Hortus | Eine unerwartete Begegnung

  • Die Zeit des Herumlungerns war endgültig vorbei. Längst schon war Cassims Wunde verheilt und er hatte sich nach seiner Aufgabe gesehnt.
    Seit einigen Tagen war es nun endlich so weit. Ein junger, flüggegewordener Falke war vor einigen Tagen angekommen. Der Parther hatte ihn schon erwartet. Sofort hatte er sich dem Tier angenommen. Mit der Hilfe anderer Sklaven hatte er eine geeignete Voliere gezimmert, die nun im hinteren Teil des hortus ihren Platz gefunden hatte. Hier wollte er auch mit dem Falken arbeiten, weitab von der Villa und den störenden Blicken der Sklavenschaft.
    Die ersten Monate mit den jungen Falken dienten dazu, um eine Bindung zu dem Tier aufzubauen. Das Tier sollte sich an seinen neuen Herrn gewöhnen können. Es dauerte noch lange, bis der Vogel soweit war und er das erste mal frei fliegen durfte. Dies war eine der schwierigsten und zeitaufwendigsten Phasen bei der Abrichtung eines jungen Falken. Es bedurfte viel Geduld und Ausdauer. Die Zeit, die dafür nötig war, wollte sich der Parther nehmen, denn für ihn gab es nichts schöneres, als mit einem solchen Tier arbeiten zu können. Bereits als Kind hatte er aufmerksam verfolgt, wie man einem Falken abrichtete. Als er dann selbst alt genug gewesen war, eine solche Verantwortung zu übernehmen, hatte er diese gerne übernommen und bald gab es nichts mehr, was er lieber tat. So waren die Jahre vergangen und er war zum Mann herangewachsen, jedoch an seinem Interesse für die Falknerei hatte sich nichts geändert. Dabei konnte er alles um sich herum vergessen. Die Schmach, die ihm durch seine Gefangennahme zuteil geworden war, sie war für kurze Zeit wie fortgewischt. In dieser Aufgabe ging Cassim völlig auf.


    Der Parther hatte nun fast den ganzen Tag mit dem Falken zugebracht. Jetzt, da es bereits dämmerte, war es an der Zeit, den Falken zu füttern. Der Vogel hatte sich sein Fressen redlich verdient. Hierzu hatte man Cassim einen Eimer mit toten Küken bereit gestellt. Wahrlich kein schöner Anblick! Aber angesichts dessen, da sich niemand außer ihm hierher verirrte, störte es nicht weiter. So sollte man meinen! Jedoch bemerkte der Parther recht schnell, dass er an diesem Abend nicht alleine war. Er hatte ein Rascheln gehört. Angestrengt spähte er in die Richtung, aus der das Geräusch kommen musste. Bald erkannte er den Umriss einer Frauengestalt und er wunderte sich, was gerade sie hier verloren hatte. "Hallo! Das ist aber eine Überraschung! Komm doch näher!" Er grinste breit, denn mit ihrem Erscheinen hatte er nicht gerechnet.


    Sim-Off:

    Für die junge Dame reserviert! :)

  • Ich wollte mir nur noch ein wenig die Füße vertreten und etwas frische Luft schnappen, bevor ich mich zum schlafen legte. Ein langer, schwerer Tag lag hinter mir. Die Schwangerschaft hatte es mir nicht unbedingt leichter gemacht. Besonders tagsüber litt ich unter der Hitze. Es hatte am Abend nur unmerklich abgekühlt, aber zumindest warf die Sonne nicht mehr erbarmungslos ihre Strahlen auf die Erde. Meine Haut rötete sich sofort, wenn ich länger in der Sonne sein musste.

    Um nicht auf unliebsame Mibewohner zu stoßen, spazierte ich in einen entlegenen Teil des Gartens. Mittlerweile kannte ich mich dort gut aus. Schon oft war ich hierher geflüchtet, um mich abzureagieren oder auszuheulen. Manchmal hatte ich hier auch schon meine Nächte verbracht, wenn mir die Enge des Villa zu viel wurde.
    An diesem Abend wollte einfach nur alleine sein. Den ganzen Tag war ich von Menschen umgeben, wenigstens jetzt wollte ich die Stille des Abends auskosten. So konnte ich mich entspannen und konnte mit meinen Gedanken auf die Reise gehen.
    Mir fiel leider viel zu spät auf, dass ich an diesem Abend nicht alleine das Bedürfnis nach Einsamkeit hatte. Hätte ich ahnen können, direkt in die Arme dieses Angebers zu laufen, wäre ich in der Villa geblieben und hätte mich in meine Kammer zurückgezogen. Als ich endlich aufsah und Cassim erkannte, war es bereits zu spät. Er hatte mich schon gesehen und rief nach mir. Mist, zischte ich leise zu mir selbst. Jetzt war es zu spät, um wegzulaufen. Augen zu und durch, sagte ich mir.


    Was willst du von mir? Und was machst du hier eigentlich?


    Ich wusste, ich war nicht besonders nett und mein Ton war alles andere als freundlich. Aber in der Gegenwart dieses Mannes, hatte ich immer das Gefühl, ich müsste ihm ins Gesicht springen und die Augen auskratzen. Warum das so war, konnte ich nicht erklären. Er war mir einfach vom ersten Tag an einfach unsympathisch gewesen.

  • Charmant wie immer! Die Kratzbürstigkeit dieser Sklavin konnte Cassim nicht im Mindesten in Erstaunen versetzten. Genauso hatte er sie kennengelernt, warum also, sollte sie nun widererwarten freundlich sein? Für ihn jedoch lag darin der Reiz. Der Widerspenstigen Zähmung, verstand er als seine Herausforderung, ähnlich wie es hier bei seinem Falken war. Er wusste, wie man vorzugehen hatte. Das auch hier sehr viel Geduld von Nöten war, hatte er naht anders erwartet.
    "Ich? Ich will nichts von dir! Wie kommst du denn darauf?" Er bediente sich ebenfalls eines barschen Tons, ähnlich dem, den sie gewählt hatte. Sein Grinsen konnte er jedoch nicht ganz ablegen. Dann streckte er ihr seine, mit einem Lederhandschuh geschützte Hand entgegen, auf der ein junger Falke saß. "Ich arbeite mit dem Falken! Der Römer, der meint, ich sei sein Sklave, möchte einen abgerichteten Falken für die Jagd." Mit seiner anderen Hand strich er sanft über das Tier und trat näher an Bridhe heran. "Hier, möchtest du ihn dir einmal genauer ansehen? Nur zu! Keine Angst!" Cassim musterte die junge Frau, die er bisher nur als zänkisch haderndes Weib kennengelernt hatte. Eine wahre Xantippe eben! Wenn es ihm gelingen würde, sie zu zähmen, konnte er sie ja noch so nennen. Dieser Gedanke belustigte den Parther und sein Grinsen nahm erneut zu. "Was machst du eigentlich noch hier draußen um diese Zeit? Wartet dein Herr nicht schon auf dich?" Cassim wollte sie bewusst provozieren, denn wenn sie zeterte und schalt, war sie umso schöner in seinen Augen. Überdies erhöhte dies den Reiz, sie zu bezwingen und dem wollte er sich keinesfalls entziehen.

  • Da konnte ich mich ja richtig glücklich schätzen! Ich wollte mich schon umdrehen und wieder gehen. Auf seine Gesellschaft konnte ich gut und gerne verzichten. Aber dann zeigte er mir diesen Falken. Zuerst machte ich einen Schritt zurück, nicht aus Angst, eher aus Ehrfurcht. So einen Falken hatte ich noch nie aus dieser Nähe gesehen. Nur zögernd wagte ich mich, wieder näher zu treten. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach dem Vogel aus und versuchte sein Gefieder zu berühren. Es war ganz weich. Ich war so fasziniert, so dass ich für eine Weile vergaß, wer mir gegenüber stand. Aber Cassim erinnerte mich bald wieder daran, mit seiner Überheblichkeit, die mich einfach nur noch nervte.


    Du richtest ihn ab? Für den Römer, der glaubt, du seist sein Sklave?


    Das klang wieder absolut überheblich, so wie ich es nicht anders von Cassim gewohnt war!


    Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber du bist sein Sklave! Sonst wärst du nicht hier und würdest nicht diesen Falken abrichten, verriet ich ihm spöttisch. Dieser Kerl musste endlich mal aufwachen und akzeptieren, was er war, so wie alle hier. Vielleicht würde er dann auch mit diesem hochtrabenden Gehabe aufhören. Aber bis dahin war es noch ein weiter, steiniger Weg. Seine letzte Bemerkung aber empfand ich als unnötig und verletzend. Zuerst war ich noch sprachlos aber dann spürte ich, wie die Wut in mir zu pulsieren begann und mir die Tränen in die Augen schossen. Dieser gemeine Kerl! Sollte ich mich jetzt vor ihm auch noch rechtfertigen?


    Ich wollte einfach nur noch etwas spazieren gehen, wenn du nichts dagegen hast und nein, mein dominus wartet nicht auf mich! Was glaubst du eigentlich, wer du bist und was du hier machst, he? Du bist anmaßend und eingebildet! Du verdrehst jeder Frau den Kopf, nur zu deinem eigenen Vergnügen und du bist so verletzend! Du bist einfach widerlich!


    Ich war richtig laut geworden. Er hatte es mal wieder geschafft, mich binnen kurzer Zeit zur Weißglut zu bringen! Aber hier war jedes Wort zuviel! Ich wollte nur noch weg. Also drehte ich mich um und ging.

  • Der Parther hatte nicht damit gerechnet, dass diese Bridhe so impulsiv sein konnte. Sie hatte ihn fast schon angeschrien! Ein Weib, zudem noch eine Sklavin! Dass er nun, seitdem er in das Haus der Flavier gebracht worden war, mit ihr auf gleicher Stufe stand, zählte für ihn in diesem Augenblick nicht. Die Frauen, die er kannte und liebte, waren stille anmutige Wesen, die seinen Worten Folge leisteten. Bridhe jedoch, war weit davon entfernt, eine solche Frau zu sein. Dies musste zweifelsohne an ihrem Zustand liegen, dachte sich Cassim. Aber das war keine Entschuldigung! Er sah sich in seinem Stolz gekränkt.
    Sie hatte ihn anmaßend und eingebildet genannt! Nein, das ging wirklich nicht! Augenblicklich nahm er den Falken von seiner Hand und machte ihn an dessen Leine fest. Die Sklavin war noch nicht allzu weit weg.
    Er rannte ihr hinterher und griff fest nach ihrem Arm, so dass sie stehenbleiben musste. Mit einem Ruck drehte er sie zu sich um und sah ihr mit seinen zu Spalten verengten Augen, in ihr überraschtes Gesicht.
    "Ich weiß sehr wohl, wer ich bin und was ich hier mache, Sklavin! Du scheinst dich damit abgefunden zu haben, der Schmutz unter den Stiefeln deines dominus zu sein! Aber ich werde mich damit nicht abfinden! Niemals! Ich entstamme einer edlen parthischen Familie, zu der ich auch bald wieder zurückzukehren gedenke. Während du noch deinem dominus zu Willen sein wirst, werde ich längst schon wieder die Freiheit erlangt haben! Und noch eins zu den Frauen. Ja, ich spiele mit ihnen, weil es mir Spaß macht. Aber mach dir keine Sorgen, mit einem Weib wie du es bist, gebe ich mich nicht ab!" Cassims Stimme hatte sich grundlegend geändert. Sie war eisigkalt geworden und sein Blick wirkte furchterregend. Angewidert ließ er von ihr ab und ging langsamen Schrittes zurück zu seinem Falken.

  • Ich wollte meinen Kopf wieder frei bekommen. Vor allem wollte ich Cassim aus meinem Kopf bekommen. Je mehr ich über ihn nachdachte, desto mehr ärgerte ich mich. Als ich aber dann ganz plötzlich sehr unsanft am Arm gepackt wurde, erschrak ich so sehr, daß ich aufschreien musste. Ich hatte nicht gedacht, dass dieser Kerl mir auch noch nachlaufen würde. Er hielt mich so fest, dass mein Arm zu schmerzen begann. Ich hatte richtig Angst, er könne mir oder meinem Kind etwas antun.


    Aaauuu! Du tust mir weh! Lass mich gefälligst los!


    Anscheinend hatte ich ihn getroffen, mit dem, was ich gesagt hatte. Seine Augen und seine Stimme hatten sich verändert. Aus ihnen sprach nun purer Hass und Verachtung.
    Als er endlich fertig war, ließ er mich wieder los und ging wieder zurück, wo er hergekommen war. Hadernd sah ich ihm nach. Ich war so aufgewühlt, so wütend und auch unbeherrscht. Eigentlich hätte ich ihn ziehen lassen sollen. Dann wäre der Streit zwischen uns nicht noch weiter geschürt worden. Aber ich ließ ihn nicht einfach so ziehen.


    Du willst fliehen? Nur zu, die fangen dich schneller wieder ein, als du glaubst! Und dann wirst du keine Falken mehr abrichten dürfen, das kannst du mir glauben! Aber das muss mich dann ja nicht mehr interessieren. Bis dahin bin ich frei! Mein dominus hat mir die Freiheit versprochen, noch ehe das Kind geboren ist!


    Im Grunde hatte ich es immer vermieden, dieses Versprechen den anderen Sklaven gegenüber zu erwähnen. Aber ihm, das zu sagen, verschaffte mir ein wenig Genugtuung. Ich merkte es gar nicht mehr, wie sehr ich mich darin sonnte, ihm weh zu tun und es ihm heimzuzahlen, dafür wie er mich behandelt hatte. Allerdings verschwendete ich keinen Augenblick mit dem Gedanken, durch die Verletzungen die ich ihm zufügte, selbst verletzt werden zu können. Der verbale Schlagabtausch hatte uns gegenseitig hochgeschaukelt und ein Ende war nicht in Sicht. An ein normales Gespräch war schon längst nicht mehr zu denken. Hätte ich einen klaren Kopf behalten können, hätte ich mich über mich selbst schämen müssen.

  • Cassim hatte keinerlei Interesse mehr, an dem Geschwätz dieser Sklavin. Er setzt seinen Weg fort, um so schnell als möglich wieder bei dem Falken zu sein. Kopfschüttelnd kommentierte er, was ihm noch zu Ohren kam, bis auf eins. Abrupt blieb er stehen und musste köstlich lachen. Er drehte sich noch einmal zu Bridhe um die geifernd an jenem Platz stand, an dem er sie verlassen hatte.
    "Oh dein dominus hat dir die Freiheit versprochen! Das ich nicht lache! Jeder weiß doch, was für Halsabschneider diese Römer sind! Auf das Wort eines Römers würde ich nicht viel geben! Wenn er dich noch freilassen will, bevor dein Kind kommt, muß er sich aber wirklich beeilen!" Lachend lief Cassim weiter, ohne sich noch einmal zu der Sklavin umzudrehen. Er hatte noch wichtigeres zu erledigen und dabei konnte eine einfältige Sklavin, wie es Bridhe war, nur hinderlich sein.
    Cassim wollte sich nun wieder dem Falken widmen. Es musste noch so manches getan werden, bevor die Sonne unterging und er dann, nach einem erfüllten Tag mit dem Falken, noch einige Stunden seiner kurzbemessenen Freizeit nutzte und sich dann zur Ruhe legte.
    Jedoch musste er sich eingestehen, dass die Sklavin wirklich amüsant war! Selten hatte er so gelacht, seitdem er hier war.

  • Dieses widerliche Lachen und dann das, was er sagte. Wie er es sagte. Das war für mich, wie ein Schlag ins Gesicht. Die Wut in mir war am überkochen und ich schnaubte und wollte ihm eine passende Antwort hinterher rufen. Aber, was, wenn er recht hatte? Was, wenn mein Kind doch früher zu Welt kam? Dann wäre auch es dazu verdammt, ein Sklave zu sein. Die Angst, die ich schon längst verloren geglaubt hatte, kehrte auf einmal wieder zurück. Die Schwangerschaft war schon vorangeschritten. In einigen Wochen wäre es soweit und bis jetzt hatte sich nichts daran geändert, dass ich immer noch Sklavin war. Aquilius hatte eben viel zu tun, damit tröstete ich mich die ganze Zeit hinweg. Aber was, wenn das Kind früher kam, als gedacht?
    Das alles war zu viel für mich. Der Schmerz, den mir Cassim zugefügt hatte, mit seinen Worten, die ohnmächtige Wut in mir und nicht zuletzt auch noch mein Zustand, ließen mich zusammen auf die Erde sacken und ich heulte alles heraus. Wie aus dem Nichts kommend, spürte ich plötzlich einen Schmerz im Unterleib, der sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich schrie laut auf und krümmte mich vor Schmerz. Meine Gedanken waren nur noch bei meinem Kind. Ich rechnete mit dem Schlimmsten.

  • Der Parther ging ungerührt weiter und ignorierte das Zeter und Mordio der Sklavin. Sie war ihm mehr als überdrüssig geworden. Mit dieser Art von Frauen, konnte Cassim nicht das Geringste anfangen. Frauen, an denen er Interesse hegte, mussten sanftmütige, stille Wesen sein und die sich dem Willen des Mannes unterwarfen. Furien waren ihm schon immer zuwider gewesen und Bridhe hatte sich an diesem Abend als eine wahrhaftige Furie entpuppt. Außerdem musste er noch den Falken versorgen, bis die Dunkelheit endgültig hereingebrochen war.


    Er war schon fast außer Sichtweite, als sich das Heulen zu einem Schreien wandelte. Cassim schüttelte verächtlich seinen Kopf. Weshalb sie nun eine solche Szene machen musste, war ihm gänzlich unverständlich. Doch dann blieb er mit einem Mal stehen. Besonnen sah er sich nach Bridhe um und ging einige Schritte zurück, als er keinen ausreichenden Blickkontakt hatte. Seine Augen fanden sie schließlich auf dem Boden kauernd. Ihre Hände umfassten ihren Unterleib.
    Aus der Erfahrung mit seinen Frauen, hatte er eine Vorstellung davon, was dies zu bedeuten hatte.
    Er rannte zu ihr zurück und beugte sich über sie. "Bridhe, ist alles in Ordnung? Es tut mir leid, was ich gesagt habe! Wie kann ich dir helfen? Was kann ich tun?" Er legte einen Arm um sie, um ihr Halt zu geben. Jetzt machte er sich Vorwürfe, weil er so unbedacht, ihr gegenüber gewesen war.

  • Der Schmerz wollte nicht nachlassen. Ich zitterte am ganzen Körper. Die Angst, mein Kind zu verlieren und nichts dagegen tun zu können, begann mich zu beherrschen. Cassim hatte ich längst vergessen. Er war sicher schon weg und kümmerte sich nicht weiter um mich. So hätte ich ihn auch in etwa eingeschätzt. Warum sollte es auch diesmal anders sein, alle die mir etwas bedeutet hatten, waren mir entzogen worden oder hatten mich verlassen.
    Fast hatte ich mich meinem Schicksal schon ergeben. Ich wollte schon loslassen, dem Druck nachgeben, mich treiben lassen, wie damals, als ich in den Teich ging. Dann spürte ich einen Arm, der sich um meinen Rücken legte und eine Stimme, die zu mir sprach. Das war Cassim! Er war zurückgekehrt. Ich versuchte, mich weiter zu entspannen und normal zu atmen. Das gelang mir dann auch. Allmählich spürte ich, wie der Schmerz nachließ.


    Danke! Es geht wieder, sagte ich ruhig. Mittlerweile lag ich gelöst in Cassims Armen. Seine Besorgnis hatte mich sehr überrascht. Er war so ganz anders, wenn er seine Überheblichkeit abgelegt hatte. Ich versuchte ihm zuzulächeln.
    Meine Hand strich über meinen Bauch. Wenn dies eine Warnung sein sollte, dann hatte ich die Botschaft verstanden.


    Es tut mir auch leid! Ich war auch nicht besonders nett zu dir. Vielleicht sollten wir nochmal von vorne beginnen. Salve, ich bin Bridhe!

  • "Ganz ruhig atmen. Entspann dich. Alles wird gut." Der Parther war in die Hocke gegangen und gab Bridhe mit seinen Armen den nötigen Halt. Die Sklavin entspannte sich zusehends. Cassim fiel ein Stein vom Herzen. Das hatte er nicht gewollt. Sie hatte ihn in seinem Stolz getroffen, was er von einer Frau in dieser Form nicht gewohnt war. Aber Schuld an ihrem Unglück sein, das wollte er beileibe nicht.
    Er besah sich Bridhe, die wieder gelöst in seinen Armen ruhte. Er musste sich eingestehen, sie war wirklich eine schöne Frau, die durchaus auch ihre Qualitäten besaß. Wäre da nur nicht der Schwangerenbauch gewesen, der für ihn eine innerliche Barriere darstellte und ihn daran hinderte, an mehr zu denken.
    Sie hatte es ihm nicht übel genommen, wollte sich sogar auf einen Neuanfang mit ihm einlassen. "Danke Bridhe. Ich weiß das zu schätzen! Ich habe mich dir gegenüber ziemlich ungehörig benommen. Das tut mir sehr leid." Cassim schmunzelte erleichtert und reichte ihr die Hand.
    "Wann wird es soweit sein? Wann kommt dein Kind?" Er deutete auf ihren Bauch, der keinen Zweifel mehr ließ, dass es nur noch wenige Wochen sein konnten. "Ich bin mir sicher, bei einer so schonen Mutter, wird es ein noch schöneres Kind werden. Wer ist eigentlich der Vater?"

  • Es ging mir schon wieder besser. Meine Atmung war wieder gleichmäßig und auch der Schmerz in meinem Unterleib war am abklingen. Langsam stützte ich mich mit meinen Armen vom Boden ab, damit ich wieder aufstehen konnte. Cassims Entschuldigung nahm ich nickend an. Ich hatte genauso viel Schuld daran, dass alles so gekommen war. Mit meinem dicken Bauch kam ich mir vor, wie ein Igel, der auf dem Rücken lag und sich nicht mehr von selbst umdrehen konnte. Ich hatte einige Mühe, bis es mir endlich gelang, wieder auf die Füße zu kommen.


    Es dauert nicht mehr lange. Cungah meint, in spätestens vier Wochen müsste es da sein.


    Vier Wochen nur noch! Das war wirklich nicht lange hin. Vielleicht hatten mich deshalb seine Worte so sehr getroffen, weil ich mir insgeheim selbst schon die Frage gestellt hatte. Ich musste einfach mehr Geduld haben, sagte ich mir immerzu, auch wenn ich das Gefühl hatte, mir würde die Zeit davon rennen. Mich noch mehr mit Zweifeln beladen, wollte ich nicht. Ich hoffte auf das Gute, auch wenn es mich in den letzten Monaten spärlich im Stich gelassen hatte. Ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass ich mich selbst durch meine Schwarzmalerei mehr und mehr vergiftete. Wie sollte es eigentlich weiter gehen? Diese Frage vermied ich, mir zu stellen, obwohl sie von Tag zu Tag akuter wurde. Was würde werden? Würde ich diese unguten Gedanken auch auf mein Kind übertragen? Hätte es nicht eine Chance verdient, ein weitaus glücklicheres Leben als seine Mutter zu leben? Ja, diese Chance hatte es verdient! Wie konnte ich sie ihm aber geben, wenn ich doch selbst nicht glücklich war? Indem ich mich wieder dem Leben öffnete? War es das, was mich und letztlich auch mein Kind hätte retten können?
    Kaum hatte ich wieder einen sicheren Stand, als mich seine Frage nach dem Vater des Kindes fast niederschmettern wollte.


    Der Vater? fragte ich unsicher. Hatte sich die Gerüchteküche noch nicht verbreitet oder waren die Neuigkeiten einfach noch nicht bei Cassim angelangt?


    Mein dominus ist der Vater, antwortete ich knapp und versuchte, ihm dabei nicht ins Gesicht zu schauen.

  • Bridhe versuchte aufzustehen. Der Parther streckte ihr versöhnlich seine Hand entgegen, damit sie sich daran festhalten konnte, während er ihr beim Aufstehen behilflich sein wollte.


    Vier Wochen nur noch? Cassim vermied es, ihre Antwort zu kommentieren. Er hatte erlebt, was dies in ihr auslösen konnte. Bridhe hing sehr stark an der Hoffnung, noch vor der Geburt ihres Kindes freigelassen zu werden. Wer konnte ihr das verdenken? Dem Parther waren die gesetzlichen Bestimmungen der Römer, was das Sklavenrecht anging, weitgehends bekannt. Daher wusste er um die Konsequenzen für das Kind, wenn es zu früh zur Welt kam. Bevor seine Mutter die Freiheit wieder erlangt hatte. Er lächelte ihr zuversichtlich zu, auch wenn ihm dazu jede Zuversicht fehlte.


    Seine Frage nach dem Vater des Kindes wühlte die Sklavin erneut auf. Cassim fragte sich langsam, was mit ihr geschehen war und wieso sie sich so gab. Er hatte sich in seinem früheren Leben, in dem er ja selbst Sklaven und auch Sklavinnen besessen hatte, niemals auch nur einen Gedanken verschwendet, was sie fühlten und dachten. Er hatte sich immer genommen, wonach ihm verlangte, ohne sich dabei jemals zu fragen, ob der Sklave oder die Sklavin auch bereit dazu gewesen war.
    Bridhes knappe Antwort bestätigte dann auch seine Vermutungen. "Oh!" Mehr konnte er dazu nicht sagen. Nicht im Augenblick jedenfalls. Jetzt begann er zu verstehen, warum ihr Herr ihr die Freiheit in Aussicht gestellt hatte. Er selbst kannte das eigenartige Gefühl, Herr über die selbstgezeugten Kinder seiner Sklavinnen zu sein. Den Gedanke daran, dass er der Vater dieser Sklavenkinder war, hatte er stets versucht, auszublenden. Anfänglich war es ihm noch schwer gefallen, später jedoch ließ es ihn völlig kalt. Diese Art des Sklavenerwerbs war auf Dauer gesehen, sehr einträglich und auf gleiche Weise seinem Vergnügen dienlich. Doch all das behielt er für sich. Nichts zeugte von seinen Gedanken.

  • Sim-Off:

    Ich bin wieder da! :)


    Ich ergriff Cassims Hand und zog mich daran hoch.


    Danke, sagte ich knapp, genauso wie ich es auch zuvor getan hatte. Die Nachricht war also noch nicht bis zu ihm durchgedrungen. Erstaunlich! Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was nun in seinem Kopf vorging. Sein oh, bestätigte mir das nur. Ich hatte kein Verlangen danach, noch mehr über dieses Thema reiszugeben. Nicht vor ihm! Ich kannte ihn ja kaum und bis vor wenigen Minuten war er für mich nur ein arroganter und selbstgefälliger Angeber gewesen, mit dem ich eigentlich nichts zu tun haben wollte.


    Ich sollte jetzt besser gehen.


    Außerdem wurde es langsam kühl. Die Sonne war längst untergegangen und ich hatte mir nichts übergezogen, bevor ich in den Garten ging. Nicht, dass ich mich noch verkühlte. Das konnte ich jetzt am wenigsten gebrauchen!
    So nickte ich ihm noch zum Abschied zu und wandte ich mich zum gehen um.

  • Sim-Off:

    Da freue ich mich aber! :)


    "Nichts zu danken!" Cassim lächelte ihr aufmunternd zu, bemerkte aber auch sofort ihre Abwehrhaltung, die sie von ihm forttreiben wollte. Ihr war es unangenehm, über die Umstände ihrer Schwangerschaft zu sprechen. Aber warum wollte sie den fortlaufen? Sie hatte sich schon zum Gehen umgewandt, da ergriff Cassim ihren Arm, um sie zurück zu halten. Er versuchte dabei, ihr kein Leid zuzufügen.
    "Bitte, bleib dich noch!" Seine Bitte klang aufrichtig. Jetzt, da er sie schon etwas kennengelernt hatte und sie sich nicht mehr sträubte und gleich abblockte, sobald er den Mund aufmachte, konnte er sie unmöglich gehen lassen.
    "Komm lass uns an einen anderen, schöneren Platz gehen. Hier gibt es viele schöne verborgene Winkel, an denen man verweilen kann. Dort können wir reden, wenn du möchtest."
    Es war ihr anzusehen, wie sehr sich ihre Sorgen in ihr angestaut hatten. Der Bedarf, sich auszusprechen, musste immens sein. Er wollte ihr dazu Gelegenheit geben, ohne irgendwelche Hintergedanken dabei zu haben. Es lag ihm fern, sie zu etwas zwingen zu wollen.

  • Ich sah Cassim überrascht an, als er mich am Arm festhielt und mich bat, doch noch zu bleiben. Fieberhaft suchte ich nach einer Ausrede. Aber wie üblich, fiel mir auf die Schnelle nichts ein.


    Ich muss aber… Na gut!


    Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich ihm trauen konnte. Andererseits war er zu mir zurückgekommen, als ich zusammengebrochen war. Vielleicht hatte ich mich ja doch in ihm geirrt. Das konnte man aber auch nur herausfinden, indem man miteinander redete. Das hatte er mir ja auch angeboten. Wobei ich mir Cassim noch immer nicht als Frauenversteher vorstellen konnte. Aber warum sollte ich ihm nicht noch einmal eine Chance geben? So entschied ich mich, mit ihm zu gehen. Vielleicht half es mir ja, wenn ich redete. Aber bitte nicht über die Schwangerschaft! Alles drehte sich nur noch darum. Ich konnte es bald nicht mehr hören.
    Ich folgte ihm, zu dem schönen Platz, zu dem er gehen wollte. Ich kannte mich mittlerweile auch sehr gut in diesem Garten aus und hatte meinerseits auch einige schöne verborgene Plätze gefunden. Manchmal hatte ich hier draußen sogar geschlafen, wenn es mir in der Villa zu eng geworden war.

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