Cassim war nun wirklich gespannt auf die Reaktion des Römers. Würde er wirkliches Interesse zeigen oder diese Art des Jagens einfach nur als Barbarei des Feindes abtun, nur um sich nicht eingestehen zu müssen, dass er es hie eben nicht mit einem Barbaren zu tun hatte. Im Grunde erwartete Cassim nicht mehr allzu viel. Die letzten Wochen, seitdem man ihn gefangen genommen hatte, hatten sehr an ihm genagt. Er vermied es, darüber nachzudenken, wie seine Zukunft aussehen könnte. Die Schmach, sein Leben als Sklave weiterfristen zu müssen, war groß und sie schmerzte innerlich. Aber sich nun fallen zu lassen, war für Cassim keine Option. Er hatte im Krieg gekämpft und er würde auch jetzt weiter kämpfen, bis…ja bis er eines Tages wieder als freier Mann in seine Heimat zurückkehren würde. Dem war er sich gewiss und das hielt ihm auch am Leben.
In dem Römer begann es zu arbeiten. Er hatte sich aufgesetzt und sah ihn jetzt noch eindringlicher als zuvor an. Unwillkürlich fiel Cassims Blick nun auf das verletzte Bein des Römers. Zu gerne hätte er sich erkundigt, was geschehen war. Doch diese Frage unterließ er letztlich, da er einfach nicht in der Position war, zu fragen und es ihn auch nicht zu interessieren hatte.
Die Worte des Römers ließen Cassim aufhorchen und er konnte kaum seinen Ohren trauen, was er da vernahm! Es verschlug ihm glatt die Sprache. Verwundert sah er ihn nun an, so als ob er die wahren Motive seines Gegenübers herausfinden wollte. Wollte er ihn damit nur narren? Er konnte nicht wirklich an den Großmut des Römers glauben. Oder war es ihm einfach nicht entgangen, dass er es hier mit einem Manne gleichen Standes zu tun gehabt hatte? Cassim musste sich eingestehen, wenn er nun an der Stelle des Römers gewesen wäre, hätte er sicher nicht so großmütig gehandelt.
Ob ihm das Ausmaß seiner Entscheidung eigentlich bekannt war? Um den Falken und die Hunde zu trainieren, bedurfte es viel Freiraum. Für den Anfang reichte es sicher aus, die Hunde hier auf dem Anwesen auszubilden. Doch im Nachhinein war es unumgänglich die Ausbildung auf freiem Feld weiterzuführen. Ähnlich würde es sich auch mit dem Greifvogel verhalten. Aus diesen Mauern herauszukommen, bedeutete bessere Fluchtmöglichkeiten zu haben. Wenn man ihm dann auch noch den Zugang zu Waffen ermöglichte, wäre alles nur ein Kinderspiel!
Er beschloß sich auf dieses Spiel einlassen. Die Entscheidung darüber fiel ihm leicht und bedurfte auch keiner langen Bedenkzeit. Er wollte das Vertrauen des Römers gewinnen. Auch wenn das bedeutete, vor ihm auf die Knie gehen zu müssen. Wenn am Ende die Freiheit stand, war er willens, einiges auf sich zu nehmen.
"Mit einem Adler kann man natürlich auch größere Tiere erlegen. Die Steppenvölker im Nordosten bringen auf diese Weise Wölfe zur Strecke. Es obliegt dir, welches Wild du jagen möchtest", warf Cassim noch ein. Im Übrigen war er davon überzeugt, seine Sache gut zu machen. Er würde den Römer ganz sicher nicht enttäuschen, da ja auch sein weiteres Fortkommen davon abhing.
Cassims Züge entspannten sich und er war fast einem Lächeln nahe. Er hatte Glück im Unglück gehabt, dem war er sich nun gewiss und er wollte die Chance nutzen, die sich ihm nun bot.
"Verfolgungsjagd?", erwiderte Cassim die Frage des Römers. "Meinst du vielleicht Hetzjagden zu Pferd? Ja, damit habe ich auch Erfahrung. Wobei ich die Jagd mit dem Falken immer vorgezogen hatte." Für Cassim war diese Art des Jagens, immer die elegantere gewesen.
In der Villa Flavia | Der Botschafter einer hochstehenden Kultur oder: Ein parthischer Sklave
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Ein Adler oder ein Falke, das war wirklich eine schwierige Entscheidung, denn Wölfe mit einem Adler zu jagen, das klang in der Tat sehr aufregend, Kleinvieh interessierte Marcus selten oder eigentlich gar nicht, hatte es nur getan, als er in Parthia gekämpft hatte und solche Tiere den mageren Speiseplan aufgewertet haben. Grübelnd zog Marcus seine Augenbrauen zusammen und rieb sich an seinem Kinn, Wieder raschelte es im Geäst über ihn, aber auch das Zwitschern von Vögeln war zu vernehmen, zudem spürte er sehr angenehm die Sonnenstrahlen auf seinen Wangen. Immer noch waren sie ganz alleine im Garten, abgesehen von Hannibal, den Marcus aus seinen Augenwinkeln wahr nahm; aber sonst schienen die anderen Bewohner der villa wohl ihrer Arbeit nachzugehen oder anderen Tätigkeiten zu frönen; nur Marcus war mit seinem verletzten Bein noch eingeschränkt, was er in Rom machen konnte, was ihn auch ein wenig an seinen Nerven reizte, nicht gehen zu können war für ihn eine große Qual. Schließlich hatte er sich zu einer Entscheidung durch gerungen und er ließ seine Hand wieder sinken.
„Du wirst zuerst einen Falken abrichten und mir demonstrieren, daß so etwas überhaupt möglich ist und Du dazu befähigt bist; wenn ich dann wieder in Rom bin und Du mir das verdeutlicht hast, dann möchte ich, daß Du mir zeigst, wie das geht. Und zwar mit einem Adler!“
Ein Adler war doch ein wahrhaft majestätisches Tier, erhaben und das Zeichen des Iuppiters, des obersten Gottes der Römer, selbst wenn Mars Marcus doch näher lag - war Mars doch ihr Stammvater - und auch, weil er Soldat war; Marcus war jedoch zufrieden mit der Entscheidung, denn schließlich war es auch wichtig, wer ein solches Tier abrichtete und er wollte unbedingt, daß ein solcher Adler dann auf ihn hörte auch, bei Hunden war das um gewöhnen doch deutlich einfacher als bei anderen Tieren, zumindest glaubte Marcus das. Marcus nickte langsam auf die Nachfrage von Cassim.
„Fürwahr, ich meine damit die Hetzjagd. Hier in Rom, aber auch von Libyen bis nach Ägypten ist das die Art wie man zu jagen pflegt, sobald mein Bein...“
Marcus deutete mit dem Kinn auf den Verband.
„...ausgeheilt ist, werde ich dem hier wieder nachgehen und natürlich, wenn es mein Dienst bei der Legion zuläßt! Du wirst mich dann begleiten.“Wie sehr freute sich Marcus schon darauf, wieder an der frischen Luft, in den Wäldern von Italien der Jagd nachzugehen, die Aufregung, den Nervenkitzel und auch die Gefahr zu spüren, denn Marcus brach immer nur in einem kleinen Trupp auf und suchte selber danach sich den wilden Ebern zu stellen, die einem Mann nicht minder gefährlich werden konnten mit ihren Hauern wie ein ausgewachsener Soldat, der ihm im Krieg begegnet war, aber das Gefühl zu jagen hatte ihn von je her mit großen Glücksgefühlen erfüllt.
„Hannibal wird Dir das nötige Geld geben, was Du für die Hunde und den Falken brauchst! Beziehungsweise, er wird die Händler bezahlen, damit Du nicht auf dumme Gedanken kommst! Was meinst Du, wie lange wird das Abrichten dauern?“
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Hörte er da recht? Wollte sein Herr dem neuen Sklaven jetzt schon so viel Freiraum gewähren, die für eine solche Tätigkeit notwendig war? Hannibal, der immer noch am Rande des Fischteichs stand und die bunten und vielfältigen Zierfische betrachtete, wölbte verblüfft seine Augenbrauen nach oben. Aber er kannte die Schwächen von Aristides sehr gut. Alles, was seine Freuden und Genüsse betraft, da war sein Herr halb blind gegenüber Vernunft und Überlegungen. Hannibal ließ seine Augenbrauen herunter sinken und beugte sich herunter, um einen flachen Stein zu ergreifen. Er erspürte die kalte, glatte Oberfläche des Steins und wandte nur ein wenig seinen Kopf in Richtung seines Herrn und von Cassim. Immer dasselbe, dachte sich Hannibal, er hat die unsinnigen Ideen und ich soll dafür sorgen, dass sie nicht schief gehen. Hannibal wandte sich wieder von den Beiden ab und ließ den Blick auf die Wasseroberfläche gleiten, damit Aristides sein Augenrollen nicht bemerkte. Aber ein Gutes hatte das Ganze. Womöglich würde dann Hannibal nicht mehr dazu gezwungen werden, an einer Jagd teilzunehmen. Er mochte dieses Treiben durch den Wald nicht. Auch das blutige Geschäft an den Tieren war ihm zuwider. Ganz besonders aber den Treiber zu spielen, wozu ihn Aristides in der Vergangenheit schon einige Male genötigt hatte. Hannibal hatte immer lustlos mit dem Treiberstecken auf das Geäst geschlagen und ein unmotiviertes "Hai! Hai!" von sich gegeben. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen.
Nachdenklich betrachtete Hannibal seine Gesichtszüge, die sich auf dem Wasser wieder spiegelten. Verzerrt und verschroben sahen diese auf dem Wasser aus. Ein Fisch glitt darunter entlang und wölbte sein Gesicht nach oben, ehe das Wasser erzitterte, die Wellen sich überschlugen und sein Spiegelbild in der Erschütterung verschwand. Erst da drehte sich Hannibal zu den beiden Männern um. Die Hände hielt er hinter seinem Rücken verschränkt und wartete ruhig auf den weiteren Verlauf der Unterhaltung.
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Der Römer hatte es also wirklich ernst gemeint, mit dem was er gesagt hatte. Tatsächlich hatte er vor, ihn als Jäger einzusetzen. Er hätte wieder die Möglichkeit, mit einem Falken arbeiten zu können. Eine Tätigkeit, die zu seinem liebsten Zeitvertreib gehört hatte. Was wollte man mehr? Auch die Aussichten, demnächst wieder Jagden beiwohnen zu können, war mehr als erfreulich. Natürlich rechnete Cassim fest damit, an diesen Treibjagden zu Pferd teilzunehmen. Die Jagd als Treiber zu erleben, wäre unter seiner Würde gewesen.
Allmählich entkrampfte sich Cassims steife Haltung und auch seine Stimmung lockerte sich auf. Er konnte auch bei dem Römer diese Wandlung erahnen. Auch für ihn war die Jagd eine Passion. Unter anderen Umständen, hätten die beiden Männer möglicherweise sogar Freunde werden können. Dann hätten sie sich gegenseitig ihre Jagderlebnisse austauschen können. Doch die Gegebenheiten waren andere, das durfte er nie vergessen. Womöglich wurde der Römer auch von Hintergedanken geleitet. Warum sollte er dann so vertrauensselig sein? Warum räumte er ihm von Anfang an so viele Freiheiten ein? Er durfte es nicht zulassen, von diesem Römer geblendet zu werden, auch wenn es zu verlockend war! Wahrscheinlich war dies nur eine Taktik des Römers, um ihn in die Irre zu führen.
"Einen geeigneten Falken findet man nicht so einfach auf dem Markt. Die besten Falken, die zur Jagd taugen, sind solche, die man von klein auf aufzieht, die man womöglich noch selbst aus dem Nest ihrer Mutter geraubt hat. Ein Falke, den man auf einem Markt kauft, wird niemals das vollbringen können, was ein Falke kann, der niemals die Freiheit gekostet hat. Er wird auch nur halbherzig zu seinem Herrn zurückkehren. Daher wird es auch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis er soweit ist. Ich schätze, spätestens nach zwei Jahren, vielleicht auch schon nach einem Jahr, wird der Falke soweit sein. Mit den Hunden wird das wahrscheinlich einfacher werden." Wobei er nicht damit rechnete, so lange hier zu sein. Er hatte nicht vor länger als unbedingt nötig im Feindesland zu bleiben, was nicht bedeutete, überstürzt und unüberlegt zu handeln. Mit etwas Glück, konnte er dann sogar den Falken mit nach Hause nehmen. Auf dumme Gedanken würde er gewiss auch nicht kommen. Cassim war nicht einer von diesen einfältigen Hitzköpfen, die sich von einer Dummheit in die nächste stürzte. Vielmehr gehörte er zu jenen Menschen, die mit Bedacht an eine Sache heran gingen, auch wenn dies bedeutete, etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen zu müssen. Hierfür war er auch bereit, so manches in Kauf zu nehmen. So war es auch mit dem Messer, welches er unter seiner Tunika trug. Den Römer hier in unmittelbarer Nähe seines Sklaven zu töten, wäre mehr als dumm gewesen. Noch ehe er die Villa hätte verlassen können, wäre er sicher selbst getötet worden. Alles hatte seine Zeit und eines Tages würde auch seine Zeit kommen. -
Abermals beugte sich Marcus ein wenig nach vorne, um die Worte von Cassim aufzunehmen, schließlich war das wirklich ein Thema, wo er beileibe kein Interesse vor heucheln mußte, was er gegenüber einem Sklaven auch nicht getan hätte. Einen Falken aus dem Nest zu stehlen, stellte sich Marcus etwas schwierig vor, wenn auch nicht unmöglich, bei einem Adler hegte er doch größere Zweifel, denn dann würde man ja in den Bergen herum klettern müßen ehe man das Junges aus dem Hort stehlen konnte und war das nicht sogar ein Frevel? Marcus hob die Hand und fuhr damit nachdenklich an sein Kinn, bevor er Adlernester ausraubte, würde er wohl erstmal seinen Vetter in dieser Hinsicht um Rat bitten müßen. Aber bei einem Falken würde man gewiß nicht solche Bedenken hegen müßen, zudem lud – falls es doch anders war – ja erst mal der Sklave den Götterzorn auf sich; zufrieden mit diesem Rückschluß dachte Marcus über die anderen Worte von Cassim nach; ein marginales Lächeln glitt über seine Züge als er über das Sinnbild nachdachte, so war also nur ein in vorher Freiheit geborener Falke später ein guter Diener, ob man das Gleiche auch auf einen Sklaven anwenden konnte, mußte man auch einen Sklaven aus dem Nest stehlen, damit er besonders eifrig zu seinem Herrn zurück kehrte? Nachdenklich sah Marcus zu Hannibal hinüber, der schließlich in die Sklaverei geboren war und von dem Sklaven dann zu seinem Neuen, der wahrlich die Freiheit ausgekostet hatte und etwas an sich trug, was Marcus fatal an den Germanen erinnerte.
„Ein Jahr?“
Nun, der Falke mußte ja groß werden, zudem noch erzogen werden; Marcus sah es schon ein, daß er nicht schon im Sommer damit jagen konnte, selbst wenn es ihn doch ein ganz klein wenig enttäuschte; aber Marcus nickte gönnerhaft, denn schließlich war er sehr gespannt, was sich aus dem Ganzen entwickeln würde und wie eine Jagd mit einem solchen Tier war; womöglich war das auch einer der wenigen Aspekte, gegenüber denen Marcus offen war, wenn es darum ging, von fremden Völkern zu lernen; Essen und womöglich die südländischen Frauen gehörten auch dazu.
„Also gut, dann sollst Du Deine Zeit bekommen, gute Dinge brauchen nun mal ihre Weile...“
Marcus sah Cassim grüblerisch an, irgendwo in die Wälder oder ins Gebirge, wo man solch einen kleinen Falken fangen konnte, dorthin wollte Marcus ihn freilich noch nicht schicken, so naiv war selbst Marcus nicht, daß er an die Friedfertigkeit eines frisch gefangenen Sklaven glaubte. Sinnend guckte Marcus von seinem langjährigen Sklaven und zu Cassim, ein Händchen für Tiere hatte Hannibal bestimmt nicht, oder? Schließlich verharrte Marcus mit seinen Augen wieder auf dem Parther.
„Und ich nehme mal an, daß Du das Fangen niemand anders überlaßen möchtest?“
Marcus' nachdenklicher Blick war nicht von Cassim gewichen in den letzten Herzschlägen.
„Kann ich denn davon ausgehen, daß Du in nächster Zeit nicht versuchst zu fliehen?“
Es war ein Versuch wert, die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in dem Mann zu prüfen; jemand, der die Freude an der Jagd mit Marcus teilte, einem solchen Menschen war Marcus sogar noch eher bereit, Ehrgefühl zu unterstellen, zumindest im Ansatz, schließlich wußte man doch, wie verschlagen und verlogen die Parther waren. -
Cassim beobachtete die Mimik des Römers, so als könne er daraus Rückschlüsse ziehen, worüber er nachdachte und wie er der Sache gegenüber stand. War er etwa nicht damit einverstanden, was er über die Greifvögel gesagt hatte? Er dachte wohl, einen geeigneten Falken gäbe es fertig abgerichtet an jeder Ecke zu kaufen. Dieser Gedanke amüsierte Cassim innerlich, wobei er darauf bedacht war, seine eigenen Gedanken, seine Verachtung für den Feind, nicht nach außen zu tragen. Diese Römer waren doch allesamt Barbaren! Wohl wahr, sie hatten es fertig gebracht, großartige Bauwerke zu schaffen, sie waren auf dem Schlachtfeld ein nicht zu unterschätzender Gegner gewesen, doch im Grunde waren sie doch immer Barbaren geblieben.
Oder war es etwas ganz anderes, was ihn so beschäftigte? Hatte er noch Bedenken, womöglich wegen des Raubes eines solchen Vogels? Doch nur ein Falke, der nie erfahren hatte, was es hieß in Freiheit zu leben, war ein guter Falke für die Jagd. Die Arbeit mit einem anderen Falken, der als erwachsenes Tier gefangen wurde, war reine Zeitverschwendung.
Minuten vergingen, in denen nicht gesprochen wurde, in denen nur krampfhaft darüber nachgedacht wurde, was der andere dachte und was der nächste Schritt sein konnte. Doch dann äußerte sich der Römer wieder. "Ja, mindestens ein Jahr, vielleicht auch mehr!"
Erstaunt und in gewisser Weise auch erfreut, veränderten sich Cassims Gesichtszüge, als der Römer sich damit einverstanden zeigte und ihm die nötige Zeit für den Falken gewähren wollte. Aber sollte er ihm deswegen jetzt auf immer und ewig dankbar sein? Machte er sich damit nicht selbst zum Sklaven, indem er sich speichelleckend vor ihm auf den Boden warf um ihm dafür zu danken? Nein! So weit wollte er es sicher nicht kommen lassen! Das allein verbot ihm schon seine Ehre, die zwar schon etwas angekratzt war, allerdings immer noch vorhanden war.
Die nächsten beiden Fragen ließen Cassim wieder aufhorchen. Es kam ihm plötzlich so vor, als hätte der Römer seine Gedanken lesen können. Tatsächlich hatte er in Erwägung gezogen, zu fliehen, während er mit dem Falken zugange war. Natürlich wäre er dann mit dem Falken geflohen. Oder sollte dies nur ein Test sein und alles, was der Römer bisher gesagt hatte, sollte ihn nur ködern? Diesen Römern konnte man einfach nicht trauen, sie waren hinterlistig, verschlagen und falsch!
"Wenn du einen Mann hast, der es sich zutraut, den Falken aus seinem Nest zu holen, dann überlasse ich dies gerne ihm. Ein solches Unterfangen kann sehr schwierig und gefährlich sein," antwortete er auf seine erste Frage. Für die Antwort auf die zweite Frage, wollte sich Cassim noch etwas Zeit lassen. Natürlich war er ein Mann von Ehre! Gab es etwas unehrenhafteres, als die Lüge, auch wenn es der Feind war, gegenüber dem man log? Allerdings würde er jetzt die Wahrheit sprechen, dann machte er sich selbst jeden Vorteil, den er hatte, zunichte. So blauäugig konnte er doch nicht sein! Er begann innerlich mit sich selbst einen Kampf auszufechten. Er wollte nicht lügen, da das ehrlos war, jedoch war es auch seine Pflicht, zu fliehen. Der Krieg, sein Krieg war noch nicht vorbei und man musste dem Gegner schaden, wo man nur konnte.
So antwortete er mit einer Gegenfrage. "Was würdest du an meiner Stelle tun?" -
Was würdest Du an meiner Stelle tun? Das war eine Frage, die Marcus natürlich nicht gerne bedenken würde, geschweige denn diese zu beantworten; Marcus' Augen verschmälerten sich und er lehnte sich zurück, verschränkte dabei die Arme vor der Brust, in einer instinktiven Abwehrhaltung, er wollte einfach nicht mit dem Parther in gleicher Ebene reden, noch darüber nachdenken, daß dieser ein Schicksal erlitt, das womöglich auch ihm hätte blühen können, wenn er von den parthischen Truppen gefangen genommen worden wäre, was ja durchaus beinahe geschehen war, in dem ersten Scharmützel bei Edessa als ihn zwei Parther mit schleppen wollten; aber den Göttern sei Dank hatten ihn seine Kameraden gerettet, Sparsus, Serapio und Avitus – damals noch primipilus ihrer Legion! Marcus' Lippen preßten sich fest aufeinander und es bildete sich dort ein schmaler Strich, als ihm – ungewollt! - die Erinnerung daran hoch kam. Er würde fliehen, denn schließlich war er ein Soldat, ein Römer, ein Patrizier, ein Flavier, ein freier Mann eben und würde sich niemals einer Knechtschaft beugen, aber genauso wie viele seiner Landesgenoßen teilte Marcus die Meinung von dem absoluten Herrschaftsanspruch der Römer über die Nachbarvölker, also war es doch etwas anderes, wenn er floh oder wenn es nur ein elender Germane oder eben nun Parther tat.
„Ich bin kein Sklave, Cassim. Ich kann mich nicht in Dich hinein versetzen, noch hege ich den Wunsch danach. Du bist aber nun mal ein Sklave! Aber Deine Antwort ist durchaus klar genug! Du würdest also versuchen zu fliehen! Du wirst jedoch bei mir mit keiner Milde rechnen können, wenn Du es versuchst, servus!“
, erwiderte Marcus nun mit mehr brüskem Ton und abweisend, denn immer noch wehrte er sich gegen etwas, was er eben nicht sehen wollte und es womöglich sich niemals in seinem Leben eingestehen würde.
„Dann werde ich Dir wohl immer jemanden mitgeben müßen! Du wirst in nächster Zeit auch die villa nicht verlaßen* und wenn es mal notwendig wird, dann niemals alleine.“Marcus sann nun doch und schob den aufgestiegenen Ärger über die forsche Frage von Cassim zur Seite, ein geeigneter Mann, der den Falken fing? Marcus nickte und spähte zu Hannibal, ob der geeignet war, aber irgendwie hatte Marcus das Gefühl, daß Hannibal nicht wirklich mit Vieh und Tieren, geschweige denn dem Federvieh gut auskam, aber der Sklave würde sicherlich jemanden in der villa finden, der das zu vollbringen vermochte und dabei vertrauenswürdig war.
„Gut, dann werde ich jemanden dafür ausschicken, damit Du den Falken bekommst für die Ausbildung. Du kannst mit Hannibal die genauen Voraussetzungen besprechen, er wird sich dann darum kümmern.“
Marcus' Nasenflügel erbebten noch mal als er tief Luft holte.
„Hast Du noch Fragen, Cassim?“
...die nicht zu unverschämt waren, aber Marcus hoffte für den Sklaven, das er sich das selber dachte.* SimOff: Was nicht heißt, das Du nicht frei überall in Rom spielen kannst. Mach' das ruhig mit einem paßenden SimOn Grund - Einkauf, etc. und was auch immer und wozu Du Lust hast.
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Cassims Frage traf genau ins Schwarze. Die Antwort des Römers war mehr als deutlich, auch wenn er es nicht mit Worten ausdrückte, natürlich, ein Mann von Ehre würde fliehen und auch er würde sich keiner fremden Macht beugen. Diese Ansicht teilten sie also auch. So war es nur folgerichtig, dass der Römer auch jeden Fluchtversuch hart bestrafen würde, genauso, wie es auch Cassim tun würde…
So waren auch seine weiteren Anweisungen nicht verwunderlich. Dass er vorerst in der Villa bleiben sollte, damit hatte Cassim bereits gerechnet. Im Grunde war dies auch gut so. So hätte er vorerst genug Zeit, damit seine Wunden, die immer noch sehr schmerzten, heilen konnten. In dieser Zeit konnte er auch in Ruhe seine neue Umgebung erkunden und Pläne für eine Flucht schmieden. Er wollte auch Kontakte zu den anderen Bewohnern der Villa knüpfen. Möglicherweise könnte sich einer von ihnen eines Tages einmal als sehr nützlich erweisen. Im Notfall hatte er ja noch immer das Messer unter seiner Tunika. Eine größere Waffe wäre zwar besser gewesen, allerdings hätte er sie auch schlechter verbergen können.
Mit unveränderter Miene verfolgte Cassim die Anweisungen des Römers. Er wollte sich zu keiner einzigen Gefühlsregung hinreißen lassen. War dies nicht auch der Kampf zwischen Gut und Böse? Cassim hatte sich bereits in seiner Jugend dafür entschieden, Ahura Mazda im Kampf gegen das Böse zu unterstützen. Auf diese Weise suchte er seinen Weg zu Gott. Deswegen war er mit Freuden in den Krieg gezogen. Er war sich jetzt ganz gewiss- Ahura Mazda hatte ihn nicht verlassen. Er stellte ihn lediglich auf eine Probe. Dies war nur die Fortsetzung seines Kampfes, eines versteckten Kampfes!Cassim wandte sich um, als der Name des anderen Sklaven erwähnt wurde. Hannibal hielt sich noch an derselben Stelle auf, an der er sich zu Beginn des Gesprächs zurückgezogen hatte. Auf den ersten Blick macht er nicht den Eindruck, er könne der geeignete Mann sein, um einen Falken aus seinem Nest stehlen. Jedoch konnte man sich auch in den Menschen täuschen. In bestimmten Situationen konnte ein Mensch zu allem fähig sein und über sich hinaus wachsen. Er selbst hatte dies schon oft erlebt.
Schweigend nickte Cassim. Bei der Frage, ob er noch Fragen hätte, sann er kurz nach. Im Grunde hatte er jetzt alles gehört, was er wissen musste. Auch das Notwendigste, wo er in Zukunft schlafen sollte und wo man sich waschen konnte, war ihm bereits bekannt. Doch eine Frage hatte er doch noch, die sehr wichtig für ihn war.
"Ist es mir gestattet, zu meinem Gott zu beten?" -
Prüfend musterte Marcus den neuen Sklaven, aber der machte im Moment dann doch weniger den Eindruck auf ihn, rebellischer oder aufbrausender Natur zu sein, mehr ein Mensch, der die Dinge stoisch hinnehmen konnte, aber Marcus traute dem Frieden nicht ganz, wollte aber an diesem nicht rühren, geschweige denn irgendwelche bockigen oder aufwieglerischen Reaktionen zu beschwören, nein, mit diesem Zustand konnte Marcus leben und irgendwann fügten sich die neuen Sklaven dann auch ihrem neuen Schicksal, oder sie starben! So oder so, die Zeit würde es erst erweisen. Marcus indes war recht zufrieden, endlich hatte er einen Sklaven, der sich bestimmt mit der Jagd auch aus kannte und mußte nicht immer die Stümper mitnehmen; womöglich würde das noch sehr vergnüglich werden, sofern er wieder die Zeit finden konnte, dieser Leidenschaft nachzugehen, eine Zeit, die er sich aber bald auch nehmen würde; er hatte genug Opfer für das Imperium gebracht. Marcus neigte den Kopf zur Seite als er die Frage von Cassim vernahm, nein, das war gewiß keine unverschämte Frage, somit gedachte Marcus natürlich auch diese zu beantworten. Der Glaube von den Sklaven war Marcus eigentlich recht egal, Hauptsache sie dienten gut, waren fleißig und nicht aufmüpfig, solange das gewährt war, durften sie beten, opfern, glauben an wen sie wollten - selbst an den Christengott. So nickte Marcus auf die Frage hin.
„Ja, wieso auch nicht? Natürlich kannst Du das nicht an unseren römischen Altären tun, aber Du wirst schon einen Weg finden, nicht die Götter zu erzürnen, noch die Ahnen.“
Marcus hob die Hand und dachte darüber nach, wenn Cassim sich einen eigenen Ort suchte, womöglich dort, wo auch andere Sklaven beteten – wo auch immer das war – dann würde dem wirklich nichts entgegen stehen.
„Dein Gott? Heißt das, Du glaubst nur an einen Gott? Das ist aber nicht der Hebräergott, hm?“
Marcus hatte mal gehört, daß die Parther an zwei Götter glaubten, nebst einem Dritten, aber ganz war Marcus nicht durch ihren Glauben gestiegen und verstand nicht den Unterschied zwischen dem Gott der Dunkelheit und dem des Lichtes. Aber ein anderer Einfall kam Marcus, etwas, was er auch in Parthia erfahren hatte, wenn auch nicht von den Parthern selber.
„Oder meinst Du etwa Mithras?“
Das wäre natürlich interessant, insbesondere nachdem Marcus selber an einem der hohen Feste des Lichtgottes teilgenommen hatte. -
Sollte Cassim ihm etwa jetzt noch dankbar sein? Gut, er gewährte ihm, seine Religion weiter ausüben zu können. Aber hatte er wirklich im Ernst geglaubt, er würde dies an den heidnischen römischen Altären tun? Damit hätte er selbst seinen Gott erzürnt. Etwas, was Cassim strikt vermeiden wollte. Die Götter und die Ahnen des Römers waren Cassim recht herzlich egal. Von seinem römischen Sklaven hatte er sich so einiges über die heidnischen Rituale erzählen lassen. Diese Römer mussten sich also danach gelegentlich den reinsten Blutorgien hingeben, um ihre Götter zu besänftigen. Das bestätigte einfach nur das, was Cassim eh schon wusste: allesamt waren sie Barbaren!
Cassim hatte auch gehört, wie sehr der Mithraskult gerade unter den römischen Soldaten beliebt war. Aber sie machten aus Mithras einen von vielen. Er selbst machte sich nicht viel aus diesem Kult. Die Lehren Zarathustras lehnten sogar den Kult um Mithras ab. Ob diese Menschen hier eigentlich wussten, wie viele Götter sie überhaupt hatten? Nein, mit den römischen Götzen wollte er rein gar nichts zu tun haben!Cassim legte etwas seine Stirn in Falten. Die Fragen des Römers zeugten von einigem Wissen und auch wieder von Unwissen. Den Hebräergott? Lächerlich! Er hatte vom Gott der Juden gehört. Vereinzelt lebten auch noch Juden in Parthia. Aber auch mit ihnen hatte er nichts zu schaffen. Cassim war, wie auch sein Vater und dessen Vater zuvor, Anhänger der Lehren Zarathustras. "Mein Gott ist Ahura Mazda," entgegnete er mit Bestimmtheit. "Es existiert auch noch ein zweiter Gott. Das ist Ahriman, Ahura Mazdas Zwillingsbruder. Die beiden Götter versinnbildlichen den Kampf zwischen Gut und Böse." Dem Römer hier nun noch einen tieferen Einblick in seine Religion zu geben, empfand Cassim mehr als unangebracht. Dies war schließlich kein netter Plausch zwischen Freunden. "Nein, ich verehre Mithras nicht," antwortete Cassim mehr als gleichgültig. Womöglich war dieser Römer selbst ein Anhänger Mithras.
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Im Geäst über Marcus' Kopf zwitscherte fröhlich ein Vogel, der sich an dem Sonnenschein der hereinbrechenden Jahreszeit erfreute und auf sein Gefieder scheinen ließ; Marcus hingegen war nicht nach fröhlichem Gezwitscher zu mute, ja, den Namen des Gottes hatte er oft genug auf den Lippen der Parther gehört, immer wieder, so daß er am Anfang geglaubt hatte, daß es sich wohl um den Feldherrn der Männer handelte, den übrigen Kontext verstand Marcus aufgrund der Sprachbarrieren natürlich nicht; erst einige Wochen später war er aufgeklärt worden, um was und wen es sich bei Ahura Mazda handelte. Marcus war es jedoch gleich, ob Cassim zu fremden Göttern betete oder nicht; der Glaube von Sklaven war ohnehin nicht von Belang. Auch interessierte sich Marcus nicht für den Glauben fremder Völker, weder für ihre Götter, noch alles andere, so daß er auch keine Rückfragen an Cassim stellte.
„Also gut, dann bete ruhig zu Deinem Gott.“
Wie man mit nur einem oder nur zwei Göttern auskam, das war Marcus freilich ein Rätsel, aber eines, was er nicht unbedingt ergründen wollte. Marcus griff nach den Krücken und stützte sich auf seinem gesunden Bein ab, um aufzustehen; sehr langsam und vorsichtig tat er das, um ja nicht sein verletztes Bein zu belasten und einen unsäglichen Schmerz zu verursachen, noch war die Wunde schließlich recht frisch. Marcus stützte sich schließlich auf die Krücken und musterte noch mal Cassim nachdenklich, schon mit etwas weniger Ingrimm als noch am Anfang ihrer Begegnung.
„Wende Dich an Hannibal, er wird Dir Deine Fragen beantworten und alles für Dich organisieren, was Du für Deine Arbeit brauchst. Ich werde bei Zeiten wieder nach Dir rufen laßen, um mir Deine Fortschritte anzusehen.“
Marcus sah noch mal zu seinem anderen Sklaven und wandte sich ab, um in Richtung des Hauses zu humpeln, wobei er durchaus darauf achtete, Cassim nicht den Rücken zu zu kehren. Schon etwas geübt im Gang mit den Krücken erklomm Marcus auch die Treppen und verschwand im Inneren des Hauses.
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Cassim indes ließ sich für einen kurzen Moment vom Gezwitscher des Vogels ablenken. Seine Gesichtszüge milderten sich und beinahe hätte der Anblick ihm ein angedeutetes Lächeln entlockt. Der Vogel jedoch, zog es vor, auch den Rest des Gartens zu erkunden und seine grenzenlose Freiheit zu genießen. Fast wehmütig lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Römer, der ebenfalls für einen Atemzug abwesend gewirkt hatte. Was in ihm vorgegangen war, konnte Cassim nicht ergründen. Allerdings hatte er auch nicht das Bedürfnis danach.
Gänzlich unbeeindruckt nahm er dann auch die Erlaubnis, seinen Gott anbeten zu dürfen, hin. Wahrscheinlich kam es dem Römer auf einem Gott mehr oder weniger auch nicht mehr an. Cassim nickte ihm andeutungsweise. "Danke," sagte er leise. In dem Parther begann es zu arbeiten. Er fragte sich, ob er selbst so gütig gewesen wäre. Wahrscheinlich nicht! Er musste wohl oder übel dem Römer zugestehen, nicht ganz so barbarisch zu sein, wie er anfangs vermutet hatte. Vielleicht war es sogar eine zarte Nuance von Sympathie, die er für ihn empfand. Trotz der unterschiedlichen Kulturen, der sie angehörten, hatten sie einige Gemeinsamkeiten an sich entdecken können.
Während der Römer versuchte, sich aufzuraffen, rang Cassim mit sich, ob er ihm behilflich sein sollte. Ihm war das schmerzverzerrte Gesicht nicht entgangen. Der Römer versuchte zwar, dies zu unterdrücken, der Schmerz war jedoch stärker. Schließlich hatte er es mit eigener Kraft geschafft, sich auf seine Krücken zu stützen. Bevor er den Garten verließ, gab er ihm noch eine letzte Anweisung. Unweigerlich fiel Cassims Blick wieder auf Hannibal, der sich keinen Deut von dem Ort fortbewegt hatte, an dem er sich zu Beginn der Unterredung postiert hatte.
Nachdenklich sah er dem Römer nach, als dieser dann in Richtung des Hauses verschwand. Eine wahrhaftig seltsame Begegnung war dies gewesen. Vielleicht etwas steif, jedoch unter den Gegebenheiten nicht verwunderlich. Beide, der Römer wie auch der Parther hingen immer noch ihren Vorurteilen gegeneinander an. Durchaus hatte diese Begegnung etwas bewirkt. Er wusste nun, was er zukünftig zu tun hatte, er hatte eine kleine Ahnung davon bekommen, was dieser Mann für eine Art Mensch war, der sich nun sein Herr nannte. Einige seiner Vorurteile waren bestätigt worden, andere jedoch nicht. Auf beiden Seiten hatte zumindest ein Nachdenken eingesetzt. Was für Cassim allerdings das wichtigste war, er hatte seinen noch vorhanden Stolz bewahren können. Dies war allerdings auch dem Römer zu verdanken, der sich ihm, den Umständen entsprechend, anständig verhalten hatte.Langsam näherte sich Cassim dem anderen Sklaven. "Ich nehme an, du hast alles mit angehört! Wir sollten uns vielleicht noch unterhalten, was alles wichtig ist, um an den Falken zu kommen. Hast du Erfahrung mit Tieren?" Cassim musterte den Sklaven kritisch. Eine weitere Frage drängte sich ihm noch auf. "Was kann ich eigentlich in der Zwischenzeit tun?" Aus eigener Erfahrung wusste Cassim, dass die Arbeit mit einem Falken langwierig war. Man musste dem Tier auch Zeit und Ruhe gönnen.
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Die Strahlen der Sonne wurden auf der Oberfläche des Sees reflektiert. Sie brachen in tausend strahlender Funken, erzeugten helle Flecken, dunkle Schatten und ein Meer aus Unruhe in dem kleinen Fischteich. Träge glitten die goldenen und roten Fischleiber unter der Wasseroberfläche entlang. Mit einem Schlag ihrer Schwanzflossen schossen sie durch das Wasser wie ein Pfeil durch die Luft. Seerosen wogten auf dem Wasser. Ihre Blüten leuchteten hell und samtig an diesem schönen Tag. Versunken sah Hannibal auf die Oberfläche des Teiches. Worte glitten an ihm vorbei wie die sanfte Berührung des Windes. Die Falken aus dem Nest holen...Flucht...Götter und Ahura Mazda...Hannibals Gedanken schweiften davon, selbst als sein Name genannt wurde. Seine Augen verschleierten sich und Bilder tauchten vor seinen Augen auf. Langsam schloss er seine Augen und der See verschwand, wurde ersetzt durch hohes und goldenes Gras, was sich vor seinen schwarzen Augenlidern im Wind beugte. Er hörte das Wiehern von Pferden, lauschte den Rufen von Männern und einer fremdartigen Sprache, die sich kehlig in seinen Ohren anhörte. So merkte er nicht, dass sein Herr aufstand und den Garten verließ, noch bemerkte er, dass sich Cassim ihm näherte. Erst die Worte von Cassim rissen ihn aus seinen Gedanken und Erinnerungen heraus. Hannibal blinzelte und sah kurz in den hellen Himmel und auf die Sonnenscheibe. Erneut schloss er die Augen. Selbst durch die geschlossenen Augenlider drang das Sonnenlicht. Vor den dunklen Lidern eine orange Sonne. Hannibal öffnete jedoch sofort erneut die Augen und drehte sich zu Cassim um.
Das weiche Frühlingsgras kitzelte seine Knöchel. Hannibal nickte auf die erste Frage von Cassim. Selbst wenn er manch eine Feinheit nicht mitbekommen hatte, dennoch war das Gespräch in Fragmenten durch die Bilder zu seinem Geist gedrungen. "Ja!", erwiderte Hannibal und schüttelte gleich den Kopf. "Nein, mit Tieren kenne ich mich nur theoretisch aus. Mal von Molosserhunden abgesehen...und Löwen!" Mit Raubvögeln und ähnlichen Tieren hatte sich Hannibal nicht beschäftigt. Auch nicht den Wunsch danach verspürt. Er mochte Tiere sowieso nicht sonderlich. Nachdenklich betrachtete Hannibal den Sklaven. Die Haltung seiner Schultern und der lebhafte Ausdruck in den Augen, diese schienen doch ein klein wenig anders zu sein als noch vor wenigen Momenten. Und das verwunderte Hannibal. Aber es gefiel ihm durchaus an Cassim. Sobald Cassim jedoch Sciurus, dem Sklavenverwalter der Villa Flavia in die Hände fallen würde, dann würde sich die Frage nach weiteren Tätigkeiten wohl erübrigen. Dennoch dachte Hannibal über die Frage von Cassim nach, die er nicht so einfach beantworten konnte. Sein Herr hatte über sonstige Arbeiten nichts verlauten lassen. "Du kannst Dich im Haus nützlich machen, Cassim. Oder in den Ställen bei den Pferden. Du kannst mich auch hin und wieder in die Stadt begleiten, wenn Du möchtest. Oder die anderen Sklaven. Wenn Du willst, dann zeige ich Dir auch mal Rom in nächster Zeit, damit Du auch noch etwas anderes als die Villa Flavia siehst. Ansonsten hat Dir unser Herr wohl bisher nur die Arbeit als Jägermann gegeben."
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Hannibal hatte sich zu ihm umgewandt. Genauso wie er vermutet hatte, war dem Sklaven der Inhalt des Gesprächs mit dem Römer nicht entgangen. Wahrscheinlich war er ihm treu ergeben, wie ein Hund. Die Antwort auf seine Frage verblüffte ihn jedoch.
"Mit Löwen? Du kennst dich mit Löwen aus?" Cassim hob erstaunt die Augenbrauen an. Soviel er wusste, gab es doch hier gar keine Löwen. Wohl hatte ihm sein römischer Sklave von den seltsamen Praktiken erzählt, die die Römer unternahmen, um sich in ihren Arenen ein fragwürdiges Vergnügen zu verschaffen. Wie jemand, der in der Arena mit Löwen kämpfte, sah der Sklave nun nicht gerade aus. Überhaupt musste er noch so einiges über dieses Volk lernen. Manches erschien ihm so fremdartig und vieles davon verstand er nicht.
Hannibal beantwortet ihm auch seine andere Frage nach den möglichen Tätigkeiten die er in der Zwischenzeit tun konnte. Hierbei sah er interessiert auf, als der Sklave ihm den Vorschlag machte, ihm auch einmal die Stadt zu zeigen. "Du willst mir die Stadt zeigen? Ja, das könnten wir tun…," antwortete er nachdenklich. "…wenn meine Wunde ganz verheilt ist." Seine recht Hand fuhr über die Srelle seiner Tuika, unter der sich die Wunde befand. Sie schmerzte sehr. Es war ein pochender Schmerz, der kam und ging. Gerade jetzt war er da. Kurz hielt er inne, dann sah er nochmals zu Hannibal auf. "Vielleicht könntest du mir doch wegen der Wunde helfen. Sie will einfach nicht richtig verheilen. Kennst du etwas, was mir helfen könnte?" Cassims Streben war es, wieder völlig gesund zu werden und neue Kräfte zu sammeln. Erst dann konnte er damit beginnen, auch nur einen Gedanken an Flucht zu verschwenden. Bis es soweit war, wollte er seine Umgebung erkunden.
"Wieviele Bewohner hat diese Villa?" Er hatte außer Hannibal, dem Römer und einigen umhereilenden Sklaven noch niemaden gesehen. Diese Haus war riesengroß. Zu groß für einen Mann und eine Handvoll Sklaven. -
Langsam begann Hannibal einen Schritt zu gehen, dem ein Anderer folgte, so fing er an, an der Seite des Fischteiches entlang zu schlendern. Den goldenen und roten Leibern im hellen und klaren Wasser schenkte er keine Beachtung mehr, sondern lauschte mehr den Worten von Cassim. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nickte Hannibal und schüttelte gleich darauf den Kopf. "Alle Löwen sicherlich nicht. Aber Dominus Serenus hat kürzlich einen Löwen geschenkt bekommen. Ich musste mich eine Zeit lang um den noch jungen Löwen kümmern. Also kenne ich mich genau genommen mit einem Löwen aus." Und den Löwen, die er in Afrika gesehen hatte. Aber das war auf der Distanz gewesen, die Hannibal sehr behagte. Schön weit weg. Der verwunderte Blick von Cassim amüsierte Hannibal dann doch. Erstaunte es den Parther etwa, dass sie auch hier in Italien Löwen kannten? Dabei war das doch oft die Attraktion bei Tierhatzen in den Arenen der Römer. Und an manchen solchen Vergnügungen hatte Hannibal als Zuschauer partizipieren dürfen. Nicht unbedingt etwas, worauf er sonderlich versessen war. Einen Seitenblick warf Hannibal dem anderen Sklaven zu als dieser von der Wunde sprach. Dass es nicht nur ein Kratzer war, davon hatte sich Hannibal schon selber überzeugen können. Im Bad und vor nicht sehr langer Zeit. Da Hannibal ebenfalls zu Cassim sah, begegneten sich ihre Augen in dem Augenblick als Cassim sich doch wegen der Wunde an ihn wandte. Hannibal nickte langsam. "In der Tat weiß ich etwas, was Dir helfen kann." Hannibal war kein Medicus, noch sonderlich geschickt in solchen Dingen. Aber er wusste ganz genau, wer das in der Villa war. "Ein Medicus wird Dir helfen." Für die teuren Sklaven lohnte sich ein Medicus. Zu mindestens, solange Hannibal da einen Einfluss darauf hatte. Schließlich kümmerte er sich um solche Angelegenheiten.
Hannibal strebte auf die Villa zu und aus dem Garten hinaus. Schon trat er in das kühle Zwielicht des nächsten Einganges und in einen mit bunten Fresken bemalten Gang. "Bewohner hat die Villa sehr viele. Es sind die ganzen Sklaven, von den Waschmägden bis hin zum Koch, von dem Scriba bis hin zum Custos. Ansonsten wohnen noch einige der Herrschaften hier. Ein Name, den Du Dir auf jeden Fall merken solltest, das ist Flavius Gracchus, Senator und Pontifex. Der Mann ist der Hausherr der Villa. In Vertretung von Flavius Felix, dem eigentlichen Besitzer, der jedoch in Sardinien weilt. Felix ist der Bruder unseres Herrn. Ansonsten lebt noch Flavius Aquilius hier, ein Priester und Politiker, angehender Senator. Flavius Lucanus, der Neffe Deines Herrn, wenn auch über Ecken verwandt, treibt sich auch ab und an hier rum. Zudem noch die junge Flavia Celerina, eine erst seit kurzem in Rom lebende junge Dame. Die Ehefrau des Flavius Gracchus, Claudia Antonia, wirst Du ebenfalls in der Villa zu sehen bekommen. Dann ist da noch der junge Herr, Flavius Serenus. Er ist der Sohn von unserem Herrn. Bei ihm wirst Du noch den schmalen Grad lernen müssen, wann Du auf ihn zu hören hast und wann Du seine Befehle ignorieren kannst. Das ist nicht immer leicht." Hannibal lächelte leicht und schlug wieder den Weg ein, der sie in die Trakte führte, die mehr von den Angestellten und Sklaven genutzt wurden.
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"Einen Löwen!" Cassim hob verwundert die Augenbraue an. Er musste unwillkürlich an seine Kinder denken. Keines von ihnen hatte je einen Löwen besessen. Er wäre auch niemals auf die Idee gekommen, wenigstens seinen Söhnen ein solches wildes Tier zu schenken. "Dieser Serenus? Wie alt ist er? Alt genug, um einen Löwen zu besitzen?" Er fragte sich nur, was man mit dem Tier anstellen würde, wäre es erst einmal ausgewachsen und bereit auf Menschen los zu gehen. Wieder einmal kam er zum Schluß, dass es sich bei den Römern, um ein höchst eigenartiges Volk handelte. Er wusste noch lange nicht alles über diese Menschen. Dass, was er von seinem Sklaven erfahren hatte, war nur ein Bruchteil dessen, was ihn noch alles erwartete.
Kaum hatte er seine Wunde erwähnt, machte sie sich auch schon wieder auf unangenehme Weise bemerkbar. Ein ziehender Schmerz lähmte ihn für einen kurzen Moment und ließ ihn sein Gesicht verziehen. Dann traf sein Blick Hannibal, der ihm versicherte, er kenne etwas, was ihm helfen könne. Jetzt hatte Hannibal ihn aber richtig neugierig gemacht! Als der Sklave von einem Medicus zu sprechen begann, horchte er auf. "Ein Medicus?" In seiner Frage konnte man sehr deutlich ein gewisses Maß an Erstaunen heraushören, was nicht daran lag, dass im das Wort oder der Medicus an sich nicht bekannt war. Vielmehr wunderte es ihn, in seiner Situation auf medizinische Hilfe hoffen zu dürfen.
"Gibt es hier in der Villa etwa auch einen Medicus?", fragte er verwundert, nachdem der Sklave damit begonnen hatte, die Bewohner der Villa aufzuzählen. Es wunderte ihn nicht, wenn der Medicus auch einer der Sklaven war. Bereits bei seiner Ankunft waren ihm vielen Sklaven aufgefallen, die er gesehen hatte und die ihm begegnet waren. Mit etwas Wehmut musste er an sein eigenes Zuhause denken. Ob seine Familie ihn für tot hielt? Was sie zu Hause nur machten? Gab es dieses Zuhause eigentlich noch oder war es im Krieg zerstört worden? Auf all diese Fragen gab es keine Antwort. Noch nicht! Doch seine Zeit würde kommen, davon war Cassim überzeugt!
Als Hannibal nun mit seiner Aufzählung bei den Herrschaften angekommen war, hörte er noch aufmerksamer zu und versuchte sich diese, für ihn fremdklingenden Namen zu verinnerlichen. Eines machte ihn jedoch stutzig. "Nur zwei Frauen? Es leben nur zwei Frauen in der Villa? Das ist ja wirklich.." Den Rest dachte er sich nur, jedoch sein Schmunzeln war unübersehbar.
Diese Römer waren doch tatsächlich bemitleidenswerte Menschen, wenn sie sich nur mit einer Frau zufrieden gaben oder sogar mit gar keiner, wie in diesem Fall! Wahrscheinlich lag darin auch der Grund verborgen, weswegen sie die halbe Welt erobert hatten. Wenn man zu Hause nichts zu melden hatte, dann musste man es eben anderswo versuchen. -
"Einen Löwen!" Hannibal nickte und wiederholte dies mit einem Lächeln, was leicht gequält wirkte. Warum es immer ihm zufiel, sich um das Getier zu kümmern, bevor es verschenkt wurde, das sah Hannibal nicht ein. Mit einem Blick auf Cassim kam ihm der Gedanke, dass das womöglich vorbei war. Wilde Tiere würden nun in das Ressort von Cassim fallen. Während Hannibal dem Gang folgte, meinte er: "Serenus ist elf Jahre alt, aber Du solltest Dich nicht von seinen jungen Jahren täuschen lassen. Er ist jetzt schon sehr frühreif in mancher Hinsicht. Ab und an dennoch nur ein Junge. Aber er ist recht gewitzt und gut darin, seinen Vater an der Nase herum zu führen." Aber wem gelang das nicht einfach? "Ob er alt genug ist?" Hannibal zuckte mit der Schulter. Er war ja eigentlich der Meinung, dass man sowieso keinen Löwen halten sollte, außer für den Circus. "Wohl kaum!", gab er deswegen zur Antwort. Es war wieder die Sklavenunterkunft, die Hannibal anstrebte und durch deren Tür er in jenem Augenblick trat, sie offen haltend, damit ihm Cassim folgen konnte. "Die Dame Leontia, Flavia Leontia, hatte einen Medicussklaven. Aber er ist momentan nicht in der Villa. Aber wegen der Verletzung des Herrn ist momentan ein griechischer Sklave im Haushalt, der die Kunst der Medizin studiert hat." Hannibal wandte sich an einen jungen Mann, dessen Herkunft unschwer einer der afrikanischen Provinzen sein musste. Sein Haut war so dunkel wie die Nacht. "Gehe und hole Atheius!" Der junge Mann nickte und verschwand aus dem Raum.
Hannibal ging zu einem der Lager und zu einer kleinen, hölzernen Truhe, die daneben stand und an der ein schweres, eisernes Schloss hin. Mit einem Schlüssel, den sich Hannibal unter der Tunika hervor zog, schloss er diese Truhe auf. Verblüfft blinzelnd sah Hannibal auf. "Nein, es leben nicht nur zwei Frauen in der Villa. Es leben lediglich im Moment zwei Patrizierinnen in der Villa. Frauen gibt es sehr viel mehr! " Die ganzen Sklavinnen hatte Hannibal natürlich dabei im Sinn. "Außerdem hatte die Familie in letzter Zeit viele Verluste. Flavia Leontia und Flavia Minervina sind kürzlich gestorben. Auch eine Flavier aus Hispania, die noch vor kurzem hier gewohnt hat." Die Truhe öffnete sich mit einem leisen Ächzen und Hannibal begann, dort etwas zu suchen. Er holte schließlich einen kleinen Beutel hervor und einen kleinen Kasten, den er auf das Lager daneben stellte, den Truhendeckel wieder herunter sinken ließ und die Truhe wieder ab schloss. Just in dem Augenblick betrat ein Mann den Raum. Ein Mann, der wirklich als dick zu bezeichnen war. Und das war wirklich noch schmeichelnd. Er hatte dunkle, schwarze Locken, einen dichten Bart und kleine fast schwarze Äuglein, die über den Pausbacken hervor leuchteten. Behäbig betrat der Mann den Raum und sah sich suchend um. "Wer hat mich gesucht?" Der Akzent der Hellenen war deutlich in dem Singsang des Mannes zu hören, ansonsten war die Stimme so hell wie bei einem Eunuchen. Hannibal sah zu dem Mann und deutete auf Cassim. "Das ist ein neuer Sklave meines Herrn, Cassim ist sein Name. Er ist verletzt und Du sollst Dich um seine Wunde kümmern!" Atheius, der Medicussklave, drehte sich zu Cassim um. "Wo bist Du verletzt?"
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Die beiden Männer schritten gemächlich, jedoch zielstrebig zurück zur Villa. Während Hannibal zu erzählen begann, lauschte Cassim nur seinen Worten. Jedes Detail, welches er dabei aufnehmen konnte und ihm wichtig erschien, sog er in sich auf. Er erwähnte dabei auch einen griechischen Sklaven, der in der Kunst der Medizin bewandert sein sollte. Wenn sich dieser Sklave um die Verletzungen des Römers zu kümmern hatte, dann war er auch mit Sicherheit gut genug für ihn. Zudem man mit einem Griechen meistens nichts falsch machen konnte.
Ihr Weg hatte sie wieder zurück in die Sklavenunterkunft geführt, dorthin wo Hannibal ihn als erstes nach seiner Ankunft geführt hatte. Hannibal hatte einen vorbeikommenden Sklaven damit beauftragt, den besagten Medicussklaven herbeizuschaffen. Cassim setzte sich derweil auf sein Lager, welches er sich ausgesucht hatte und beobachtete den Sklaven, der zu seinem Lager ging und sich an der kleinen Holztruhe, die daneben stand, zu schaffen machte. Er vernahm das krächzende Geräusch der Truhe, als er sie öffnete. Zu gerne hätte er gewusst, was sich darin verbarg. Er streckte seinen Hals, um einen Blick zu erhaschen, indes Hannibal weiter erzählte. Cassims Anstrengungen fruchteten jedoch nicht. "Außer diesem einen, wie hieß er noch, Gracchus, hat keiner der Männer eine Gefährtin? Welch ein armseliges Leben diese Römer doch führen müssen!" Man konnte Cassims Verachtung nicht nur anhand seiner Wortwahl ausmachen, auch der Ausdruck seines Gesichtes, den er dabei hatte, sagte alles.
Cassim konnte erahnen, wie der Sklave die Truhe wieder schloss. Letztendlich konnte er doch noch herausfinden, was Hannibal da aus seiner Truhe entnommen hatten, wobei diese Erkenntnis nicht sehr befriedigend war. Das kleine Kästchen und der Beutel, den Hannibal neben sein Lager stellte, gaben ihr Geheimnis nicht preis und bevor Cassim noch danach fragen konnte, hatte sich auch schon der Medicus in der Sklavenunterkunft eingefunden. Cassim rümpfte, wenn auch unscheinbar, bei seinem Anblick die Nase. Einen solchen fetten Menschen war ihm noch nie zu Gesicht gekommen. Es blieb nur zu hoffen, dass er in der Ausübung seiner Profession sorgfältiger und gewissenhafter war, als er es in Bezug auf die Sorge um sein Äußeres war.
Atheius, der Medicus hatte sich zu ihm gewandt und ihn nach seiner Verletzung gefragt. Daraufhin entledigte sich Cassim seiner Tunika, sodass sein durchtrainierter muskulöser Oberköper zum Vorschein kam. Ebenso wurde die klaffende Wunde sichtbar, die quer über seine Brust verlief. "Hier bin ich verletzt!" -
Sim-Off: Entschuldige bitte.
Der Medicus schnalzte mit der Zunge als er die Verletzung sah, zudem fügte er auch ein: "Aiiie, wer hat sich denn darum gekümmert? Wohl keiner, wenn ich das recht sehe!" an. Atheus schüttelte entsetzt den Kopf und trat näher heran. "Böses wucherndes Fleisch. Üble Säfte, die da hindurch gehen. Das wird viel Arbeit." Atheus trat einen Schritt näher und begutachtete die schwärende Wunde einmal genauer, schüttelte darauf hin den Kopf und deutete bestimmend auf das Bett. "Setz' Dich!", bekräftigte Atheus ehe er einen Jungen heran winkte, der ihm unauffällig in den Raum gefolgt war. Der schmächtige und etwas blasse Junge huschte heran. Atheus beugte sich hinunter und murmelte leise auf Griechisch etwas zu ihm. Der Junge nickte eifrig und eilte aus der Sklavenunterkunft heraus. Hannibal derweil hatte sich etwas zurück gelehnt. Er stützte die Hände auf dem Rücken ab und betrachtete die Ankunft des Medicus mit mäßigem Interesse. Was jedoch wieder seinen Augenmerk fesselte, war Cassim. Schräg von hinten hatte Hannibal einen guten Blick auf den Rücken des Parthers. Hannibals Mundwinkel wanderten etwas nach oben und er betrachtete Cassim doch wieder mit einem ganz anderen Interesse. Wobei er das auch recht ausgiebig tat, wähnte er doch die Aufmerksamkeit des Parthers auf dem griechischen Medicus. Was Hannibal erneut erhaschen konnte, und das dieses Mal etwas ausgiebiger als im schlichten Bad der Sklaven, das gefiel ihm außerordentlich gut, so dass Hannibal für den Moment auch nicht den Blick von dem muskulösen Rücken des anderen Sklaven herunter nahm.
Schon eilte jedoch der Junge wieder in den Raum und er trug eine Kiste in den Armen, die er, wie ein Kind behütend, vorsichtig neben dem Medicus abstellte, der sich derweil noch näher an Cassim gebeugt hatte und mit seinen dicken Fingern erstaunlich vorsichtig um die Wunde herum fuhr, ohne sie wirklich zu berühren. Der Junge öffnete die Kiste und darunter kamen vom Trepanationsbesteck bis zum Skalpell, aus feinem Metall und edlem Elfenbein gemacht, viele Arten von Werkzeugen der medizinischen Künste zum Vorschein. Ebenso kleine Töpfe, lederne Beutel und ein intensiver Geruch nach Kräutern. "Schwierig!", murmelte der Medicus. "Das faulende Fleisch muss weg. Außerdem müssen wir die üblen Säfte aus dem Körper und ganz besonders der Wunde heraus bringen. Hitzig, nicht trocken. Ich sehe schon...überall gelbe Galle!" Er deutete auf den Eiter und sah zu seinem Lehrling, der aufmerksam auf die Wunde starrte und pflichtbewusst nickte. "Also gut, wir müssen die üblen Wundränder wegschneiden und die Galle abfließen lassen!", verkündete Atheus, mehr zu seinem Lehrling. "Hole heißes Wasser, mein Junge!" Der Junge nickt erneut, ein Wort brachte er jedoch nicht hervor und rannte schnell aus der Sklavenunterkunft, um das Wasser zu holen. "Lege Dich hin!"
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Sim-Off: Keine Ursache!
Die ganze Art des Medicus´ belustigte Cassim auf eine gewisse Weise. Hätte ihm seine Wunde nicht solche Schmerzen beschert, dann hätte er wahrscheinlich schon beim ersten Wort des Griechen laut losgeprustet. So unterdrückte er das Ganze und nahm zur Kenntnis, was Atheus diagnostizierte. Fürwahr, der Medicus hatte nicht übertrieben. Nach seiner Gefangennahme hatte man sich zwar um seine Verletzung gekümmert, jedoch war dies nur halbherzig geschehen. Oberstes Ziel war, ihn einigermaßen wieder herzustellen, damit er auf dem Sklavenmarkt einen ordentlichen Preis abwarf.
Cassim setzte sich.
Jetzt erst fiel ihm ein schmächtiger blasser Junge auf, der Gehilfe des Medicus, so vermutete er. Der Junge bildete das krasse Gegenteil zu dem fetten Medicus, dessen Gesicht durch die wenige Anstrengung bereits rotgefärbt war. Nachdem der Medicus ihm etwas zugeflüstert hatte, verließ der Junge zielstrebig den Raum und kehrte geraume Zeit wieder zurück. Diesmal trug er eine Kiste mit sich.
Der Parther wähnte Hannibals Anwesenheit hinter seinem Rücken. Was er allerdings nicht ahnen konnte, war die Ausstrahlung, die er auf den anderen Sklaven ausübte. Er, der er bislang mit Freuden ausschließlich dem weiblichen Geschlecht zugetan war, hätte dies sicher in arge Bedrängnis gestürzt, hätte er auch nur einen Hauch der Ahnung davon gehabt.
Der Grieche besah sich genauestens die Wunde. Er war damit äußerst vorsichtig, was Cassim ihm, angesichts seiner Leibesfülle gar nicht zugetraut hätte. Der Junge öffnete die mitgebrachte Kiste und eine Menge medizinischer Werkzeuge kam zum Vorschein, von denen Cassim nur erahnen konnte, zu welchem Zweck sie dienlich waren.
Bald schon war der Medicus zu einem Ergebnis gekommen, wie er weiter verfahren musste. Cassim hob beide Augenbrauen an, als er hörte, er müsse sich nun einer kleinen Operation unterziehen. Innerlich beunruhigt durch diese Aussicht, blieb er äußerlich völlig gelassen. Er ließ sich überhaupt nichts anmerken, denn schließlich war er ja ein Mann von Stand, wenn auch momentan eher in einer misslichen Lage, und ein Soldat noch dazu. Er konnte es sich also keineswegs leisten, wie ein Weib herum zu jammern, auch wenn sich in ihm alles dagegen sträubte.
Der Medicus indes, wollte keine Zeit verstreichen lassen. Er schickte seinen Lehrling los, um heißes Wasser zu holen und wies Cassim an, sich hinzulegen.
"Ähm, ist das denn die einzige Möglichkeit?" fragte er, wobei er die Antwort schon kannte. Dies geschah lediglich, um noch etwas Zeit zu schinden und den unausweichlichen Schmerz noch etwas vor sich herzuschieben.
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