Jeden Tag noch vor dem Aufgang der Sonne begann sich auf dem Forum Romanum, dem politischen Mittelpunkt der zivilisierten Welt, das Leben zu regen. Erst liefen nur Einzelne eiligen Schrittes über den Platz, meist schwer bepackt mit Waren, die schon vor dem Morgengrauen irgendwohin geliefert werden mussten, um den Kreislauf der Wirtschaft nicht stillstehen zu lassen. Je näher der Tagesanbruch aber rückte und je heller es mit dem Steigen der Sonne wurde, desto belebter wurde der riesige Platz im Herzen der Ewigen Stadt. Nicht mehr nur Einzelne, getrieben von Befehl und Notwendigkeit, hasteten über das Pflaster; ganze Gruppen von Menschen standen jetzt zusammen, denen das gütige Schicksal eine glückliche Geburt in persönlicher Freiheit und sicheren materiellen Verhältnissen gewährt hatte. Diejenigen jedoch, denen Fortuna gar nichts gewährt hatte, waren bei Tageslicht nicht auf dem Forum zu finden, sondern drückten sich erst in der Dämmerung oder des Nachts in seinen Ecken herum.
Jeder aber, der das Forum überhaupt betrat, aus welchen Gründen auch immer, begann mit seinem Erscheinen einen Faden in das Geflecht dieser Stadt zu weben, den ein Erzähler weiterverfolgen könnte und der auf die Lebensspur dieses jeweiligen Menschen führen würde - einfach deshalb, weil er nichts anderes ist als der Lebensfaden dieses Menschen, den dieser mit seinem Erscheinen über das Forum Romanum zu spannen unternimmt.
Um ihren - unter großen Anspannungen ein wenig brüchig gewordenen - Lebensfaden in der Ewigen Stadt weiterzuspinnen, hatte sich auch Sergia Plotina an einem strahlenden Hochsommertag keine andere Bühne gewählt als das Forum Romanum selbst. Eben betrat sie, von der heimischen Casa her kommend, mit der bei ihr so wohlbekannten Energie und doch ein wenig zaghafter als sonst, den Platz. Höchste Zeit also, den stilus wieder hervorzuholen, den Erzählfaden der temperamentvollen Sergierin weiter zu verfolgen und auf ihre neuen Abenteuer in der Hauptstadt des Erdkreises gespannt zu sein!
Noch ganz erfüllt von Erinnerungen an zahlreiche und zum Teil schicksalhafte Begegnungen auf dem Forum in ihrer Vergangenheit, sah Plotina sich schon wieder nach neuen und ähnlichen Erlebnissen um - und vor allem nach Personen, die ihren Lebensfaden, und sei es nur für Minuten, mit dem der Sergierin verknüpfen würden.
Wer mag, gerne!