hortus | Der Tag ist nicht mehr fern

  • Die Schwangerschaft schritt immer mehr und mehr voran. Je praller mein Bauch wurde, desto beschwerlicher wurde jeder Schritt, den ich tun musste. Hinzu kam dann auch noch diese plötzlich einsetzende Hitze, die mir zu schaffen machte. Selbst nachts wurde mir der Schlaf geraubt, da ich manchmal nicht mehr wusste, wie ich mich noch hinlegen sollte, damit ich Ruhe fand. Der Rücken schmerzte mir, meine Beine waren voller Wasser und das Kind drückte mir auf die Blase, was mich dazu zwang, manchmal in zehnminütigem Abstand ein stilles Örtchen aufzusuchen. Ich sehnte den großen Tag herbei, auch wenn ich mich davor ein wenig fürchtete. Manchmal fragte ich mich, wie das meine Mutter geschafft hatte. Sie hatte fünf Kindern das Leben geschenkt und ich hatte sie nicht einmal jammern gehört!
    Mama Cungah war zu meiner ständigen Begleiterin geworden. Es war wirklich rührend, wie die Nubierin sich um mich sorgte. Da diese Schwangerschaft nicht die erste war, die sie begleitet hatte, stand sie mit Rat und Tat zur Seite. Einmal in der Woche untersuchte sie mich und verfolgte so den Fortgang meiner Schwangerschaft. Bald ist es soweit, mein Mädschen! Nur noch wenige Wochen und dann hältst du dein Kind in den Armen!
    Sie hatte das mit einem verheißungsvollen Lächeln gesagt. Ich war so froh, dass sie da war. Mit ihrer nicht enden wollenden Fröhlichkeit, erhellte sie mir auch die Tage, an denen es mir nicht so besonders gut ging. Darum hatte ich Aquilius gebeten, sie bei mir haben zu dürfen, wenn es so weit wäre. Meinem Wunsch war mir entsprochen worden.


    Seit dem Einsetzen der Hitze hatte ich es vermieden, das Haus zu verlassen. In der Stadt umherzulaufen, kam für mich nicht mehr in Frage, weil ich nach kürzester Zeit erschöpft war. Lediglich in den Garten der Villa wagte ich mich, um dort frische Luft zu schnappen. Dabei war es mir immer am liebsten, wenn ich auf niemanden traf, weder von den Sklaven und noch weniger von den Herrschaften.
    So war es auch heute der Fall. Cungah und ich schritten langsam den Weg entlang. Nur heute konnte ich mich gar nicht an dem Garten erfreuen. Eine innere Unruhe hatte ich schon den ganzen Tag über gespürt. Hinzu kam heute auch noch die drückend heiße Schwüle des Tages, die mich besonders belastete.


    Bitte, laß uns einen Moment in den Schatten setzen.


    Cungah führte mich zu einer Holzbank, die unter einer Trauerweide stand, deren Blätterwerk an manchen Stellen fast bis zum Boden herab reichte.
    Ist was mit dir, Mädschen? Fühlst du dich nischt gut?
    Ihrer Stimme konnte man einen Anflug von Besorgnis entnehmen.


    Ach, ich glaube, es ist nur die Hitze.


    Damit hatte ich dieses absonderliche Gefühl abgetan, um Cungah wieder zu beschwichtigen, vielleicht aber auch, um mich damit selbst zu beruhigen.
    Nach einer Weile wollte ich wieder weiter gehen. Langsam, mit meinen Händen abstützend, erhob ich mich wieder von der Bank. Ein seltsames Schwindelgefühl überkam mich, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sackte in mich zusammen.
    Cungah war mit einem Mal ganz aufgeregt. Sie tätschelte mir die Wange. Kindschen, so wach doch auf! Als sie sah, dass all ihre Bemühungen zwecklos waren, bekam sie es mit der Angst zu tun und rannte quer durch den Garten zurück zur Villa. Schnell! Hilfe! Ich brauche Hilfe! schrie sie, in der Hoffnung, der Erste, der sie hörte, würde ihr zu Hilfe kommen.

  • Micipsa war gerade dabei, sich vor irgendwelchen Aufgaben zu drücken, als ihm Cungah laut um Hilfe schreiend entgegenstürmte. Auch wenn er die ältere Frau kaum kannte, brachte er ihr als nubischer Landsmann ein großes Maß an Sympathie entgegen. Allzu viele Sklaven ihrer Herkunft waren in der Villa Flavia nunmal nicht anzutreffen. Außerdem wussten alle hier, dass sich die Nubierin in den letzten Wochen mit besonderer Hingabe um die hochschwangere Bridhe gekümmert hatte; etwas, das innerhalb der Sklavengemeinschaft, in der ebenso wie unter ihren Besitzern Neid und Missgunst herrschte, alles andere als selbstverständlich war.
    "Was ist passiert?" versuchte er die Frau zu beruhigen. "Ist mit Bridhe alles in Ordnung?"

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    Die korpulente Nubierin war trotz ihrer Körpermassen, kreuz und quer durch den Garten gerannt und hatte dabei laut um Hilfe geschrieen. Einer der unzähligen Sklaven, die tagsüber im Garten beschäftigt waren, mussten sie doch gehört haben. Sie war sehr besorgt um Bridhe, denn ihr hatte man sie anvertraut. Sie sollte sich um sie kümmern, wenn etwas mit ihr war. Und nun war etwas mit ihr. Das bescherte ihr große Angst. Alleine nur von der brütenden Hitze konnte man doch nicht das Bewusstsein verlieren! Wenn nur dem Kind nichts passierte! So kurz vor der Niederkunft! Es wäre einer Katastrophe gleich gekommen, hätte sie jetzt noch das Kind verloren.
    Cungah hatte schon fast den Mut verloren und wollte unverrichteter Dinge zu Bridhe zurückkehren, als ihr der nubische Sklave von dominus Aquilius über den Weg lief. "Den Göttern sein Dank," rief sie. "Ja, mit dem Mädschen stimmt etwas nischt! Komm schnell!" Unter anderen Umständen hätte es Cungah sehr erfreut, dass es ein Landsmann war, der ihr zu Hilfe gekommen war. Dafür hatte sie aber in diesem Augenblick gar keinen Kopf. Ihr lag nur Bridhes Wohlergehen am Herzen.
    Mit ihren fleischigen Händen packte sie Micipsa und zog ihn mir sich. Je eher sie zu Bridhe zurückkehrten, desto besser!

  • "Was ist denn nun genau pas...?" wollte der verdutzte Nubier ein weiteres Mal fragen, doch da hatte ihn Cungahs Kräftige Hand schon gepackt und mitgezerrt. Potentiellen Beobachtern musste sich ein erstaunlicher Anblick bieten, wie die beleibte Frau den großgewachsenen Micipsa nun hinter sich her zog.
    Noch bevor sie Bridhe erreichten, hatte er aber die Kontrolle über sich selbst wiedergewonnen. Er machte sich los und eilte an Cungah vorbei auf die am Boden liegende Keltin zu.
    Immerhin...sie atmete in normalem Rhytmus. "Wir sollten sie erst einmal in ihre Kammer bringen!" sagte er zumindest äußerlich ruhig zur Nubierin, die inzwischen wieder zu ihm aufgeschlossen hatte. Bevor er sie vorsichtig hochzuheben gedachte, wollte er aber noch warten, ob Cungah nicht etwa einen anderen Vorschlag zu machen hatte.

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    Völlig außer Atem, errichte auch Cungah die zusammengesunkene Bridhe. Sie war noch nicht wieder zu sich gekommen. Die Angst erfasste die ansonsten so resolute alte Sklavin. Sie musste handeln und zwar schnell!
    Sie wischte sich zuerst die Schweißperlen von ihrem Gesicht und beugte sich wieder zu Bridhe hinunter. Micipsas Vorschlag hörte sich gut an. Noch besser wäre es aber gewesen, hätte Bridhe wieder ihr Bewusstsein zurück erlangt. So versuchte sie die Schwangere aufzurichten und tätschelte dann ihr Gesicht.


    Kindschen, komm wieder zu dir, bitte Kindschen!


    Es hatte den Anschein, als wollten die Lebensgeister wieder zu Bridhe zurückkehren. Sie blinzelte und öffnete, wenigsten einen Spalt weit, die Augen.


    Was? Wo bin ich? Cungah? Wasser, bitte gib mir Wasser!


    Die alte Cungah war sichtlich erleichtert, als Bridhe wieder zu sich kam. Das musste an der Hitze gelegen haben, dachte sie vorwurfsvoll. Vorwürfe machte sie sich nun selbst, weil sie es nicht unterbunden hatte, dass die Schwangere hinaus in den Garten gehen wollte. Die Schwangerschaft war nun schon so weit fortgeschritten. Es konnte jetzt jeden Tag so weit sein. Sanft strich sie über Bridhes Haar.

    Du bist hier Kindschen! Wir bringen dich jetzt zurück in deine Kammer und dort bekommst du alles, was du brauchst!


    Die Nubierin bedeutete Micipsa, er sollte sie nun zurück zur Villa tragen. Dort war sie für den Moment eindeutig besser aufgehoben.
    Bridhe nickte artig, lächelte Micipsa freundlich an und schloß dann die Augen um sie kurze Zeit später wieder aufreißen zu können. Etwas ging in ihr vor. Etwas seltsames, nie da gewesenes, was ihr wie eine Art Schmerz vorkam, was allerdings ganz anders war, als der normale Schmerz schlechthin. Das konnten nur… die Wehen sein!


    Cungah! Es kommt! sagte sie ungewöhnlich gelassen.
    Die Nubierin schlug die Hände über ihrem Kopf zusammen!

    Oh Isis! Schnell Micipsa, schaff sie ins Haus! schrie sie noch und rannte dann wie von der Tarantel gestochen los, quer durch den Garten und rief jedem zu, der es hören oder aber auch nicht hören wollte: Bridhe bekommt ihr Kind!

  • Auf die Erleichterung, Bridhe wieder bei Bewusstsein zu sehen, folgte der nächste kleine Schock. Es kommt! Für den Bruchteil einer Sekunde verfluchte sich Micipsa innerlich, dass es ausgerechnet ihn erwischt hatte, wo er von solchen Situationen überhaupt keine Ahnung hatte.
    Dann fiel ihm aber doch ein, dass in diesem Moment nicht er, sondern Bridhe als Einzige das Recht hatte, zu klagen. Und die Keltin hinterließ von den Dreien noch den abgeklärtesten Eindruck.
    Also ging er daran, die Anweisung der davonstürmenden Cungah umzusetzen und die junge Frau 'ins Haus zu schaffen'.
    "Ich heb dich jetzt hoch. Du hast es gleich geschafft!" versuchte der großgewachsene Nubier Bridhe etwas unbeholfen Mut zuzusprechen.
    Er bückte sich und hob sie, einen Arm an ihren Kniekehlen, der andere am Rücken vorsichtig hoch. Erstaunt stellte er fest, wie leicht sie für ihn doch immer noch zu tragen war. Wahrscheinlich hatte ihn ihr Bauch zu der unsinnigen Vermutung geleitet, er würde jetzt schwer an ihr zu tragen haben.
    Mit seiner 'Last' schlug der Nubier dann den Weg in Richtung ihrer Kammer ein, in einem Tempo, mit dem er sowohl ihrer momentanen Verletzlichkeit als auch der gebotenen Eile gerecht zu werden versuchte.

  • Nie hätte ich gedacht, im Angesicht der nahenden Geburt so gelassen bleiben zu können. Aber ich war völlig ruhig. Ich fühlte mich erleichtert darüber, dass es endlich soweit war, obwohl mir das Schlimmste noch bevor stand. Daran wollte ich aber noch nicht denken.
    Ich erinnerte mich an Cungahs Worte, als sie mir alles Wichtige über den Verlauf der Geburt gesagt hatte. Jedes einzelne Wort hatte ich mir gut eingeprägt und so wusste ich, es bestand noch gar keinen Grund zur Eile. Die Wehen kamen noch sehr unregelmäßig. Es konnte also noch Stunden dauern, bis es kam. Allerdings schien mein Zustand bei allen um mich herum eine gewisse Panik auszulösen. Cungah selbst er und immer wieder vorgepredigt alles vergessen haben, was sie mir immer und immer wieder vorgebetet hatte.
    Ich legte meine Arme um Micipsas Nacken, als er mich hochhob und hielt mich an ihm fest, während er mich in meine Kammer zurück trug.

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