Atrium | Flavia Celerina et Aurelia Minervina

  • Ein recht junger Sklavenbursche war es, der die (etwas ältere) Römerin in das flavische atrium führte - welches, wie so viele der Öffentlichkeit zugängliche Räumlichkeiten römischer villen, nicht allein einen funktionalen Zweck hatte, sondern auch dazu diente, einen Besucher in seine Schranken zu verweisen. Gerade der Blick in das lararium, in welchem die Ahnenmasken der gens Flavia gesammelt waren und die auch jene der gewesenen Kaiser Vespasian, Titus und Domitioan beinhalteten, konnte bei den Klienten oder Fremden eine gewisse Ehrfurcht hervorrufen. Hier lebte die Geschichte weiter - und die edlen Möbel, das leise Plätschern eines fernen Brunnens sowie die relative Stille des Hauses mochten ihr übriges dazu tun, ein gereiftes, ehrwürdiges Bild zu malen, das zumindest vordergründig den Eindruck erweckte, hier an einem Ort gelandet zu sein, der in jeder Hinsicht etwas Besonderes war. Reich zu sein - das war in Rom ab einem gewissen Punkt nicht allzu schwer. Die richtigen Vorfahren zu haben allerdings war unbezahlbar.
    "Ich werde die domina holen, wenn Du solange bitte warten würdest?" sagte der junge Bursche freundlich, verneigte sich vor der Aurelierin und hastete davon, um Flavia Celerina zu benachrichtigen, dass sie Besuch hatte.

  • Gemessenen Schrittes war sie dem jungen Sklavenjungen ins atrium gefolgt. Der zarte Stoff ihres jadegrünen Gewandes raschelte leise beim Gehen, während ihre Locken, die sie eigens für diesen Besuch hatte machen lassen und anschließend zu einer anmutenden Frisur hochgesteckt worden waren, dabei im Takt auf und nieder wippten. Die beiden Sklavinnen, die sie in ihrer Begleitung hatte, tänzelten beinahe lautlos hinter ihr her und zogen sich im atrium angekommen dezent in den Hintergrund zurück. "Hab meinen Dank." meinte sie noch kurz zu dem Jungen, bevor dieser eilig in einen der Gänge verschwand um Flavia Celerina von ihrer Ankunft zu berichten.


    Da stand sie nun und wartete geduldig. Still war es hier. Nur ein leises Plätschern aus irgendeiner Ecke war zu vernehmen. Eigentlich weiß Minervina eine ruhige Atmosphäre zu schätzen, doch in diesem Moment wirkte sie - gepaart mit der Warterei - leicht erdrückend. Wie sie da so verharrte und sich aufmerksam umsah, kam sie sich ein wenig verloren in dem hiesigen atrium vor. Zwar war sie Luxus gewöhnt, doch der Anblick dieser überaus prächtigen Einrichtung der Villa, flößte auch ihr gehörigen Respekt ein. Gerade wollte sie sich den Nebenraum mit den flavischen Ahnenmasken aus der Nähe betrachten, da hörte sie plötzlich Schritte, die sich langsam aber sicher ihr näherten...

  • Beschwingt und guter Dinge, hatte ich mein Cubiculum verlassen. Ylva hatte sich wieder einmal mehr übertroffen, als es um mein Erscheinungsbild ging. Bei der Wahl meiner Kleidung hatte mich für meine neueste Errungenschaft entschieden - eine mit Goldffäden bestickte rubinrote Seidentunika. Dazu passend hatte ich das, aus roten Korallen bestehende, Collier ausgesucht. Ein makelloses Make up und eine formvollendete Frisur rundete das Gesamtkunstwerk ab.


    Lange hatte ich diesen Tag herbei gesehnt. Seit meiner letzten Begegnung mit der Aurelia waren einige Wochen ins Land gegangen. Endlich hatte ich die Gelegenheit, die noch jungfräuliche Freundschaft zu festigen. Es war stets von Vorteil solche Bekanntschaften in den höheren Kreisen der Gesellschaft zu führen, einmal ganz davon abgesehen, welch erquickliches Vergnügen ein solcher Nachmittag mit sich bringen konnte.
    Als ich das Atrium betrat, begann ich sogleich zu strahlen! "Aurelia Minervina! Welch eine Freude!"Mit ausgebreiteten Armen empfing ich sie warmherzig, so als kannte ich sie schon seit ewigen Zeiten. Ob diese Art der Vertrautheit zu viel des guten war, ließ ich dabei außer Acht. Ich ließ meinen Empfindungen einfach freien Lauf.
    Wie ich sah, hatte sie mit der Wahl ihrer Garderobe auch heute wieder ihren brillianten Geschmack bewiesen. Die Farbe der Tunika gefiel mir. Wo sie die nur her hatte? Das konnte unmöglich Gucchius sein! Zweifellos würde ich sie danach fragen müssen.
    "Ich hoffe, du mußtest nicht zu lange warten! Hat man dir eine Erfrischung angeboten?"

  • Grazil und anmutig wie ein Schwan trat – nein schwebte! – ihre Gastgeberin ins atrium. Minervina war von ihrem Äußeren sichtlich beeindruckt. Das Kleid allein sah schon wunderschön aus, doch in Kombination mit diesem bezaubernden Collier sah sie einfach umwerfend aus. "Flavia Celerina, die Freude ist ganz meinerseits."


    Die Herzlichkeit mit der sie Minervina begrüßte überraschte sie ein wenig, hatte sie das nicht von ihr erwartet, doch letztendlich war sie sehr erfreut darüber. Ein unkonventionelles Auftreten war ihr schon immer lieber gewesen als das steife Verhalten, welches so viele Patrizierinnen an den Tag legten, wenn man sich noch nicht allzu lange kannte. Nur eine Frage drängte sich unweigerlich ihr auf. Wenn sie schon so herzlich zu ihr war, wie ginge sie dann erst mit ihrem Onkel Corvinus um? Sie ertappte sich dabei, wie neugierig sie doch in dieser Beziehung war und wie viele Gedanken sie spann, obwohl noch gar nicht viel passiert war. Minervina versuchte den Gedanken beiseite zu schieben und schenkte ihr stattdessen ein strahlendes Lächeln. "Oh nein, nein. Ich habe wirklich nicht lange warten müssen. Im Gegenteil, ich hoffe doch sehr, du hast dich wegen mir nicht zu sehr beeilt." Auf die Frage nach der Erfrischung schüttelte sie den Kopf. "Nein, bisher hat man mir noch nichts zu trinken angeboten." 'Was auch nicht verwunderlich wäre, wenn die Sklaven in diesem Haushalt ein Benehmen wie das des Ianitors darlegen', dachte sie sich insgeheim.


    Mit einem höflichen Lächeln wandte Minervina sich plötzlich von der Patrizierin ab und blickte zu der orientalischen Sklavin, die zusammen mit der Blonden die ganze Zeit im Hintergrund ausharrte. Ein Kopfnicken und die Sklavin aus dem Morgenland verstand. Sie trat aus dem Schatten und ging ruhig und würdevoll auf die Aurelia zu. In ihrer Hand hielt sie eine kleine Schatulle aus Ebenholz. Sie überreichte sie Minervina und diese übergab sie schließlich Celerina. Eine Statue aus reinem Marmor in Form der Fortuna befand sich darin."Auf diese Weise möchte ich mich noch einmal ausdrücklich für deine Einladung und deinem herzlichen Empfang bedanken." Für Minervina war sie die liebste Göttin - nach Flora. Ob Celerina sie auch mochte? Sie blickte ihr dabei direkt in die Augen um eine Reaktion ihrer neuen Freundin ablesen zu können. Ob das auch nicht zu dick aufgetragen war? Nein, schließlich handelte es sich hierbei um eine Patrizierin, eine flavische obendrein, da war das sicher nicht unangemessen. "Möge sie dir viel Glück bringen." setzte sie mit einem Schmunzeln schnell noch an und musterte anschließend aufmerksam Celerinas Miene. Ob das Geschenk ihr gefiel?

  • Das hörte ich aber gar nicht gerne! Meinem Gast hatte man noch keine Erfrischung angeboten! Dieses nichtsnutzige Sklavenpack! Ich versuchte meinen Zorn vor Minervina zu verbergen. Es war blamabel genug, wie unaufmerksam manche flavischen Sklaven gegenüber den Gästen des Hauses waren. Plötzlich klingelten die Worte meines Onkels in meinen Ohren, als er mich im Scherz danach fragte, ob ich keine Lust verspüre, Sklaven auszupeitschen. Jetzt in diesem Augenblick hätte ich sehr große Lust dazu gehabt! Doch der Moment dazu war höchst unpassend. "Oh, das ist mir außerordentlich peinlich! Ich habe meiner Sklavin bereits Order gegeben, uns ein kleine Stärkung zu richten. Sie muß gleich da sein. Aber bitte, liebste Minervina, nimm doch Platz!" Ich deutete auf zwei Klinen, die ich speziell für den Besuch der Aurelia hatte bereitstellen lassen. Zwischen den beiden Klinen hatte ein kleines Tischchen seinen Platz gefunden, worauf man hernach die Speisen stellen konnte. Ich selbst nahm auch eine Kline in Beschlag und machte es mir mit den darauf liegenden Kissen behaglich. Im gleichen Atemzug traten die beiden Sklavinnen in den Vordergrund, die ihre Herrin von der aurelischen Villa bis hierher begleitet hatten. Eines der beiden Mädchen trug ein kleines Kästchen mit sich, welches sie ihrer Herrin überreichte. Die Aurelia ihrerseits, übergab es mir. Ein Geschenk? Für mich? Ich war geradezu entzückt! "Oh! Liebste Minervina! Du hättest sicher das gleiche für mich getan!" Jetzt besah ich mir den Inhalt etwas genauer. Ich holte die kleine Figur einer Göttin aus der Schatulle und erkannte, es war Fortuna. Oh Fortuna, die Göttin des Glücks und des Schicksals! Der Anblick der Göttin versetzte mich in eine unbändige Freude. Wie oft hatte ich sie in den letzten Monaten angerufen! Wie es schien, meinte sie es gut mit mir. Das glaubte ich zumindest, seit ich dem Aurelier über den Weg gelaufen war. Doch Eile mit Weile! Noch war nicht aller Tage Abend.
    "Oh, wie wunderschön sie ist! Ich danke dir vielmals!" Meine Worte waren aufrichtig. Ein schöneres Geschenk hätte sie mir nicht machen können.


    In diesem Augenblick erschien auch Ylva auf der Bildfläche, mit einem vollbeladenen Tablett in der Hand. Nebst einer Schale mit frischem Obst, einer Karaffe mit gemischtem Wein fanden sich auch allerhand wohlschmeckende Leckereien auf den Tellern. Neben diversen Meeresfrüchten hatte der Koch noch Oliven, Eier, und dünne Scheiben eines gebratenen Fleisches kunstvoll auf einer Platte arrangiert. Alleine das Hinsehen sorgte für den nötigen Hunger und ließ dem Betrachter das Wasser im Munde verlaufen. Allenfalls konnte in diesem Punkt der flavische Haushalt mithalten.
    Meine Sklavin servierte die Köstlichkeiten auf dem dafür bereitstehenden Tisch und schenkte uns beiden einen Wein ein. Sodann verschwand sie im Hintergrund. Allzeit bereit, wenn man ihrer bedurfte.
    "Bitte, greif doch zu, meine Liebe!"

  • Der Flavia war es sichtlich unangenehm, dass keiner der Sklaven Minervina bisher bedient hatte. Sie selbst fand es nicht so tragisch, doch plötzlich kam es ihr in den Sinn, dass die Sklaven deswegen bestraft werden könnten. Das wollte sie natürlich nicht, daher meinte sie beschwichtigend: "Meine Teure, das macht mir wirklich nichts aus. Ich bin mir sicher, einer der Sklaven hätte mir schon bald eine Erfrischung angeboten. Außerdem weiß ich nur zu gut, wie schwer es ist heutzutage an gutes Personal zu kommen." Ich spreche da aus Erfahrung. Sie dachte an die aurelischen Sklaven, bei denen einige von ihnen so ihre Macken hatten. Manche mehr, manche weniger. Nun gut, das war ein anderes Thema. Dankend nahm sie auf eine der Klinen Platz und beobachte anschließend, wie Celerina die kleine Statue auspackte. Freute sie sich wirklich über das Geschenk? Ja, sie tat es! Zumindest wäre sie eine ausgezeichnete Mimin gewesen, wenn sie es nicht täte, dachte Minervina bei sich und lehnte sich, erleichtert darüber, dass ihr Geschenk so positiv angenommen wurde, entspannt zurück.


    Der Anblick der Delikatessen, die soeben herangetragen wurden, regte tatsächlich ihren Appetit an und in ihrem Inneren freute sich Minervina wieder einmal mehr, dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen essen konnte, so viel sie mochte, ohne dabei wie ein Hefekloß auseinander zu gehen. Ihre dunklen Augen verfolgten, wie die Leibsklavin der Flavia sich höchstpersönlich darum kümmerte die Speisen zu servieren. Ein Glück, dass sie dafür nicht den Mund aufmachen muss, dachte sich die Aurelia spöttisch, war aber allerdings gleichzeitig davon beeindruckt, wie geschickt die blonde Sklavin mit dem schwer beladenen Tablett umging. Das hätte sie ihr gar nicht zugetraut. Schließlich wandte sie sich wieder zu Celerina, die letztendlich für dieses Meisterwerk verantwortlich war. "Oh, das sieht ja köstlich aus. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!" meinte sie noch zu ihr, ließ sich aber nach deren Aufforderung nicht lange bitten, sondern griff zunächst nach den Oliven. "Wirklich, die schmecken hervorragend!" Während sie den fein salzigen Geschmack der kleinen, schwarzen Kost auf der Zunge zergehen ließ, überlegte Minervina sich worüber sie sich nun mit ihrer neuen Freundin unterhalten könnte. Bloß kein peinliches Schweigen aufkommen lassen, das wäre ihr mehr als unangenehm. Andererseits - sie blickte verstohlen zu der Flavia - machte Celerina einen solch erfrischenden Eindruck, dass Minervina kaum glaubte, dass ihr das je passieren würde. Und selbst wenn, sie würde in so einem Augenblick wohl ihre Sklavin ein Kunststück oder ähnliches vorführen lassen, dessen war sie die Aurelia sicher. Am Besten ich fange mit harmlosen Geplänkel an, beschloss sie und deutete anschließend dezent auf ihren Halsschmuck. "Ich muss sagen, das Collier sieht wunderschön aus. Wo hast du das nur erstanden, wenn ich fragen darf?" Sie lächelte ihr zu und hoffte inständig, dass es sich hierbei nicht um ein Erbstück der verstorbenen Mutter oder dergleichen handelte.

  • Minervinas beschwichtigende Worte stimmten mich wieder versöhnlich, für den Augenblick jedenfalls. Doch eines wußte ich, dies würde noch ein Nachspiel haben!
    Es freute mich ungemein, meinem Besuch mit den herrlichen Speisen eine Freude zu bereiten. Ich persönlich hatte eine Schwäche für Meeresfrüchte, was wohl in meiner Jugend begründet gewesen sein mußte. Bereits als Kind hatte ich ständig in der Nähe des Meeres gelebt. So war es nicht verwunderlich, daß Fisch, Muscheln und Krabben des öfteren auf unserem Speisezettel gestanden hatten.
    Ich bediente mich an den Speisen und nahm mir einige von den eingelegten Muscheln, die ich so liebte. Auch der Wein war exquisit und passte sehr gut zum Essen. "Es freut mich, daß es dir mundet!"antwortete ich ihr und war froh, Minervinas Geschmack getroffen zu haben.
    Zu einem guten Essen gehörte natürlich auch ein gutes Tischgespräch. Minervina war sich dessen auch bewußt und begann ihrerseits mit einem Kompliment. Kleider, Schmuck und - wenn man nur unter Frauen war, auch Männer, waren meine allerliebsten Gesprächsthemen. Der Aurelia war mein Collier aus roten Korallen aufgefallen, welches ich mir an jenem Abend erwählt hatte.
    "Oh, das Collier, ja! Ist es nicht einfach fantastisch? Es gehört zu meinen liebsten Stücken. Mein verstorbener Mann hat es mir vor vielen Jahren schon geschenkt und ich trage es immer noch gern!" Allerdings nicht, weil er es mir geschenkt hatte. Nein, ich mochte es, weil mir die Farbe der Korallen so gut gefiel. Die Kombination aus rot und gold hatte eben etwas!
    Seit ich sie begrüßt hatte, ertappte ich mich ständig dabei, wie ich immer wieder auf diese wunderschöne Tunika starrte. Dieser Stoff mußte wirklich ein Traum sein. "Ich bewundere schon die ganze Zeit dein herrliches Gewand. Sag, ist es von Gucchius?" Ich hatte dergleichen in ganz Rom noch nicht gesehen.

  • Interessiert hörte Minervina den Ausführungen zu dem Halsschmuck zu. Zumindest bis zu dem Moment, als ihre Gastgeberin erwähnte, dass ihr Mann bereits verstorben ist. Die junge Aurelia war geschockt. So früh schon Witwe! Bemerkenswert, wie gelassen sie damit umging. Das war sicherlich ganz furchtbar für die arme Celerina. "Oh, dass mit deinem Ehegatten tut mir schrecklich leid." meinte sie aufrichtig und blickte die Flavia bedrückt an, denn sie konnte ja nicht ahnen, dass diese den Tod ihres Mannes nicht ganz so tragisch empfand.


    Nichtsahnend war Minervina also davon überzeugt, dass der Tod ihres Mannes ein harter Schicksalsschlag für Celerina sei. Als sie gleich darauf nach ihrem Kleid erkundigte, war das für Minervina nur eine weitere Bestätigung dafür. Vermutlich wollte sie schnell auf ein anderes Thema lenken damit nicht die Erinnerungen an den verstorbenen Gatten hochkommen. Dafür hatte die Aurelia natürlich vollstes Verständnis und ging auf ihre Frage nach dem Gewand ein. "Es freut mich, dass dir mein Kleid so gut gefällt. Nein, von Guccius ist es diesmal nicht, obwohl er einer meiner liebsten Modeschöpfer ist . Oder besser gesagt 'war' ..." Sie beugte sich ein Stück vor und machte eine geheimnisvolle Miene. "Ich habe dieses Prachtstück bei Pradacus entdeckt. Er wunderbarer Modeschöpfer sag ich dir. Erst vor kurzem hat er hier in Rom seine Läden eröffnet. Hast du bereits von ihm gehört? Falls nicht, müssen wir beide unbedingt dort hin gehen. Glaub mir, die Stücke von Guccius und Chanelix sehen dagegen wie einfache Plebejer-Tuniken aus." Minervina war voll und ganz in ihrem Element, als sie so erzählte und das zeigte sie auch deutlich. Es freute sie wirklich sehr, dass Celerina offenbar das gleiche Interesse an Mode hegte. Sicherlich hatten sie auch in anderen Dingen ihre Gemeinsamkeiten. Welche das waren, würde sich sicher bald herausstellen.


    Wer weiß, vielleicht redete ihre neue Freundin ja auch so leidenschaftlich gerne über Männer wie sie? Minervina beschloss vorsichtig anzutesten. "Sag mal, hast du seit deiner Ankunft in Rom eigentlich schon interessante Bekanntschaften gemacht? Ich meine, außer mit mir... :D Eventuell mit einigen interessanten Männern?" Sie grinste ihr Gegenüber mit einem kecken Lächeln an. Nicht eine Sekunde später biss sie sich auch schon auf die Zunge, als ihr mit Schrecken der verstorbene Ehemann von Celerina wieder einfiel. Wie unangenehm! "Verzeihung, das war rücksichtslos von mir. Ich hätte wohl besser nicht fragen sollen. Entschuldige bitte." Mit zerknirschter Miene blickte sie Celerina an und hoffte, dass diese nicht allzu empört reagieren würde.

  • "Ach," entgegnete ich ihr gelassen. "Es war besser so. Er hatte einen schönen Tod und mußte nicht lange leiden." Das entsprach der Wahrheit. Meinen Gatten hatte der Schlag getroffen. Alles ging sehr schnell. Auf die richtige Dosis war eben einfach Verlaß! :D Zwar hätte ich ihm einen weitaus schmerzlicheren Abgang gewünscht, aber wie hätte es meine Ylva so schön formuliert? Was fort is, is fort! Wo sie recht hatte, da hatte sie in der Tat recht.
    Nun ich sprach nicht gerne über dieses Thema. Je weniger ich davon preisgab, desto geringer war die Gefahr, dass jemand hinter mein dunkles Geheimnis kam. Glücklicherweise sah das die Aurelia ähnlich, wenn auch aus anderen Gründen, denn sie ging auf meine Frage nach ihrem Kleid ein.
    Wie? Gucchius war ihr liebster Modeschöpfer? Pradacus? Neue Läden! Und ich kannte diese Läden noch nicht! Natürlich wollte ich mir nicht vor Mibervina eine solche Blöße geben. Dass sie die Tuniken von Gucchius und Chanelix als Plebejer-Tuniken bezeichnete, hatte ich natürlich vernommen, doch ich kommentierte dies nur, indem ich eine Augenbraue nach oben zog, ganz in flavischer Manier. "Pradacus? Ach ja! Davon habe ich schon gehört. Nun bislang hatte ich noch nicht die Gelegenheit mir einen seiner neuen Läden anzuschauen. Aber ja, zusammen könnten wir uns dort einmal umsehen." Sah meine Tunika, wie eine Plebejer-Tunika aus? Ich konnte es kaum fassen! Ich führte diese Äußerung einmal auf die Jugend meines Gastes zurück und wollte dieser (der Äußerung!) keine Beachtung mehr schenken. Um meinen Ärger hinunterzuschlucken lenkte ich von dieser unsäglichen Pradacus-Chanelix-Plebejer Geschichte ab.
    "Oh meine Liebe, dir ist doch sicher Donatella ein Begriff? Du weißt doch, die großartige Donatella von den Versaciern. Die Gute ist zwar eine Plebejerin doch sie hat immer phantastische Ideen! Wir sollten sie auch einmal Besuchen." Donatella verfügte in der Tat über eine große Auswahl an den schönsten und teuersten Tuniken der Stadt und was noch besser war, sie war keine von diesen ausländischen Modefritzen, sondern solide römisch!
    Vielleicht gab es ja noch andere Gemeinsamkeiten, die wir teilten, besondere Vorlieben, eccetera…
    Oh ja, die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Eine junge, gutsituierte Witwe, deren Aussehen auch noch einer Pfirsichblüte glich, tat natürlich gut daran, die Augen aufzuhalten, wenn es um Mr.Right ging. Da die Anzahl an männlichen Vertretern unter den Patriziern nun doch beschränkt war, so schaute man gelegentlich auch einmal über den Tellerrand. Rom hatte da unendlich viel zu bieten!
    Für ihre allzu direkte Frage, entschuldigte sich Minervina sofort wieder. Aber da konnte ich sie beruhigen!
    "Aber, aber! Meine Liebe, wir werden alle nicht jünger. Natürlich schaue ich dann und wann. Das ist ja nicht verboten. Neulich habe ich einen getroffen. Der sah vielleicht aus! Der hätte eine glatte neun bis zehn auf der celerinischen Skala verdient!"Was die gute Minervina nicht wusste, ich hatte mir ein Bewertungssystem zurecht gelegt, was das Aussehen von männlichen Wesen betraf. Die Skala ging von eins bis zehn, also von grottenschlecht bis umwerfend.

  • Minervina nickte mitfühlend, als die Flavia von dem schnellen Ableben ihres Gatten berichtete. Darauf beließ sie es, denn sie wollte die arme Witwe ja nicht traurig stimmen, auch wenn es sie interessierte, woran er so plötzlich gestorben war. Doch einen so betrübten Eindruck machte Celerina auf sie gar nicht. Wahrscheinlich kämpfte sie in ihrem Innern mit ihren Gefühlen und wollte sich nur nicht die Blöße vor Minervina geben. Was für eine starke Frau sie doch sein musste!


    Was Minervina dagegen mit ihrer Äußerung hinsichtlich der Guccius-Mode bei ihr auslöste, bemerkte sie in ihrer jugendlichen Naivität nicht. Selbst als sich die fein geschwungene Braue der Flavia in die Höhe schob, war sie sich keiner Schuld bewusst. Stattdessen freute sie sich, dass sie eine ebenbürtige Gesprächspartnerin in Sachen Mode gefunden hatte, die wie die Aurelia selbst immer auf dem neusten Stand der Dinge zu sein schien. Gleich darauf begann sie auch schon von einer weiteren Modeikone zu schwärmen. "Aber ja doch, selbstverständlich sagt mir Donatella etwas." Welche vernünftige Patrizierin tat das nicht!? "Ein ausgezeichneter Vorschlag sie zu besuchen. Ihre Kleider sind wirklich fabelhaft." Nur die von Pradacus sahen noch besser aus, aber das behielt sie lieber für sich.


    Es war beruhigend zu hören, dass Celerina ihre Neugierde nicht allzu taktlos empfand. Stattdessen plauderte sie munter drauf los. Schlagartig wurde die Aurelia hellhörig, als Celerina auch gleich begeistert von einem Wesen des (angeblich) starken Geschlechts schwärmte. Na, so wie sich das anhörte, musste es sich dabei um ein wahres Prachtstück handeln! Minervina fragte sich, wie das Objekt der Begierde wohl aussah. Ob die beiden auch in dieser Beziehung den gleichen Geschmack hatten? Sie erinnerte sich an den Thermenausflug mit ihrer Cousine Prisca und Decima Seiana. Seitdem wusste sie nur zu gut, dass Frauen die unterschiedlichsten Vorlieben haben konnten, was Männer betraf. "Sag, wie sah er aus? Kenn ich ihn vielleicht sogar?" Daran glaubte sie zwar nicht, da sie bisher noch nicht viele Männer in Rom kennen gelernt hatte, doch der Kreis der Patrizier war hier nicht allzu groß, von daher konnte es wiederum gut sein, dass sie ihn kannte. Der Gedanke bewegte sie auch gleich zu ihrer nächsten Frage. "Er war doch Patrizier, oder?" Minervina war gespannt, ob die elegante Celerina auch attaktive Plebejermänner beäugte oder dafür zu fein war. Sie selbst war sich jedenfalls nicht zu schade, aber das hat sie bisher niemanden anvertraut. "Celerinische Skala? Du bewertest Männer nach Noten?" Völlig irritiert blinzelte die junge Aurelia vor sich hin und wusste im ersten Augenblick nicht so recht, was sie davon halten sollte. Das hätte sie nicht von ihr erwartet. Dann aber kehrte ihr freches Lächeln zurück und sie begann zu kichern. "Die Idee gefällt mir wirklich gut!" Minervina war schon immer für solche Späße zu begeistern. Ihr gefiel Celerina immer besser.

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