Schöner wohnen - eine Odyssee

  • Sie ließen einen Ochsenkarren passieren und überquerten dann die Straße. Es war der dritte Tag, den sie nun bereits nach etwas Geeignetem suchten. Eigentlich waren alle guten Dinge ja drei, aber Katander kannte Caius, und seitdem war er sich nicht mehr so sicher.


    »Nummer 77, steht hier«, sagte Caius in diesem Moment und sah sich ratlos um. Auch Katander ließ den Blick schweifen, bis er an einer leicht schrägen 77 hängen blieb. Er stupste Caius an und deutete auf das Haus, das einen recht ordentlichen Eindruck machte.
    »Sieht von außen gar nicht mal so schlecht aus.«
    »Die anderen vier sahen auch nicht schlecht aus von außen«, erwiderte Caius, und Katander seufzte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu dem Haus und besahen sich zuerst die Ladengeschäfte im Erdgeschoss der alexandrinischen insula. Zumindest gab es hier kein Fischgeschäft, wie das bei dem letzten Exposé der Fall gewesen war.
    »Na gut, gehen wir mal rein, was?« meinte Caius, passierte den Weinhändler und betrat das Haus. Katander folgte.


    Die kleine Wohnung lag im zweiten Stock, wies ein paar ganz wenige Möbel auf und lag komplett im Schatten. Der erste Eindruck war recht gut, doch dann fand Caius die Latrine, und an deren Stein einen tiefen Riss, aus dem kontinuierlich fürchterlicher Gestank emporstieg. Obwohl Katander versicherte, dass er mit ein wenig opus caementitium den Riss würde beheben können, weigerte sich der Aelier, diese Wohnung zu beziehen. So verließen sie kurz darauf also das fünfte Haus, hakten es ab und wandten sich einem weiteren zu - Caius resigniert, Katander entnervt.

  • Vor der nächsten insula waren sie mit dem Eigentümer verabredet. Ein hagerer Grieche mit missmutiger Ausstrahlung erwartete sie bereits.
    »Salve, da wären wir. Aelius Archias mein Name«, sagte Caius freundlich.
    »Und der da?« war die Antwort.
    »...ist mein Sklave Katander.«
    »Die Vermittlung sagte mir, es geht nur um einen Römer.«
    »Das äh, stimmt auch. Er ist ja nur mein Sklave«, erwiderte Caius. Damit mochte er gegenwärtig Erfolg haben, doch auf lange Sicht hin hatte er nun ein Problem mit Katander, der seinen Herrn zunächst fassungslos anstarrte, dann gehörig an roter Gesichtsfarbe gewann und sich schließlich beleidigt abwandte.
    »Na gut«, meinte der Bursche, wandte sich um und wollte die Herren hinauf in den ersten Stock führen. Katander rührte sich jedoch nicht vom Fleck, auch nicht, als Caius ihn auffordernd ansah.
    »Ich bleib hier«, entgegnete er bissig, verschränkte die Arme und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. Caius zuckte mit den Schultern, wandte sich um und folgte dem Führer hinein. Im nächsten Moment bereute er es bereits wieder, doch er blieb standhaft - im wahrsten Sinne des Wortes, denn Sitzgelegenheiten gab es hier keine.

  • Diese insula entpuppte sich als infrage kommendes, neues Domizil. Caius fand kaum Aussätziges an der Wohnung im ersten Stock. Sie bot ausreichend Platz für ihn und Katander und nötigenfalls auch für Besuch. Zwar war die Möblierung nicht der Brüller, aber daran konnte man schließlich etwas ändern, nach und nach. Der Mietpreis war ebenfalls erschwinglich, und auch wenn der Vermieter ein komischer Kauz war, so war und blieb die Wohnung die bisher beste, die Caius besichtigt hatte. Inzwischen ärgerte er sich auch mehr über Katander als er enttäuscht von ihm war.


    Kurze Zeit später kamen Caius und der knorrige Kerl wieder aus dem Haus, blieben stehen und schüttelten sich die Hand. Der Vermieter warf Katander noch einen letzten, herablassenden Blick zu, dann ging er die Straße hinunter und Caius kam auf seinen Sklaven zu.
    »Bist du jetzt zufrieden? Bona Dea, Katander! Du verhältst dich manchmal wie ne Frau«, murrte Caius und blieb neben ihm stehen.
    »Wenn du meinst«, entgegnete der Sklave möglichst desinteressiert. Caius verzog das Gesicht.
    »Ich weiß gar nicht, warum du dich überhaupt so anstellst. Was hab ich denn gemacht? Du bist ein Sklave. Meiner, um genau zu sein. Das werd ich wohl erwähnen dürfen.«
    »Ich stelle mich nicht an«, erwiderte Katander grantig.
    »Klar bin ich ein Sklave, ein niederer Mensch, aber so wie heute hast du mich das seit..seit Ewigkeiten nicht mehr spüren lassen, H e r r. Aber gut, ich werd mich daran halten, wenn du das nächste Mal in der Scheiße steckst. Schließlich steht es einem Sklaven nicht zu, sich da einzumischen. Ob das nun ein Senator ist, den du irgendwas total Verrücktes fragst, oder der praefectus Aegypti, vor dem du wie der Trottel vom Lande dastehst!«


    Katander war sauer. Er hatte Caius so gut wie nie als seinen Herren betrachtet, was größtenteils daran lag, dass sie zusammen aufgewachsen waren. Schon sehr viel früher war es stets Katander gewesen, der Caius immer wieder aus dem Schlamassel gezogen hatte. Er würde es sich beim nächsten Mal einfach verkneifen. Und Caius? Dem dämmerte nun auch, dass es Katander um sehr viel mehr ging als kurzweilig die beleidigte lukanische Wurst zu spielen. Mit tief gefurchter Stirn sah er seinen Sklaven an, der natürlich sein Freund war und das ganz bestimmt auch wusste. Gefühlsduselige Momente lagen dem Aelier allerdings so gar nicht, und deswegen schwieg er, dachte sich seinen (für Katander unhörbaren) Teil und wandte sich um, um zum Kapleion Archaon zurückzugehen. Er machte es nicht besser, indem er Katander so stehen ließ, doch jener folgte ihm nach einigen Sekunden der Enttäuschung in einigem Abstand.

  • Drei Tage später hatten der wortkarge Katander und sein optimistischer Herr einen weiteren Termin, diesmal in einer Straße, die sich noch etwas näher an der Agora befand als das letzte Exposé. Herr und Sklave redeten seit der letzten Besichtigung nurmehr das nötigste miteinander, wobei die Ankunft zweier Schreiben aus Rom ihrer Laune doch schon wieder einen kleinen Höhneflug verpasst hatte, auch wenn sie den jeder für sich genossen und nicht miteinander teilten.


    »Hier?« fragte Katander lustlos, als sie vor einem Ladenlokal an der Ecke zweier eher ruhiger Straßen stehen blieben.
    »Mhm«, entgegnete Caius.
    »Ah.«
    .
    .
    Ein Wagen holperte vorbei.
    .
    .
    Zwei alte Damen wandelten träge am Rande der Straße entlang, die eine mit Fächer, die andere mit Sonnenschirmchen, beide mit grauem Haar.
    .
    .
    Laut zwitschernd schwebten zwei bunt schillernde Vögel vorbei, sich umkreisend und neckend.
    .
    .
    Sie warteten.
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    Caius seufzte.
    .
    .
    »Also gut. Mal ehrlich, Katander. Kommst du dir da nicht selbst etwas blöde bei vor? Ich mein, es ist doch blödsinnig, dauernd den Miesepeter zu spielen.«
    »Findest du?« fragte Katander möglichst desinteressiert und erkundete Caius' Reaktion.
    »Finde ich, ja. Du bist ein guter Freund, naja, mein bester Freund, und noch dazu mein einziger hier in Alexandrien. Also wollen wir uns nicht zusammenreißen und wieder normal miteinander umgehen?« schlug Caius vor und warf Katander einen frustrierten Blick zu. Der Sklave beäugte seinen Herren, seufzte und ließ schließlich die Arme sinken, die er zuvor vor der Brust verschränkt gehat hatte.
    »Na gut. Tut mir leid. Vielleicht hab ich mich wirklich ein bisschen weibisch angestellt«, lenkte er ein und zuckte mit der linken Schulter.
    »Hast du«, erwiderte Caius und grinste erleichtert.
    »Erzähl's aber nicht Elena. Also, Seianas Sklavin«, erwiderte Katander.
    »Wie? Aaaach....« war der Kommentar dazu, gepaart mit einem amüsierten Grinsen.
    »Na komm, bist ja selbst nicht besser. Ich hab die Blicke gesehen, als du ihr den Brief geschrieben hast.« Katander feixte und neckte Caius weiter, als wär nie was gewesen.
    »Die waren ganz schön schmachtend.«
    »Sahst ja selbst nicht besser aus...«
    »Pah....«
    Eine kurze Pause entstand, dann grinsten sich beide an.


    »Na dann - willst du dir die Hütte nicht ansehen?« fragte Katander schließlich.
    »Wenn du mitkommst«, entgegnete Caius. Gesagt, getan, und nur wenige Momente später waren beide im Inneren verschwunden.

  • Drinnen war es eher stickig als angenehm, obwohl das Haus an sich eigentlich gut durchlüftet war. Im Großen und Ganzen hatte weder Caius noch Katander etwas an der Wohnung auszusetzen, zumindest nicht, bis sie vom Vermieter – der ein wenig später dazustieß - hörten, was er an Miete haben wollte. Bedauerlicherweise ließ der Mann nicht mit sich handeln, und er kam ihnen auch sonst nicht entgegen, sodass sie sich mit dem Versprechen entschuldigten, ihm nach eingehender Beratung Bescheid zu geben. Kaum waren sie draußen und an der nächsten Straßenecke, ergriff Katander das Wort.
    »Zweihundertzehn pro Monat!« Er tippet sich an die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Wahnsinn.«
    »Du sagst es. Soviel verdien ich nicht mal, und was zu essen wär da auch nicht drin. Nur wegen der zentralen Lage. Pah. Aber schön war die Wohnung ja, das muss man zugeben.«
    »Ja. Nur eben nicht für den Preis.«
    »Genau.«
    »Also suchen wir weiter?« Katanders Feststellung klang ein wenig resigniert, nicht zuletzt wegen des Seufzers, der daraufhin folgte.
    »Müssen wir wohl. Ich wollte nicht ewig im Kapleion wohnen. Du etwa?« fragte er und hob eine Braue.
    »Nein. Ich mag den Wirt nicht so.«
    »Ach naja nun, nicht deswegen. Außerdem finde ich Lyros echt nett.«
    »Mh-mh«, machte Katander nur und sparte sich jeden weiteren Kommentar dazu.


    Auch an diesem Tag fanden sie also keine Wohnung, die sie anmieten konnten. Da hieß es weitersuchen, etwas anderes blieb ihnen auch gar nicht übrig. Doch vier Tage später sollten sie endlich fündig werden, zu Katanders Erleichterung. Und es war eine durchaus hübsche Wohnung in einer netten Gegend. Es war zwar ein wenig weiter bis zur Agora und damit zu Caius’ officium, doch fand Katander ohnehin, dass seinem Herrn ein wenig Bewegung gut tun würde. Die monatliche Miete war hier deutlich geringer als beim letzten Exposé, und so war es nur noch eine Formalität, dass Caius den Vertrag unterzeichnete und sie endlich, endlich eine Wohnung in Alexandrien gefunden hatten. Es hatte schließlich nur zweieinhalb Monate gedauert. Jetzt mussten sie nur noch dem Wirt des Kapleion Archaon klar machen, dass sie aus- und umziehen würden.


    – The end –

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