atrium | Seianas Anfrage

  • Mit der kecken Spanierin und Seiana im Schlepptau, kam Leone ins atrium spaziert. Er wies die beiden mit einer Geste an, hier am Rande zu warten, dann ging er selbst auf die Handvoll Menschen zu, die neben dem impluvium standen. Einer sprach gerade, und der Hausherr hörte ihm geduldig zu. Als Leone sich räusperte, hob er die Hand und unterbrach den Klienten, dann flüsterte Leone ihm etwas ins Ohr und deutete auf Seiana. Der Aurelier folgte der Geste und nickte. Dann zog sich Leone zurück und der Klient wurde aufgefordert, weiter zu sprechen.


    "Er empfängt dich gleich", sagte Leone an die Plebejerin gewandt und nickte auch der Sklavin noch einmal zu, ehe er sich wieder auf seinen Posten verzog.

  • Es gab wahrlich nichts Ermüdenderes, als sich die Leidensgeschichte in einer Nachbarschaft anzuhören, die man nicht einmal kannte - und die noch dazu nichts im Geringsten mit dieser salutatio zutun hatte! - doch das störte Mennenius Glabrio nicht einmal ansatzweise. Munter plapperte er drauflos, während ich mir Mühe gab, auf meinem Stuhl nicht einzuschlafen. Leones Unterbrechung stellte daher eine willkommene Abwechslung dar, und als ich seiner Geste nachblickte und Seiana entdeckte, lächelte ich ihr kurz flüchtig zu. Was wohl ihr Anliegen war? Gewiss hatte es etwas mit dem Schreiben für die Acta zutun, schließlich hatte ich ihr gesagt, dass sie mich jederzeit deswegen würde aufsuchen können.


    Beinahe eine halbe Stunde und drei Monologe verschiedener Klienten später - einer hatte sogar etwas Anständiges gewollt, nämlich eine Finanzspritze für die Mitgift seiner Tochter - erhob ich mich und verabschiedere die Klientel, die noch anwesend war. Dann begab ich mich zu Seiana hinüber, der inzwischen ein Platz gewiesen und etwas zu trinken angeboten worden war. "Decima Seiana, es ist eine Überraschung, dich so bald wieder zu sehen. Was führt dich zu mir?" fragte ich sie freundlich und setzte mich auf die Bank ihr gegenüber.

  • „Vielen Dank.“ Elena lächelte dem großen Dunkelhäutigen noch einmal zu, bevor sie ihm gemeinsam mit Seiana ins Atrium der Villa folgte, wo Aurelius Corvinus saß, umringt von einer kleinen Traube aus Menschen. Sie blieben stehen, wo der Ianitor es ihnen geheißen hatte, und warteten, bis er seinen Herrn auf sie aufmerksam gemacht hatte. Seiana erwiderte das Lächeln und neigte grüßend den Kopf, während Elena sich vorbildlich zurückhielt. Der Ianitor erntete von beiden Frauen ein Nicken und ein Lächeln, als er ihnen noch einmal kurz Bescheid gab und dann wieder verschwand. Seiana setzte sich auf einen Sessel, den ihr ein Sklave angeboten hatte, und akzeptierte Wein, mit so viel Wasser verdünnt, dass es im Grunde schon wieder umgekehrt war – Wasser mit etwas Wein darin. Anschließend warteten sie. Seiana war sich sicher, dass es nicht stimmen konnte, aber ihr Zeitgefühl behauptete steif und fest, dass mindestens eine Stunde vergangen war, bis der Aurelier endlich die Letzten verabschiedete und sich zu ihr gesellte.


    „Salve, Aurelius Corvinus. Wie geht es dir und deiner Familie?“ Sie lächelte ihm zu, und während er ihr gegenüber Platz nahm und sie auch gleich fragte, was sie hierher geführt hatte. Ihr war es nur recht, dass er gleich auf den Punkt kam – sie hatte sich zwar darauf eingestellt, zunächst ein bisschen Konversation zu betreiben, aber das konnte ihrer Meinung nach auch gut warten, bis sie ihr Anliegen vorgebracht und, wenn möglich eine positive Antwort bekommen hatte. „Nun, wenn du so direkt fragst – ich habe ein Anliegen.“ Und die Zeit hatte sie nicht zufällig ausgewählt, um es vorzubringen. „Aber zuerst möchte ich dir etwas geben.“ Sie bedeutete Elena, einen Schritt vorzutreten. Die Sklavin benahm sich heute mustergültig, machte zwei kleine Schritte, lächelte – nicht so strahlend wie an der Tür, eher sachter, dem Gegenüber und seiner Stellung im Vergleich zu ihr angemessen – und platzierte mit einer leicht angedeuteten Verbeugung einen in dunkelblauen Stoff eingeschlagenen Gegenstand auf dem kleinen Tisch neben dem Aurelier. In Seianas Kopf erweiterte sich das stumme Versprechen eines simplen Einkaufsbummels zu einer ganzen Einkaufstour, bei der Elena weitestgehend freie Hand haben würde – für Seiana wusste nur zu gut, dass das ein großes Opfer für sie bedeutete, aber dass Elena sie jetzt so unterstützte, war ihr das wert. Zumal sie wusste, dass es ihrer Leibsklavin, obwohl diese es natürlich beherrschte, nicht leicht fiel, sich derart zu benehmen, entsprach es doch weder ihrer Art noch den Ansprüchen, die Seiana normalerweise an sie stellte. „Ich bin neulich auf den Märkten unterwegs gewesen, und als ich das“, Seiana machte eine Kopfbewegung zu dem Gegenstand, der, wenn Corvinus das Tuch zurückschlug, sich als kleine, aber schöne Statue der Minerva entpuppen würde, aus leicht rötlichem Gestein, in das Einschlüsse und Schlieren sowohl dunklerer als auch hellerer Natur zu sehen waren. Die filigrane Figur war so gearbeitet, dass diese zufällig von der Natur hervorgerufenen Unregelmäßigkeiten im Stein wie bewusste Verzierungen wirkten, die sich um den Körper der Statue schmeichelten, „gesehen habe, musste ich an dich denken. Und da ich dich sowieso aufsuchen wollte, habe ich beschlossen, es für dich mitzunehmen.“


    Tatsächlich war sie auf der Suche gewesen nach etwas, was sie dem Aurelier mitbringen könnte, denn mit einem Anliegen wie dem ihren wollte sie nicht mit leeren Händen dastehen. Insofern stimmten ihre Worte aber, als dass sie schon den Mut verloren hatte, etwas zu finden, was ihr wirklich angemessen erschienen wäre – als sie an diesem kleinen Stand die Statue entdeckt hatte, und ihr dabei wirklich der Auctor in den Sinn gekommen war. Darüber hinaus gehörte Minerva nicht nur zu ihren Lieblingsgöttern, sondern stand auch für all die Dinge, die sie beide brauchen würden, wenn die Zusammenarbeit mit Erfolg beschieden sein sollte, also hatte es ihr wie ein gutes Zeichen erschienen, als sie sie gesehen hatte. Sie wartete einen Moment, bis der Aurelier die Statue betrachtet hatte, dann ergriff sie wieder das Wort. Sie hatte sich zuvor schon überlegt, wie sie es vorbringen sollte, und auch den vorangegangen Moment noch gegrübelt, hatte sich Worte zurecht gelegt und Formulieren – aber jetzt erschien es ihr am besten, einfach direkt zu sagen, weswegen sie gekommen war, ohne große Umschweife und oder Herumreden. Sie konnte dem ohnehin nicht viel abgewinnen, und sie ging davon aus – sie hoffte es! – dass es Aurelius Corvinus ebenso ging, schon allein weil er sicher genug Menschen um sich hatte, die erst nach langer Rede auf den eigentlichen Sinn ihrer Ansprache kamen, wenn es denn überhaupt einen gab. So viel jedenfalls meinte sie mitbekommen zu haben aus den Fetzen, die zu ihr während der Salutatio herüber geweht waren. „Was mein Anliegen betrifft – ich bin hier, weil dich bitten möchte, mein Patron zu werden.“

  • "Mir geht es, abgesehen von ein Paar abgekauten Ohren, recht gut, danke. Es tut mir leid, dass du so lange warten musstest", fügte ich noch schmunzelnd an und musterte die Decima im nächsten Augenblick interessiert. Ich hatte erwartet, dass sie eine Frage hatte, aber ein Anliegen? Welcher Natur mochte es wohl sein, oder betraf es am Ende doch die Acta? Und erneut verblüffte sie mich, indem sie mir mitteilte, mir etwas geben zu wollen. Wie auf ein geheimes Zeichen hin trat die Sklavin vor und platzierte einen blau eingeschlagenen, kleinen Gegenstand auf dem Tisch. Nach einem Blick darauf sah ich zurück zu Seiana und hob die Brauen. "Für mich?" wiederholte ich und musterte neugierig den eingepackten Gegenstand. Im nächsten Moment griff ich danach. Ich hatte etwas Leichtes erwartet, doch das Etwa war recht schwer, und als ich es auwickelte, sah ich auch, warum: Ich hielt eine kleine, äußerst filigran gearbeitete Statue der Minerva in Händen, die ich erst einmal in drehte und flüchtig beäugte. Dann wandte ich mich Seiana zu, die eben erklärte, dass sie beim Anblick der kleinen Dame an mich erinnert worden war, und sie deswegen mitgebracht hatte. Breit lächelnd unterzog ich der hübschen Minerva einer eingehenderen Musterung.


    Schließlich stellte ich sie auf den Tisch neben ihre Verhüllung und schmunzelte Seiana an. "Ist es nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, wenn du dich beim Anblick einer Weisen in Damenkleidern an mich erinnert fühlst?" fragte ich sie und lachte leise. "Nein, vielen Dank. Sie ist wirklich sehr schön. Ich denke, sie wird sich hervorragend in Gesellschaft der Fortuna machen, die gegenwärtig über mein Arbeitszimmer wacht." Erfreut neigte ich den Kopf und nickte auch der Sklavin kurz zu - eine solch gehorsame Sklavin fand man selten, wie ich aus eigener Erfahrung wusste, und selbst bei jenen, denen man vertraute, hatte man bisweilen herbe Enttäuschungen zu erfahren. Das Geschenk hatte mich nun allerdings noch neugieriger werden lassen auf dieses ominöse Anliegen, mit welchem Seiana zu mir gekommen war. Erfrischend unkompliziert und direkt teilte sie mir jenes alsdann mit, und ließ abermals überrascht meine Brauen sich heben. "Dein Patron?" echote ich und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, um sie prüfender zu mustern. "Du scheinst es heute darauf anzulegen, mich zu überraschen, Seiana", erwiderte ich vorerst und schmunzelte erneut. "Ich bin dem nicht abgeneigt, aber verrate mir doch erst, wie ich dir behilflich sein könnte, und was du dir als Gegenleistung vorstellst", fügte ich dann, wieder etwas ernster, an.

  • „Oh, das war kein Problem“, versicherte Seiana lächelnd. Noch vor wenigen Minuten war es ein Problem gewesen, als sie sich zum wiederholten Mal gefragt hatte, was sie hier eigentlich tat und ob sie an den Aurelier wirklich mit diesem Anliegen herantreten könnte, aber jetzt, wo Corvinus ihr gegenüber saß und sie anlächelte, war das beinahe vergessen. Nervös war sie immer noch etwas, aber damit konnte sie nun umgehen, wo es so weit war. Sie wartete, während der Aurelier dann eingehend ihr Mitbringsel betrachtete, und bei seinem anschließenden Kommentar fühlte sie eine Mischung aus Verlegenheit und Erheiterung in sich aufsteigen. „Nun, die Betonung sollte eher auf dem Wort ‚Weise’ liegen denn auf ‚in Damenkleidern’. Die Statue erschien mir geeignet für dich – auch wegen des Anliegens, das ich habe. Ich denke, was das betrifft, würde es uns beiden helfen, wenn Minerva uns unterstützt.“ Seiana hätte sich beinahe auf die Zunge gebissen, als sie diese Worte ihren Mund verlassen hörte, aber sie konnte sich gerade noch rechtzeitig daran hindern. Sie hatte inzwischen von dem Aurelier zwar den Eindruck, dass er recht gelassen war und ihren Spruch nicht falsch verstehen würde, nur sicher wissen konnte man das nie. Und Fakt war, dass sie es tatsächlich nicht ganz ernst gemeint hatte, sondern etwas aufziehend, auf sie beide bezogen. Aber nachdem sie die Worte nun einmal gesagt hatte und nicht mehr zurücknehmen konnte, war es besser sich normal zu geben – hätte sie nun verlegen gewirkt, hätte er vielleicht gerade dadurch den Eindruck bekommen, sie hätte ihn gemeint. Und der Auctor wirkte erfreut über die Statue, was er auch alsbald bestätigte, also hatte ihr Gefühl richtig gelegen, und das war ihr im Moment das Wichtigste. Sie nahm es als gutes Omen für das, weswegen sie eigentlich hier war.


    Als Seiana ihm dann schließlich ihr Anliegen mitteilte, wirkte Corvinus überrascht, und für einen Moment hielt sie fast den Atem an, während sie zu entscheiden versuchte, ob nun positiv oder negativ. Sein Blick wurde prüfend, aber sie bemerkte auch das kurze Schmunzeln, und innerlich atmete sie ein wenig auf. Noch hatte sie es nicht hinter sich, aber die erste Hürde hatte sie schon einmal genommen. „Mein Patron“, wiederholte sie bestätigend und lächelte kurz. „Für eine Überraschung bin ich immer gut.“ Dann wurde sie ebenfalls ernst. „Nun, ich habe mich entschieden, mir einen Patron zu suchen, weil ich gerne ein Geschäft kaufen möchte.“ Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, ihm so direkt zu erzählen, weswegen sie einen Patron wollte – es gab genug Allgemeinheiten, die sie ihm auf seine Frage hätte antworten können. Aber das war nicht wirklich ihre Art, schon gar nicht wenn es um wichtige Dinge ging, und davon abgesehen hatte sie den direkten Weg nun schon eingeschlagen – also konnte sie auch genauso gut so weitermachen. Und ein Patron-Klienten-Verhältnis sollte, ihrer Auffassung nach, ohnehin von Ehrlichkeit und Vertrauen geprägt sein. „Im Moment lebe ich größtenteils auf Kosten meiner Familie hier in Rom, und ich muss sagen, das gefällt mir nicht wirklich. Ich möchte gerne für mich selbst verantwortlich sein. Das ist auch der Grund, warum ich nicht einen meiner Verwandten um Geld bitte, was ich sicherlich hätte tun können – aber wenn ich mir etwas aufbaue, möchte ich das selbst tun, oder besser, mit Hilfe meines Patrons, so wie jeder andere auch. Ich mache mir darüber schon länger Gedanken, und jedes Mal komme ich zu dem Schluss, dass das, für mich jedenfalls, der beste Weg ist. Der einzige.“ Sie trank einen Schluck und musterte ihn währenddessen kurz, um seine Reaktion einschätzen zu können, aber es wollte ihr nicht so recht gelingen, in seinem Gesicht zu lesen, also fuhr sie fort. „Auch über diejenigen, die als Patron in Frage kommen, habe ich nachgedacht – und du bist meine erste Wahl. Wir kennen uns bereits, unsere Familien sind über die Aurata verbunden, wir beide über die Acta, und zumindest ich bin der Meinung, dass ich dich genug einschätzen kann, um diese Entscheidung treffen. Ich respektiere dich und deine Arbeit. Natürlich kann ich mich irren, aber…“ Seiana zuckte andeutungsweise mit den Achseln. „…ich gehe nicht davon aus.


    Was konkret das Geschäft betrifft, ich dachte an eine Töpferei. Ich habe mich bereits erkundigt, und es gäbe zwei, die in Frage kämen für mich – kleine Betriebe, so dass ich mich selbst erst einmal einarbeiten kann. Das wäre auch der nächste Punkt, bei dem ich zunächst gerne deine Hilfe in Anspruch nehmen würde – ich habe zwar etwas Erfahrung, was das Führen von Geschäften, die Erledigung von Finanzen und alles, was damit zusammenhängt, betrifft, aber ich denke, es ist doch noch einmal etwas anderes, das völlig auf sich allein gestellt zu erledigen. Ich kann mir vorstellen, dass ich anfangs einige Fragen haben werde. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, was ich mir gedacht habe, ich habe Unterlagen mitgenommen über die zwei Geschäfte und ein paar meiner Aufzeichnungen.“ Sie deutete mit dem Kopf in Elenas Richtung, die noch eine zweite Tasche mit sich trug. „Kommen wir zur Gegenleistung. Das Naheliegendste ist natürlich, dir Töpfereiwaren günstiger anzubieten, wenn du sie brauchst.“ Auch darüber hatte sie sich erkundigt, und sie wusste, dass die Aurelier in der Nähe Roms einen Olivenhain besaßen – aber sie musste ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, dass sie sich über ihn informiert hatte. „Selbstverständlich stehe ich dir zur Verfügung, wenn du Hilfe oder Unterstützung benötigst, wie es für eine Klientin angemessen ist. Im Übrigen wollte ich dich nach deinen Vorstellungen fragen, was ich darüber hinaus als Klientin für dich tun kann.“

  • Erneut war es an mir, sie erstaunt anzusehen. Weise? Ich? Ganz allmählich breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht auf, und ich schüttelte schließlich den Kopf. "Und ich dachte immer, Weisheit käme mit dem Alter... Nun, ich denke, ich habe die Anspielung verstanden", sagte ich und zwinkterte ihr zu. "Vielen Dank, jedenfalls."


    In der weiteren Unterhaltung bewies Seiana noch einmal, dass sie für Überraschungen gut war. Sie kam direkt zur Sache und erzählte mir von diesem Geschäft, das sie zu erwerben beabsichtigte. Ihre Beweggründe legte sie mir offen, und sie erschienen mir logisch. Mit einer Hand am Kinn lauschte ich interessiert ihren Ideen und Plänen, die mir insgesamt recht ausgereift erschienen. Während sie erzählte, sagte ich nichts, sondern ließ sie alles darlegen, bis sie schließlich endete. Es war durchaus sinnvoll, dass sie ihre Unterlagen parat hatte, auch wenn sie meine Entscheidung noch gar nicht kannte. Angesichts der Tatsache allerdings, dass sie dieses ganze Unterfangen sehr strikt durchplant zu haben schien, tendierte ich dazu, sie als meine Klientin zu akzeptieren. "Du hast eine recht klare Vorstellung von deiner geschäftlichen Karriere", bemerkte ich. "Das gefällt mir. Ich würde mir deine Unterlagen gern einmal ansehen, auch wenn ich nicht den Eindruck habe, dass du dich beim Kauf eines Geschäfts über den Tisch ziehen lassen wirst." Ich wartete, bis sie mir die Unterlagen ausgehändigt hatte. Einer der beiden in Frage kommenden Betriebe schien situiert zu sein als der andere, allerdings war das für eine Töpferei wohl eher irrelevant, da die meisten Geschäfte dieser Branche ohnehin seperate Stände auf den Märkten hatten. "Nun", sagte ich schließlich und legte die Papyri zurück auf den Tisch. "Beide Betriebe scheinen gut zu laufen. Ich würde dir jedoch vorschlagen, sie noch einmal unangekündigt zu besuchen. Der Erwerb eines solchen Betriebs ist nicht immer risikolos, und gerade, wenn auf de Pergament alles glänzt, sollte man sich besser vor Ort noch einmal selbst davon überzeugen", riet ich ihr und legte locker die Hände im Schoss zusammen.


    "Was du für mich tun kannst? Nun, ich denke, vergünstigte Töpferwaren, gegebenenfalls auch einmal größere Mengen, wären vorerst genug. Ich lege zudem Wert darauf, über einschneidende Ereignisse informiert zu werden, wie beispielsweise eine Heirat und dergleichen. Du musst nicht jeden Morgen herkommen und dich zu den anderen gesellen, doch erwarte ich, dass du zu mir kommst, wenn du Hilfe benötigst oder Probleme hast. Was deine Fragen betrifft, bin ich zudem gern bereit, dir zu helfen. Ich weiß zwar um Meridius' Engagement für seine Familie und möchte nur ungern gegen seinen Willen in dieser Sache handeln, allerdings hast du deutlich gemacht, was dich zu diesem Entschluss geführt hat, und gerade deswegen bin ich gern bereit, dich zu unterstützen, Seiana. Ich kann nachvollziehen, was du dargelegt hast. Und was deine Vorstellungen anbelangt, so haben sie Hand un Fuß, sind nicht überdimensioniert, sondern erscheinen mir gerade richtig." Ich musterte sie noch kurz, dann lächelte ich und reichte ich ihr die Hand, wie es üblich war, wenn man ein Geschäft abschließen wollte. "Wenn wir darin also übereinstimmen, akzeptiere ich dich als Klientin."

  • Nachdem Seiana geendet hatte, wartete sie mit angehaltenem Atem auf die Reaktion des Aureliers. Sie hatte getan, was sie hatte tun können – mehr hätte sie sich nicht vorbereiten können, das wusste sie. Jetzt lag es einfach daran, ob sie ihn hatte überzeugen können. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie nicht vielleicht doch so mit der Tür ins Haus hätte fallen sollen, oder ob sie für seinen Geschmack schon zu viel geplant hatte, ob er mehr Mitspracherecht haben wollte, bei der Auswahl des Betriebes… Aber dann wäre er nicht der richtige Patron gewesen, überlegte sie. Sie hatte sich bewusst für eine Töpferei entschieden, hatte sie doch ein paar Ideen, die sie nur mit dieser Art von Geschäft umsetzen konnte. Künstlerisch gestaltete Gegenstände, ob sie nun zum alltäglichen Gebrauch bestimmt waren oder der Dekoration dienten, war dabei zweitrangig. Seiana zeichnete schon länger, und seit sie den Entschluss gefasst hatte, sich ein Geschäft zuzulegen, hatte sie auch derartige Entwürfe zu Papier gebracht. Aber zuerst einmal musste sie eine Töpferei kaufen, und dann dafür sorgen, dass sie auch gut weiterlief, bevor sie anfangen konnte diese Pläne umzusetzen.


    Der erste Satz, den Corvinus von sich gab, ließ Seiana kurz erstarren. Sie hatte eine klare Vorstellung – das konnte alles bedeuten. Aber schon mit den nächsten Worten sorgte der Aurelier für Erleichterung bei ihr. Es gefiel ihm. Es gefiel ihm, dass sie alles durchgeplant hatte, bevor sie gekommen war. Innerlich jubilierte sie schon, aber sie zügelte sich, hielt sich vor, dass er noch nicht zugesagt hatte, und nach außen hin blieb ihr Gesicht weitestgehend unbewegt. Nur das Funkeln in den Augen und ein leichtes erfreutes Zucken ihrer Mundwinkel nach oben konnte sie nicht unterdrücken. „Gerne.“ Noch bevor sie winken konnte, trat Elena erneut einen Schritt vor und reichte dem Aurelier die Papyri, die sie mitgebracht hatte. „Danke für den Hinweise – das werde ich noch machen. Ich hatte mir mehrere Betriebe angesehen, hatte aber bei allen vorher um einen Termin gebeten.“ Als Corvinus anschließend aufzuzählen begann, was er von ihr als Klientin erwartete, musste Seiana sich auf die Innenseite ihrer Unterlippe beißen, um ein – möglicherweise voreiliges – Lächeln zu unterdrücken. Er würde ihr das doch kaum erzählen, wenn er nicht vorhatte zuzusagen… aber sicher sein konnte sie noch nicht. Erst als er ihr die Hand hinhielt, breitete sich das so lange unterdrückte Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Wir stimmen überein“, antwortete sie und nahm seine Hand. Mit den Bedingungen, die er aufgezählt hatte, hatte sie so ungefähr gerechnet – sie war sich lediglich nicht sicher gewesen, wie Corvinus die morgendliche Salutatio in ihrem Fall handhaben wollte. Dass sie nur kommen musste, wenn sie tatsächlich etwas zu besprechen hatte, ließ ihr mehr Freiheiten als es für die meisten Klienten üblich war. Das Lächeln wurde strahlender. „Ich danke dir für dein Vertrauen.“

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