triclinium | Cottas Ankunft

  • Irgendwas stimmte doch hier nicht im Haus der Aurelier, das hatte ich aber gleich gemerkt! Nicht nur dieses "Holterdipolter" unter den anderen Sklaven bei der Ankunft meines dominus, nein, überhaupt machten hier alle so komische Gesichter. Was hier wohl passiert sein mochte? Aber was für komische Gesichter die hier alle machen würden, wenn sich erst einmal die Erkrankung von Aurelius Cotta herumgesprochen haben würde!


    Wenigstens war sein cubiculum jetzt endlich fertig geworden! Mein Eindruck war ja, dass die kleine Sklavin, die sich darum gekümmert hatte, sich extra Zeit damit gelassen hatte, einfach nur, um mir nahe zu sein. Aus ihrer Sicht nur zu verständlich, aber ich hatte natürlich überhaupt keine Zeit, mich näher mit ihr zu befassen, denn Aurelius Cotta brauchte jetzt Ruhe.


    Ich marschierte daher sofort nach der Fertigstellung des cubiculums zum triclinium zurück, um dort meinen dominus einzusammeln, ohne mich weiter um die Sklavin zu kümmern. Und im triclinium wartete ja auch immer noch eine andere Sklavin auf mich: diese Siv, die offenbar in ein ziemlich ernstes Gespräch mit meinem dominus vertieft war; jedenfalls klangen so die letzten Worte von ihr, die ich noch mitbekam, bevor ich selbst wieder das triclinium betrat.


    Einen Mann hatte die also schon gehabt? Dann war sie also schon - nun ja, "erfahren". - Das waren so die ersten Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gingen. Ansonsten erinnerten mich ihre Worte ganz fatal an die Erzählungen von Cadhla, allerdings schien mir Siv noch ein ganzes Stück mehr durcheinander zu sein als Cadhla es gewesen war - oder gezeigt hatte; ich würde sie mir mal beizeiten zur Brust nehmen. Beizeiten; jetzt aber war es Zeit für meine Meldung: "Domine, das cubiculum ist bereit."

  • Es war mir schon nahe gegangen, dass meine Frage an Siv nach dem Schicksal ihrer Familie sie offenbar wirklich getroffen hatte. Ihr Blick verlor sich in die Fernen ihrer germanischen Heimat und ihrer Kindheit und Jugend; einer Jugend, die vielleicht beendet schien nach ihrer Heirat, die dann aber so richtig und so viel abrupter beendet werden sollte durch die römischen Legionen. Nicht in eine unendliche Leere ging also ihr Blick, sondern mitten hinein in schmerzhafte Erinnerungen und Gefühle.


    Meine Frage nach ihrem Mann, den sie erwähnt hatte, und vor allem die Formulierung, die ich dafür gewählt hatte, sollten eigentlich zu einem anderen Thema hinüberführen: Ich hatte gehofft, bei ihrer Antwort vielleicht etwas mehr über die näheren Umstände ihres Lebens in ihrer Heimat zu erfahren, die ich ja überhaupt nicht kannte. An Sivs Gesicht sah ich jedoch nur zu bald, dass ich mit meiner Bemerkung fast das genaue Gegenteil erreicht hatte: Wieder schien sie mit einem intensiven Gefühl zu kämpfen, das mir dieses Mal allerdings weniger Wut oder Schmerz als eher so etwas wie Ratlosigkeit oder auch Verwirrung zu sein schien. Hatte sie in Germanien einen anderen Mann geliebt als den, den sie dann geheiratet hatte? Oder gab es etwa hier jemanden?


    Besonders diesen letzten Gedanken wagte ich kaum weiterzudenken; wenn es sich dabei um einen anderen Sklaven handeln sollte, so war die Situation natürlich noch beherrschbar, wenn auch durchaus unangenehm, weil solche Liebschaften naturgemäß zu Misshelligkeiten unter dem Personal führten; ganz anders sah es natürlich aus, falls sie sich in ein Mitglied der gens verliebt haben sollte, besonders, weil dafür nach meiner Berechnung eigentlich nur Corvinus in Frage kam. Fast hätte ich bei dieser Vorstellung geseufzt, konnte dies aber noch unterdrücken und beruhigte mich schließlich mit dem Gedanken, dass Siv ja bei weitem nicht die erste Sklavin wäre, die sich in ihren dominus verliebte; manchmal hatte ich sogar den Eindruck gehabt, dass dies zu einer Regel wurde, vielleicht weil die Abhängigkeit vom dominus für einen Sklaven und eine Sklavin mindestens so groß war wie die Abhängigkeit, in der beispielsweise eine Siv angesichts der rauen Lebensbedingungen in ihrer Heimat gegenüber ihrer Familie und ihrem Mann gestanden hatte. Denn das Germaninnen also, wie ich jetzt von ihr selbst erfahren hatte, so jung heirateten, lag doch sicher auch daran, dass ihnen kein besonders langes Leben zu prognostizieren war und dass sie deshalb alles, was Natur, Gemeinschaft und Tradition von ihnen forderten, so früh wie möglich zu erledigen hatten.


    So hatte mich Sivs Reaktion schließlich doch noch zu den von mir gewünschten Erwägungen über ihre Heimat geführt, sie hatte aber auch noch jenes Unbehagen verstärkt, das ich selbst schon in dem Moment empfunden hatte, in dem ich meine Frage ausgesprochen hatte - das Unbehagen, ja, die Trauer darüber, dass eine Ehe für mich in so weiter Ferne stand. Und die letzten Worte Sivs hatten auch noch fast so geklungen, als habe sie mich darüber hinwegtrösten wollen. Trost für einen ehelosen Römer von einer Sklavin, deren Mann römischen Soldaten getötet hatten... Ich sah Siv betroffen an - und meinte doch, in ihren Worten so etwas wie echte Anteilnahme gespürt zu haben.


    In diesem Moment betrat Maron das triclinium. Ihn hatte ich wirklich ganz vergessen und so auch nicht mehr darauf bestanden, dass Siv ihm noch etwas zu essen brachte, wie ich es anfangs erbeten hatte. Jetzt meldete er einfach, dass mein cubiculum bereit war; einen Moment zögerte ich, denn irgendwie hatte ich zu Siv doch noch nicht alles gesagt - aber irgendwie war es vielleicht jetzt auch besser, nicht mehr weiterzureden. Entschlossen erhob ich mich also - und fühlte sofort, wie sich ein Schwindel meiner bemächtigte und mir schwarz vor Augen wurde. Ich sackte in mich zusammen.

  • Obwohl Siv kurz darüber grübelte, ob sie den Römer hatte trösten wollen, kam sie zu keinem Ergebnis – vielleicht weil sie sich nicht eingestehen wollte, dass es tatsächlich so war. Er hatte zumindest nicht sonderlich glücklich geklungen, als er gesagt hatte er habe noch keine Frau. Siv wiederum wäre froh gewesen, damals, wenn sie nicht hätte heiraten müssen. Wenn sie ihre Freiheit hätte behalten können. Aber sie wusste auch, hatte es im Grunde auch damals schon gewusst, dass es die Freiheiten eines Kindes gewesen waren, die sie genossen hatte – und sie hatte davon mehr gehabt als andere Kinder, vor allem andere Mädchen, war ihr Vater doch vernarrt gewesen in seine einzige Tochter. Dass sie, als Erwachsene, sich nicht mehr das würde herausnehmen können, was sie als Kind gekonnt hatte, war ihr klar gewesen, und das war auch der Hauptgrund gewesen, warum sie sich so gesträubt hatte gegen eine Heirat. Sie hatte den Moment hinauszögern wollen, in dem ihre Freiheit um ein weiteres, großes Stück beschnitten werden würde, und in dem im gleichen Maß ihre Pflichten zunehmen würden. Welche Ironie, dass ausgerechnet sie nun das Leben einer Sklavin führte, ein Leben, das ihr wenig von dem bot, was sie früher unter Freiheit verstanden hatte, dafür umso mehr Pflichten, die sie aber in der Regel gewissenhaft erledigte – und dass sie damit sogar klar kam. Fast hätte sie spöttisch gelächelt, aber ihr war ebenso klar, was sie zu Hause erwartet hätte, wäre sie nicht in Gefangenschaft geraten. Sie wäre nicht lange Witwe geblieben, nicht in ihrem Alter und ohne Kinder. Und sie hätte kaum ein zweites Mal so viel Glück gehabt wie mit Ragin. Die Chance, dass sie zu Hause ein Leben mit zwar anderen, aber zumindest was sie betraf ebenso großen Beschränkungen wie hier hätte führen müssen, war hoch. Und doch, so klar ihr das auch war, es war nichts, was sie gerne gestand, sich selbst nicht und schon gar nicht anderen gegenüber.


    Der Römer antwortete nicht, wirkte aber auf seltsame Art betroffen, ohne dass Siv hätte sagen können, warum. Auch zuvor hatte er schon besorgt gewirkt, in gewisser Weise, und die stille Art, die ihm zugleich zueigen war, die Ruhe, die er ausstrahlte und die sich so gegensätzlich zu dem schroffen Verhalten präsentierte, das er anfangs an den Tag gelegt hatte, weckten in Siv tatsächlich echte Anteilnahme. Einen Moment sahen sie sich an, dann richtete sich auf einmal die Aufmerksamkeit des Aureliers auf etwas hinter Siv, und bevor sie reagieren konnte, erklang auch schon eine Stimme. Die Germanin wandte sich um zu dem Sklaven des Römers, der das Cubiculum als bezugsfertig meldete, musterte ihn kurz, dann wandte sie sich wieder an Cotta. In ihren Augen war das Gespräch noch nicht fertig, aber für den Römer schien es das zu sein, und Siv hätte sich schon wieder aufregen können, über den Römer, aber am meisten über sich selbst – warum hatte sie sich auf das Gespräch überhaupt eingelassen, wo ihr doch hätte klar sein müssen, dass sie, als Sklavin, nur als Lückenfüller diente?


    Der Zorn darüber hatte aber nicht wirklich Zeit, Besitz von ihr zu ergreifen. Der Aurelier richtete sich auf, erhob sich – und sank sofort gen Boden, fiel in sich zusammen, als ob ihn irgendjemand seines Halts beraubt hätte. Mit einem schnellen Schritt war Siv bei ihm und fing ihn auf. Hätte er nicht noch direkt bei der Kline gestanden, hätte sie ihn kaum halten können, so aber trug die Liege einen guten Teil dazu bei, dass Cotta nicht zu Boden fiel. "Hey, hey, was machst du für Sachen!" Ohne auf Maron zu achten, ließ Siv den Oberkörper des Römers behutsam auf die Kline zurücksinken, allerdings mit dem Kopf zum Fußende, so dass seine Beine hochgelegt werden konnten. Nachdem das erledigt war, fuhr sie ihm sacht über die Stirn, strich die Haare fort, fühlte die Haut. "Er ist müde von Reise, ja?" Sie sah kurz Maron, und ihrer Stimme war diesmal deutlich der zweifelnde Ton anzuhören. Der Mann war krank, das stand für sie nun fest, er gehörte in ein Bett. Sie vermutete, dass er sich auf der Reise wohl überanstrengt und dadurch Fieber bekommen hatte, aber das konnte er hier ja nun auskurieren. Sie griff nach dem Krug und dem Tuch, das auf dem Tablett lag, zog es unter der Obstschale hervor und befeuchtete es mit kühlen Wasser, dann tupfte sie damit die Stirn des Römers ab.

  • Störte ich hier? Den Eindruck bekam ich jedenfalls, als sich nach meiner Meldung des bezugsfertigen cubiculums meines dominus erst einmal - gar nichts tat. Siv drehte sich nur kurz zu mir herum und wandte sich dann wieder Aurelius Cotta zu - gut, für ihn war sie ja auch im Moment abgestellt, und ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, war jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt. Aber auch mein dominus richtete seinen Blick zwar gleich auf mich, nachdem ich meine Meldung gemacht hatte, sah dabei aber irgendwie durch mich hindurch und schien nur mit halbem Ohr hin zu hören; irgendwie wirkte er nicht ganz beieinander, obwohl er auf mich jetzt wieder ganz fit wirkte und sein Gesicht zum Anbeißen aussah wie ein junger Apfel.


    Deshalb war ich auch erst mal ziemlich perplex, als Aurelius Cotta sich dann doch endlich erhob - und gleich wieder in sich zusammensackte. Mit seiner Krankheit schien mir das jetzt hier nicht so recht was zu tun zu haben, und so nickte ich mal einfach ab, als Siv bemerkte, er sei wohl müde von der Reise.


    Überhaupt, Siv. Während ich noch über den Ursprung der neuerlichen Schwäche meines dominus grübelte, war sie schon wie ein flinkes Kätzchen zu ihm herbei gesprungen, hatte seinen Körper aufgefangen und wieder auf die Kliene gehievt, und zwar sogar so, wie sich das gehörte, nämlich mit hochgelegten Füßen. Ich stand inzwischen neben ihr und warf ihr einen anerkennenden Blick zu, den sie aber gar nicht beachtete, weil sie auf einmal ein feuchtes Tuch hervorzauberte, mit dem sie meinem dominus die Stirn abtupfte. Also doch wieder Fieber? - Auch ich, der ich doch in Sachen "Tropenkrankheit des Aurelius Cotta" schon so einiges mitgemacht hatte, war mir in diesem Fall gar nicht sicher, womit wir es hier zu tun hatten; vielleicht würde mein dominus auch hier in Rom noch einen Arzt konsultieren müssen.


    Wieder hob ich meinen Blick zu Siv. "Gut gemacht! Aber ich denke, das triclinium ist jetzt nicht mehr der richtige Ort für ihn. Vielleicht nutzen wir die Gunst der Stunde und besetzen das fertige cubiculum?!" Diesen Worten ließ ich auch sofort Taten folgen. Ich trat an den Oberkörper meines dominus heran, griff ihm von hinten unter den Armen hindurch und wollte ihn so von der Kline ziehen. Vielleicht würde Siv Aurelius' Cottas Füße ergreifen, aber natürlich würde ich ihn auch alleine in sein cubiculum schaffen können, da war ich mir ganz sicher, denn schließlich war das hier ja nicht der erste Liegend-Transport meines dominus durch die villa Aurelia in Roma nach seinem Bade- und meinem Kampferlebnis mit der guten Cadhla. Mal sehen, wie sich Siv nun weiter schlagen würde; ihr Anfang war ja schon einmal ganz ansehnlich gewesen. (:P)

  • Maron nickte nur und reagierte sonst nicht weiter, weder auf ihre Feststellung noch auf den Zweifel, den sie eigentlich hatte ausdrücken wollen. Der Aurelier kam nicht zu sich, und Siv grübelte für einen Moment darüber nach, ob sie ihm vielleicht den ganzen Wasserkrug über das Gesicht schütten sollte – aber sie entschied sich dagegen. Könnte sie sich sicher sein, dass es ein einfacher Schwächeanfall war, aufgrund der Hitze oder ähnlichem, hätte sie es getan, gleichgültig ob einer ihrer Brüder vor ihr lag oder ein Römer, der zwar nicht ihr Besitzer war, aber doch zu ihren Herren hier zählte. Sie hatte noch nie viel davon gehalten, Kranke oder Verletzte zu zart anzufassen, und sie geriet nicht schnell in Panik oder entwickelte übertriebenes Mitleid – sie hatte auch kein Problem damit, mit anzupacken, wenn ein gebrochener Arm gerichtet oder eine stark blutende Wunde versorgt werden musste, was die Heilkundigen in ihrer Sippe recht schnell festgestellt hatten, weshalb sie sie schon früh dazu holten, um mitzuhelfen. Wirklich grob war sie aber nie, und sie wusste, wann es besser war vorsichtig zu sein. Wenn der Römer erst mal wieder wach war und auf dem Weg der Besserung, konnte sie ihn noch genug schikanieren, indem sie ihm Kräuteraufgüsse verordnete und Bettruhe, wenn er aufstehen wollte – oder Bewegung, wenn ihm nach Ruhe zumute war. Heilkundigen und Pflegern widersprach man nicht, das war eines der ersten Dinge gewesen, die sie gelernt hatte, und daran würde sich auch der Römer zu halten haben, oder er konnte sich auf Diskussionen mit ihr gefasst machen – die je nach seiner Gemütslage für Siv nichts Gutes bedeuteten, aber von diesem Wissen hatte sie sich noch nie abhalten lassen.


    Die Germanin fühlte erneut über Cottas Gesicht und runzelte leicht die Stirn, unschlüssig, was sie von dem Schwächeanfall halten sollte. Bevor sie aber weiter darüber nachgrübeln konnte, sprach sein Sklave sie an. Sie sah hoch und musterte ihn, während sie nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne zog. Sie war sich nicht sicher, ob es nicht vorerst besser war, den Römer nicht zu bewegen – aber Maron hatte Recht, das Triclinium war kein Ort für ihn, und außerdem: er hatte seinen Herrn begleitet, er war sicher schon lang sein Sklave. Auch wenn ihr das nicht wirklich gefiel, aber sie musste sich widerstrebend eingestehen, dass er die Situation vermutlich besser beurteilen konnte als sie. Noch weniger gefiel ihr, dass er nicht einmal eine Antwort abwartete, sondern bereits nach dem Oberkörper des Römers griff und ihn anhob. "Hey! Du, das ist Frage gesein? Dann ist warten, auf Antwort, ist…" Siv suchte nach Worten, um ihren ironischen Kommentar zu beenden, aber ihr fiel auf Latein nichts Passendes ein. "…ganz gut", endete sie schließlich, inhaltlich etwas lahm, aber auf ihrem Gesicht der Anflug eines Lächelns, irgendwo zwischen Selbstironie und gutmütigem Spott. "Das wär ne Option, so beim nächsten Mal, weißt du?" fügte sie noch auf Germanisch hinzu, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war, dass er sie verstehen würde. Dann griff sie nach den Beinen des Aureliers und hob sie an, und gemeinsam manövrierten sie den Körper aus dem Triclinium hinaus, durch einen Gang in einen zweiten hinein, bis sie zum Cubiculum des Römers kamen. Dort legten sie Cotta vorsichtig auf das Bett, und Siv richtete sich auf und blies sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Und jetzt? Und jetzt?" wiederholte sie sofort. "Was hat er?"

  • Während ich natürlich sofort die Ärmel hochkrempelte, um die Lage meines dominus zu verbessern, zog Siv es vor, wichtigtuerische Mienen und Gesten zu machen, die an dem jungen Ding für meinen Geschmack einfach nur komisch aussahen; helfen taten sie Aurelius Cotta erwartungsgemäß auch nicht. Als sie sich dann endlich bequemte, mit anzupacken, ging auch das nicht ohne einen zickigen Kommentar ab, auf den ich natürlich gar nichts sagte; das wäre weit unter meiner Würde gewesen.


    Na, wenigstens langten wir zwei Gänge und einen in ihrer eigenen Eingeborenen-Sprache abgefassten weiteren Kommentar Sivs später im cubiculum Cottae an und legten unsere teure Last ins gemachte Bett. Siv schien nun wieder zu einer konstruktiven Arbeitshaltung zurückkehren zu wollen; jedenfalls deutete ich mal ihre Frage großzügigerweise so.


    Was Aurelius Cotta eigentlich hatte, war nämlich in der Tat die große Frage. Ich fand ja nach wie vor, dass er eigentlich gar nicht so schlecht aussah, jedenfalls nicht gerötet von Fieber, wie ich ihn in den vergangenen Monaten so oft gesehen hatte; erst jetzt fielen mir allerdings die dunklen Ringe unter seinen Augen auf, auf die ich bei seiner Ankunft in der villa Aurelia in Roma gar nicht so geachtet hatte: "Ich denke, er ist wirklich total übermüdet und braucht Schlaf. Ruhe und Schlaf."


    Durchaus weniger vorsichtig als Siv - schließlich war ich darin ja auch in Übung - legte ich meinem dominus die Hand auf die Stirn und stellte fest, dass diese zwar warm war, aber doch noch lange nicht so heiß, als dass es bei den hohen Außentemperaturen ungewöhnlich gewesen wäre. Ich war mir jetzt sicher: Ein Fieberanfall war das hier nicht. "Ich stelle ihm gleich noch eine Karaffe Wasser bereit und setze mich dann neben ihn" - Baden konnte ich später, viele Frauen mochten ja auch meinen Schweißgeruch - "dann wird er schon wieder." Tja, Siv wurde hier jetzt eigentlich nicht mehr gebraucht; um sie hinauszukomplimentieren, sagte ich ihr ein kurzes Dankeswort - und fügte dann unvorsichtigerweise hinzu: "XXXX - - myyyyvn ., zzzzz." Das war "thrakisch" und ganz gegen meine Absicht der Auftakt für ein weiteres Wortgeplänkel.



    Sim-Off:

    :D :D

  • Siv knirschte mit den Zähnen. Was war nur mit manchen Leuten los? Konnten sie sich denn nicht von ihr provozieren lassen oder wenigstens reagieren? Sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihr Gegenüber nicht reagierte auf das, was sie sagte! Am liebsten wäre sie stehen geblieben und hätte den anderen Sklaven sofort zur Rede gestellt, aber sie trug die Beine des Römers, und es war vermutlich keine gute Idee, sie fallen zu lassen. Also schwieg sie, bis sie im Cubiculum waren. Einen leicht trotzigen Tonfall konnte sie nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen, als sie dann nachfragte, auch wenn sie auf dem Weg beschlossen hatte, Maron nicht an die Gurgel zu gehen, nur weil er sie ignoriert hatte zuvor. Dafür musterte sie ihn aber abwartend – sah ihm zu, wie er die Stirn fühlte und fragte sich zugleich warum, immerhin hatte sie das bereits getan, bemerkte, dass er verwirrt zu sein schien über den Zustand seines Herrn, was ebenfalls auf seinem Negativkonto verbucht wurde. Das drohte gerade bedenklich zu wachsen, suchte Siv doch augenblicklich – obwohl sie sich selbst zuvor lautlos vorgenommen hatte, seine Ignoranz von vorhin nicht zu beachten – nach Punkten, die sie an ihm stören könnten. Dass sie sich dabei, mal wieder, ein bisschen hineinsteigerte, übersah sie großzügig. Sie war die Jüngste in einem ansonsten reinen Männerhaushalt gewesen, mit allem, was das bedeutete – viele Streitereien mit ihren Brüdern, bei denen sie schon allein aufgrund des Alters oft den Kürzeren gezogen hatte, und weitere Nachteile; aber auch geliebt zu werden, auf die zärtlich-raue Art, die ihren Brüdern zueigen war, und die stille Weise ihres Vaters. Und: es hatte nahezu immer jemanden gegeben, der sich hatte provozieren lassen, ob nun sie diejenige war, von der es ausging, oder einer ihrer Brüder. Sie hatte sich in der letzten Zeit zwangsweise daran gewöhnen müssen, nicht beachtet zu werden, aber das hieß noch lange nicht, dass es ihr gefiel – oder dass sie es sich immer gefallen ließ. Erst recht nicht von einem anderen Sklaven, den sie heute zum ersten Mal sah.


    "Ach. Über müdet? Wie bist du nur darauf gekommen?" Sie verschränkte die Arme, sah kurz zu dem Römer und dann wieder zu Maron. Als er die Karaffe Wasser erwähnte, blitzte vor Sivs innerem Auge erneut das Bild auf, wie sie Wasser auf jemanden schüttete – diesmal war allerdings nicht Cotta, sondern sein Sklave der Empfänger, und in ihrer kurzen Vision wirkte er nicht sonderlich erbaut. Ein Grinsen zupfte an ihren Mundwinkeln, während sie flüchtig daran dachte, aber ihre Aufmerksamkeit blieb in der Realität. Nur um gleich darauf unverständliches Kauderwelsch zu hören. Für einen winzigen Moment war sie versucht, ihn fasziniert zu fragen, was für eine Sprache das war – Griechisch nicht, sie kannte inzwischen die Sprachmelodie gut genug und sogar mehrere Worte, Ägyptisch ebenso wenig, schimpfte Merit doch des öfteren in ihrer Muttersprache. Aber der Ärger überwog dann. Siv ließ die Arme sinken und trat einen Schritt auf Maron zu, um sich mit blitzenden Augen vor ihm aufzubauen. "Was du redest in Sprache anders wie Latein?" Dass sie selbst oft genug Germanisch sprach, war selbstverständlich etwas völlig anderes in ihren Augen. Im Gegensatz zu ihm war ihr Latein noch lange nicht perfekt, und manchmal gab es einfach Dinge, die gesagt werden mussten, selbst wenn keiner sie verstand. Außerdem, und nur nebenbei, wie sie sich selbst glaubhaft versicherte: sie hatte zuerst damit angefangen. Dass er jetzt einfach nachzog, konnte doch nur eins heißen. "Sag mal, machst du dich lustig über mich? Du hast Spaß, über mir? Ist das lustig? Zu reden, dass ich nicht verstehe?"


    Sim-Off:

    :P :D

  • Zitat

    Original von Siv
    "Sag mal, machst du dich lustig über mich? Du hast Spaß, über mir? Ist das lustig? Zu reden, dass ich nicht verstehe?"


    Öhm, eigentlich hatte ich die kleine Klette nur loswerden wollen. Die Tragik dabei war aber, dass der Thraker in mir dazu auch noch einen Satz auf "thrakisch" gesprochen hatte, und als hätte sie ihn verstanden, zeigte das Kätzchen vor mir - weit davon entfernt, sich, wie gewünscht, auf leisen Pfoten davon zu machen - nun seine Krallen. Denn das sollte doch wohl das Gebaren bedeuten, dass Siv jetzt annahm, als sie sich vor mir aufbaute.


    Ich warf einen kurzen Blick auf meinen dominus. Der lag jetzt ganz entspannt auf seiner kline und schlummerte ruhig - für mich jetzt der letzte und endgültige Beweis dafür, dass ihn nicht wieder das Fieber gepackt hatte, denn dann war sein Schlaf voller Unruhe und Umherwälzen. Natürlich brauchte er Ruhe und viel Wasser, das ich ihm gleich holen würde, aber angesichts seines doch ganz und gar stabilen Zustandes blieb offenbar noch Zeit für einen kleinen Gedankenaustausch mit Siv - falls diese dem würde folgen können, denn ihr Latein war wirklich noch nicht so. Ich aber war durchaus dazu bereit, mich ihrem Niveau ein bisschen anzupassen - natürlich nicht, ohne es dabei merklich zu heben - und begann daher mit Gestik und Mienenspiel, indem ich langsam an ihr heruntersah und meinen Blick dann wieder hochsteigen ließ: "Ui, ui, ui! Wenn du jetzt noch mit dem Fuß aufstampfst, hätte ich noch viel mehr Angst vor dir!"

  • In ihren Augen begann sich ein Gewitter zusammenzubrauen. Oh nein, das war nicht die Reaktion, die sie erwartet hätte – und definitiv nicht die Reaktion, die ihr Ego gewollt hätte. Erst sah er weg, zu seinem Herrn, und Siv war der festen Ansicht, dass er das nur tat, um sie zu reizen. Dann sah er sie an. Aufreizend langsam ließ er seinen Blick an ihr hinunter schweifen und dann wieder hoch. Und die Germanin knirschte mit den Zähnen, während sie innerlich bebte. Das konnte doch einfach nicht wahr sein, was sich dieser Kerl anmaßte, und tatsächlich spürte sie das Bedürfnis, mit dem Fuß aufzustampfen – gerade in dem Moment, in dem sie allerdings dicht daran war es in die Tat umzusetzen, sprach er genau das an. Und Siv beherrschte sich. Sie hätte auch gern noch andere Dinge getan – ihn ein klein wenig nach hinten geschubst, zum Beispiel –, aber so sehr sie das auch reizte, wusste sie doch, dass das noch viel weniger die gewünschte Wirkung erzielen würde. Er würde sich vermutlich nur noch mehr über sie lustig machen, wenn sie sich nun so verhielt, wie er es sogar ankündigte. Für einen kurzen Moment huschte der Gedanke durch ihren Kopf, unter welchen Umstanden es doch befriedigend sein könnte, mit dem Fuß aufzustampfen – nämlich, wenn der ihre auf seinem landete, und das mit einer entsprechenden Wucht. Eine winzige Zeitspanne stellte sie sich vor, das tatsächlich zu tun, dann schob sie das Bild beiseite. Sie würde so was ohnehin nicht tun, nicht geplant, hieß das. Wenn überhaupt, dann in einer Kurzschlussreaktion, die nicht einmal sie vorhersehen konnte.


    Allerdings änderte all das nichts an dem Mann, der ihr gegenüber stand und sie auf provozierende Art musterte – und dass, selten genug, nicht sofort wusste, was sie erwidern sollte. Es dauerte einen Augenblick, bis sie schließlich antwortete, nicht wirklich lang, aber doch lang genug, dass die Pause wohl auffiel. "Oh, du bist toll, ja? Du denkst das, sicher." Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. "Hels Höllenhunde können dich holen, wenn’s nach mir geht!" Wieder das Bedürfnis, etwas zu tun, was ihr im Nachhinein vermutlich furchtbar kindisch vorgekommen wäre. "Was du sagst, hast gesagst?"

  • Oho! Das Kätzchen war zweifellos gereizt, das stand mal fest. Glühend rollten die Augen in ihrem hübschen Köpfchen, und mir entging natürlich nicht, mit welcher Lust sie dabei auf meine Füße schaute, die in den einfachen Sandalen ganz sicher ein reizvolles Ziel eines Fuß-Aufstampfens gewesen wären. Gnädigerweise ließ Siv von diesem Vorhaben, dem ich natürlich zu begegnen gewusst hätte, ab, und so kam es, dass meine Füße am Ankunftstag von Aurelius Cotta in der villa Aurelia in Roma zwar von der Reise schwarze Fußnägel zierten, aber eben keine blauen Flecke.


    Verbal aber tat sich Siv jetzt keinen Zwang mehr an; so ein bisschen Einhalt geboten ihr da nur ihre noch mangelhaften Sprachkenntnisse. Aber klar: Was sie mir eigentlich sagen wollte, verstand ich durchaus, da half auch kein keltisch oder ugrisch oder was das da war, was sie da wieder sagte, mehr beim Verbergen. "Toll?" Na ja, ich wusste schon um meinen Wert, und besonders freute es mich natürlich, dass noch viele andere so dachten. (:D) "Weißt du, was ich wirklich denke?" Ich musterte die Kleine noch einmal von oben bis unten, das aber durchaus nicht spöttisch, sondern diesmal nur, um meine Ansicht zu prüfen; ich fand sie bestätigt: "Ich denke, dass du hier sehr unglücklich bist. Du bist wahrscheinlich in Freiheit aufgewachsen; gut, das kenne ich nicht. Ich bin auch nur einer dieser vielen Sklaven, die hier sind und leben und derer sich niemand erinnern wird, wenn sie gegangen sind." Oder wenn dann irgendwann auch die gegangen wären, denen man vielleicht doch ein bisschen am Herzen lag; ich blickte kurz hinüber zu meinem schlafenden dominus. "Aber solange du hier bist, drückst du in allem, was du machst, egal, was das ist, dich selber aus. Und das, was sich da ausdrückt - du selbst -, das kann dir keiner nehmen. Und das werden sogar deine Herren an dir schätzen." Bei den Göttern, das Mädchen war doch in Freiheit aufgewachsen, so schwer würde das doch für sie nicht sein! Ich musste ein bisschen schmunzeln bei dem Gedanken, dass sie doch in der Hinsicht wirklich aus ihrer Not eine Tugend würde machen können: "Erkenne dich selbst!", das kannte man ja auf griechisch, aber ich hatte es auf "thrakisch" zu ihr gesagt, denn es war eben nicht nur auf meinen dominus etwas von der Liebe zur Weisheit übergeschwappt.


    Apropos dominus, der machte gerade wieder auf sich aufmerksam, schaufte erst, wahrscheinlich noch im Halbschlaf, verlangte dann aber artikuliert nach Wasser. Ich sah sofort zu ihm hinüber und nickte ihm beruhigend zu; Wassermangel war es wahrscheinlich auch gewesen, der ihn umgehauen hatte, er hatte wohl schlicht zuwenig getrunken auf seinem Weg durch Rom. Ich wandte mich zur Tür, um Aurelius Cotta sein Wasser zu holen; dabei sah ich Siv grinsend an und deutete mit meiner Hand ebenfalls zur Tür, denn jetzt konnte sie hier wirklich vorläufig nichts mehr tun und ich für sie auch nicht.


    Und Aurelius Cotta schon gar nicht. (:D)

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