus – irgendwelche Sachen aus seiner Villa dort haben, und außerdem sollten sie – das hieß Matho – dort nach dem Rechten sehen, und eigentlich war ihr das alles völlig egal, nur das eine nicht: sie sollte mit. Germanien. Sie würde ihre Heimat wiedersehen. Sie würde wieder nach Hause kommen. Dass das so nicht ganz stimmte – weder von dem, was ihr Zuhause gewesen war in Germanien, noch von dem, was sie im Moment als Zuhause bezeichnen würde –, daran verschwendete sie keinen Gedanken. Was jetzt, im Augenblick, ihr Zuhause war, darüber dachte sie ohnehin lieber nicht nach. Sie hätte sich eingestehen müssen, dass die Villa Aurelia in den letzten Wochen zu dem geworden war, was man so nennen konnte, und das war etwas, womit sie Schwierigkeiten hatte. Es fiel ihr so schon nicht leicht, sich nach und nach an den Gedanken zu gewöhnen, dass nicht alle Römer gleich waren, dass es falsch war, das Volk als Ganzes abzulehnen, es fiel ihr nicht leicht, sich einzugestehen, dass sie zu manchen der Römer durchaus so etwas wie freundschaftliche Bande geknüpft hatte, immerhin waren auch unter den Sklaven einige Römer, was Siv sehr erstaunt hatte, als sie das das erste Mal erfahren hatte. Fakt war, dass es inzwischen Römer gab, die sie mochte, woran sie nach wie vor zu knabbern hatte, wenn sie sich bewusst machte, dass diese Menschen eben Römer waren – allen voran Corvinus, der noch dazu ihr Besitzer war. Und wo sie schon mal beim Thema Corvinus war, er verwirrte sie ohnehin nach wie vor. Mal mehr, mal weniger, aber eine leichte Unsicherheit, wie er dies oder das meinte, war bei ihr eigentlich fast immer vorhanden, und das war sie auch nicht gewohnt – nicht dass sie nicht immer wusste, was ihr Gegenüber meinte, aber dass sie das verunsicherte. Aber für den Moment war ihr auch das egal. Alles war egal, bis auf das eine: sie konnte heim.


    Sie wie ein Wirbelwind durch das Haus gefegt, als ihr klar geworden war, was Corvinus’ Worte wirklich bedeuteten, nachdem sie ihm um den Hals gefallen war und ihn geküsst hatte, hieß das – was ihr im Nachhinein, sehr viel später, peinlich gewesen war, und außerdem dazu geführt hatte, dass sie knallrot geworden war, als er ihr das nächste Mal über den Weg gelaufen war. Jetzt kam sie ins Atrium, und sie hatte das Gefühl sie war viel zu hibbelig, um noch länger auf die Abreise zu warten. Heute sollte es endlich losgehen… Siv hoffte, dass noch Schnee liegen würde, wenn sie kam, dass es noch kalt war, so kalt, dass das Wasser draußen gefror, auch wenn sie wusste, dass das kaum der Fall sein würde. Aber vielleicht in den Bergen… Ihre alten Sachen aus Leder hatte sie, entgegen Brix’ Anweisungen, nicht weggeschmissen, sondern sie in einem unbeobachteten Moment gewaschen und geflickt, und diese Sachen trug sie jetzt in einem Beutel mit sich, in dem sonst recht wenig zu finden war – noch eine Tunika – obwohl sie nicht vorhatte, in ihrer Heimat etwas Römisches zu tragen –, ein grobgezinkter Kamm, ein Tuch, ein Band für die Haare. Siv brauchte nicht viel, und sie legte auch nicht viel Wert auf irgendwelchen Schnickschnack, im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, und dementsprechend klein war ihr Gepäck. Was in ihrem Beutel allerdings zu finden war, war ein kleines Messer, ein Seil, eine Schleuder sowie ein kleines Netz – die Schleuder hatte sie schon vor einiger Zeit angefertigt, nicht weil sie glaubte, sie je gebrauchen zu können, sondern aus purem Heimweh, das Netz hatte sie erst in den letzten Tagen geknüpft. Es war zwar kaum zu erwarten, dass sie für ihr Essen selbst sorgen mussten, aber man konnte ja nie wissen, und wenn Siv ehrlich war, dann sehnte sie sich danach, endlich mal wieder jagen oder fischen zu können. Draußen zu sein und sich selbst zu versorgen, so wie sie es früher immer mit ihren Brüdern gemacht hatte, vor allem im Sommer, wenn sie oft tagelang im Wald herumgestreift waren… Mit dem, was sie dabei hatte, würde sie problemlos überleben können, vorausgesetzt sie war in einem Wald, in dem es genug Wild gab. Aber jetzt, wo bald Frühling wurde, kamen auch die Tiere wieder hervor. Siv tastete kurz nach ihren Habseligkeiten und grinste kurz, während sie darauf wartete, das die anderen endlich auftauchten, die ebenfalls mitkamen, aber noch war niemand zu sehen. War sie tatsächlich so früh dran? Einen Moment stand sie noch da und zappelte vor sich hin, während sie versuchte sich zu beruhigen, aber bald sah sie ein, dass das ohnehin keinen Erfolg haben würde. Irgendwie musste sie sich die Zeit vertreiben, und so legte sie kurzerhand das Bündel auf den Boden und begann, leichtfüßig durch das Atrium zu tanzen, auf den Lippen die Melodie eines Frühlingsliedes, das sie schon als Kind gekannt hatte.

  • Wieder einmal war es die Köchin Niki, die die die neuesten Nachrichten parat und lautstark beim Frühstück verkündete. Siv würde weggehen und mit ihr noch andere Mitglieder aus der Sklavengemeinschaft. Tilla fand das sehr schade und hatte sich so einige Gedanken gemacht, was sie den Fortgehenden spontan mitgeben konnte. Ob Siv denn wiederkommen würde, konnte die Köchin Niki ihr nicht beantworten. Da musste sie schon Siv selber fragen. Fest umklammerte sie die Rolle Papyrus, die sie in ihrer Hand trug und in der anderen Hand hielt sie einen Beutel, in dem sich die Dinge für die übrigen befanden. Tilla hielt Kurs auf das atrium, den Ort der Verabschiedung und spähte um die Ecke. Na sowas, Siv tanzte durch den Raum!


    Sie sah Siv mehrere Momente lang zu und erspähte die wenigen Habseligkeiten, die auf dem Boden lagen. Mhm.. wenn Siv mit Tanzen beschäftigt war, so konnte sie ihr doch die Rolle noch zustecken, oder? Tilla gefiel auch die Melodie, welche Siv summte. Mit langsamen Bewegungen schlich sie hinter der Säule hervor und nahm nach einigen Metern auf dem Boden Platz. Behutsam nahm sie den Beutel auf den Schoß und knüpfte den Knoten auf. Die papyrus-Rolle musste ja irgendwie da rein gelangen. Hoffentlich würde Siv das Bild mögen?! Still lächelte Tilla vor sich hin und schmunzelte. Es war die bildliche Lösung dieses Rätsels, welches Niki ihr aufgetragen hatte. Unten drunter hatte sie sciurus vulgaris hingesetzt. Das Eichhörnchen saß auf dem Kletterbaum, den Tilla sich als Rückzugsort auserkoren hatte, wenn ihr alles zu viel wurde. Zu dem Bild hatte Tilla etwas aus der Küche stibitzt. Sie konnte die fünf Walnüsse nicht mit der ganzen Faust umfassen. Sie rollten ihr davon.

  • Der Tag der Abreise war also da! ... Hipp Hipp Hurra!... Na ja, wenn ich ehrlich war hielt sich meine Begeisterung darüber eher in Grenzen. Genau genommen war meine Laune eher mies, wenn nicht sogar schlecht. Sehr schlecht! So kannte ich mich eigentlich selber nicht. Und das wiederum trug nicht wirklich dazu bei um mein Stimmungstief zu heben. Warum tut sie mir das an? Schickt mich meine Herrin doch glatt nach Germanien! *tss* ich glaubs ja nicht, Grausam und herzlos war sie, mich einfach weg zu schicken! Jawohl! Dabei hätte das Leben so schön sein können! So schön wie dieser ...

    "Mmorg´n ...zu´samm ... wie gehts? ... ach ... pfeif auf d´n Schsss...Tach ...", brummte ich extrem missmutig vor mich hin und warf einen ebensolchen Blick zu der tanzenden Siv hinüber. "was wird´n hier gefeiert?" ... achso ich vergass! Siv kam ja aus Germanien. Also ging es für sie praktisch in die Heimat und wer konnte es ihr da verdenken, dass sie so fröhlich war ... und was ist mit mir? Was soll ich armer Grieche bitteschön in Germanien?...pffft ... Mit einem nach Mitleid haschenden Seufzer schmiss ich das Bündel mit meinen wenigen Habseligkeiten zu den anderen Sachen und flätzte mich auf eine der Bänke, die im atrium verteilt standen. Mir doch egal, ob die Herrschaften schimpfen ... oder Matho ...Oh! Neiiinn... Der Hausmeister kam ja auch noch mit! Du meine Güte war ich heute schlecht drauf, da mochte ich mich gleich selbst nicht mehr leiden.


    Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen ... wollte mich damit einfach ausblenden ... meine Ruhe haben ... *BUMM BUMM BUMM* ... Was allerdings bei dem Krach, der von der porta her drang nur schwer möglich war. Wo ist denn Leone schon wieder? .. oder kommt der am Ende auch mit uns mit? ... Wer war denn überhaupt schon da?


    ... Ich blinzelte wieder leicht und versuchte mir einen Überblick von den Leuten zu verschaffen, die sich so langsam hier im atrium versammelten ...

  • Merit-Amun stand etwas abseits. Es schien so, als wär sie gar nicht da, zumindest bemerkte man sie nicht auf den ersten Blick, so halb hinter einer Säule versteckt. Stumm und nachdenklich starrte sie auf die neuen Sandalen herab, die ihre Füße so fremdartig umschlossen. Die dunkelbraune Tunika passte zwar wie angegossen, war aber genauso fremd und anders wie die Schuhe und der Umhang, den Merit trug. Tragen musste.


    Dass sie mit den anderen wieder fortgeschickt wurde, hatte sie erst am gestrigen Abend erfahren. Siv hatte es ihr freudestrahlend erzählt, aber Merit war nicht nach freuen zumute. Genaugenommen wusste sie gar nicht, was sie von alledem halten sollte. Eigentlich hatte sie auf ihre Strafe gewartet, zumindest Schläge oder Gebrüll von Corvinus, aber weder das eine noch das andere war gekommen. Er hatte sie nicht mal beachtet, sondern sie eine halbe Ewigkeit warten lassen, bis sie schon halb gehofft hatte, er hätte sie vergessen. Und dann war Siv mit der Neuigkeit zu ihr gekommen. Seitdem schwieg Merit-Amun, unschlüssig darüber, was sie denken oder sagen sollte. Sie fügte sich einfach, etwas anderes wäre wohl ohnehin nicht möglich gewesen. Viele der Sklaven in diesem Haus schienen aus dem Norden zu kommen, keiner kam aus dem Süden, und dementsprechend konnte auch keiner ihre Sprache sprechen. Mit den Griechen konnte sie sich zumindest unterhalten, da Merit-Amuns Griechischkenntnisse recht gut waren, aber sie traute sich nicht so recht, ein gespräch zu beginnen. Mit Niki hatte sie bisher einige Wote gewechselt, vom Großteil der Sklaven aber wusste sie nicht einmal die Namen. Kein Wunder, sie war schließlich auch erst zwei Tage und wenige Stunden hier.


    Merit-Amun wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihr eine Walnuss vor die Füße kullerte. Überrascht sah sie die Nuss an und hob sie auf. Dann suchte sie nach der Quelle und fand ein kleines schwarzhaariges Mädchen, das umgeben von Nüssen neben Sivs Beutel hockte. Überrascht zog Merit eine Augenbraue hoch, ging zu der kleinen Sklavin und hielt ihr die Nuss hin. "Du hast verlierst", sagte sie matt.

  • Von Ursus war zunächst nur sein Gepäck zu sehen. Obwohl er sich wirklich eingeschränkt hatte, war doch einiges zusammen gekommen. Gut, er würde auch ein ganzes Jahr in Germanien leben müssen, von daher war es auf keinen Fall zu viel. Die meisten Leute nahmen zu einer dreiwöchigen Reise weit mehr mit, als er jetzt nach Germanien mitnahm.


    Sie würden reiten. Und ein Wagen sollte mit, das hatte Corvinus beschlossen. Ursus hätte ja Packpferde vorgezogen, wenn doch schon eh alle reiten sollten. Aber bitte, er wußte ja nicht, was Corvinus dem Sklaventrupp, der sich um das Haus kümmern sollte, so alles mitgeben wollte. Und was sie wieder mit hierher nehmen sollten. Also mischte er sich da nicht ein. Für ihn war nur wichtig, in einigermaßen kurzer Zeit Germanien zu erreichen, um seinen Posten antreten zu können.


    Inzwischen war er recht ungeduldig, da es für seinen Geschmack schon viel zu lange gedauert hatte, bis er wirklich reisefertig war. Seine Uniform und Rüstung hatte er ja zum Glück schon frühzeitig anfertigen lassen, so daß er vollständig ausgerüstet war. Und eigentlich fand er, daß ihm das Ding sogar recht gut stand.

  • Siv tänzelte mit federnden Schritten durchs Atrium und um das Impluvium herum, bemerkte nicht, dass Merit bereits da war, ebenso wenig, wie Tilla ins Atrium kam, und die herumrollenden Walnüsse hätte sie vermutlich erst entdeckt, wenn sie darauf getreten wäre – wenn nicht gleich darauf Hektor das Atrium betreten und ziemlich grummelig, aber zumindest anfangs noch gut vernehmlich etwas von sich gab, was wohl seine augenblickliche Variante einer Begrüßung darstellte. Siv sah auf und grinste über das ganze Gesicht, während sie leichtfüßig auf den Griechen zuwirbelte, der sich inzwischen auf einer der Bänke niedergelassen hatte, und ihm einen kleinen Kuss auf die Wange hauchte. "Nicht, nicht so missmutig dreingucken, Hektor, nicht traurig sein oder schlecht", strahlte sie ihn an. Siv freute sich viel zu sehr, als dass sie sich ihre gute Laune hätte verderben lassen können. "Wir reisen. Und Germanien ist schööön."


    Sie grinste ihm noch einmal übermütig zu und drehte sich dann einmal um sich selbst, um bei dieser Drehung fiel ihr auf, dass noch jemand ihm Atrium war – Tilla und Merit waren da, bei ihrem Beutel, und hantierten mit Walnüssen. Siv zwinkerte Hektor zu und sprang hinüber zu den beiden, wo sie die beiden ebenfalls anlachte und sich dann zu Tilla kniete. Überrascht entdeckte sie, dass ihr Beutel offen war und eine Papyrus-Rolle halb daraus hervorschaute. "Was ist das?" Neugierig zog sie sie hervor, ein Grinsen breitete sich wieder auf ihrem Gesicht aus. "Oh, ein Eichhörnchen! Ach Moment… ist das das Tier, das du gemeint hast, Tilla? Das, das Tier ist, das du… hat gesucht?" Als sie sich das erste Mal in Tillas Kletterbaum getroffen hatten, hatte Siv nicht einmal mit Sicherheit gewusst, dass es um ein Tier ging, aber Tilla hatte des Öfteren nachgefragt, nicht nur bei ihr, sondern auch den anderen Sklaven, und offenbar hatte sie ihr Rätsel gelöst. Siv betrachtete das Bild einen Moment lang und wuschelte Tilla dann durch die Haare, während von ihr unbemerkt Ursus hereinkam. "Danke, Tilla." Dann lächelte sie Merit an. "Merit, du kennst Tilla? Sie Sklavin, hier, aber nicht kommt nach Reise. Tilla, das Merit."

  • So schnell kam sie nicht auf die Beine wie sie es gewohnt war. Dafür kam ihr jemand anderes entgegen. Es war eine zierliche Frau, die Tilla noch nie gesehen hatte. Sie sah fremdartig aus, aber dieser erste Eindruck wurde auch schon von der Art und Weise überdeckt, dass sie eines ihrer Walnüsse gefunden hatte. Zögernd streckte Tilla ihre Hand aus, nahm die Nuss entgegen und versuchte ein Lächeln zu fabrizieren. Bei ihr unbekannten Personen tauchte ihr Lächeln selten auf. Ein kurzes Nicken musste für den Moment und diese erste Begegnung ausreichen. Siv kam zu ihnen und entdeckte die Papyrusrolle. Gespannt wie ein Bogen wartete Tilla auf ihre Reaktion und atmete erleichtert auf. Es gefiel der Germanin sehr. Wusch... ihre Haare kamen durcheinander. Tilla lächelte Siv vergnügt an und nickte zu ihren Worten. Si.. das Hörnchen, ehm... Nusshörnchen und dazu die Walnüsse für zum Zerbeissen. Ja, sie erinnerte sich noch gut daran, dass Siv die Nüsse mit ihrem Kiefer knacken konnte.


    Siv stellte ihr die zierliche Frau vor. Tilla konnte nicht anders, nickte knapp und wandte sich Siv wieder zu. Ich wünsche dir eine gute Reise. Sie würde es mit Sicherheit schade finden, dass Siv nun gleich weg war. Besser sie brachte die Verabschiedung ganz schnell hinter sich, bevor die Tränen kamen. Tilla umarmte Siv spontan um die Taille herum, drückte sich für einen Moment an sie bevor sie sich von ihr löste. Ein letztes Lächeln.. dann wandte sie sich um und trabte zu Hektor der auf der Bank saß. Ihm legte sie ein kleines Päckchen in meerblauem Stoff hin. Wenn er es auspackte, würde er einen kleinen unbemalten Delphin aus Holz finden. Tilla schluckte und winkte ihm einen schlichten Gruß zu. Anschliessend war Ursus dran, aber er war nirgendswo zu sehen. Auf den Lippen kauend entschloß sie sich sein Geschenk in einer Kiste zu verstauen und dann aus dem Staub zu machen. Gedacht, getan, bald ruhte die blaue hölzerne Mini-Truhe zwischen den Gegenständen die er offenbar mitnehmen wollte. Auch dieses Stück hatte sie in blauen Stoff eingeschlagen. Tilla schluckte hart und schlug den Weg zum Kletterbaum im Garten ein. Jetzt ein paar Momente für sich haben und die Wehmut der Abschiede ertragen.

  • Als Ursus das atrium schließlich betrat, war von seinem Gepäck schon nichts mehr zu sehen. Fleißige Hände hatten es längst verstaut und verpackt. Ebenso wie das Gepäck der anderen Der Wagen und die Pferde standen draußen für die Abreise bereit. Es fehlten nur noch die Menschen.


    "So, alle da? Alle abmarschbereit?", fragte Ursus grinsend, aber nicht wenig aufgeregt, in die Runde. Von seiner Schwester hatte er sich schon am Vorabend verabschiedet. Da hatte er auch mit ihr besprochen, dass er nun offiziell ihr Vormund war. Es war ein sehr herzlicher Abschied gewesen und Ursus war sich nicht sicher, ob sie sich das heute noch einmal antun würde. Er würde es ihr gewiss nicht übel nehmen, wenn sie es nicht tun würde.


    "Dann lasst uns endlich abreisen. Die meisten von euch sind ja in einigen Wochen wieder hier. Und wir anderen werden regelmäßig schreiben. So ein Jahr ist auch gar nicht so lang, schaut, wie schnell meine Amtszeit vorübergegangen ist. Also reißt euch endlich los." Ihm selbst fiel es schwer genug, Rom schon wieder zu verlassen. Er blickte sich noch einmal gründlich im atrium um. Dies war sein Geburtshaus. Er liebte es. Er hasste es, dieses Haus zu verlassen. Und er würde zurückkehren, sobald es ihm möglich war. Und dann war ihm hoffentlich eine lange Zeit in Rom vergönnt.

  • Das Verhalten der kleinen Sklavin amüsierte Merit. Sie war ja nun alles andere als Furcht einflößend, allein aufgrund ihrer Größe, aber das Mädchen schien trotzdem Angst vor ihr zu haben. Nur zögernd nahm es die Nuss aus ihrer Hand, schenkte ihr aber dennoch ein Lächeln, und Merit erwiderte es. Plötzlich stand Siv neben ihnen und wechselte einige Worte mit dem Mädchen. Überrascht bemerkte Merit, wie die Kleine mit ihren Händen herumfuchtelte. Konnte sie etwa nicht sprechen? Merit blinzelte irritiert. Dann sah sie von Siv zu dem Mädchen und wieder zurück. Die Germanin stellte sie einander vor: Tilla hieß die Kleine also. Ein seltsamer Name, wo sie wohl herkam?


    Merit erntete lediglich ein kurzes Nicken. Siv wurde hingegen herzlich umarmt. Obwohl Merit die kleine Sklavin nicht kannte, spürte sie dennoch einen Stich in der Magengegend. Sie gehörte einfach nicht hierher. Deutlicher hätte man es ihr nicht zeigen können. Merit schluckte, nickte tapfer und begab sich dann wieder zu der Säule, neben der sie zuvor gestanden hatte. Wer der andere Mann war, wusste sie nicht. Aber er schien mit ihnen zu kommen. Und seinem Aussehen nach zu urteilen, war er alles andere als ein Sklave. Merit hatte nichts, was ihr gehörte, sah man von den Dingen einmal ab, die sie gegenwärtig am Leib trug. Daher hatte sie auch keinen Beutel. Reiten konnte sie mehr schlecht als recht, das letzte Mal war lange her und sie wusste nicht, wie gut oder schlecht sie sich machen würde. Sie fühlte sich erbärmlich.

  • Zitat

    von Siv: ... Siv sah auf und grinste über das ganze Gesicht, während sie leichtfüßig auf den Griechen zuwirbelte, der sich inzwischen auf einer der Bänke niedergelassen hatte, und ihm einen kleinen Kuss auf die Wange hauchte. "Nicht, nicht so missmutig dreingucken, Hektor, nicht traurig sein oder schlecht", strahlte sie ihn an. Siv freute sich viel zu sehr, als dass sie sich ihre gute Laune hätte verderben lassen können. "Wir reisen. Und Germanien ist schööön."


    Och nöööö, jetzt will sie mich bestimmt gleich aufmuntern. … Wird nur leider nix helfen, liebe Siv! … Bin heute einfach schlecht gelaunt und damit basta!, dachte ich bei mir, gerade als ich aus den Augenwinkeln Siv schon auf mich zu tänzeln sah. Nicht das ich Siv nicht mochte oder es ihr nicht gegönnt hätte nach Germanien zu reisen, aber auf einen aufmunternden Spruch könnte ich getrost verzichten! ... Dachte ich zumindest ... Und dann? … Sie kam näher, immer näher … wie nah denn noch? Ich wäre ja schließlich nicht taub! Und dann das! … Ein Kuss. Na ja, mehr ein Hauch von einem Kuss aber das reichte schon, um meine Mundwinkel nach oben zucken zu lassen. So was war eben unfair, aber es half meine Stimmung ein wenig zu heben. "mmmmmh… nun jaa, … naa schöööööön, … dann seh ich mir dein Germanien eben auch mal an! … ",gab ich seufzend und mit einem dankbaren Lächeln zurück als hätte ich eine Wahl gehabt. Was bliebe mir auch anderes übrig? ...


    Siv tänzelte schon wieder davon und während ich mich etwas auf der Bank aufrichtete, glitten meine Finger über ein kleines Päckchen das neben mir lag. Wie kam es so plötzlich da hin? Fragend schaute ich mich um und sah eben noch Tilla, wie sie mir zum Abschied zuwinkte und dann einfach aus dem atrium verschwand. "Tilla?! …" , "bis bald und pass auf dich auf! … " ich musste schlucken und konnte nichts weiter tun als ihr einfach nur nachzuwinken ...… Wie lange werde ich sie nicht mehr sehen? … Ich hab nicht einmal ein Geschenk für sie … Soll ich ihr wenigstens nachgehen, um mich noch einmal von ihr zu verabschieden? ... Ich brachte es einfach nicht übers Herz denn ich spürte zu deutlich, wie schwer es mir schon jetzt fiel von hier fort gehen zu müssen ... ohne sie ...


    Ihr Geschenk verstaute ich ganz vorsichtig und sicher zwischen meinen Sachen, um es erst auf der Reise zu öffnen. Ich wollte es in einem ganz bestimmten Moment tun, wenn ich allein wäre und Ruhe hatte. Und dazu war hier der falsche Zeitpunkt und Ort. … 'Also reißt euch endlich los.' … Mit einmal Mal drängte es mich zum Aufbruch und der Aurelier gab das passende Stichwort dazu. Deshalb erhob ich mich auch sofort und nahm mein Bündel auf. Auf dem Weg nach draußen bemerkte ich noch eine Sklavin (Merit-Amun), die ich hier noch nie gesehen hatte. Sie wirkte sehr unglücklich - wahrscheinlich weil sie auch mit auf die Reise musste - und vielleicht konnte ich sie mit ein paar Worten ebenso aufmuntern wie Siv es bei mir vermocht hatte. " Na, komm … so schlimm wir die Reise schon nicht werden. … und wir kehren ja schon bald wieder nach Rom zurück …", meine ich im Vorübergehen mit einem aufmunternden Kopfnicken und setzte meinen Weg nach draußen fort. Jedenfalls hoffte ich, dass die Reise schnell und ohne Probleme verlaufen würde … Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, oder? ... warum kam mir dieser Spruch ausgerechnet in der Sekunde in den Sinn wie ich die porta öffnete und in die Augen eines kleinen Mannes blickte, der mit hochrotem Kopf vor der villa herumhüpfte und mit sich selbst sprach? Keine Ahnung! ... was uns alles widerfahren würde, wussten wohl nur die Götter selbst ...

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Als Ursus das atrium schließlich betrat, war von seinem Gepäck schon nichts mehr zu sehen. Fleißige Hände hatten es längst verstaut und verpackt. Ebenso wie das Gepäck der anderen Der Wagen und die Pferde standen draußen für die Abreise bereit. Es fehlten nur noch die Menschen.


    Die fleißig´n Hände, die das Gepäck gepackt und weitgehenst auch verstaut hatten, waren meine gewes´n! Dann war ich nochma zurück in´ne Sklavenunterkunft gehuscht und hatte mein zeug noch notdürftig zusammengepackt.
    Germanjen, ey! Na toll! Warum nich gleich Thule? Das war noch nördlicher als meine eig´ne Heimat und da würd´ich mir garantiert´n Arsch abfrier´n! Ma ganz abgeseh´n wie die Einheimischen da so drauf war´n! Siv war ja auch Germanin und eigentlich auch ganz nett, aber wie würd Siv sein, wenn plötzlich´n römscher Tribun und seine gallische Sklavin vor ihrer Haustür steh´n würden? Das würd sicher lustig werd´n!
    Aber noch war´n wir ja nich in Germanjen! Und ich hielt mich tunlichst mit allen unqualifizierten Bemerkung´n zurück. Ich war ja froh, nach mein´m Beutezug überhaupt noch piep sag´n zu können!
    Alles, was mir gehörte, passte in´ne kleine Tasche. Drei Tuniken, eine davon war die, die mir Ursus beim Schneider anfertigen lassen hatte und mirgekauft hatte, das Lederbändchen mit dem kleinen Bronzepferdchen und noch´n zweites Paar Schuhe. Alles andre gab´s sicher auch in Germanjen. Bevor ich die Sklavenunterkunft verließ, blieb ich doch noch ma steh´n. Ich kramte das Bronzepferdchen aus der Tasche hervor und streifte es mir über´n Kopf. Jetzt zierte es mein Dekoltee. So konnt ich raus geh´n!
    Ursus´Pferd stand schon bereit und der gepackte Wagen war auch schon abreisefertig. Am liebsten wär´ich auch geritten! Aber das konnt´ich mir sicherlich abschmink´n. Also ging ich zum Wagen.

  • Bis zuletzt hatte Fhionn in der Sklavenunterkunft verharrt. Alles war so verwirrend für sie. Kaum war sie hier angekommen, sollte sie schon auf Reisen gehen. Erst hatte sie geglaubt, Matho falsch verstanden zu haben, als dieser ihr zu erklären versuchte, der Herr wolle sie und eine Reihe anderer Sklaven auf eine Reise nach Germanien schicken, um dort nach dem Rechten zu sehen. Es gab dort wohl ein Haus, das ihrem Herrn gehörte.
    Germanien- ein Land im Norden. So viel wußte sie, doch wo dieses Germanien genau lag, geschweige denn, was sie dort erwarten würde, konnte sie sich nicht vorstellen. Die blonde Sklavin, die Siv hieß, kam aus Germanien und sie erinnerte sich an einige andere Mädchen und Frauen, die sie auf dem langen Marsch nach Rom kennengelernt hatte, die aus diesem Land kamen.
    Nur widerwillig hatte sie ihre Habseligkeiten gepackt. Sie wußte nicht genau, was sie dort benötigen würde. Ob es dort so sein würde, wie in ihrer Heimat? Gab es dort grüne Wiesen und Wälder und ein Meer? Eigentlich hatte sie vorgehabt, Siv danach zu fragen, doch nie hatte sich eine Gelegenheit ergeben. Man hatte ihr gesagt, die Reise würde gut zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen. Vielleicht würde sich dann eine Gelegenheit finden, die Germanin etwas eingehender kennenzulernen.
    Zögerlich trat sie in den Hof hinaus. Sie wußte nicht, ob sie sich freuen oder grämen sollte. Die Einzige, die ihre Freude freien Lauf ließ, war Siv. Sicher, wäre das Reiseziel Britannia gewesen, wäre es Fhionn wohl ähnlich ergangen.
    Ihr fiel eine dunkelhaarige Sklavin auf, die sie hier noch nicht gesehen hatte. Offenbar auch ein Neuzugang, so wie sie es vor einigen Wochen war. Auch sie sah nicht sehr glücklich aus. Hektor, der ebenfalls mit auf die Reise gehen sollte, nahm sich der fremden Sklavin an. So entschloß sich Fhionn, auch auf ihn zuzugehen und ihn anzusprechen. "Ich auch sollen mitkommen. Wohin das?" Sie deutete auf das Bündel mit ihren Habseligkeiten, die sie mitnehmen wollte.

  • Ursus blickte sich um. Wen hatten wir hier? Fhionn sah er, Caelyn, Siv, Hektor, Matho hatte er eben auch irgendwo gesehen. Wo war Sertorio? Bestimmt beim Wagen und den Pferden. Da fiel ihm noch eine südländisch aussehende Sklavin auf. Das mußte diese ägytische Sklavin sein, von der er schon gehört hatte. Anscheinend sollte sie auch mit? Warum sagte ihm das eigentlich keiner?


    Sie stand bei Hektor. Und auch Fhionn trat zu den beiden. Ursus schritt nun ebenfalls auf die kleine Gruppe zu. "Ich bin Aurelius Ursus. Du bist die Ägypterin, nicht wahr? Wie lautet Dein Name?"


    Sein Blick fiel auf das Bündel, das Fhionn bei sich hatte. "Das Gepäck kommt auf den Wagen", sagte er und hoffte, daß nun endlich mal alles verpackt war. "Hört zu, wer sich das Reiten gar nicht zutraut, fährt besser auf dem Wagen mit. Aber wer kann, sollte reiten." Er selbst fand das Reisen zu Pferd sowieso angenehmer als im Wagen. Dieses Gerüttel war furchtbar. Auch wenn ihm natürlich klar war, daß vor allem der zweite und der dritte Tag die Hölle würden. Er war ewig nicht geritten, sein Hintern würde entsetzlich leiden. Und auch die vielen kleinen Muskeln, die man nur fürs Reiten und für nichts anderes brauchte, so daß man sie nur beim Reiten trainieren konnte. Aber diese zwei, drei Tage würden vorüber gehen. Und besser, wer war ans Reiten gewöhnt, wenn er zur Legio kam. Offiziere ritten nun einmal.


    Wo blieb eigentlich dieser Lucius Funeribus? Wenn der nicht bald auftauchte, würden sie ohne ihn abreisen.

  • Ohne die kleinen Sklavin in Dunkelbraun auch nur eines Blickes zu würdigen, schritt ich durchs atrium und auf das kleine Grüppchen um Ursus herum zu. "Na, alles bereit für die große Reise?" fragte ich ihn und klopfte ihm zweimal auf die Schulter. Seit unserem kleinen Gelage hatte sich das Verhältnis zwischen uns etwas gelockert, was ich doch sehr begrüßte. Ich ließ den Blick schweifen über kleine Bündel, Pakete und Proviant, tastete hernach die anwesenden Sklaven ab, bis mein Blick an Matho hängen blieb. Ihn winkte ich heran, ging ihm gleichermaßen der Hörweite wegen etwas entgegen und sagte: "Ich zähle auf dich, Matho." "Ja, dominus. Du kannst dich auf mich verlassen", erwiderte er und ich nickte ihm zu. "Ruf diejenigen zusammen, die nicht mit meinem Neffen in Germanien bleiben", wies ich ihn dann an, woraufhin er tat, was ich gebot. Es dauerte einen Moment, dann aber lagen die Aufmerksamkeiten größtenteils bei mir.


    "Ich möchte euch noch einmal daran erinnern, dass diese Reise ein Privileg darstellt", begann ich. "Ihr seid dazu angehalten, nicht länger als nötig fort zu bleiben. Zu Schutzzwecken habt ihr Waffen mitbekommen. Matho wird die Aufsicht über Proviant und Geld führen. Sollten Fragen bestehen oder während der Reise aufkommen, wendet euch an Matho, er wurde entsprechend instruiert. Das wäre dann alles. Ich wünsche euch eine gute Reise." Mein Blick fing den Sivs ein. Nur kurz zögerte ich. "Siv, kommst du bitte noch mal her?" fragte ich und trat ein wenig beiseite. Als sie bei mir angekommen war, betrachtete ich sie einen Moment stumm, ehe ich sprach. "Ich vertraue dir", sagte ich, hielt inne und disponierte meine weiteren Worte um, da mir ihr eigentlicher Konsens nun unangebracht schien. "Gib auf dich acht und kümmere dich ein wenig um die anderen, sie kennen dein Land nicht."

  • Noch ehe Hektor auf Fhionns Frage antworten konnte, trat einer der Römer zu ihnen. Es war jener, der auch schon am Tag, an dem der Sklavenhändler Fhionn hier in der Villa verkauft hatte, anwesend war. Fhionn hatte bislang wenig mit ihm zu tun gehabt. Sie wußte im Grunde gar nichts über ihn, außer daß der zu der Familie gehörte, der sie nun dienen sollte.
    Wie erstarrt blickte sie ihn an, als er ihr zu verstehen gab, was sie mit ihrem Beutel tun sollte. War es seine Uniform, die ihr Blut gefrieren ließ oder war es einfach die Tatsache, daß er eben ein Römer war? Das Bild dieses Römers in Uniform ließ in ihr wieder die Erinnerung an Krieg, Tod und Zerstörung aufkommen. Eine Mischung aus Entsetzen und Verachtung spürte sie in jenem Moment, da sie regungslos und mit aufgerissenen Augen vor ihm stand und ihn anstarrte, bis sie das Wort 'reiten' vernahm. Endlich konnte sie ihren Blick von ihm abwenden und es war so, als wäre sie wieder zu sich gekommen. "Ich können reiten!", sagte sie entschieden. Dann verstaute sie ihr Bündel auf dem Wagen und wartete, bis man ihr ein Pferd zuweisen würde.
    Innerlich taute sie nun etwas auf und war fast schon beschwingt, da sie endlich einmal wieder auf dem Rücken eines Pferdes sitzen dürfte. Vielleicht könnte sie dieser Reise doch noch etwas abgewinnen. Auf einen Pferd zu reiten, war wie wieder frei zu sein, wenigstens für eine Weile.

  • Siv hielt für einen Moment überrascht inne, als Tilla sie plötzlich umarmte, dann legte auch sie ihre Arme um die schmalen Schultern des Mädchens. Nur einen kurzen Moment hielten sie sich, dann löste sich die Sklavin auch schon wieder von ihr, lächelte ihr noch einmal zu und sprang zu Hektor davon. Siv erwiderte das Lächeln und sah ihr noch für einen Moment nach, dann wandte sie sich zu Ursus, der zum Aufbruch drängte, und Siv konnte sich gerade noch davon abhalten, ihm aus vollem Herzen zuzustimmen. Endlich abreisen! Sie schnappte sich ihr kleines Bündel, dass sie bei sich behalten würde, und sah sich kurz nach Merit um, die ziemlich geknickt wirkte, aber schon standen Hektor und Fhionn bei ihr. Caelyn lief ebenfalls vorbei und schenkte dabei kaum jemandem einen Blick, was Siv auch verstehen konnte, nach dem was passiert war – Tratsch ließ sich schwer eindämmen, und gerade solche Geschichten machten die Runde wie ein Lauffeuer. Da bildete die Villa Aurelia keine Ausnahme. Siv wusste nicht so genau, was sie davon halten sollte – das hieß, sie wusste sehr genau, was sie von Stehlen hielt, nämlich gar nichts, und vor allem Caelyn, die es hier ja nicht mehr nötig hatte. Auf der anderen Seite kannte sie Caelyn zwar nicht sonderlich gut, mochte sie aber doch…


    Mit einem Achselzucken wandte sie sich um, um ebenfalls nach draußen zu gehen – dass sie reiten würde, war klar, und sie wusste auch schon welches Pferd sie nehmen würde. In diesem Moment betrat Corvinus das Atrium. Kurze Zeit später wuselte Matho um sie herum und scheuchte sie zu ihm, und Corvinus gab ihnen noch einmal kurze Anweisungen. Dann begegneten sich ihre Blicke, und nach einem Moment rief er sie zu sich. Siv ging zögernd zu ihm. Sie hatte ihren Zusammenstoß von vor ein paar Tagen nicht vergessen, und sie ging davon aus, er genauso wenig. Seitdem waren sie sich zwar begegnet, und sie hatte ihn auch zum Saturntempel begleitet am Morgen danach, aber angeschnitten hatte das Thema keiner von beiden mehr. Als sie bei ihm war, sagte er zunächst nichts, sondern sah sie nur an, und als er dann sprach, überraschte er sie – schon wieder. Er sagte ihr, dass er ihr vertraute? Das hatte Siv, nach ihrem Ausbruch neulich, nicht erwartet, und sie wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte. Einerseits ging ihr immer noch nach, wie er reagiert hatte, andererseits freute sie sich aber darüber, dass er ihr sein Vertrauen so offen aussprach. Offenbar trug er ihr nichts nach, und erst jetzt merkte sie, dass sie der Gedanke, es könnte so sein, genauso belastet hatte wie die Tatsache, dass er nicht verstand. Sie nickte langsam, während sie ihn ansah. "Ja. Ich, ich kümmeret für andere." Dann flog ein zaghaftes Lächeln über ihre Züge. "Danke. Für… Reise. … Und Vertrauen."

  • Ob meine Worte an Merit.Amun wirklich aufmunternd geklungen hatten, konnte ich nicht so recht beurteilen. Ich war eigentlich selbst nicht besonders gut gelaunt aber irgendwie drängte es mich nun doch zum Aufbruch. Je eher desto besser! Gerade wollte ich mein Bündel auf einem der Wagen verstauen, da vernahm ich eine Stimme hinter mir.


    Zitat

    ..."Ich auch sollen mitkommen. Wohin das?"...


    "Wohin was? ..." Noch dachte ich es sei die Sklavin, die ich eben beim Hinausgehern angesprochen hatte und erst als ich mich zu der Stimme hin umdrehte bemerkte ich, dass sie jemand anderem gehörte. Auch diese Frau kannte ich noch nicht. Noch eine Sklavin? So langsam begann ich mich zu wundern, wie viele weibliche Sklaven eigentlich mit auf diese Reise gehen sollten. Alle wegen Aurelius Ursus? ... Oder kamen am Ende noch weitere Herrschaften mit? Na meine Herrin Aurelia Prisca mit Sicherheit nicht! Die hätte lieber den Freitod gewählt als noch einml einen Fuss auf germanischen Boden zu setzen.


    Jedenfalls grübelte ich wohl zu lange und der Aurelier nahm mir die Antwort vorweg. Ich zuckte kurz mit den Schultern, sah Fhionn dabei an und wollte ihr eben dabei helfen ihres Sachen auf den Wagen zu laden, aber da hatte sie ihr Bündel auch schon selbst verstaut.


    Zitat

    ... "Aber wer kann, sollte reiten" ... / ... "Ich können reiten!"...


    ... und ich wollte auch nicht unbedingt auf dem Wagen sitzen müssen. Also schickte ich mich bei den Worten von Aurelius Ursus und Fhionn an, zu den Pferden zu gelangen. Fhionn indess schien noch etwas unsicher zu sein bezüglich der Wahl. "Dort drüben stehen die Pferde. Noch haben wir die freie Auswahl! ... Allerdings sollten wir uns beeilen ... ", meinte ich freundlich zu ihr und nickte dabei in Richtung der bereit stehenden Pferde ...

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Sein Blick fiel auf das Bündel, das Fhionn bei sich hatte. "Das Gepäck kommt auf den Wagen", sagte er und hoffte, daß nun endlich mal alles verpackt war. "Hört zu, wer sich das Reiten gar nicht zutraut, fährt besser auf dem Wagen mit. Aber wer kann, sollte reiten."


    Ich war schon dabei, auf´n Wag´n zu steig´n und wunderte mich´n bisschen, warum die andern sich nich auch langsam aber sicher die besten Plätze im Wag´n sichern wollt´n. Aber mich wunderte eigentlich gar nix mehr, schließlich war ich bei´n meisten unten durch, nachdem raus gekommen war, dass ich geklaut hatte.
    Plötzlich hörte ich Ursus´ Stimme und ich dachte schon, ich wär im falsch´n Theaterstück! Wer kann, sollte reiten! Nee,´ne! Das war jetzt nich wahr, oder? Doch´s war wahr! Einige der mitreisend´n Sklav´n griff´n sich schon die ersten Gäule ab. Nullkommanix war ich wieder vom Wag´n runter gesprung´n und sowas wie´n Lächeln war auf mein´m Gesicht. Flüchtig schaute ich nochma zu Ursus rüber und hoffte dabei, nich gleich den Zusatz das gilt aber nich für Caelyn, aus seinem Mund zu hör´n.
    Dann suchte auch ich mir´n Ferd aus. Ey, super! Endlich reit´n! Das wollt´ ich doch schon immer!

  • Nach unserem Aufeinandertreffen war die Stimmung zwischen Siv und mir seltsam gewesen. Sie hatte mich begleitet, wenn ich es gewünscht hatte, und war auch ihren sonstigen Arbeiten nachgekommen, wie ich es von ihr kannte. Als sie nun zögerlich näher kam, drängten sich einige Fetzen jener Gedanken in mein Bewusstsein, die ich an besagtem Abend gehabt hatte. Siv war in den Nächten darauf nicht bei mir gewesen, und auch ich hatte auf eine erneute Konfrontation verzichten wollen und sie deswegen nicht gerufen. Wie sie nun dort stand und zu mir aufsah, sich bedankte und kurz lächelte, wirkte sie, als fiele eine Last von ihr ab. Mich überkam der eigentümliche Wunsch, ihre zarten Lippen zum Abschied zu kosten, verwarf den irrwitzigen Gedanken jedoch gleich wieder - wir waren hier nicht allein. So erwiderte ich das Lächeln nur, wenn auch kurz, und strich ihr das Haar hinters Ohr. "Enttäusche mich nicht", sagte ich schlicht und nickte ihr dann noch einmal zu. Nachdem ich den Blick losreißen konnte, wandte ich mich um, wünschte auch Ursus eine gute Reise und verschwand schließlich in einem der Flure.

  • Merit-Amun schenkte dem fremden Sklaven nur ein flüchtiges Lächeln, und es war nicht einmal eines, bei dem sie sich wirklich Mühe gegeben hatte, sondern ein mehr denn halbherziges. Im Grunde genommen war es der Ägypterin einerlei, ob sie nun in Germanien oder Rom ihr Dasein fristete - zumindest, wenn man es unter dem Gesichtspunkt des Heimwehs betrachtete. Wetterbedingt wäre ihr Rom lieber gewesen, aber sie würde auch Germanien überstehen. Irgendwie. Sie hatte nicht genug Zeit, darüber nachzudenken, denn plötzlich stand der Römer vor ihr und fragte sie etwas. Fragte sie nach ihrem Namen. "E...äh....M-Merit-Amun", sagte sie und senkte den Blick in der Hoffnung, dass man sie vielleicht übersah. Und das Wunder geschah tatsächlich, der Römer beachtete sie nicht weiter, sondern kommandierte die anderen Sklaven herum. Merit schnappte sich irgendeinen Beutel und hastete in Richtung porta, kam jedoch nicht weit. Corvinus betrat das atrium, und als Merit ihn sah, verbarg sie sich hinter einer Säule. Mathos Rede bekam sie nur am Rande mit, und als die Luft endlich rein war, da sich ihr Besitzer mit Siv unterhielt, flüchtete sie aus dem noblen Haus und hinaus auf den Vorplatz, wo sie den Beutel auf dem Wagen deponierte und sich dann zu den Pferden abseilte. Merit-Amun suchte sich ein - im Vergleich zu den anderen Tieren - recht kleines Pferd aus, streichelte seine Nüstern und saß nur wenige Momente später bereits hoch zu Ross da. Dort oben zog sie ihren Umhang etwas weiter um die Schultern und wartete auf die anderen.

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