[Tempel der Iuno Moneta] Opferprüfung

  • Domitia Domitilla wartete bereits, als ich selbst eintraf. "Salve septemvir, hast du den Jungen gar nicht mitgebracht?" fragte sie mich und ich musste schmunzeln. "Salve. Er hat die Benachrichtigung erhalten und wird ganz gewiss ohne Verzögerung hier erscheinen, Domitia, sei dir gewiss. Er ist Flavier und zudem hat er recht anständig auf mich gewirkt." "Oh, gutgut. Dann will ich mal nichts gesagt haben. Die Flavier sind ja alle recht anständig. Na gut, die meisten zumindest", plapperte die Junopriesterin in mittleren Jahren drauflos und malte mit ihrem Stock kleine Kreise in den Sand vor dem Tempel.


    Einen kurzen Moment schwieg sie, und nur das Klappern der Tafeln war zu hören, welche mein scriba mit sich führte, um für mich Notizen zu machen. Dann... "Ach, es ist so schön, dass wir endlich mal wieder einen echten Mann dazubekommen! Ich hab den Mädels gleich erzählt, dass da ein junger Hüpfer kommt, und alle waren sofort Feuer und Flamme. Und wenn's sogar ein Flavier ist...die sollen ja alle so gut aussehen, nicht wahr?" Irritiert blinzelte ich und gab dann ein. "Hm, najaa..." von mir. Doch die Sichtung des jungen Flaviers überspielte die Situation und ich war froh, mit dem Kinn in seine Richtung weisen und sagen zu können: "Da kommt er."

  • Es ist eine Kunst, pünktlich zu sein. Die meisten Menschen sind entweder zu früh da, oder zu spät, also im Grunde jedesmal unpünktlich. Pünktlichkeit, welche die Höflichkeit der Patrizier ist, genau im richtigen Moment am richtigen Ort zu erscheinen. Also: "auf den Punkt", das dramatische Moment einer kurzen Weile mit einberechnet.


    Als ich den Brief von Aurelius Corvinus bekommen hatte, machte ich mich gleich auf den Weg und schaute mir den Tempel an. Meinen Dienst vielleicht immer auf der Arx zu verrichten, hat mich gleich in Aufregung versetzt: diese Aussicht - sprichwörtlich!


    Da mir das Treppensteigen leichter fällt als der jungen Bache, die ich mit Eicheln und Milch gefüttert hatte (der kluge Priester baut auch hinsichtlich der geschmacklichen Vorzüge seines Opferfleisches vor), habe ich das "Säule" - natürlich bei dem "Säulen-Lieferanten" meines Vertrauens erworben - auf dem Arm, als ich, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, die arxwärts emporstürme. Wind zerrt an meinem frischgewaschenen Haar und an meinem neuen Gewande, unter dem ich mein Opfermesser gegürtet habe.


    Zu Iuno, der Moneta, schlich
    Luca, den Dolch im Gewande.
    Ihn schlugen die Priester in Bande:
    "Was willst du mit dem Dolche? sprich!"
    - "Ein Säule opfern, verstehste mich?"


    Das Körbchen mit Wein, Weihrauch und Gebäck baumelt an meinem Ellenbogen, auf dem sich das Säule gemütlich gemacht hat.


    "Salve!" rufe ich und winke mit meinem freien Arm.

  • "Oh fein", freute sich Domitilla und klatsche in die Hände, was mit dem Stock doch recht seltsam anmutete. Mein Blick traf derweil beim Näherkommen des Flaviers sein Opfertier, ein kleines Schweinchen. Er trug es selbst und führte scheinbar keinen Sklaven mit sich. "Salve, Flavius", erwiderte ich den Gruß, als der junge Mann bei der sacerdos und mir angekommen war. "Salve", hauchte auch Domitilla und lächelte verzückt. Noch ehe ich fortfahren konnte, sprach sie weiter. "Du möchtest also dem cultus Iunonis beitreten? Das ist ja sagenhaft, nahezu...wundervoll. Ich-" "Ich denke, wir sollten den jungen Herren nun das Opfer zelebrieren lassen, werte Domitia. Flavius, dies hier ist Domitia Domitilla, die Tempelvorsteherin", kürzte ich das Ganze etwas ab, indem ich die Dame ungeniert unterbrach. Sogleich zeigte sich auch eine zarte Rötung auf Domitillas Wangen, und hastig nickte sie. "Oh ja, ja natürlich. Ehm, nun, gib mir am besten das Ferkelchen, dann hast du freie Hand." "Nach dir, Flavius", sagte ich und deutete die wenigen Treppen hinauf.

  • "Salve, domina Domitia Domitilla", begrüße ich die Priesterin strahlend aber ein wenig außer Atmen. Ich verneige mich. "Aurelius Corvinus, es freut mich, Dich zu sehen. Ich hoffe, es geht Dir gut."


    Das Ferkel ist inzwischen aufgewacht und schnüffelt erstmal mißtrauisch und verschlafen herum, schaut blinzelnd zwischen Domitilla, Corvinus und mir hin und her. "Wie? Ah, ja, natürlich, Domitia Domitilla, vielen Dank. Ich hatte mich nach camilli und Tempeldienerinnen umgesehen, aber die Vorsteherin hätt' das Schweinderl gerne selbst. Kann sie haben, ich lupfe es von meinem Unterarm und lege es ihr dann mit beiden Händen in ihre Arme wie ein kleines Menschenkind oder eine Welpe.


    "Es wäre mir eine Ehre, den cultus Iunonis beitreten zu können", setze ich freundlich hinzu, während wir die Stufen zum Tempel hinaufgehen.


    "Aurelius Corvinus, wer wird der Opferherr bei dieser Zeremonie sein? Gibt es ein besonders zu berücksichtigendes und drängendes Anliegen an die Himmelskönigin? Oder soll das Opfer allgemein pro salute populi Romani erfolgen?"

  • "Das kann man so sagen, ja", erwiderte ich gut gelaunt auf die Frage nach meinem Befinden. Die Vorsteherin schnappte sich derweil das Ferkel und trug es die Treppe hinauf. Opferprüfungen waren eine wichtige Sache, und da dem angehenden sacerdos im Tempelinneren zwei Opferhelfer zur Verfügung gestellt werden würden, wollte Domitia Domitilla zumindest noch einen Moment lang so tun, als sei ihre Anwesenheit recht wichtig. Voller Stolz und Umsicht trug sie das kleine Schweinchen nach drinnen und warf dem schmucken Flavier hin und wieder verstohlene Blicke zu. Keiner der Anwesenden zweifelte daran, dass ihm das Opfer mit Bravour gelingen und er in den cultus aufgenommen werden würde, mich eingeschlossen. Da gab es andere Kandidaten, die weitaus fragwürdigerer Natur waren.


    "Domitia wird die Opferherrin sein, und einen expliziten Rahmen, den es zu erfüllen gilt, gibt es nicht. Ein Opfer zum Wohle Roms ist also durchaus der Situation angemessen." Schließlich konnte ein fehlgeleitetes Opfer aus der Hand eines Lehrlings auch viel Negatives anrichten, wobei ich nicht an Lucanus dachte, sondern an diverse andere Schüler des Kultes. Große Zeremonien würde man also gewiss nicht als Prüfungen auslegen, und nach dem letztlich erfolgten Sühneopfer lag zudem kein eilendes Anliegen an.


    Inzwischen hatte Domitia Domitilla gestoppt und warf den beiden - weiblichen - tuschelnden Opferhelferinnen einen strafenden Blick zu. Sie verstummten augenblicklich und warteten in neugieriger Haltung auf Lucanus, mit dem ich soeben hinzu trat. Alle für das Opfer benötigten Dinge befanden sich sorgfältig gereinigt an ihren angestammten Plätzen, einschließlich der nun schweigenden Helferinnen. Das Schweinchen quiekte und zappelte kurz, hielt wieder inne und wartete nun ebenfalls. Domitia drückte es einem der Mädchen in die Hand, wischte sich schnell die Hände ab und lächelte den Prüfling dann aufmunternd an. "Bist du bereit?" fragte ich und hob eine Braue.

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