Area | Ein Ausflug nach Ostia


  • Der Morgen war kühl und alles andere als angenehm, aber damit musste man selbst in Rom zu leben lernen - dieser Winter schien sich noch etwas hinziehen zu wollen, und vermutlich war es besser als ein allzu karger und trockener Sommer. Zumindest lag nirgendwo Schnee, man musste es alles also einigermaßen positiv sehen. Straton hatte meinen schwarzen Hengst Lapsus mit einer Satteltasche voller Vorräte beladen, die sicherlich mit Leichtigkeit für die kurze Reise ausreichen würde, die ich geplant hatte - für Bridhe hatte er ein sehr sanftes und geduldiges Tier aus dem Stall der villa Flavia ausgesucht, das sie hoffentlich weder abwerfen noch sonstige Probleme machen würde. Ich war früh nach einer durchwachsenen Nacht aufgestanden, hatte aber nicht das Gefühl, mich auch nur ansatzweise erholt zu haben - wie es in letzter Zeit öfter geschehen war, und so war ich auch noch nicht unbedingt ein strahlender oder gutgelaunter Anblick. Eigentlich hätte ich einige Tage durchschlafen können, wäre es mir überhaupt gelungen, so einzuschlafen, dass mich nicht jedes Geräusch aus irgendeinem der Nebenräume prompt wieder aus dem Schlaf gerissen hätte.


    Ein Gähnen mühsam unterdrückend wartete ich eigentlich nur noch auf Bridhe, die den Termin hoffentlich nicht vergessen hatte - seit sie nicht mehr bei mir schlief, hatten wir einen getrennten Tagesablauf, und ich sah sie nicht mehr allzu häufig, da ich wieder viel Zeit außer Haus verbrachte. Der Tempeldienst war etwas umfangreicher geworden, zudem hieß es für mich, politische Verbindungen zu knüpfen und sie zu pflegen, die letzten Wochen hatte ich immer wieder auch Klienten abends besucht und wenig Zeit gehabt, meinen Mußebeschäftigungen nachzugehen - dichten, trinken, Frauen lieben. Es fehlte mir, wie mir generell etwas Zeit fehlte, um den Kopf frei zu bekommen, wahrscheinlich schlief ich deswegen so schlecht. Als Lapsus aufmerksamkeitsheischend schnaubte, klopfte ich seinen mächtigen Hals und kraulte ihm hinter den Ohren, was er immer gern gemocht hatte, ließ mich nur allzu dankbar von der undankbaren Beschäftigung des Wartens ablenken, indem ich ihm einen Brocken Rübe gab, den er krachend zerkaute. Wirklich ein treues Pferd ... die Gedanken verloren sich, irrten zu den Ereignissen zurück, die ich mit diesem Tier geteilt hatte, und die Zeit verging irgendwie schneller.

  • Nachdem auch meine Nacht alles andere als erholsam gewesen war, hatte ich es trotzdem geschafft, mich aufzuraffen. Abgesehen von der allmorgendlichen Übelkeit, dem fehlenden Schlaf und dem eigenartigen Gefühl im Magen, das ich wegen des erneuten Zusammentreffens mit Aquilius hatte, ging es mir einfach blendend! Seit jenem Abend, an dem ich ihm so manches gebeichtet hatte und der damit geendet hatte, dass ich vor die Tür gesetzt wurde und die Nacht, wenn auch freiwillig, im Garten verbracht hatte, waren wir uns erfolgreich aus dem Weg gegangen. Und das war auch gut so! Umso mehr fürchtete ich nun die Begegnung mit ihm.
    Am Abend zuvor hatte ich mir vor dem Zubettgehen noch einige Sachen eingepackt. Zweckmäßige Kleidung eben, zwei Tuniken, ein weiteres Paar Schuhe, ein Kamm. Mehr benötigte ich nicht. Auf besonderen Proviant hatte ich auch verzichtet. Ein Stückchen trockenen Brots würde mir sicher über die schlimmsten Beschwerden hinweghelfen. Ich war in dieser Hinsicht sehr genügsam, denn ich hatte es auch früher nicht anders gekannt.
    Für den Ritt hatte ich mir eine etwas weiter geschnittene, bequeme Tunika ausgesucht. Sie war aus einem dünnen blauen Wollstoff gewebt, der robust war und warm hielt.
    Ich hatte keine Vorstellung davon, wie weit es nach Ostia war. Mir war lediglich bekannt, dass es dort einen Hafen gab und dass es daher folgerichtig am Meer lag.
    Je näher die Stunde des Aufbruchs näher gerückt war, desto nervöser wurde ich. Ich konnte von mir zwar nicht behaupten, vor Freude zu platzen, doch erschien mir dieser Ausflug, oder was immer es auch werden sollte, als willkommene Abwechslung. Besonders freute ich mich auf das Pferd, auf dem ich reiten durfte. Es war zwar schon einige Zeit her, seit meinem letzten Ritt, doch war reiten für mich eine Sache, die man nie mehr verlernte, wenn man sie einmal beherrscht hatte. Und Reiten konnte ich! Schließlich war ich mit Pferden groß geworden. Und dann war da noch das Meer. Wie es wohl aussehen mochte, sein Meer? Ob es auch so stürmisch und wild sein konnte, wie mein Meer um dieses Jahreszeit? Von jeher liebte ich das Meer, auch wenn es mir schon so manches genommen hatte, zuletzt sogar meine Freiheit. Vielleicht würde es mir eines Tages dafür auch wieder etwas geben.


    In einen grün-grauen wollenen Umhang gehüllt trat ich dann in den Hof. Es war noch etwas frisch am Morgen, doch dies als kalt zu beschreiben, hätte ich für übertrieben gehalten. Es war zwar bewölkt, doch konnte man stellenweise den blauen Himmel erkennen, was ein Indiz dafür war, dass es sicherlich nicht sobald regnen würde. Und wenn schon! Von einem Regentropfen war bisher noch niemand erschlagen worden!
    Aquilius war schon bereit zum Aufbruch. Einzig und alleine auf mich hatte er noch gewartet.


    Guten Morgen!....Ich wäre dann soweit, dominus, sagte ich etwas zögerlich und vermied es, ihn dabei direkt anzuschauen.

  • Da war sie also, Bridhe mit der heute einmal nicht sauren Miene - sie schien sogar recht guter Dinge, wenn ich ihren Gesichtsausdruck richtig interpretierte, und das war ein recht gutes Vorzeichen für den kleinen Ausflug nach Ostia. Zudem schien sie sich passend gekleidet zu haben, und nachdem sie mich begrüßt hatte, drückte ich ihr auch gleich den Zügel für ihr Pferd in die hand. "Guten Morgen, Bridhe," sagte ich und schwang mich schon auf den Rücken von Lapsus - ganz froh darüber, dass ich weder ausgerutscht noch abgerutscht war, ich war zwar ein guter Reiter, aber kein Mensch war vor unangenehmen Zwischenfällen sicher, und ich schien sie bisweilen direkt anzuziehen. "Lass uns gleich aufbrechen, wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns, frühstücken können wir auch unterwegs noch - es gibt einige Gasthäuser auf dem Weg nach Ostia, die direkt an der Straße liegen." Und die damit auch noch ein unverschämt gutes Geschäft machten, aber das sagte ich nicht laut. Wenn man uns Römern eines klar nachsagen konnte, dann, dass wir ein ausgesprochen geschäftstüchtiges Volk waren, das wohl auch noch Wetten über den Todestag der eigenen Großeltern abschließen würde, wäre es nicht allgemein als pietätlos verschrien (aber wahrscheinlich gab es doch den ein oder anderen, der sich nichts daraus machte und dennoch wettete).


    So wartete ich noch, bis sie aufgestiegen war und lenkte dann mein Tier zum Hoftor, an dem einer der Jungen wartete, die schon von Geburt an Sklaven der Flavier gewesen waren. "Sie heißt übrigens Carmelina," sagte ich und deutete auf Bridhes Stute. "Wenn Du gut mit ihr umgehst, wird sie es Dir lohnen." Kurz hoben sich meine Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln, dann nickte ich dem Jungen zu, damit er uns das Tor öffnete - und nach etwas Ächzen und Schnauben tat er es dann auch. Ein kühler Morgenwind erfasste uns, der von der Straße her herein zog, und ich schauderte kurz - an kaltes Wetter konnte und wollte ich mich nicht recht gewöhnen, letztlich hatte ich auch einfach zuviele Jahre im sonnigen Süden verbracht, sei es nun in Hispania oder Achaia gewesen - bevor ich Lapsus bedeutete, er möge sich in Bewegung setzen. Langsam ritt ich hinaus und fühlte mich fast sofort besser, als ich die villa hinter mir lassen konnte. Letztendlich war es vielleicht ein Ort zum wohnen, den ich seit mehreren Jahren nutzte, aber wirklich zuhause fühlte ich mich dort nicht. Wahrscheinlich würde es niemals einen Ort geben, an dem mir diese Entspannung vergönnt sein würde.

  • Konnte ich vorerst noch meinen Blick von ihm lassen, war ich spätestens jetzt gezwungen, ihn anzuschauen, als er mir die Zügel der braunen Stute reichte. Meine Mundwinkel zuckten etwas und es musste möglicherwise wie ein Lächeln gewirkt haben. Erfreulicherweise war nun aber sofort das Pferd in den Vordergrund getreten und so wurde es mir leicht gemacht, meine Aufmerksamkeit auf das Tier zu lenken. Es war in der Tat ein sehr schönes Tier mit einer weißen Blesse. Ich fragte mich noch, wie es gerufen wurde.


    Während Aquilius seinen Hengst bestieg, strich ich der Stute zärtlich über ihr Fell und wisperte ihr leise einige Worte zu.
    Aquilius Plan, sofort aufzubrechen und das Frühstück erst später in einem Gasthaus einzunehmen, beunruhigte mich ein wenig. Ich selbst hatte ja noch nichts gegessen und schon spürte ich wieder diese Übelkeit, die in mit hochsteigen wollte. Aber ich ließ mir nichts anmerken. Vielleicht würde ich den Ritt ja auch so überstehen.
    Schließlich bestieg auch ich mein Pferd und saß gleichermaßen sicher im Sattel. Es war ein gutes Gefühl, nach langer Zeit wieder auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen. Ich merkte sofort, dies war ein gutmütiges Tier, mit dem ich es hier zu tun hatte und ich wusste auch, es würde mir bestimmt keine Schwierigkeiten machen. Carmelina war also der Name der Stute.
    Ich folgte Aquilius, als er zum Tor hinaus ritt. Auch ich empfand es als eine Art der Erleichterung, für eine Zeit lang den Mauern der Villa entkommen zu sein und ich weinte ihr auch keine einzie Träne nach. Ich wünschte mir nur, die nächsten Tage würden so angenehm, wie möglich werden. Vielleicht könnte auch ich so etwas Ruhe finden.

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