Immer diese Legionäre!

  • Es war doch immer das Gleiche, mit diesen Legionären. Immer und immer wieder schafften es diese erstaunlichen Personen, irgendetwas auszufressen, was sie eben nicht ausfressen sollten. Mal wurden Sachen aus den Horrea geklaut, mal Probati gedemütigt, mal kamen sie besoffen aus der Stadt zurück, ohne sich für ihr Gelage abgemeldet zu haben und andere Variationen jeder Art. Da vergaß man auch schnell mal, dass es auch Legionäre gab, die sich brav an die Regeln hielten und somit den Beruf eines Centurios erleichterten. Dazu zählte sogar ein Großteil der Legion. Schade nur, dass das nicht absolut jeder so sah. Manche dachten wohl, die Legion sei eine Spielwiese, ganz nach der Devise: "Abenteuerurlaub Armee! Spaß garantiert!". So ein Gefühl hatte der von seinen Männern so genannte, trotzdem gefürchtete Schreihals manchmal.


    Auf einem ganz normalen Patrouillenzug durch das Castellum fand Reatinus schon ein Unheil, welches selten vorkam, aber dafür umso schwieriger zu bereinigen war. Zwei Legionäre lieferten sich einen Faustkampf, warscheinlich nicht ohne Grund. "Was man nicht so alles in seiner Karriere mitbekommt...", seufzte Reatinus und lief mit großen Schritten auf das Prügelduo zu. Als er ankam, verstummte einer der Legionäre und zeigte mit blasser Miene hinter seinen Kontrahenten, wo auch der Centurio stand.


    "Öhh... Fullo, hinter dir, der Centurio!"


    Doch besagter Fullo hatte für seinen Eigentlich-Kameraden nur Spott und Hohn übrig.


    "Hah! Hispo, du bist ein größerer Idiot, als ich dachte! Meinst du, ich falle auf solche Tricks rein!? Als würde der Schreihals jetzt hinter mir stehen und zugucken, wie ich dir die Fresse poliere! Das alte, dumme Arschloch merkt doch sowas nicht!"


    "Aber... er steht wirklich hinter dir, Fullo! Du musst mir glauben!"


    "Halt´s Maul und kämpf!"


    Der Legionär Fullo wollte gerade zu einem weiteren Schlag ausholen, als Reatinus sich laut räusperte. Erschreckt zuckte er zusammen, sein Gesicht lief hochrot an und mit ahnendem, verängstigten Gesichtsausdruck wandte er sich langsam in Richtung Centurio. Es war für ihn, als stand dort das personifizierte Grauen. Tatsächlich legte Reatinus einen seiner verhängnisvolleren Blicke auf. Da hatte man ja nur eine Wahl: Angst bekommen,


    "Fullo! Gewalt gegen Kameraden und Beleidigung eines Offiziers also! Das kommt dir teuer zu stehen, sei dir dessen sicher! Du Narr hättest deinem Kameraden glauben sollen!"


    "Centurio... ich kann das erklären!"


    "Ich habe alles mitbekommen, Legionarius! Du hast dich ehrlos verhalten, für den Rest des Tages und morgen legst du dein Cingulum Militare ab! Dir blüht Schlimmes, wenn ich dich vor Ablauf der Zeit damit erwische! Abite!"


    "Aber... aber..."


    "Abite!!"


    Damit ging Legionarius Fullo völlig wortlos, verzweifelt mit seiner Situation seines Weges... ohne Cingulum Militare, versteht sich. Reatinus war nicht so, wie andere Offiziere. Er musste so hart durchgreifen, doch hasste er es. Andere liebten es. Er wandte sich an Hispo, der ja auch nicht unschuldig sein konnte.


    "Legionarius, was war los?"


    Durch den Schrei des Centurios musste sich der Legionär erst noch fangen und ein wenig den unerwarteten Schreck verdauen. Danach schilderte er, was los war. Er merkte schnell, dass es sich in der Legion auszahlte, ehrlich zu sein. Bei Reatinus zumindest war es strafmildernd.


    "Ich... ich habe Fullo eine Ration Essen gestohlen und er war sauer darüber... er wollte sie zurück, aber ich gab sie ihm nicht, Centurio Artorius!"


    Reatinus merkte schnell, dass es die Wahrheit war.


    "Gut... normalerweise wären es zwei Wochen in den Latrinen. Eine Woche, da du ehrlich warst und du mir die Arbeit erspart hast, dir die Lüge von den Augen abzulesen! Ich erwarte, dass du Fullo seine Sachen zurück gibst! Abite!"


    "Jawohl, Centurio!"


    Damit ging auch Hispo von dannen und Reatinus blickte kopfschüttelnd hinterher. Einen Vorteil hatte es doch. Die Latrinen der Legion waren immer sauber, da es immer "Freiwillige" zum Putzen gab!

  • Ursus war auf die Prügelei aufmerksam geworden, da einige Legionäre gerade Wetten abschlossen und in die Richtung deuteten. Er bedachte sie mit einem finsteren Blick, woraufhin sie schnell das Weite suchten, während er sich der Szene näherte, um der Sache notfalls ein Ende zu machen. Doch ein Centurio war schneller als er und so wurde Ursus Zeuge der Geschehnisse. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik und er mußte sich wirklich schwer zusammenreißen, um nicht zu schmunzeln.


    Entehrung war also die Strafe. Das war hart für einen Legionär. Doch war es hart genug in diesem Fall? Ursus war sich da nicht so ganz sicher. Doch wie vertrug sich das mit dem, was er bisher gehört hatte von den Sitten bei der Legion? Hieß es nicht, die Centurionen seien mit dem vitis schnell dabei und bei Bestrafungen eher zu hart als zu nachsichtig? Vielleicht konnte er die Sache einfach noch nicht genug beurteilen und sollte sich mit derartigen Dingen eher zurückhalten.


    Als die Legionäre abgezogen waren, trat Ursus näher an den Centurio heran. "Na, da weiß man doch gleich, daß man bei der Legion ist. Dein Organ ist ja wirklich bewundernswert durchdringend, Centurio." Er grinste ein wenig frech, stellte sich dann aber vor. "Tribun Titus Aurelius Ursus."

  • Reatinus wollte gerade wieder gehen und sein Tagewerk weiter fortsetzen, als ihn jemand von der Seite ansprach. Die Stimme kam ihm völlig unvertraut vor, und so... aristokratisch. Musste wohl irgendein Stabsoffizier sein, der ja die Gelegenheit hatte, seine Stimme zu schonen. Und sein Verdacht wurde jeher bestätigt, als Reatinus einen Tribunen erblickte. "Centurio Servius Artorius Reatinus! Danke für das Kompliment, Tribunus! Jahrelanges Training!", stellte Reatinus sich vor, scherzte ein klein wenig und nahm die formelle Haltung an, die man bei höheren Dienstgraden als sich selbst eben annahm. (Das passierte einem Centurio nun auch nicht allzu oft).
    Dem folgte ein gekonnter Salut. Er konnte sich jedoch nicht verkneifen, auf den ironischen Spruch des Aureliers zurück zu grinsen... und der neue senatorische Tribun war der Aurelier also auch. Hoffentlich hatte der Kerl was drauf, zumindest administrativ. Reatinus war überzeugt, dass man bei den senatorischen Tribuni ein wenig aufpassen sollte. Moment mal! Hörte er da etwa "Aurelius"?!
    Tatsächlich... das war ein Aurelier, Reatinus hatte sich nicht verhört. Sein ehrenwerter Patron war dieser Gens angehörig. Erstaunlich, wie klein die Welt doch war, die in den Augen der Römer noch eine Scheibe war. Er kämpfte ein wenig mit sich, ob er das überhaupt erwähnen sollte. Aber der Kerl schien ja wirklich nicht so einer zu sein, der deswegen gleich an die Decke springt. Also gab sich der Centurio einen Ruck.


    "Verzeih, Tribun... ich hörte gerade, du seist bei der Gens Aurelia, nicht? Dann haben wir eine Gemeinsamkeit. Kennst du meinen Patronen, Marcus Aurelius Corvinus?".

  • Der Centurio schien ihm seinen kleinen Scherz nicht übel zu nehmen, das machte ihn doch gleich schon ein gutes Stück sympathischer. "Erfreut, Dich kennenzulernen, Centurio Artorius." Er grinste noch ein wenig breiter. "Jahrelanges Training also? Hätte ich das nur früher gewußt. So werde ich wohl keine Perfektion darin erreichen können." Er schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf.


    Ein wenig erstaunt blickte er den Centurio dann aber an, als dieser ihm eröffnete, daß Corvinus sein Patron war. Wieder einmal etwas, was Corvinus ihm nicht gesagt hatte. Innerlich grollte er ihm wieder einmal, denn das wäre ja doch eine Information von Interesse gewesen. Wieviele Klienten hatte er hier noch? Verdammt, gerade hatte Ursus geglaubt, daß sein Verhältnis zu Corvinus sich endlich besserte und nun so etwas. Doch natürlich ließ er sich davon nichts anmerken.


    "Ja, ich kenne Aurelius Corvinus. Er ist zwar nur ein paar Jahre älter als ich, aber dennoch ist er mein Onkel. Wenn Du sein Klient bist, freut es mich natürlich doppelt, Dich kennenzulernen." Er musterte Raetinus jetzt mit ungleich mehr Interesse. Warum wählte ein Centurio ausgerechnet Corvinus zum Patron? Er konnte ihm doch eher wenig weiterhelfen, wenn es um die militärische Laufbahn anging. Und um ihm in den Ritterstand zu verhelfen... reichte der Einfluß von Corvinus dafür schon aus? Nunja, das sollte seine Sorge nicht sein. "Vielleicht hast Du es schon gehört? Falls nicht: Dein Patron wurde gerade zum Quästor gewählt." Und mit etwas Glück würde er anschließend hoffentlich in den Senat berufen.

  • "Ja, mit der Stimme fängt man zunächst klein an... wenn man als Optio genügend Zeit zum ´üben´ hat, kommt das von ganz alleine!", sprach Reatinus schmunzelnd. Reatinus ließ die offensichtlich mehr interessierte als routinemäßige Musterung über sich ergehen. Reatinus wurde nun nach so langer Zeit nicht mehr gemustert. Das passierte eigentlich nur, wenn man Probatus oder Legionär war, als Optio eher weniger und als Centurio... hm... wann eigentlich? Aber auch Reatinus sah sich den frischgebackenen Tribunen neugierig an, aber wusste irgendwie nicht, ob er jetzt seine Haltung lockern konnte. Er beließ es dabei... besser, als noch als Centurio wegen ungebührenden Verhaltens ermahnt zu werden! Der Aurelier schien überrascht darüber zu sein, dass Reatinus Corvinus erwähnte.
    "Ja, das habe ich gehört, Tribunus, wir halten regelmäßigen Briefkontakt. Es freut mich umso mehr für ihn, denn er wird es garantiert noch weit bringen.". Reatinus warf dem Aurelier ein freundliches Lächeln zu. Der Mann schien garnicht so übel zu sein, für einen senatorischen Tribun. Der würde es sicherlich noch zu irgendetwas bringen im Senat. Schnell änderte Reatinus seine negative Meinung zu den Tribuni Laticlavii. Sie waren doch irgendwie wie jede andere Gruppe. Man durfte sie nie in einen Topf werfen. "Verzeih mir, dass ich so frech frage,Tribun... doch woher kommst du denn?".

  • Ursus bemerkte, daß Raetinus noch immer stocksteif dastand. "Wie wäre es, wenn wir ein paar Schritte gehen würden? Hier mitten auf der Via Praetoria stehen wir ja doch ziemlich im Weg herum." Eine Reihe von Soldaten schauten mehr als neugierig herüber. Und von der anderen Seite näherte sich eine Abteilung der Eques. "Ja, er wird es ganz sicher noch weit bringen. Er weiß, was er will und ist vertrauenswürdig und gewissenhaft." Niemals würde er etwas anderes behaupten - außerhalb der Familie.


    "Woher ich komme? Aus Rom. Ich bin in Rom geboren und aufgewachsen. Doch ich bin einige Jahre in Griechenland gewesen für meine Ausbildung. Erst vor knapp zwei Jahren kehrte ich nach Rom zurück." Er war ein wenig erstaunt über die Frage. Hatte er irgendetwas gesagt, was eine solche Frage nahe gelegt hatte? Doch dann fiel es ihm ein. Corvinus. Natürlich, es mußte Reatinus befremden, daß Corvinus ihm nichts von seinem Klienten gesagt hatte. Doch irgendwie war Ursus nicht der Meinung, daß er in dieser Beziehung irgendjemandem Rechenschaft schuldig war. Corvinus hatte mehrere Ämter zugleich inne, er selbst war als vigintivir auch nicht gerade von Langeweile geplagt gewesen. Sie hatten sich kaum gesehen.


    "Und wo liegt Deine Heimat, Centurio?", fragte Ursus lächelnd zurück, während sie in Richtung des Exerzierplatzes abbogen.


    [SIZE=7]Edit: kleine Verwechslung[/SIZE]

  • Wenn Ursus aus Rom stammte, verband die beiden Offiziere eine weitere Gemeinsamkeit. Und tatsächlich kamen immer mehr Schaulustige aus der Umgebung vorbei, als sähen die beiden ungewöhnlich aus. Reatinus war ja selbst mal Legionarius, aber irgendwie konnte er jetzt auch nicht verstehen, warum Ursus und er jetzt ein solches Phänomen abgaben. Sogar einen Blick auf sich selbst herab konnten sie ihm entlocken. Aber es war nichts. Reatinus sah in der Uniform aus, wie immer. Naja, auch egal. "Du hast recht, wir wollen den Verkehr nicht aufhalten.", scherzte Reatinus und setzte sich mit Ursus in Bewegung. Danach hörte Reatinus die Meinung Ursus´ über Corvinus. Aus Reatinus´ Sicht stimmte das sogar alles, auch wenn es so schien, als wären Ursus und Corvinus zerstritten. Aber der liebevoll genannte Schreihals konnte das natürlich nicht wissen und stimmte einfach nur zu: "Ja, das ist er... vertrauenswürdig und gewissenhaft. Ein guter Mann!".


    Danach bogen sie in Richtung des Exerzierplatzes ab. Reatinus Heimat... er hatte sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Und seine Gens genauso wenig. Er hatte seinen Bruder Imperiosus äußerlich nur so in Erinnerung, als er Rom verließ und sich bei der Legio II mustern ließ. Nun war es schon eine handvoll Jahre her. Reatinus und sein Bruder hatten sich nun beide zu Centurionen hochgedient. War doch nichts zu beklagen, an solch einer Karriere. Das bekam nicht jeder auf die Beine.
    "Meine Heimat ist ebenfalls Rom... dort bin ich geboren und aufgewachsen. Ich vermisse das warme Wetter dort und das herrliche Klima. Manchmal lenkt der Gedanke daran an den germanischen Winter ab!"

  • "Ja, das ist er", nickte Ursus und mußte unwillkürlich schmunzeln, als Raetinus sein Ausssehen kontrollierte, um einen Grund für die Neugierde der Soldaten zu finden. Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, als sie weitergingen, war das Interesse an ihnen augenscheinlich erloschen.


    "Du stammst ebenfalls aus Rom? Was hat Dich dann in das kalte Germanien verschlagen? Ich muß gestehen, daß ich recht neugierig auf dieses Land bin. Aber länger als ein Jahr möchte ich mich hier nicht aufhalten, denke ich. - Was reizt Dich an Germanien?" Ursus hatte schon häufiger gehört, daß manche Menschen sich geradezu gerne hier aufhielten. Andere wiederum haßten dieses Land wegen des Wetters. Es schien nur eines von beidem zu gehen: Germanien lieben oder hassen.


    "Wenn man direkt aus Rom kommt, sieht es hier wirklich trostlos aus. Zuhause grünt und blüht alles schon und die Sonne wärmt schon recht gut. In den Parks ist es zur Zeit einfach herrlich." Ein klein wenig Sehnsucht mischte sich doch schon wieder in seine Stimme. Dabei war er doch gerade erst hier angekommen. Und wollte Germanien auch durchaus eine Chance geben.

  • Was zog Reatinus überhaupt nach Germanien? Wenn er so darüber nachdachte, musste er selbst noch nachdenklich drein blicken und grübeln. Germanien war kalt und oft auch dunkel und trostlos. In Italia scheinte regelmäßig die Sonne, es gab weit südlich der Alpenregionen keinen Schnee, es war warm und die Wiesen waren so gut wie das ganze Jahr in einem wunderschönen Grünton gehüllt. Wer würde da noch nach Germanien gehen und das alles eintauschen? Naja, Reatinus tat es und er konnte sich nach einigen Augenblicken auch dazu äußern: "Wer freiwillig nach Germanien geht, muss wohl jemand sein, der gerne friert. Zumindest im Winter, der kann hier grauenhaft sein!", erklärte Reatinus lachend. Obwohl er eine kräftige, orkanbeschwörerische Exerzierplatzstimme besaß, war sein Lachen umso angenehmer und seine Stimme umso gemütlicher, wenn sie denn gemäßigt war. "Aber ich habe mich für Germanien entschieden, weil hier der beste Platz für mich war, das römische Volk zu schützen. Selbst wenn wir freundlich gesinnte Nachbarn jenseits des Limes haben, so gibt es doch immer wieder Feinde, die sich auch immer wieder bemerkbar machen.". Das war sein Grund und Reatinus fand ihn gut. Wie immer war es ein Job, den irgendjemand erledigen musste.
    Während die beiden Offiziere wieder um eine Ecke abbogen, fiel Reatinus eine neue Frage ein. Als hätte das Abbiegen Reatinus´ Gesprächsstoff erweitert. Er stellte sie auch gleich, ehrlich und direkt wie er nunmal war. "Hast du dir das römische Reich jemals ohne die Legionen vorgestellt, die es beschützen? Ich mag nicht daran denken, was dann los wäre... ich sehe mich als einer von vielen, die dazu beitragen, dass solche Horrorvisionen nicht Realität werden. Aber auch Neugierede trieb mich in dieses Land - ähnlich wie dich. Ich könnte sagen, dass ich auch mal wissen wollte, wie sich die Kälte anfühlt, im Gegensatz zum sonnigen Italien.". Reatinus schmunzelte, wie zufrieden er doch eigentlich mit seinem Schicksal war.

  • Man konnte es Raetinus geradezu ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Hatte er sich diese Frage tatsächlich noch niemals selbst gestellt? Ursus schmunzelte, während er auf die Antwort des Centurios wartete. Und es vertiefte sich noch, als Raetinus eine erste Vermutung äußerte. "Vielleicht gibt es auch einfach Menschen, denen Rom zu warm ist", mutmaßte er im Spaß, hörte dann aber weiter zu.


    "Vom germanischen Winter habe ich schon die unglaublichsten Gruselgeschichten gehört", lachte Ursus. Natürlich waren die Winter hier wirklich kalt. Doch manches war mit Sicherheit übertrieben. "Ich werde es ja unweigerlich erleben. - Und später dann ebenso übertriebene Geschichten darüber verbreiten. Wie sich das gehört."


    Doch er wurde wieder ernst, als Raetinus darauf aufmerksam machte, was die Legionen an den Grenzen leisteten. Er schüttelte den Kopf. "Nein, das stelle ich mir lieber nicht vor. Ich bin wirklich froh, daß die Legionen die Grenzen des Reiches und auch das Innere des Reiches schützen. Und mir ist auch durchaus bewußt, was sie großartiges leisten. Deshalb wollte ich unbedingt ein Tribunat ableisten, obwohl ich nicht dazu verpflichtet wäre. Die Legionen sind ausgesprochen wichtig für Rom. Ich möchte kennen, worüber im Senat gesprochen und teilweise entschieden wird. Denn mein Ziel ist ein Sitz im Senat. - Dann war die Legion also immer schon Dein Ziel? Jetzt mal abgesehen von Germanien?" Denn zumindest hörten sich seine Worte so an, als hätte er nie etwas anderes gewollte, als Soldat zu werden. Er sah auch eigentlich recht zufrieden aus.

  • Ach ja, die Gruselgeschichten über den germanischen Winter. Sie waren doch eine der banaleren Dinge, die man hier vorallem von den Heimischen zu hören bekam. Und doch irgendwie waren sie weit verbreitet, da abergläubische Reisende das mit in ihre Heimat nahmen und es wiederum unter den Abergläubischen verbreiteten. Im Prinzip also nach dem Schneeballsystem. In einer Nacht in der Taberna bekam man solche Horrorstorys unweigerlich mit, so auch Reatinus, als er sich einmal entspannt ein Vinum gönnen wollte. Und es war ohne Zweifel die banalste Geschichte, die er je zu hören bekam. Auf jeden Fall spielten Schneeungeheuer, die des Nachts auf Opfer lauerten eine große Rolle... aber das war nun wirklich eine ganze andere Geschichte und sollte viele Jahrhunderte später von dem jungen Mann, der diese Geschichte hier erzählt nicht vertieft werden. ;)


    Stattdessen interessierte sich Reatinus für Ursus´ Ambitionen. Sie waren nicht gerade bescheiden, aber aus der Sicht eines Patriziers wohl noch moderat, dachte Reatinus. Für sie war es ja einfacher, einen der beliebten Senatssitze zu ergattern, als für einen normalen Plebejer.
    "Das kann ich verstehen...", nickte Reatinus, als der Aurelier ihm schilderte, dass er dies verstehen wolle, "Es kann ganz schön in die Hose gehen, wenn man etwas anfängt und keine Ahnung davon hat.". Natürlich sagte der Artorier nicht direkt, dass er selbst mal Legionarius war und einige Erfahrungen mit solchen Fällen sammeln konnte.
    Sein Ziel war Reatinus zumindest schon seit seiner Kindheit klar. "Ja, sie war schon immer mein Ziel. Klingt komisch, aber schon als kleiner Junge habe ich zu meinem Vater ständig gesagt ´Papa, ich will mal Soldat werden um dich zu beschützen!´". Tatsächlich hatte Reatinus schon als Junge diese Ambitionen, doch den Vater beschützen konnte er jetzt leider nicht mehr. Er fand das schade. Sein Vater wäre wohl stolz gewesen, ihn mit der Crista Transversa auf dem Haupt zu erblicken... aber alles Leben fand eben sein Ende.
    Reatinus versuchte, nicht mehr daran zu denken. Das war nun schon Schnee von gestern... "Sag, du möchtest doch zum Senat, Tribunus? Welche Art von Karriere schwärmt dir da vor?".

  • Ursus mußte unwillkürlich lachen, als Raetinus davon berichtete, wie er schon als Kind seinen Vater beschützen wollte. "Also ein Soldat aus wahrer Leidenschaft." Das war wohl auch der Grund, warum Raetinus es bereits zum Centurio gebracht hatte. Er war ja noch vergleichsweise jung, mußte sich also schon ziemlich hervorgetan haben. Und Corvinus hätte ihn sicherlich auch nicht als Klienten angenommen, wenn er sich nicht besonders bewährt hätte.


    "Oh, mein Traumziel ist natürlich, zum Consul gewählt zu werden." Er lachte und schüttelte den Kopf. "Davon bin ich noch sehr, sehr weit entfernt. Ich denke, wenn ich es schaffe, einen Sitz im Senat zu erhalten, dann habe ich schon eine Menge erreicht. Das ist jetzt erst einmal das Ziel, auf das ich hinarbeite. Wenn es erreicht ist, stecke ich mir das nächste Ziel. Wer weiß, was sich auf dem Weg dorthin noch alles ergibt? Im Moment möchte ich möglichst viel lernen, um mir breites Wissen anzueignen als Grundlage für künftige Tätigkeiten. Wie genau mein zukünftiger Weg aussehen wird, weiß ich noch nicht, da ich noch nicht alles kenne. Wer weiß? Vielleicht entdecke ich hier ja sogar noch meine Leidenschaft für das Militär?" Er grinste breit. In der Tat gefiel es ihm bisher gar nicht so schlecht. Allerdings war er auch gerade erst angekommen und hatte noch keinen tiefen Einblick in die Gegebenheiten. Und mit Problemen war er noch überhaupt nicht konfrontiert worden.

  • "So könnte es man es sagen!", lachte Reatinus. Er war nicht umsonst Centurio geworden, denn er ging aus mehr Gründen zur Legion, als nur ein Dach über dem Kopf zu haben und Speise zu bekommen. Dagegen schien Ursus eine andere Meinung zu haben, aber sie schien nicht weniger richtig zu sein, als jene von Reatinus. Er schmunzelte den Aurelier an.


    "Dein Traumziel ist aber ziemlich hoch gesteckt.", kommentierte Reatinus scherzhaft, "Aber meines ist ja auch nicht gerade bescheiden! Wer wäre denn mal nicht gerne Legat...". Ursus ging nach einem ähnlichen Schema vor, wie Reatinus. Erst ein Ziel, dann das andere... ja, so handhabte Reatinus es auch. Sein zurzeitiges Ziel war die Aufnahme in den Ordo Equester. Auch schien der senatorische Tribun eine Interesse an der Leidenschaft für das Militär zu haben. Nunja, Reatinus war Vollblutsoldat. Von daher war die Leidenschaft für das Militär schon von ganz alleine gegeben, aber unter den Mannschaftsdienstgraden wurde das öfter unterdrückt... zumal die Centuriones und ihre Weggefährten immer wieder für Disziplin sorgen mussten. Die Legion war eben kein Kinderspielplatz. Aber Leidenschaft für das Militär konnte man hier unter Umständen durchaus finden.
    "Wer weiß... vielleicht wirst du sie finden. Du musst nur danach suchen.", resümierte der Artorier.

  • Ursus grinste breit. "Ja, sollte das bei Traumzielen nicht auch so sein? Legat ist für einen Centurio ja auch nicht gerade ein leicht zu erreichendes Ziel." Es imponierte ihm, daß Raetinus so hoch hinaus wollte. Für die meisten Soldaten wäre schon der Lagerpraefect ein unerreichbares Ziel gewesen.


    "Warten wir es ab. Jetzt am Anfang ist es wirklich zu früh zu sagen, ob das Militär in meiner Zukunftsplanung eine größere Rolle spielen könnte." Er wollte das ganz auf sich zukommen lassen.


    "Sag mal... Senatorische Tribune haben doch beim Militär keinen besonders guten Ruf, nicht wahr? Gibt es irgendwelche Standartfehler, die so ziemlich jeder macht? Ich würde diese Fehler ganz gerne vermeiden", lachte er. Alienus hatte ihm ja nichts verraten wollen, um den Männern den Spaß nicht zu verderben. Aber Ursus wollte zumindest noch einen Versuch starten, um zukünftige Blamagen zu vermeiden.

  • Eigentlich hätte Reatinus sich den Spaß ebenfalls nicht verdorben und dem Aurelier nicht verraten, was für Fehler ein senatorischer Tribun vermeiden sollte. Aber er schien ein sympathischer Mann. Und außerdem wollte Reatinus kein schlechtes Bild für seinen Patronen abgeben, zumal dieser doch der gleichen Patrizierfamilie entstammte, wie Ursus. Nein, Reatinus vergaß diesen Spaß ganz schnell und schilderte Ursus seine Sicht der Dinge. Zumindest so viel, wie er schildern konnte. Aber die Fehler eines senatorischen Tribunen sprachen sich selbst unter den Centuriones schnell herum, wie es das Schicksal wollte. Nicht selten waren diese Fehler mit Schaden verbunden. Aber der Aurelier hatte bestimmt etwas auf dem Kasten.


    "Nunja... vermeide es, Schaden anzurichten und alle sind mit dir zufrieden.", erklärte Reatinus gespielt geschäftsmäßig, "Und lass dir nicht unbedingt von jedem auf dem Kopf rumtanzen. Du bist Offizier. Du hast deine Autorität. Schütze sie wie deinen Augapfel.". Während Reatinus erklärte, blieb er kurz stehen. Vor den beiden war eine Truppe Probati, welche einen Übungsmarsch um das Intervallum machte. Frischlinge. Als die Kolonne jedoch passiert war, lief Reatinus wieder gemütlich weiter. Das Lager war nun in dieser Zeit auf Hochtouren. Auf dem Platz hörte man die Soldaten trainieren, überall streiften geschäftige Soldaten an einem vorbei... Lageralltag eben!

  • Ursus lächelte. Schaden anrichten wollte er gewiß nicht. Wenn etwas gut organisiert war und gut lief, dann sollte man daran auch nichts ändern, nur um "tolle" Änderungen vorweisen zu können, um sich zu profilieren. Ursus konnte sich schon vorstellen, daß mancher seiner Vorgänger dafür einiges durcheinander gebracht hatte. Er würde bestimmt genug Gelegenheit bekommen, seine Fähigkeiten zu beweisen, wenn es um den Ausbau des Limes ging.


    "Danke für den Hinweis." Sie mußten stehen bleiben, um eine Gruppe Probati vorbeimarschieren zu lassen. Seine Autorität schützen. Das würde wohl der schwierigere Teil werden, wenn er die Ratschläge von Raetinus befolgen wollte. Da er hier noch neu war und mit Militär bisher so gut wie nichts am Hut gehabt hatte, kannte er natürlich auch nicht die Wege, wie man sich Autorität verschaffte und erhielt. Also mußte er die Offiziere beobachten, wie sie es machten. "Ich werde mir Mühe geben. Aber leicht ist es nicht, so ganz ohne vorherige Erfahrungen. - Bildest Du eigentlich auch aus? Wie läuft die Ausbildung eines Soldaten für gewöhnlich ab?"

  • Natürlich bildete Reatinus auch aus. Schließlich war es seine Aufgabe, die Centuria bei voller Mannstärke und fit zu halten. Man musste ja was für die 450 Sesterzen Sold tun, die man als Centurio verdiente. Das Fünfzehnfache eines Legionärsgehalts. "Ja klar bilde ich aus!", lachte Reatinus. Danach schilderte er dem Tribunen, wie sich die Grundausbildung eines Probatus gestaltete. Abwechslungsreich in ihren Disziplinen, aber auch in ihrer Härte. "Chrashkurse gibt es übrigens nicht - jeder Legionär bekommt die gleiche Ausbildung. Keine halben Sachen. Jeder wird ausgebildet, bis er seine Fertigkeiten so entwickelt hat, um sie im Schlaf einzusetzen. Nur so lassen sich die Probati anschließend in die Truppe eingliedern. Übrigens werden die Legionäre auch desöfteren fortgebildet. Sie sollen mir ja nicht einrosten!".


    Reatinus sah dem Aurelier ins Gesicht. Symphatisch. Er sollte sein Bild bezüglich der senatorischen Tribune vielleicht wirklich ändern. "Das sind jedoch meine Angelegenheiten.", wandte Reatinus noch feststellend ein, "Deine Aufgaben werden wohl am Schreibtisch ablaufen, oder nicht?".

  • Aufmerksam hörte Ursus den Ausführungen des Centurios zu. Die Ausbildung war ja doch wesentlich umfangreicher und gründlicher, als er es sich so vorgestellt hatte. "Wenn man bedenkt, daß die Männer ja ganz nebenbei zusätzlich auch noch Bauarbeiten durchführen, muß man wirklich zugeben, daß sie erstaunliches leisten. Und noch dazu für verflixt wenig Geld." Gut, er hatte ein Jahr lang freiwillig hart gearbeitet ohne auch nur die geringste Anerkennung dafür zu erhalten. Weder in Geld, noch in einer Auszeichnung. - Auf die er allerdings gehofft hatte. Doch bei ihm war es nur ein Jahr gewesen - erstmal. Die Soldaten dienten zwanzig Jahre! Gut, natürlich konnten sie aufsteigen und dann auch mehr Geld verdienen. Doch das kam nur für einen Bruchteil der Männer in Frage.


    "Ein großer Teil meiner Aufgaben wird natürlich am Schreibtisch zu erledigen sein. Aber ich habe dem Legaten zu verstehen gegeben, daß ich hier bin, um das Militär kennenzulernen und nicht, um in einem officium zu versauern. Schließlich bin ich freiwillig hier und habe nicht einfach ein Jahr abzusitzen. Daraufhin wurde mir die Reiterei anvertraut. Und der Limesausbau. Mein Vorgänger hat die Vorausplanung schon erledigt. Jetzt geht es daran, zur Tat zu schreiten. In ein paar Tagen werden Tribun Terentius und ich mit der Turma III zum Limes reiten. Die Turma IV muß abgelöst werden und wir schauen uns an, wie die Lage zur Zeit ist, und wie wir am günstigsten beginnen." Er freute sich schon auf diesen Ritt. Dabei konnte er sich nicht nur ein genaueres Bild von der vor ihm liegenden Aufgabe machen, sondern auch das Land etwas besser kennenlernen.

  • Natürlich war der Sold eines einfachen Legionärs nicht gerade hoch. Doch man konnte damit gut leben, zumal man ja Essen und ein Dach über dem Kopf bekam. Andere mussten sich das selbst leisten und brauchten entsprechend mehr Geld. Doch auch war es eine Entscheidende Tatsache, dass ein einzelner Mann zwar wenig Geld bekam, doch die breite Masse der Männer einer Legion horrende Summen aus der Staatskasse verschlang. Reatinus wollte nicht wissen, wie viel Geld allein nur die Stabsoffiziere und Offiziere zusammen bekamen. Bei solch einer Tatsache konnte man doch nur freudige Luftsprünge machen, dass man als Centurio noch seinen recht großen Lohn einsackte.


    "Ja, aber eine Legion hat über 5.000 Mann... ich will mir nicht vorstellen, wie viel das wöchentlich für die Besoldung der Männer Geld aus der Staatskasse verschwinden lässt. Dann nehme man noch die zahlreichen Legionen, die an vielen Stellen im Reich stationiert sind und die Offiziere. Dagegen ist der Verdienst des Legaten ja noch bescheiden!", äußerte Reatinus. Schon erstaunlich, was für Ausmaße der einfache Gedanke eines Legionärslohnes haben konnte.


    Soso, der Tribunus Laticlavius war wirklich ganz anders, als Reatinus es sich vorgestellt hatte. Kein Pritschenhocker also... na immerhin, noch ein positiver Aspekt, den Reatinus in diesem Mann fand. "Dann wünsche ich euch viel Glück. Der Limes ist ein hartes Pflaster, pass auf dich auf, Tribunus.", wünschte der Artorier Glück. Schließlich grenzte der Limes an das Feindesland... unbekanntes Gebiet, wo man nicht lange sicher sein konnte. Schließlich gab es doch zahlreiche Übergriffe auf den Limes.

  • "Naja, ich hatte auch nicht unbedingt vorgehabt, durch immense Solderhöhungen den Staat in den Ruin zu stürzen. Sondern wollte eigentlich nur meine Anerkennung für den Patriotismus der Soldaten aussprechen, da sie all diese Mühen und Strapazen für vergleichsweise wenig Geld auf sich nehmen." Er selbst war sehr froh, daß er endlich mal richtig Geld verdiente. Sein Land brachte nicht viel ein und ansonsten gab es für Patrizier wenig Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Hätte er nicht die reiche Familie im Rücken, wäre es schon ziemlich schwer.


    "Ich hoffe, daß ich eine Menge erfahrener Männer um mich habe, die auf mich aufpassen, wo ich selbst nicht in der Lage bin, dies zu tun", lachte Ursus. Er machte sich keine Illusionen darüber, wie es um seine Kampfesfertigkeiten im Vergleich zu Berufssoldaten aussah. "Natürlich weiß ich, daß es zu Zwischenfällen kommen kann. Doch man darf nicht zum Militär gehen, wenn man nicht bereit ist, mal ein Risiko einzugehen." Das war zumindest seine Meinung. Und war es nicht gerade dieses Risiko, was die Sache so interessant machte? So konnte natürlich nur jemand denken, der noch nie einen echten Kampf hatte bestreiten müssen.

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