Inspectio aedilis curulis - oder: die Wahrheit über das Volk der Mäuse

  • Ohne großes Aufsehen hatten die beiden flavischen Sänften sich bis zum Rande der Mercatus Traiani geschoben, wo die beiden Flavier die Fortbewegungsmittel verließen, und Gracchus den Kontrolltrupp um sich herum organisierte. Es lag ihm daran, nicht allzu auffällig vorzugehen, gleichsam brauchten sie Männer, welche im Falle eines Falles zu jeglicher Aktion würden bereit sein. Sein Sklave Sciurus trug die geeichten Maße und Gewichte, zudem war er verantwortlich für das Protokoll und würde notfalls ebenfalls eingreifen können, Serenus, Gracchus' Neffe und während der Amtszeit seiner ersten Aufgabe als Scriba personalis seines Onkels nachgehend, trug den Stolz der flavischen Familie, und Gracchus selbst die Verantwortung. Zu ihrer Begleitung wählte der Aedil drei weitere Männer aus, der erste mit einem Kreuz, in dessen Windschatten sie bequem würden nebeneinander folgen können, der zweite von schmaler Statur, welcher bei Bedarf sich flink durch die dicht gedrängte Masse der Einkäufer würde bewegen können, und der dritte von hohem Wuchs, welcher in ihrem Rücken den Markt würde im Auge behalten. Als der Rest der Sklavenschaft und die Sänften sich entfernt hatten, wandte Gracchus sich an Serenus und Sciurus, das Vorgehen ihnen zu erläutern.
    "Wir werden uns nun vorwiegend die nicht ortsgebundenen Stände in den unteren Bereichen der Mercatus Traiani ansehen und auf gültige Lizenzen, sowie korrekte Maße und Gewichte prüfen. Da sich unsere Anwesenheit früher oder später unter den wird Händlern herumsprechen, werden wir die ersten Stände in großer Eile, doch nichtsdestotrotz ebenso großer Sorgfalt prüfen. Hernach werden wir die Mercatus Traiani verlassen, um uns den Ständen entlang der Via Flaminia zu widmen, doch nur, um später noch einmal zu den Trajansmärkten zurück zu kehren. Allfällig werden wir hernach noch am Forum Boarium kontrollieren, so dass dies ein durchaus die Füße beanspruchender Tag werden wird. Das wichtigste dabei ist das Überraschungsmoment so weit wie möglich auszukosten, denn nicht selten besitzen Händler beispielsweise mehr als ein Satz an Gewichten, wiegen der üblichen Kundschaft falsch ab, packen jedoch am Tage der Kontrollen die korrekten Maße und Gewichte auf den Tisch."
    Sein Blick glitt auf Serenus, dessen geringe Größe seine Augen sehr viel näher an die Verkaufsflächen würde bringen.
    "Was auch immer dir auffällt, Serenus, zögere nicht, dies mitzuteilen."

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  • Zuerst war Serenus etwas geknickt gewesen, dass sein Onkel ihre Sicherheit so breitschultrigen Leuten anvertrauen wollte, die sie begleiteten. Wozu hatte Serenus einen riesigen Molosserhund, der ihn und seinen Onkel mit seinem Leben verteidigen würde? Und der war mit Sicherheit tödlicher als so ein breitschultriger Hüne, dessen Augen schon eine mangelnde Intelligenz verrieten. Allerdings war an dem Hinweis von Hannibal, dass man Serenus und damit Onkel Gracchus als Aedil direkt erkennen würde, wenn der Hund mit dabei war. Der Hund hatte einen gewissen Wiedererkennungswert von dem man auf die Gens Flavia schließen konnte, da er Serenus außerhalb der Villa fast immer begleitete.


    Serenus hatte den Instruktionen seines Onkels gut zugehört. Die langen Fusswege störten ihn nicht. Er war in guter Form und hatte sich auch in weiser Voraussicht für ein Paar gut eingelaufene Sandalen entschieden. Bei seiner restlichen Gewandung für die Mission hatte Hannibal ihn beraten. Dezente Farben, hochwertig, aber auch nicht zu auffällig. Das war wohl eine Anspielung darauf gewesen, dass bei Kindern die derzeitige Mode eindeutig den Trend quietschbunter Kombinationen hatte, die selbst in dunkler Nacht noch mit jedem Ibis oder Papagei konkurrieren konnten. Aber auch langweilige Bekleidung fand sich in Serenus Schrank und Truhen.


    Serenus ließ seinen Blick über den Markt und die Stände schweifen. Sein Blick blieb auf einem mobilen Fischhändler mit Karren und Körben voller Ware haften. Er wandte sich auf Griechisch an seinen Onkel und an Sciurus um es einem zufälligen Zuhörer zu erschweren. Bei Sciurus ging Serenus einfach davon aus, dass er ebenso wie Hannibal fließend Griechisch sprechen, lesen und schreiben konnte.


    „Onkel Gracchus, also an dem Stand da drüben solltest du keinen Fisch kaufen, falls wir die Inspektion noch mit einem Einkauf verbinden wollen. Der Händler preist die Frische seiner Fische an, aber den kenne ich vom Markt am Forum. Der große Schwertfisch und der Oktopuss sind dieselben wie vor 4 Tagen, als ich die neuste Ausgabe von „Sklave Gaius ist der Beste“ besorgt habe. Mit den Salbeizweigen auf der Räucherkohle überdeckt er den beginnenden Geruch. Und die Farbe der Schuppen und die Augenfärbung der Fische sagt dem Fischkundigen, dass die restliche Ware ganz sicher nicht fangfrisch ist. Bedenklich. Fischvergiftungen können übel sein. Und diese Sorte Muscheln muß man in frischem Wasser liegen lassen. Sie werden sonst sofort schlecht. Hier sollte man nur einkaufen, wenn man ungebetene Gäste loswerden will.“


    Der Verkaufsstand von "Sklave Gaius ist der Beste" und die dort beschäftigten Scribas wanderten stets über den Markt am Forum. Jedesmal woanders und immer mit neuen Impulsen, deren Sinn sich mitunter oft dem Käufer verschloss, aber stets die Frage mit sich brachte was es das nächste Mal wieder Neues gab. Auch das war Teil der Verkaufsstrategie und so hatten sich bei der letzten Ausgabe alle Verkäufer die Haare rot mit Henna gefärbt und ein gelbes Halstuch getragen. So etwas fiel auf. Ebenso wie der Fischstand nebenan, der jetzt hier wieder aufgetaucht war. Immerhin hatte Serenus gut 10 Minuten neben dem Stand in einer Schlange gewartet, bevor er seine Ausgabe bekommen hatte.


    Mit Fisch und Meeresgetier kannte sich Serenus gut aus. Baiae lag am Meer, was gleichzeitig bedeutete, dass es oft Meerestiere zu Essen gab, selbst in patrizischen Haushalten, wo man jeden Tag auch Fleisch hätte servieren können. Und oft spielten und angelten die Kinder am Wasser und die genseigenen Fischerboote fuhren oft mit den „Piraten von Baiae“ aus. An Bord eines Schiffes oder an den villeneigenen Anlegern lernte man als spielendes Kind sehr viel nebenbei über Fisch. Dazu kam dann noch eine Oma, die Fisch gegenüber Fleisch auf dem kindlichen Speiseplan eindeutig bevorzugte. Abgerundet wurde das Fachwissen über Fische und andere Speisen mit häufigen Besuchen in den Küchen der Villen. Da Serenus Haustiere hatte blieb es nicht aus, dass man ab und an als Patrizier den Weg in die Küchen fand und selber das ein oder andere veranlasste. Ein aufmerksamer Tierbesitzer konnte da viel von den besten Köchen im Imperium lernen, denn ein Austausch war mitunter angebracht. Sein Hund, die Ziegen, die Ponies und der Löwe hatten alle andere Sachen auf dem Speiseplan, die zugefüttert wurden. Und die Köche der Villen hatten oft ein umfangreiches Fachwissen was die Versorgung der Tiere und der Hausbewohner anging.

  • Der Redeschwall seines Neffen überforderte Gracchus beinah ein wenig, insbesondere die Aufnahme des Inhaltes des Gesagten. Fischkauf war nichts, mit was er sich je in seinem Leben hatte beschäftigt, denn obgleich er als Heranwachsender gemeinsam mit Aquilius ab und an den Angelhaken hatte ausgeworfen, so nur im Ansinnen, den größten und dicksten Fisch von allen zu fangen, um ihn hernach zurück ins Wasser zu lassen.
    "Nun, so sollten wir uns eben jenen Stand einmal genauer ansehen"
    , formte er langsam seine Worte, um Zeit zu schinden, und trat mit Serenus und den Sklaven den Weg zu eben jenem Fischhändler an.
    "Salve, ich bin Flavius Gracchus, Aedilis Curulis im Auftrage des römischen Staates. Bitte zeige mir deine Lizenz und reihe deine Gewichte zur Kontrolle auf."
    Lange hatte er gehadert, ob es nicht klüger wäre, als einfacher Interessent und Käufer aufzutreten, doch es widerstrebte Gracchus selbst zu Amtszwecken sich einer Lüge zu bedienen.
    "Weiters möchte ich, dass du mit dem Räuchern aufhörst, so dass wir die olfaktorische Güte deiner Ware prüfen können."
    Der Fischhändler wurde blass um seine Nase, begann bereits mit der Begrüßung zu stammeln.
    "Oh ... sal..ve..te ... ich ... uhm ... einen Augenblick ... sehr wohl ... sehr gern ..."
    Hastig bückte er sich zu einer Kiste hin, in welcher er auch seine Einnahmen verwahrte, und kramte dort ein gesiegeltes Dokument heraus.
    "Meine Lizenz, bitte sehr ... ich ... uhm ... war gerade dabei, selbst meine Waren zu kontrollieren und ... uhm ... auszusortieren ... du musst wissen, die Schwelle von frischem Fisch zu ungenießbarem ist eine sehr ... uhm ... sehr ... unspezifische, ja. Am Morgen noch ist das Fleisch frisch und lecker, dann scheint die Sonne zu sehr, der Tag ist zu warm und am Abend kannst du die Hälfte wegwerfen. Deswegen ... deswegen kontrolliere ich bei jedem Verkauf noch einmal, ob die verkaufte Ware auch noch gut ist, ja ... genau so mache ich das!"
    Mit kritischem Blicke prüfte Gracchus die Lizenz und hob beim Anblick des eingetragenen Besitzers leicht die Augenbraue, zerpflückte den Namen ein wenig als er ihn vorlas.
    "Or-dral-fa-bé-tix, das ist dein Name? Besitzt du römisches Bürgerrecht?"
    Der Fischhändler schüttelte energisch den Kopf, während er seine Gewichte ohne große Sorgfalt aufreihte.
    "Ganz recht, mein Herr, Ordralfabétix, der Mann mit dem frischesten Fisch in ganz Rom! Aber nein, ich bin kein römischer Bürger, ich bin Gallier. Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Nordwesten der Provinz, das nicht aufhört den Eindring... uhm ... das tut nichts zur Sache, nicht wahr?"
    "Nein, das tut nichts zur Sache."
    Die Lizenz gab Gracchus an seinen Scriba Serenus weiter, welcher die notwendigen Daten würde erfassen, hernach hieß er mit einem Wink seinen Sklaven, die Gewichte gegen die staatlichen Muster zu prüfen, während er selbst die Fingerspitze seines kleinen Fingers in das Wasser tunkte, in welches die Muscheln zur Aufbewahrung waren gelegt, und davon kostete.
    "Sollte dies nicht Salzwasser sein?"

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