Besprechung II

  • Crassus hob bei Valerians übertriebener Reaktion unterbewusst eine Braue. Irgendwie kam ihm diese Antwort mit dem folgenden Blick zu Vescularius etwas merkwürdig vor. Aber wahrscheinlich bildete er sich nur etwas ein...


    Ja, da kann ich meinem Kollegen nur zustimmen. Die Aelier stehen in der Öffentlichkeit nicht schlecht da, auch wenn sie bislang eher kein all zu großes Gesprächsthema waren. Die berühmtesten Vertreter sind Aelius Callidus und Aelius Quarto, zweifellos. Ersterer ist mein Klient und ich denke, das zeigt schon, wieviel ich auf ihn halte. Letzterer ist einer der großen Politiker die Rom derzeit hat. Es gibt wohl kein ein anderer der sich auf dem politischen Marmor ähnlich gut auskennt. Iulianus hat sich seinen Ratschläge stets angehört und nur selten unbeachtet gelassen.

  • Potitus hatte früh in seiner Karriere erkannt, daß Namen in Rom alles waren. Ein Name konnte in Rom über Sieg oder Niederlage bestimmen. Gegenüber dem Kaiser konnte ein Name darüber bestimmen, ob die Person dahinter in den Verliesen des Palastes landen oder zum Consul erhoben würde. Er vergaß nie einen Namen und nie den Mann dahinter. Auf den fragenden Blick des Imperators bezüglich Flavius Furianus schüttelte er deswegen leicht abschätzig den Kopf. Der Proconsul von Hispania mochte keine Bedrohung darstellen. Doch daß er sich hinter dem Senat versteckte, würde seine Konsequenzen haben. Vielleicht für die gesamte flavische Familie, ein Verschwörungskomplott war immer schnell ersonnen. Die Familie der Aelier war auf die patrizische Familie nicht gut zu sprechen und Potitus teilte diese Abneigung. Der letzte flavische Kaiser hatte in seinem Wahn auch das Eigentum seiner Familie beschlagnahmt, so daß die gerade erst aufstrebende Familie der Vescularier mit einem Schlag ihren Stand im Imperium verloren hatte. Patrizier waren Salinator ganz allgemein ein Dorn im Auge. Die Aelier mochte er dagegen mit einem gewissen Gleichmut betrachten. Abgesehen von Aelius Quarto, der Valerian als Bruder zu nahe stand und den er im Auge behalten würde. Ebenso wie Vinicius Hungaricus. Der Vinicier mochte Iulianus treu gewesen sein, doch womöglich hatte ihm die Macht über Rom in dessen Abwesenheit ein bisschen zu gut gefallen.

  • Keine der Bemerkungen ließ Valerianus besonders aufhorchen und insgesamt schien der Ruf seiner weiteren Verwandten so gut zu sein, wie er das erwartet hatte.


    "Nun gut, ihr könnt euch denken, dass ich solcherlei Fragen nicht ohne Grund stelle. Aelius Quarto trägt derzeit den Titel des Magister Domus Augusti und ich beabsichtige, dies zu ändern. Er ist kein Mann für die Verwaltung des Hauses, sondern für die Politik, wie ihr selbst sagt. Sein Ruf ist entsprechend wichtig. Wie sein künftiger Titel lauten wird, wird sich zeigen. Vielleicht ist er dann auch einfach nur Consular mit gewissen Vorrechten."


    Bei Bedarf würde sich auch ein neuer Titel finden lassen, aber er nahm nicht an, dass sein Bruder darauf besonderen Wert legte.


    "Praefectus Urbi wird er jedenfalls nicht werden. Vinicius Hungaricus, ich habe an deiner Amtsführung nichts auszusetzen und du warst meinem Vater in seiner Abwesenheit zweifellos ein guter Stellvertreter. Die eben gehörten Berichte bestätigen dies. Gleichwohl möchte ich diesen Posten fortan mit Senator Vescularius Salinator besetzen. Wenn du im Tausch mit ihm die Statthalterschaft im Illyricum übernehmen möchtest, sage es am besten gleich jetzt. Du bist mir aber auch in Rom weiter willkommen."

  • ... <-- Genau das waren seine ersten Gedanken, als er die Worte des Valerian vernahm. Hungi fühlte sich wie in einer falschen Theatervorstellung, doch leider fehlte das Lachen des Publikums zu dieser Komödie, denn als solche empfand er sie.


    Aha. war dementsprechend das erste, was er von sich hören ließ. Zweifelsohne nicht besonders eloquent, allerdings war er dazu auch viel zu überrascht um etwas besonders redegewandtes zu antworten. Sein Blick traf Vescularius. Hungi kannte ihn kaum, eigentlich gar nicht. Und wenn er das Angebot eines Ämtertauschs annehmen würde, würde sich daran auch nichts ändern.


    Er war schon sehr versucht, zu sagen: "Ich habe jetzt lang überlegen müssen, aber Nein danke." Allerdings könnte man den Sarkasmus darin förmlich greifen, in dieser Situation wohl eine eher unkluge Sache. Leider. Daher versuchte er sich an einem möglichst neutralen Ton in der Stimme. Ich danke dir für dein Angebot, und ich würde es auch annehmen, wenn es dein Wunsch wäre. Doch würde ich vorerst gerne in Rom bleiben.

  • Stumm verfolgte Crassus das Gespräch zwischen dem Augustus und Hungaricus. Die Ablösung von Hungaricus kam für Crassus ziemlich überraschend und er hätte nicht damit gerechnet, dass Valerian so schnell so wichtige Personaländerungen durchsetzen würde. Er war gerade einmal wenige Tage in Italien... wahrscheinlich war der Entschluß, seinen Freund Vescularius an diese Position zu setzen, schon deutlich früher getroffen worden.
    Irgendwie hatte Crassus das Gefühl, dass er Vescularius bisher unterschätzt hatte - für die Zukunft wollte er besser gerüstet sein.

  • Valerianus zuckte mit den Schultern. In seinem Gesicht konnte man keine Regung erblicken, egal ob positiver oder negativer Natur.


    "In Ordnung. Dann soll Galeo Laelius Planta neuer Legatus Augusti pro Praetore von Illyricum werden. Man möge die Ernennungspapiere gleich vorbereiten."


    Valerianus nickte seinem Freund zu und wandte sich dann wieder an Vinicius.


    "Vinicius Hungaricus, du wirst nicht sofort deines Amtes enthoben. Mir liegt sehr viel an einer geordneten und reibungslosen Amtsübergabe, die eben ihre Zeit benötigt. Ich möchte mich für deine Arbeit und deinen Einsatz bedanken. Sicher wird Rom dein Wirken ebenso zu würdigen wissen."

  • Ob die Worte des neuen Kaisers gut gemeint waren, konnte Hungi beim besten Willen nicht bestimmen. Er war sehr geneigt, dies zu negieren.


    Bei den Dankesworten nickte Hungi verhalten, doch nicht unmerklich. Ich werde das meinige tun, um geordnete Verhältnisse zu hinterlassen. Damit war von seiner Seite alles gesagt, was zu sagen war.

  • Endlich hatte Valerianus das Gefühl, einen wichtigen Punkt abschließen zu können, ohne dass es zu unerwarteten Hindernissen kam. Ein Wunschtraum sollte es wohl bleiben, dass dies immer so war.


    "Schließen wir gleich weitere Personalfragen an. Wir sprachen eben bereits über Tiberius Vitamalacus und die Legio I. Praefectus Praetorio, ich forderte von der Legion einige Versetzungsvorschläge an, die zum Teil nicht auf deine Zustimmung stießen. Ich bitte um weitere Erläuterungen zu dieser Meinung."


    Die Briefe aus der ersten Besprechung des Tages wurden auf dem Tisch in die Mitte gerückt, um auf sie zurückgreifen zu können, falls nötig.

  • Crassus konnte nur schwer ein Seufzer unterdrücken. Er hätte nicht mehr damit gerechnet, dass er sich noch für Versetzungen in den Mannschaftsrängen würde rechtfertigen müssen. Gerade deshalb hatte er das Bedürfnis etwas weiter auszuholen:


    Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass mir mein Freund Aelius Callidus diese Liste hat zu kommen lassen. Er hatte einmal in einem Gespräch erwähnt, dass du eine solche Liste angefordert hast, Imperator, und da diese Angelegenheit mich als Kommandeur dieser Einheit ja auch betrifft, dachten wir eigentlich, dass es in deinem Interesse wäre, wenn ich diese Liste überprüfe. In der Vergangenheit, unter deinem Vater noch, haben wir Prätorianer uns nämlich selber ausgesucht, wenn wir haben wollen und wen nicht. Da gab es keine dahergelaufene Legati die versetzen durften wen sie wollten - da, wurde der Präfekt nicht einfach so übergangen.


    damit schloß Crassus seine Einführung. Sein Tonfall war wahrscheinlich etwas ärgerlicher gewesen als es Crassus ursprünglich geplant hatte.


    Es ging dabei um einige Mannschaften und um einen Kandidat für ein Tribunat, wenn ich mich nicht täusche. Nun, bei den Mannschaften ist der Fall einfach: die Männer, die wir abgelehnt haben, haben entweder unsere Ansprüche nicht erfüllt oder aber sie haben ein Rekrutierungsangebot in Parthia abgelehnt. Wie du hoffentlich weißt, haben die Prätorianer schon in Parthia einige Rekrutierungen vornehmen wollen - doch die Prima weigerte sich vehement Iulians Garde zu verstärken.
    Da ich mir nicht vorstellen kann, dass diese Männer einfach so das Angebot abgelehnt haben - was, am Rande bemerkt, zuvor noch nie vorgekommen ist! - vermute ich, dass da auch einige Offiziere involviert sind. So möglicherweise auch der zu versetzende Römer. Doch da ich es mir in meiner Position nicht erlauben kann, mich nur auf mein Bauchgefühl zu verlassen, habe ich ihn weiter überprüfen lassen. Und festgestellt, dass er mit dieser Versetzung gegen die mos maiorum verstoßen würde. Denn entgegen der Tradition unserer Vorfahren hat er zuvor kein Tribunat bei der Flotte oder den Vigiles absolviert, noch ein Tribunat bei einer Legion oder die Sub-Präfektur bei den Vigiles.


    All diese Gründe lassen mich zu dem Schluß kommen, dass ich dir nur dringendst von einer solchen Versetzung abraten kann.

  • Als der Praefectus Praetorio begann, weiter auszuholen, nutzte Valerianus dies um einen Augenblick lang die Augen zu schließen und zuzuhören, ohne jemanden anblicken zu müssen.


    "Über die Mannschaftsdienstgrade brauchen wir hier nicht zu sprechen. Was den Tribun betrifft, verstehe ich deine Einwände nicht. Seit je her ist es gängige Praxis, dass der Kaiser die Offiziere seiner Garde bestimmt und nicht du. Ebenso ist es seit je her üblich, dass verdiente Männer auch mal einen Sprung machen können, wenn es die Situation erfordert. Du möchtest wohl kaum bestreiten, dass die Situation es tatsächlich erfordert, nachdem die jetzigen Offiziere der Garde das Leben meines Vaters nicht ausreichend zu schützen vermochten."


    Erst am Ende seiner Antwort öffnete er wieder die Augen und sah den Praefectus an. Auf eine Beurteilung der Verdienste des zur Diskussion stehenden Mannes verzichtete er, schon um seine Stimme und seine Nerven zu schonen.

  • Mühsam schluckte Crassus den aufkommenden Ärger hinunter. Als ob er nicht selber wissen würde, wie weit seine Pflichten und Kompetenzen gehen. Er war ja nicht erst seit gestern Kommandeur der Prätorianer.


    Und da ich mir über meine Befugnisse und die bisherige Tradition absolut im Klaren bin, habe ich dir auch nur eine Empfehlung, einen Rat erteilt. Wie du meine Bedenken und Einwände bewertest und gewichtest ist allein deine Sache, Imperator. Wenn du trotz meines Abratens der Meinung bist, dass dieser Mann einen doppelten Sprung machen soll, weil sonst kein anderer Soldat im Reich mehr geeignet ist, dann soll es so sein.

  • Mit großem Interesse beobachtete Potitus den kleinen Machtkampf zwischen Valerianus und dem Praefectus Praetorio. Friede, Freude und Sonnenschein waren dieser Besprechung so fern wie die nächsten Saturnalien.


    "Dein Vater hat viele Entscheidungen seinen Vertrauten überlassen, eben auch jene, welche Männer in seiner Leibgarde dienen sollen. Ihnen eine Mitschuld für seinen Tod zu geben wäre ungerecht und das weißt du. Wir wissen, wie heimtückisch die Parther sind. Sicherlich hätten sie auch bei anderen Gelegenheiten versucht, deinen Vater zu ermorden."


    Potitus unterstrich seine Worte mit einem sanften Lächeln. Die Stimmung war für seinen Geschmack zu negativ.


    "Deine Empfehlungen, Caecilius Crassus, sind auch weiterhin wichtig und willkommen und sie wurden in unsere Überlegungen stark mit einbezogen. Doch finden wir eine Verstärkung bei den Prätorianern äußerst wichtig. Und welcher Mann könnte hier besser dienen als einer, der sowohl Erfahrung im Felde als auch bei der Verwaltung hat?"

  • Interessiert verfolgte Crassus den Versuch des Vescularius wieder etwas Spannung aus dem Gespräch heraus zu nehmen. Crassus hätte ihn nach Beginn des Gesprächs eigentlich anders einschätzt - ganz anders. Er müsste sich dringend über diesen Mann umfassender informieren lassen, damit ihm so eine Fehleinschätzung nicht noch einmal passiert.


    Natürlich ist eine umfassende Ausbildung im Bereich der Verwaltung und auf dem Schlachtfeld notwendig, um für die Prätorianer in Frage zu kommen; das steht aber auch nicht zur Debatte. Auch steht außer Frage, dass dieser Mann in beiden Bereichen schon Erfahrungen gesammelt hat; so wie auch meine Einwände ja nicht ganz aus der Luft gegriffen sind. Ein Sprung in der Karriereleiter durch den Kaiser vollzogen, mag zwar schon vorgekommen sein, doch sicher bei niemandem, bei dem es Zweifel gab. Außerdem kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, dass dies der einzige Soldat sein soll, der für euch in Betracht kommt - oder, der trotz meines Einwandes weiterhin der geeigneteste Kandidat ist. Vorallem da ja nicht ihr von alleine auf diesen Mann gekommen seid, sondern er von dem Kommandeur der Prima vorgeschlagen wurde.

  • Erleichtert registrierte Valerianus, dass sich sein wichtiger Berater Vescularius Salinator in das Gespärch einschaltete und die Diskussion übernahm. Auch wenn die Aussage nicht völlig in seinem Sinne war, so konnte er die Verschnaufpause im Streitgespräch gut gebrauchen.


    "Du hast völlig Recht, dass ein Mann gegen berechtigte Zweifel nicht ernannt würde. Aber sofern sich deine Zweifel maßgeblich darauf beziehen, dass der Mann zwei Stufen überspringen würde, so unterliegst du einem Irrtum. Die erste Stufe trifft nur auf jene Männer zu, die nicht Berufssoldaten sind. Die zweite Stufe überspringt er tatsächlich, aber bei einem erfahrenen Praefectus Castrorum kann ich das verschmerzen."


    Auch wenn er schon lange nicht mehr vor der Truppe stand, so beherrschte er zumindest die Theorie noch gut.


    "Und die Behauptung, dass er der beste Kandidat sein müsste, ist aus der Luft gegriffen. Die Garde hat schließlich mehr als einen Tribun."


    Krankheit war nicht angenehm und einen blutigen Husten wollte er um keinen Preis zurück haben, aber solche Diskussionen erheiterten ihn auch nicht stärker.

  • Die weiteren Themen der Besprechung sorgten zur Erleichterung des Kaisers für weniger Diskussionen und konnten schneller abgehandelt werden. Trotzdem verstrich noch eine erhebliche Zeitspanne, bevor die Besprechung aufgelöst wurde und Valerianus die Gäste wieder entließ. Für die Amtsübergabe von Vinicius Hungaricus an Vescularius Salinator musste noch ein Vorgehen gefunden werden, aber das überließ er gerne den Protokollbeamten und den betroffenen Männern selber. Erschöpft von der Besprechung saß er eine Weile nur in seinem Stuhl, bevor er sich das obligatorische Glas Wasser reichen ließ.

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