adedis | Der Sohn des Vetters...

  • Mit Orestes im Schlepptau tapperte der Junge also durchs atrium, vorbei am impluvium und diversen Büsten und Wachsmasken, um einen eingetopften Busch herum und durch einen Flur. Vor dem Aurelier passierte er den Rundbogen und betrat das adedis, steuerte eine Liege an - und erstarrte unsicher. Der dominus war eingenickt, die Schriftrolle halb von seinem Schoß gerutscht. Unsicher sog der Knabe die Unterlippe ein und überlegte. Vorsichtig angelte er nach der Lektüre, rollte sie sorgsam zusammen und legte sie auf einen Beistelltisch, dann räusperte er sich. "dominus?" versuchte er es mit dünnem Stimmchen und viel zu zaghaft. Hilfesuchend blickte er Orestes an und unterließ jeden weiteren Versuch, Corvinus zu wecken.

  • "Ist schon gut. Geh ich werde Corvinus wecken.",


    raunte Orestes dem Sklavenjungen zu. Dann betrachte er das Adedis der Villa Aurelia. Fast wie er es in Erinnerung hatte - nur etwas stilvoller. Vielleicht war auch sein Stilempfinden in den vergangenen vier Jahren gewachsen.


    Jetzt stand er da und Aurelius Corvinus lag eingenickt auf der Liege. Es würde wichtig werden, dieses Gespräch. Von daher wollte er einen guten Eindruck machen. Sie hatten sich schließlich länger nicht gesehen und Orestes konnte sich nicht sicher sein, was Corvinus von ihm in Erinnerung hatte.


    Also stellte er sich in das gedachte Blickfeld des noch sclafenden Aureliers und sprach mit einigermaßen lauter Stimme:


    "Marcus, Du hast Besuch!"

  • Eigentlich hatte ich dieses Protokoll der letzten Sitzung der septemviri lesen wollen, doch Fulvius Frugi hatte die Feder führen lassen, und so beinhaltete das Dokument lediglich Geschwafel und Unwichtigkeiten. Damit war es wohl kein Wunder, dass ich eingenickt war und nun mehr oder minder selig schlumemrte. Den Knaben hörte ich nicht, auch nicht, als dieser nach einem zerknirschten Nicken fort huschte und einen Mann zurück ließ, den ich lange nicht gesehen hatte.


    Als mein Name zu mir drang, fuhr ich aus dem Schlaf hoch und blinzelte einige Male angestrengt. Wen ich sah, war mein Vetter, was mich kurz noch annehmen ließ, ich träumte. Ein wenig derangiert setzte sich mich auf. "Manius?" Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. "Das ist ja eine Überraschung. Ich dachte, du seist noch in Alexandrien? Wie kommt's?" fragte ich, und allmählich breitete sich auch ein erfreutes Lächeln auf meinen Zügen aus. "Setz dich doch. Hast du Hunger? Wie geht es dir, und vor allem: du bleibst doch eine Weile, oder nicht?"

  • "Ja. Tatsächlich. Traue Deinen Augen. Ich bin es Manius.",


    erwiederte Orestes die Einladung sich zu setzen annehmend.


    Hunger ja, ein wenig. Die Reise war doch appetitanregend. Ich komme gerade aus Ostia, wohin mich ein Schiff aus Alexandrien gebracht hatte. Und um Deine letzte Frage zu beantworten. ja, ich würde gerne eine gewisse Zeit hier in Rom bleiben. Das hat auch damit zu tun, warum ich Alexandrien verlassen habe.


    Er räusperte sich ein wenig, damit die Stimme bei den folgenden pathetischen Worten nicht belegt wirken würde:


    Ich bin erwachsen geworden. Ein Stück weit wenigstens und ich habe begriffen, dass ich hier in Rom, das tun muss, was ein Aurelier tun muss. Rom gestalten, wie mein Großvater Crassus. Und dafür bin ich jetzt da und will auch hier bleiben, wenn Du es mir erlaubst.

  • Ein amüsiertes Glitzern trat in meine eben noch verschlafenen Augen. "Dann sei willkommen in Rom, Manius", erwiderte ich herzlich und klopfte ihm auf die Schulter. Allmählich schien sich die villa zu füllen, was angesichts der Abwesenheit eines Goßteils der Sklaven zu Engpässen führen konnte, wenn plötzlich noch weitere Familienmitglieder auftauchten. Ich blickte kurz aus dem Raum hinaus, doch zu Orestes gehörige Sklaven sah ich nicht. Vermutlich schafften sie gerade sein Gepäck ins Haus, das er mit Sicherheit hatte, wo er doch länger bleiben wollte. Ein entsprechender Blick zu Sofia verdeutlichte ihr, dass sie sich um Orestes' Hunger kümmern sollte. Wie das Soffchen nun einmal war, brauchte sie ein Weilchen, ehe sie verstand, was von ihr verlangt wurde. Dann aber huschte sie aus dem Wohnraum hinaus und eilte in die Küche.


    Was Orestes mir erzählte, ließ mich hellhörig werden. Interessiert verfolgte ich seine Worte. "Selbstverständlich, Manius. Das heißt - nur, wenn du mir verrätst, was du planst", gab ich zurück und grinste. Dass er Crassus erwähnte, der seinerzeit bedeutende Taten vollbracht und uns unseren Stand eingebracht hatte, mochte gewiss etwas bedeuten - so glaubte ich.

  • Eine sehr dezent in der Ecke des Raumes stehende Sklavin, die Orestes vorher nicht bemerkt hatte, entschwand - wohl um etwas zu essen zu holen. Und ab diesem Moment wusste Orestes, dass es gut war, wieder in Roma zu sein - be der Familie. Das Leben in Alexandria war doch deutlich zu einfach gewesen. Das hatte für die Zeit gepasst, aber jetzt würde er hier wieder anders leben können.


    "Meine Pläne, Vetter, sind eigentlich einfach: Ich möchte in die Politik. Gerade in dieser Zeit eines beginnenden Prinzipats müsste man dort das meiste erreichen können."


    Er lehnte sich zufrieden zurück. Wahrscheinlich würde auch ein guter Wein gereicht werden. Sehr gut, dachte er und fuhr sprechend fort:


    Das heißt, wenn man erstmal in der Gesellschaft in Rom angekommen ist. Was denkst Du, ich sollte erst einmal in wichtigen Kreisen in Rom bekannt sein und mich dann um ein Vigintivirat bemühen. Und dann sehen wir wie es weiter gehen kann, oder?

  • "Ich denke, wenn ich dir nun sage, dass mich dieser Entschluss freut, dürfte das keine unverhoffte Überraschung für dich sein", erwiderte ich schmunzelnd. "Noch ist Valerianus nicht in Rom. Wir werden sehen, ob sich etwas ändert, und wenn ja, was es sein wird. ich gehe jedoch davon aus, dass er das Steuer ähnlich halten wird wie sein Vater."


    Eine andere Sklavin brachte soeben eine Schale Oliven, um den Appetit schon anzuregen, während Sofia sich um etwas Deftigeres kümmerte. Zudem schenkte sie den Wein ein, den Orestes bereits vermutet hatte, und dann zog sie sich diskret zurück und ließ uns wieder allein. "So ist es", pflichtete ich ihm bei. "Ich weiß nicht, was du dir da vorgestellt hast, Manius, aber ich sagte es bereits Tiberius und Gaius - die beiden kamen vor ein paar Tagen ebenfalls hier an - der cultus deorum bietet sozusagen den perfekten Einstieg in die Politik. Du interagierst mit Menschen, erreichts Bekanntheit, sitzt nicht untätig herum. Ein Priesteramt schafft dir die besten Voraussetzungen."


    Über den Weinbecher hinweg betrachtete ich seine Reaktion. Weder Catulus noch Avianus waren begeistert gewesen, als ich ihnen dasselbe vorgeschlagen hatte. Was Orestes darüber dachte, war mir nicht ganz klar. Noch nicht.

  • Oliven, Wein - ja so ließ es sich aushalten. Die Entscheidung nach Roma zu gehen war wirklich richtig gewesen. Deswegen hörte Orestes mit offenem Ohr dem Vorschlag des Corvinus zu - nicht ohne sich dabei zu bedienen und seine trockene Kehle mit dem Wein zu benetzen:


    Gut. Ich vertraue Deiner Einschätzung, dass Valerianus nicht viel ändern wird. Manche sagen ja auch, dass er krank sei. Mögen die Götter das verhüten.


    Womit er auch schon beim Thema angelangt wäre. Orestes hoffte, dass der Blick seines Verwandten so klar war, wie seine Argumente


    "Der Cultus Deorum. Das klingt gut. Man wird in der heutigen Zeit wahrscheinlich über kurz oder lang wahrscheinlich kein höheres Amt erreichen können, wenn man nicht auch seiner pietas Ausdruck verleiht. Und es so zu tun und gleichzeitig in die richtigen Kreise hineinzukommen. Das klingt sehr vernünftig. Du hast doch selbst auch ein religiöses Amt, oder?"

  • Ich nickte langsam. "Ja, das stimmt. Mir wurde vor einiger Zeit die Ehre eines Septemvirats angetragen", bestätigte ich. "Wenn es wirklich dein Wunsch ist, im cultus tätig zu werden, kann ich dir einige Wege ersparen und die Anmeldung zu deiner Opferprüfung gleich in die Wege leiten. Die nötigen Grundkenntnisse dürftest du ja bereits haben"*, erwähnte ich und lehnte mich bequemer zurück. Ob Orestes es tatsächlich ernst meinte? Vermutlich war er ganz anders als Catulus und Avianus. Und was er über die höheren Ämter sagte, entsprach zudem ganz meiner eigenen Meinung.


    "So ist es, Manius. Ich kann dich auch gern auf Empfänge mitnehmen und mit dem ein oder anderen bekannt machen. Daran soll dein Elan nicht scheitern. Und zögere bitte nicht, auf mich zuzugehen. Ich bin mir sicher, auch die anderen werden dir gern helfen, so sie es vermögen. Außer Tiberius, Gaius und mir sind zudem Prisca, Helena und Minervina hier. Titus leistet derzeit sein Tribunat in Germanien bei der Zweiten ab", informierte ich ihn. Kurz darauf kam Sofia wieder, eine Platte mit kalten Häppchen gefährlich unstet balancierend. Sie schaffte es dennoch, sie unversehrt auf dem niedrigen Tisch abzusetzen. Ich nickte ihr zu und griff mir danach eine kleine Pastete. "Greif nur zu. Und erzähl mir derweil von Ägypten. Ich hätte es gern mal besucht."



    Sim-Off:

    * Du müsstest die probatio rerum sacrarum I bestehen, um den theoretischen Teil der Priesterprüfung abzuschließen. Für den praktischen Teil gibt es eine Opferaufgabe, die du SimOn bewältigen musst, ehe man dich zum sacerdos ernennt.

  • Jetzt auch noch wahrscheinlich exquisite Pasteten und andere Leckereien. Orestes nahm sich eine bemühte sich sie nicht zu verschlingen, sondern zu genießen und erwiderte:


    Sehr gut. Als Septemvir hast Du ja tatsächlich gewisse Möglichkeiten. Das freut mich. In welche Priesterschaft sollte man denn sinnvollerweise hineingehen. Iuppiter?"


    Er hörte die Namen der in Rom anwesenden Familienmitglieder. Eine ganze Schar aus seiner Generation. Das würde ein Spaß werden, freute er sich innerlich und ein Lächeln trat auf sein Gesicht."Dann ist die Villa ja recht belebt! Titus hat ein Tribunat bekommen. Sehr gut." Dann nahm er sich noch eine Pastete und eine Schluck Wein.


    "Besonders Alexandrien solltest Du sehen. Eine Stadt. Eine zweite Urbs. Wir Römer gehen ja davon aus, dass es keine zweite Stadt wie Rom gibt. Aber wenigstens Alexandria kann mithalten. Sie ist aber auch ganz anders als Rom. Ein noch viel größerer Schmelztiegel an Völkern, Nationen und Religionen. Da bin ich schon auch wieder froh es hier in Rom mit unserer Religio Romana zu tun zu haben - ganz entsprechend den Sitten der maiores."

  • "Ich mache dir da keine Vorschriften. Im Grunde kannst du als sacerdos im Dienste des Staates ohnehin für jede Feierlichkeit und in jedem Tempel eingesetzt werden. Natürlich versuchen wir, bei der Verteilung auch die persönlichen Wünsche zu berücksichtigen. Daher solltest du dir schon eine Gottheit aussuchen, zu der du dich verbunden fühlst. Ob das Iuppiter ist oder Ceres spielt für deine Tätigkeit nachher keine Rolle, wohl aber für dich selbst. Wähle also mit Bedacht", antwortete ich und lächelte. Ein wenig kam ich mir schon vor wie mein eigener Vater. Ich sann über seine Worte nach, die mir in den Sinn kamen, ganz zusammenhanglos und irrelevant. Aber dennoch verdeutlichten sie mir in gewisser Weise, dass die Jugend nicht ewig währte, auch wenn ich nicht einmal dreißig Jahre zählte. Ich fühlte mich alt und weise - ein recht sonderbares Empfinden...


    Während Orestes nun erzählte, stützte ich das Kinn locker auf eine Hand und lauschte interessiert. Mit welcher Inbrunst er von Alexandrien schwärmte. Ich wünschte mir fast, noch einmal eine Reise dorthin unternehmen zu können, ehe es mir mit der Senatorenwürde versagt blieb. "Jemand hat einmal einen netten Vergleich angestellt. Ägypten sei von der Mentalität her ein zweites Griechenland, nur das Land sei gänzlich anders. Kannst du das bestätigen? Soweit ich weiß, ist Griechisch die Amtssprache und viele Griechen leben dort. Erzähle mir von der Architektur. Ist der Palast des Statthaltes mit dem des Kaisers vergleichbar? Und hast du jemals die Pyramiden besichtigt?"

  • Corvinus nicht so viel älter als Orestes hatte schon einiges erreicht. Sein Weg konnte Orestes nun einiges an Vorteilen verschaffen. Aber nicht nur das freute Manius Orestes - vielmehr, dass er gute Aufnahme gefunden hatte und dass sein ägyptisches Experiment offensichtlich keinen allzuschlechten Eindruck hinterlassen hatte.


    "Wenn Du auf die Bevölkerung schaust wirst Du merken, dass es sehr viele Griechen gibt. Die sind sehr griechisch natürlich. Die echten Ägypter sind aber anders. Irgendwie geheimnissvoll. Wie ihre Bauten und wie ihr Land. Die alten Bauten sind für uns unheimlich. Wie die pyramiden. Aber seit der Zeit des Makedonischen Alexanders und der Ptolemaier wurde das Land mehr und mehr hellenisiert. Der Palast hat einen fast östlichen Charme. Auch wenn versucht wird deutlich zu machen, dass der Kaiser - der römishce Pharao wie er genannt wird der eigentliche Herrscher ist, ist der Palast schon sehr prächtig."


    Er nahm wieder einen Schluck Wein. "Besonders griechisch mutet es aber an, dass sich in Alexandreia eine sogenante Ekklesia trifft - eine Volksversammlung. Du solltest es echt mal sehen - bevor es nicht mehr geht."


    Dann kam er nach einem kalten Hühnerbein mit einer interessanten Kruste wieder auf das andere Thema ihres gespräches zu sprechen:


    "Gut. Dann werde ich wohl Iuppiter wählen. Weißt Du, ich bin damit richtig zufrieden. Nach alld er Zeit des Herumstreunens und Studierens jetzt etwas vernünftiges für Rom, für unsere Familie und für mich zu tun. Das fühlt sich richtig gut an."

  • Es war recht amüsant, wie Orestes mir von Ägypten erzählte. Viele Griechen machten diese Provinz also sehr griechisch. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein äußerst breits Schmunzeln und blickte gemäßigt drein, auch wenn er weiterhin wie ein Lehrbuch klang. Ich hob die Hand und legte in lockerer, stützender Geste zwei Finger über meine Lippen - eine lässige Geste, die allerdings eher dazu diente, mein Grinsen zu übertünchen. Schließlich räusperte ich mich. "Nun, du klingst sehr begeistert. Dann wird es dich vielleicht freuen, dass ich den Bau einer exedra in Auftrag gegeben habe. Sie soll äygptisches Flair haben, wenn sie erst einmal fertiggestellt ist."


    Ich angelte mir ein gefülltes Wachtelei und machte mich genüsslich darüber her. "Ja, von der Ekklesia habe ich schon gehört. Die alexandrinische dürfte sich von der griechischen kaum unterschieden. Gibt es denn ein Ekklesiasterion in Alexandrien? Athen hat eines, sogar ein ziemlich beeindruckendes." Was die Besichtigung betraf, war ich mir beinahe sicher, dass ich nicht mehr genügend Zeit haben würde, und darüberhinaus konnte ich schlecht Amt und Würden hier in Rom zurücklassen und mich reulos anderweitig vergnügen. Das stand mir nicht zu Gesicht, und vereinbaren mit meinem Denken und Handeln ließ es sich auch nicht. So schwieg ich dazu und musterte Orestes milde lächelnd beim Essen.


    "Dein Vater wäre stolz auf dich", sagte ich und nickte. "Lass es mich einfach wissen, wenn du dich bereit fühlst für die Prüfung, dann leite ich alles weitere in die Wege."

  • Corvinus machte einige Gesten, die Orestes durchaus verwirrten, aber da man sich einige Zeit nicht gesehen hatte, war das nicht weiter verwunderlich. "Eine ägyptisch anmutende Exedra - dann werde ich mich gleich nochmals wohler fühlen. Was aber auch an der herrlichen römischen Küche liegt." Er nahm sich noch eine von den Pasteten, die es ihm so sehr angetan hatten, dass er Wachteleier und die anderen exquisiten Köstlichkeiten links liegen ließ. Er richtete sich auf - etwas wie ein Tatendrang durchflutete ihn, den er aber gekonnt mit einem Schluck Wein heruterspülen konnte, so dass er sich wieder auf die Kline zurücklegte. "Was Du über die ekklesia sagst stimmt natürlich, das Verfahren und überhaupt die Anlage des ekklesiasterion ist griechisch. Aber: In Athenae ist es eigentlich nur noch Geschichte, während die ekklesia Alexandriens sogar gewisse Mitbestimmungsrechte hat. Das bringt die Stadt zwar nicht weiter, da immer über alles diskutiert werden muss. Aber so können sie ihre kleine Autonomia leben und wir sind doch die Herrscher über Aigyptos"


    Orestes erhob nun seinen Becher Weines und nickte Corvinus ebenfalls zu. "Sehr gut. Dann komme ich einfach in die Regia des Cultus Deorum und wir machen die Dinge klar, wenn ich soweit bin, ja?" - nur eine kurze Pause, die die Frage als rhetorische kenntlich machte hatte es werden sollen, als Orestes auffiel, dass Corvinus seinen Vater erwähnt hatte. Das Lächeln, das einem folgen sollenden Toast gegolten hatte erstarb - für einen kurzen Moment. Doch Orestes fing sich wieder: "Auf... auf die ehrenvollen Mitglieder unserer großartigen Gens!"

  • Ich musste lachen und anschließend beipflichtend nicken. "Oh ja, Niki ist ein Goldstück. Du wirst ihre Künste noch verfluchen, wenn du erst ein Talent zugenommen haben wirst", kommentierte ich, winkte ab und grinste breit. "Ich stelle mir das friedliche Miteinander teilweise schwierig vor, wie du es schilderst. Zweifelsohne wissen auch die Mitglieder der Ekklesia ganz genau, dass sie nur ihren Geschäften nachgehen dürfen, weil der Kaiser es billigt. Nun ja, aber solange es funktioniert..."


    Ich hob die Schultern gleichsam mit dem Weinbecher und schmunzelte. "Gern", erwiderte ich, dann blickte ich Orestes ein wenig zweifelhaft an, war ich mir doch nicht sicher, ob er seinen Trinkspruch ironisch oder wahrhaftig ernst meinte. So entgegnete ich lediglich "Auf unsere gens", und trank nach einem Schluck für die Götter ebenfalls ein wenig. "Auch, wenn ich glaube, dass deine Sicht der Dinge ein wenig weltentrückt ist", gestand ich und lächelte entschuldigend. "Großartig ist die gens schon länger nicht mehr, auch wenn ich zumindest versuche, das Ruder herumzureißen und uns wieder zurück auf einen ehrenhaften Pfad zu lenken. An meine Quästur wird sich womöglich die Senatorenwürde reihen, und ich hege die Hoffnung, nicht zu lange allein im Senat zu sitzen. Umso mehr freut es mich natürlich, dass du ebenfalls einen Senatssitz anstrebst, Manius." Denn von Sophus wollte ich lieber nicht sprechen, seine Trägheit bereitete mir nur allzu oft Kopfzerbrechen.

  • Orestes stimmte in das Lachen des Corvinus ein. "Das Leben in der urbs ist doch angenehm. Auch, dass wir keine Ekklesia, sondern einen Senat haben, auch wenn es schwieriger ist hineinzukommen. Ist die Rolle danach klarer, jedenfalls wenn Valerianus nicht viel verändert."


    Erst im Nachhinein merkte Orestes, dass seinem Trinkspruch ein gewissee ironischer Unterton innewohnte. Also sprach er nach dem er getrunken hatte:"Vielleicht war bei diesem Trinkspruch der Wunsch Vater des Gedankens. Aber ich denke, es wird jetzt bald aufwärts gehen. Immerhin wirst Du vielleicht bald im Senat sitzen und sicherlich auch bald Magister der Septemviri sein, oder Marcus?"

  • "Ich denke nicht, dass er große Reformationen plant", erwiderte ich. "Valerianus ist mehr Soldat als Politiker. Viel eher würde ich ihm zutrauen, dass er seinem Bruder Quarto solcherlei Dinge überlässt oder zumindest seinen Rat einholt zuvor." Aelius Quarto war Staatsmann, durch und durch ein Politiker. Ich tat mich an der silbernen Platte mit den Köstlichkeiten gütlich und blickte Orestes jurz darauf zweifelnd an. "magister septemvirorum? Ah, nein. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich persönlich das gar nicht. Opimius Naso scheint mir hierfür recht gut geeignet, und der Posten eines septemvir birgt genug Potential." Andererseits, wenn das collegium oder gar der Kaiser mich bestimmen würde, würde ich der Pflicht nicht entsagen können. Schließlich hatte ein jeder seinen Part zum Ganzen beizufügen, und wenn die Götter diesen Weg für mich bestimmt hatten, so würde ich ihn gehen. Ganz gleich, welche Anstrengungen er bieten oder wie wenig er sich mit meinen Wünschen decken würde. Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Was den Senat anbelangte, so würde ich wohl meinen Patron noch einmal aufsuchen müssen nach der Quaestur. "Ich werde sehen, was die Zukunft bringt", murmelte ich abschließend. Dann klärte sich mein Blick wieder und ich beobachtete Orestes erneut. "Du wirst dich, nun da du in Rom weilst, auch für eine Bruderschaft entscheiden müssen. Die Salier oder die Arvalbrüder", erinnerte ich ihn.

  • "Dann wird es ruhig weitergehen, das ist gut. Hat Valerianus eigentlich auch einen Beraterstab aus Illyrien mitgebracht, hört man da etwas? Wahrscheinlich schon, nicht wahr?". Stutzend nahm Orestes noch ein letztes Hühnerbein. "Naja, wenn das Collegium Dich wählen würde, würdest Du das Amt doch sicherlich annehmen, oder?". Corvinus hatte noch ein weiteres Thema angeschnitten, dass Orestes sicherlich vergessen hätte: die Bruderschaften: "Von meiner eigenen Neigung würde ich die Salier wählen, aber wer gehört denn wozu, was ist politisch opportun?". Orest kaute auf dem Hühnerbein herum und legte den abgenagten Rest an den für Knochen vorgesehenen Teller. Das war wirklich gut. Du hattest wirklich ein gutes Händchen mit Deiner Köchin - wie hieß sie - Niki?

  • "Das mag sein. Meine Amtszeit ist nun bald zu Ende, ich habe allerdings nicht halb soviel geschafft, wie ich eigentlich geolant hatte. Die Bürokratie ist manchmal müßig, Manius, insbesondere, wenn man ständig darauf warten muss, dass jene Zeit haben, die man konsultieren möchte oder muss." Ich seufzte. "Nun ja, wir werden sehen, was nach dieser Amtszeit geschehen wird. Ob man mir die Senatorenwürde zuteil werden lässt oder ob ich noch warten und mich beweisen muss. Ich könnte letzteres niemandem verübeln." Und die Quästur würde ich vielleicht aus freien Stücken noch einmal wiederholen, irgendwann. Ich mochte es nicht, wenn ich selbst unzufrieden mit meinen Leistungen war.


    Zweifelnd betrachtete ich Orestes. "Sofern es erforderlich wäre und sich tatsächlich kein anderer eignen würde - ja. Allerdings wird dies so schnell nicht eintreten, und darum bin ich auch ganz froh", erwiderte ich. Schließlich erfreute sich der magister noch bester Gesundheit und großer Beliebtheit, und mein Ziel war es ohnehin nicht, rasant im collegium auszusteigen, sondern vielmehr meine Arbeit gewissenhaft zu erledigen. "Nun denn, das sind alles Spekulationen. Was die Bruderschaften betrifft, so wäre alles als günstig zu erachten. Es ist die Pflicht eines Patriziers, sich in einem dieser Gremien zu betätigen. Mit Gaius und Tiberius habe ich darüber auch noch nicht gesprochen, vielleicht könntest du dich mit ihnen kurzschließen? Im Grunde soll mir alles recht sein, ich selbst bin derzeit noch magister der collinischen Salier. Allerdings möchte ich dieses Amt in absehbarer Zeit abgeben, ich hatte es lange genug inne und möchte auch anderen die Möglichkeit geben. Die palatinischen Salier werden von Flavius Aquilius geleitet, soweit ich weiß. Er ist ein guter Freund von mir, also wäre es vermutlich auch kein Problem, dich dort unterzubringen. Die Arvalbrüder indes werden sozusagen von den Tiberiern dominiert, ihr magister ist ein halsstarriger Tiberier, genannt Vitamalacus. Du kennst ihn vielleicht, er wurde während des Krieges in Ermangelung eines Mannes mit weitreichenderem Verstand ins Amt des Legaten der Ersten erhoben. Ein Jammer, dass der Decimer verschollen ist", erzählte ich und hob die Schultern. "Wie dem auch sei, diese Wahl überlasse ich ganz dir. Es wäre mir ganz lieb, wenn du Tiberius und Gaius dabei ein wenig unterstützen könntest."


    Ich streckte mich und unterdrückte ein Gähnen. Scheinbar wurde ich langsam alt. Allerdings machte das Wetter mich träge. Ich fuhr mir übers Gesicht und seufzte. "Ja, Niki. Sie ist die gute Seele dieses Hauses und hat schon für uns gekocht, als Vater noch lebte. Insofern hatte wohl er Glück mit ihr, wir profitieren nur von seinem Gespür", entgegnete ich und grinste. Dann schwang ich die Beine von der Liege und sah Orestes an. "Manius, würdest du mich wohl entschuldigen? Ich fühle mich heute nicht besonders gut und würde gern noch ein wenig dösen", sagte ich und machte Anstalten, aufzustehen.

  • Orestes bemerkte auch seine eigene Müdigkeit - schließlich war er gerade erst in Roma angekommen. "Gut. Dann bespreche ich die Sache mit den Sodalitäten mit Gaius und Tiberius. Ich tendiere persönlich wirklich zu einer der beiden Salischen Gruppen."


    Orest leerte noch seinen Becher und erhob sich dann. "Gut, Marcus, dann lasse ich Dich jetzt mal dösen. Wahrscheinlich würde mir ein kurzes Schläfchen auch gut tun - und wir werden ja noch öfter Zeit haben allfälliges zu besprechen."

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