Es war lausig kalt und der Frühling schien sich noch irgendwo im Osten zu verlustieren, in Rom war er jedenfalls eindeutig noch nicht angekommen, und so fröstelte ich ziemlich, als ich auf die rostra stieg, um meine Amtszeit offiziell abzuschließen. Wäre es nicht ein Teil meiner Pflicht gewesen, hätte ich diesen schwachsinnigen allgemeinen Vortrag darüber, wie toll ich als vigintivir angeblich gewesen sein sollte, am liebsten ausfallen lassen, denn die eigentlich entscheidenden Momente einer solchen Amtszeit konnte man de mäßig interessierten Menge ohnehin kaum wirklich vermitteln. Aber es musste sein, und das alles hier funktionierte schließlich nicht nach dem Lustprinzip, also wartete ich, bis ein paar der müßigen Passanten einigermaßen aufmerksam in meine Richtung zu blicken begannen - denn auf die kam es an, dass ich den ganzen Rattenschwanz meiner Klienten, beziehungsweise der Klienten meines Vaters, die ich übernommen hatte, mitgeschleppt hatte, war letztendlich nur dazu gedacht, dass wenigstens irgendeiner klatschte und so wirkte, als wäre er von mir begeistert. Ich hob die rechte Hand in Rednerpose an und räusperte mich, bevor ich meinen Vortrag des Heraushebens meiner ausgezeichneten Arbeit begann, mich innerlich wegen der Übertreibungen und Halbwahrheiten windend. Dieses Jahr war schnell vorübergezogen, erstaunlich schnell sogar, und nun fiel es mir schwer, es in wenige Worte zu pressen.
"Quirites! Vor einem Jahr erwies mir der Senat Roms die Ehre, mich als Magistraten zu wählen und mir jenes Amt zuzusprechen, das ich mir gewünscht hatte - und so verbrachte ich die letzten zwölf Monate damit, als tresvir capitalis meinen Dienst an Rom zu verrichten. Ich habe mich um unaufgearbeitete Akten meines Amtsvorgängers gekümmert, mit den vigiles eine gute Zusammenarbeit die Brandwache betreffend angestrebt und habe, wie es nach Gerichtsprozessen nun einmal auch der Fall ist, für die Hinrichtung verurteilter Straftäter gesorgt. Ihr erinnert euch sicherlich an den prominentesten Fall der letzten Zeit, den des Finn Kylian - unter meiner Aufsicht fand er den Tod ad bestias. Viele der Stunden meiner Amtszeit verbrachte ich aber auch bei euch, den Bürgern Roms, auf dem Weg durch die Straßen der Stadt, um Streit zu schlichten und jenen, die eines guten Rats oder der Hilfe bedurften, jenen zu bieten. Viele Zwistigkeiten des täglichen Lebens lassen sich schon oft lösen, bevor man sich gegenseitig den Schädel einschlägt oder in einem Prozess Anwälte und Richter bemühen muss, und so war es mir eine Pflicht und Freude zugleich, eure Einsicht und Geduld am eigenen Leibe sehen und erleben zu dürfen." Ich machte eine kurze Pause, die Laune meiner Zuhörerschaft abschätzend, um dann fortzufahren.
"Erfreulicherweise gab es nur wenige säumige Schuldner, die ihre Bußgelder nicht bezahlt hatten, sodass ich von dieser Tätigkeit meines Amtes sehr wenig erleben musste, auch das spricht für die Selbstdisziplin der Bürger dieser Stadt und ich möchte dies an dieser Stelle ausdrücklich lobend erwähnen. Vieles von dem, was ich während dieses einprägsamen und für mich bedeutsamen Jahres erlebt und gesehen habe, macht mich stolz auf Rom, auf die Bürger, die das Lebensblut der Straßen dieser Stadt und dieses Reiches sind, und erfüllt mich mit der Freude darüber, euch mit meiner Arbeit gedient zu haben. Besonders dabei hervorheben möchte ich die erfolgreiche Arbeit mit all jenen, deren Tätigkeiten für Rom nicht minder wichtig waren - den tapferen Männern der vigiles, den cohortes urbanae und auch dem praetor urbanus. Auch meinem Neffen Flavius Lucanus gilt mein Dank, der mich in diesem Jahr als scriba personalis entscheidend unterstützt hat - so darf ich mit der Hoffnung schließen, dass es mir wieder vergönnt sein wird, meine Kraft Rom zu widmen und dabei auf so außergewöhnliche und interessante Menschen zu treffen wie ich es in diesem Amtsjahr tat." Abschließend nickte ich den Anwesenden zu und atmete tief durch. Das Jahr war vorüber, und nun würde ich sehen, was die Zukunft brachte. Hoffentlich keine fliegenden Eier oder sonstige Unmutsbekundungen.