Hatte sie vor ein paar Tagen noch einen Griechen zum Museion gewiesen, war Axilla nun selbst zum ersten Mal da. Das Gebäude machte von außen mehr den Eindruck eines Tempels als einer Bücherhalle. Mit ihrem Sklaven im Schlepp betrat Axilla leise wie ein Mäuschen die Halle und fragte sich mit beinahe ehrfurchterfüllter Stimme zur Bibliotheke durch.
In der großen Halle blieb Axilla erst einmal einen Moment verloren stehen und war wie erschlagen von der bloßen Menge an Büchern. Ihre eigene Sammlung in Tarraco, die dreißig verschiedene Werke umfasst hatte, hatte sie schon für ansehnlich gehalten, aber verglichen hiermit war das nur ein Staubkorn. Hier mussten hunderte, achwas Tausende von Schriften stehen! Und überall wuselten Menschen hin und her, Sklaven brachten nach hierhin und dorthin in würdevollem Schritt Schriftrollen und Bücher.
Es dauerte eine Weile, bis jemand Axilla bemerkte, wie sie da einfach so stand und nicht wusste, wohin sie nun eigentlich sollte.
„Chaire. Kann ich dir helfen?“ Der Mann, ein Sklave von vielleicht zwanzig Jahren, sprach sie auf griechisch an, und Axilla stotterte ihm in ihrem ionischen Akzent zurück. „Nein. Das heißt, ja, doch. Ich suche Schriften von römischen Gesetzen. Ich wollte sie gerne lesen.“
Der Sklave war gut erzogen, denn er zuckte nicht mit einer Wimper, als er sie bat, ihm zu folgen, und sie an einem der Tische platzierte. Dort fragte er noch einmal genauer, was sie denn suchte, und während Axilla sich setzte, gab sie ihm Antwort. „Hauptsächlich Ehegesetze. Und … hmmm. Welche Strafen es da gibt, wenn man den falschen heiratet. Hmmm, vielleicht gibt’s da auch ein paar geschichtliche Sachen dazu?“
„Sachen? Ich werde schauen, was ich dir bringen kann.“ Und damit verschwand er irgendwo zwischen ein paar Bücherregalen und Axilla saß da und wartete.
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Kein Scherz. Caius war baff. Katander hatte keinen Scherz gemacht. Er hatte ihm nicht glauben wollen und war deswegen selbst hergekommen. Aber es war kein Scherz gewesen. Er hatte den Kurs wirklich mit Auszeichnung bestanden. Und nicht mal als einer von Vielen, sondern als einziger. Ja Potzblitz, war denn das die Möglichkeit!
Noch immer ganz verwirrt, erwischte Caius die falsche Abzweigung, die falsche Treppe, den falschen Flur und schlussendlich auch die falsche Tür. Deswegen stand er nun auch plötzlich in der Bibliothek, statt draußen im Innenhof. Verdutzt sah er sich um, wollte schon umdrehen, als er sich daran erinnerte, dass die Bibliothek irgendwo auch in den Innenhof mündete. Und wo er sonst schon nie hier war, konnte er genauso gut auch durch die Bücherwelt wandeln. Also schloss er mit dem Fuß die Tür hinter sich, was ihm einen vernichtenden Blick einer resoluten Bibliothekarin einbrachte, und machte sich dann auf den Weg durch die Bücher. Auf seiner nicht lehrreichen Odyssee kam er an so manchen Schinken vorbei (was mochte wohl Die Scheibenwelt sein? Es wusste doch JEDER, dass die Welt eine Scheibe war!). Der Raum schien kein Ende nehmen zu wollen. Irgendwann meinte er, eine Halluzination zu haben (vermutlich zu viele Bücher...). War das wirklich Iunia Axilla? Oder eine Fata Morgana? Er näherte sich ihr von hinten und sagte:
»Du bist echt. Bist du doch, oder?« -
Der Sklave kam nicht sofort wieder, dafür aber jemand anderes. Als Archias so auf sie zukam, freute sich Axilla im ersten Moment. Ein bekanntes Gesicht zu sehen war immer schön, vor allem, wenn man sich so verloren vorkam wie zwischen diesen ganzen Büchern. Aber im nächsten Moment wäre sie am liebsten im Boden versunken. Was sollte sie gleich machen, wenn der Sklave mit den ganzen Büchern kam? Hoffentlich bemerkte Archias nicht, worüber sie sich da alles informierte. Dann kam er nur auf falsche Gedanken. Oder, was noch schlimmer wäre, auf richtige Gedanken.
„Oh, ja, ich glaube. Ich meine, ich weiß es nicht, ich meine… salve!“
Der Mann vom Nachbartisch schaute böse zu ihr herüber, da sie wohl ein wenig fiepsig geklungen hatte. Mit einem bitterbösen Blick, den selbst die Furien nicht böser hinbekommen hätten, starrte sie ihn nieder, und als er wieder in seiner Schrift versank, wandte sie sich wieder an Archias zurück.
„Entschuldige bitte, ich hatte nicht damit gerechnet, hier jemanden zu treffen, den ich kenne. Ich bin ein bisschen überrascht.“
Hoffentlich ließ sich der Sklave viiiiiiel Zeit mit dem heraussuchen der Texte. -
»Ah, gut«, meinte Caius nur und setzte sich kurzerhand Axilla gegenüber hin, das heißt, er fläzte sich. Gleichzeitig machte er eine wegwerfende Geste.
»Macht nichts. Ich hoffe, ich halte dich nicht gerade vom Lernen ab, oder so?« Ob er seine Hilfe anbieten sollte? Immerhin war er jetzt eine Art Guru, was so Lernzeug anging. Das hatte er sogar schriftlich bestätigt bekommen (obwohl er immer noch nicht wusste, wie zum Henker er das geschafft hatte)!»Kann ich dir vielleicht helfen?« bot er daher locker-flockig einfach mal an, obwohl er nicht den blassesten Schimmer hatte, was genau Axilla eigentlich hier machte. Dann fiel ihm auf, dass gar kein Buch vor ihr lag, und er blinzelte irritiert auf die spiegelglatte Tischoberfläche.
»Äh, wobei auch immer, heißt das. Jetzt sag nicht, du bist hier, um die Aussicht zu genießen?« Skeptisch betrachtete Caius sein Gegenüber. -
Vielleicht hätte Axilla den Sklaven schicken sollen, ihr eine Abhandlung über das Thema „Wie verscheuche ich einen Mann“ zu bringen. Wobei sie auch nicht sicher war, ob ihr das weiter geholfen hätte. Verlegen kratzte sie sich am Nacken, als sie überlegte, wie sie sein Angebot jetzt am Geschicktesten ablehnen konnte, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen.
„Nein, nein, ich wollte mich nur ein wenig informieren. Über Gesetze, du weißt schon.“
Natürlich wusste er nicht, wie könnte er? Und gab es irgendein kosmisches Gesetz, das Dinge genau dann passieren ließ, wenn man sie am wenigsten wollte? Das war so wie mit Regen an dem Wochenende, das man Wochen im Voraus geplant hatte und wo man mit Freunden im Garten essen wollte. Oder der Wache, die natürlich nie da war, wenn man gerade beklaut wurde, aber grundsätzlich dann da war, wenn man mit seiner Kutsche „ganz leicht“ den nächstbesten Marktstand gestreift hatte.
Und diesem Gesetz folgend kam natürlich genau jetzt der Sklave zurück und legte das Lex Iulia de adulteriis coercendis natürlich ganz oben auf. Axilla lief rot an und sank ein wenig in ihrem Sessel zusammen. Der Sklave meldete aber pflichtbewusst auf griechisch. „Das ius civile, das Lex Iulia et Papia, eine Abhandlung über die Gesetzgebung und das Wirken von Augustus und die Lex Iulia de adulteriis coercendis. Wenn du weitere Bücher brauchst, wende dich gerne an einen von uns.“
Axilla bedachte ihn mit einem gequälten Lächeln und versank noch ein wenig tiefer, während der Sklave sich um den nächsten Besucher zu kümmern begann. Ihr gequältes Lächeln kam dann auch weiter zu Archias, dem sie nun wohl eine Erklärung schuldig war. Gut, dass sie im Ausreden erfinden einige Übung hatte.
„Ja, weißt du, ich bin ja schon sechzehn, und meine Freundinnen sind schon alle verheiratet. Und da wollte ich wissen, was so alles auf mich zukommt…“ -
Über Gesetze? An so einem schönen Tag? Caius suchte unwillkürlich mit den Augen nach einem Fenster. Die Bibliothek verfügte über so genannte Oberlichter, die die Sonne aussperrten, aber Licht einließen. Ideale Bedingungen zum Lesen, eigentlich. Er stützte sein Kinn auf eine Hand und seufzte.
»Sag bloß, du hockst gern bei schönem Wetter drinnen? Ich sag dir, die könnten einen Riesenreibach hier machen, wenn die einem gestatten würden, draußen im Schatten zu lesen. Bei gekühlten Getränken und einer netten Massage... Wobei, lesen würde da vermutlich keiner mehr.« Caius grinste breit. Da trat plötzlich ein Sklave hinzu und verursachte eine tiefe Rötung auf Axillas Gesicht. Caius fragte sich, warum der Sklave Axilla so in Verlegenheit zu bringen schien. Doch als er zu sprechen begann, wurde ihm so einiges klar. Mit jeder Erläuterung platzierte er ein Buch mehr vor der Iuniern, bis sie letztendlich dreiviertels verdeckt war, und Caius sich zur Seite neigen musste, um sie frech anzugrienen.
»Gesetze, wie?« feixte er.
»Aber im Grunde hast du gar nicht so unrecht damit, dir das alles durchzulesen. Mach mal. Und dann sag mir danach einfach, worauf ich achten muss. Hast du etwa jemanden Bestimmten im Auge?« hakte er nach, begleitet von einem verschwörerischen Zwinkern. -
Huh, er hatte ihre Ausrede wohl gefressen. Gut, Axilla war erleichtert. Jetzt konnte sie sich auch wieder entspannter hinsetzen und die Bücher erstmal etwas weniger prekär anordnen. Auch wenn die Wälzer ganz schön schwer waren und sie ganz schön dabei ächzte.
Bei Archias Zwinkern sah sie ihn herausfordernd an. Verführerisch schlug sie die Augen in seine Richtung auf. „Vielleicht.“
Sie ließ die ganze schwere dieses Wortes einen Moment auf ihn wirken, ohne etwas an ihrem Blick zu ändern oder auch nur mit der Wimper zu zucken. Erst, als sie meinte, so was wie Zweifel in seinem Blick zu sehen, hielt sie es nicht mehr aus und musste grinsen. Ein Lachen schwerlich unterdrückend änderte sie ihre Haltung und ließ sich zurück in den Stuhl sinken.
„Vielleicht bin ich ein bisschen in jemanden verliebt. Aber er nicht in mich, glaube ich. Aber das ist ein Geheimnis, also erzähl’s nicht, ja? Aber so ein bisschen träumen und schauen, was ginge… Jetzt müssten diese Wälzer nur noch interessant sein. Wer kann denn ahnen, dass es so viele Gesetze dafür gibt? “
Die Idee, sich wirklich zu informieren, erschien Axilla mit einem Mal gar nicht mehr so gut. Oh, sie las gerne, wirklich gerne. Gedichte, Prosa, Epen. Aber Gesetzestexte und Abhandlungen über tote Kaiser waren nicht unbedingt auf ihrer Beliebtheitsskala ganz oben.
„Was machst du eigentlich hier? Willst du dem Oberpriester hier deinen Vorschlag mit den Massagen im Garten unterbreiten?“ -
Caius' Grinsen löste sich schlagartig in Wohlgefallen und Verdutztheit auf, als Axilla ihn mit einem koketten Augenaufschlag bedachte.
»Äääh...« machte er ziemlich unprofessionell und suchte mit dem Zeigefinger nach dem Kragen seiner Tunika, um den nicht vorhandenen Schlips ein wenig zu lockern. Anschließend räusperte er sich und rette sich in ein Grinsen. Ob das wirklich ernst zu nehmen war? Wohl kaum. Oder doch? Ein wenig Zweifel blieben bestehen. Warum sonst wurde sie so knallrot wie ein Granatapfel, nur weil ihr ein Sklave in seiner Gegenwart Gesetztestexte über die Ehe brachte?
»In dem Fall hoffe ich, dass du die Lex Iulia über den Ehebruch nicht brauchen wirst.« Er überlegte kurz.
»Schnuckelchen.«Erheitert tat er, was Axilla unterdrückte (nämlich lachen) und fing sich damit prompt einen bösen Blick vom Nachbartisch ein. Caius riss sich am Riemen und stoppte den Frohsinn irgendwie, auch wenn er weiterhin belustigt grinste.
»Naja, im Grunde bin ich schon so gut wie vergeben. Ich will dir also keine falschen Hoffnungen machen. Und ich täte dir wirklich ungern das Herz brechen... Aber... Wir können ja Freunde bleiben, was meinst du?« Das war natürlich klischeehaft schlechthin, aber Caius störte das nicht im Geringsten.»Hm, die Hauptsache ist doch, dass du die Texte nicht durcheinander bringst. Nach dem Motto Du sollst anderen Männern schöne Beine machen, sonst wirst du gesteinigt und erbst sein Vermögen, wenn du tot bist.« Caius verzahnte die Hände hinter dem Kopf und wippte lässig mit dem Fuß.
»Was ich hier mache? Einer schönen Dame beim Erröten zuschauen? Wie, Moment mal...Priester?« Er setzte sich gerade hin und sah sich um.
»Haben die etwa auch schon das Museion infiltriert? Ja ist man denn nirgends sicher vor denen? Das erinnert mich schon fast an die RAF aus Germanien... Die Räudige-Aasgeier-Fraktion. Da konnte man sich auch nie sicher sein, dass der Gesprächspartner nicht vielleicht zu denen gehört... «Jetzt stützte Caius wieder seine Ellbogen auf die Tischplatte und das Kinn auf die Hände.
»Naja. Eigentlich war ich hier, um mein Ergebnis vom letzten Kurs abzuholen«, sagte er und schmunzelte. -
„Hmmm, Freunde bleiben? Mein armes Herz wird zwar schmerzen, aber wenn es unerträglich wird, kann ich mich ja immer noch ins Meer stürzen.“ Bei ihren Worten legte Axilla eine übertriebene Gestik an den Tag. Sie legte erst theatralisch ihre Hand auf ihr Herz, um sie dann, als würde sie ohnmächtig, gegen die Stirn zu halten. Doch dann musste sie auch lachen.
Der Mann vom Nachbartisch war wohl sehr angenervt von den Beiden, denn er stand auf und schnappte sich seine Schriftrolle in einer geradezu herrischen Geste. Mit einem bitterbösen Blick und mit hocherhobener Nase ging er demonstrativ bis zum anderen Ende des Raumes. Axilla sah ihm einen Augenblick treudoof hinterher, und musste dann erst recht lachen.
Bei seiner Frage mit den Priestern musste sie selbst einen Moment überlegen. „ Ja…. Hasi. Das hier ist doch eigentlich ein Tempel für die Musen Apollos? So zumindest hab ich das verstanden, aber weißt ja, wenn man einer Frau etwas erzählt…“ Neckisch zwinkerte sie ihm zu.
Schnuckelchen… was er nur wieder dachte? Aber Axilla mochte Archias. Und wenn sie sein Schnucki war, war er eben ihr Hasi.Axilla konnte sich nicht ganz dazu durchringen, das erste Buch aufzuschlagen. Es sah schon so abschreckend dick aus. Und darin kam bestimmt kein schmachtendes Liebesdrama vor. Also nahm sie Archias Aussage mit dem Kurs als willkommene Ablenkung.
„Kurs? Was denn für einer?“ -
»Ich könnte dich auch mit meinem Vetter verkuppeln. Der würde dich ganz sicher über den Herzschmerz hinweg tragen«, erwiderte Caius und dachte dabei an Callidus, der wohl seinen Lebtag noch keine Frau ohne Tunika gesehen hatte. Wobei, wie er Callidus kannte, würde der beim Versuch, Axilla zu tragen (und sei es nur im übertragenen Sinne), glatt über seine toga und die Würde stolpern, die mindestens ebenso lang war wie die Liste der Verdienste, die er um das Reich geleistet hatte. Caius dachte schnell an etwas anderes. Angesichts des grummeligen Miesepeters, der soeben davonstolzierte, war das auch gar nicht schwer.
»Manche Leute haben echt keinen Humor«, bemerkte er in einem beinahe weinerlichen Ton, dann zuckte er mit den Schultern und seufzte. Hasi hatte sie ihn genannt. Was für ein Abstieg! Vom diplomierten Präfekt der Post degradiert zum kügelschenscheißenden Gemüsefresser. Welch Schmach! Allerdings... Musentempel des Apollo? Caius sah Axilla an, als hätte sie etwas wirklich Kurioses gesagt. Caius hatte keine Ahnung, warum das Museion Museion hieß. Musen hin oder her, hier gab es Weiterbildungskurse. Und zwar icht nur für Apollos Musen, sondern für alle. Caius war ja derzeit der beste Beweis dafür.
»Ach. So nen Grundkurs.« Wobei, warum nicht auf die Kacke hauen, auch wenn es nur ein Grundkurs war?
»Aber der war ziemlich schwer. Total fiese Fragen, ja. Hab trotzdem ne Auszeichnung bekommen.« Stolz wie Oscarius grinste Caius Axilla an.
»Hast du noch keine Kurse belegt?« -
„Hmm, wenn er dir ähnlich ist, kann ichs mir ja vielleicht mal überlegen.“
Das würde Axilla zwar höchstwahrscheinlich nicht tun, aber wann hatte man schon mal die Möglichkeit, mit einem Aelier verkuppelt zu werden? Rein vom politischen Standpunkt aus wäre das bestimmt ein Aufstieg für die Iunier, und auch wenn das von Archias bestimmt nur ein Scherz war, durfte Axilla so etwas nicht von Anfang an ausschließen. Auch wenn sie sicher war, dass ihr Herz immer und ewig einzig Silanus gehören würde.Bei der Sache mit den Kursen musste Axilla ein wenig die Stirn runzeln.
„Nein, ich hab noch an keinem Kurs teilgenommen. Vielleicht wäre ja einer über Eherecht gar nicht schlecht, dann müsste ich das alles nicht selber lesen.“
Aber dann sah sie ihn wieder an und ihr Gesicht hellte sich auf. „Und du hast eine Auszeichnung erhalten? Wirklich? Ich hab noch nie für irgendwas eine Auszeichnung erhalten. Wenn ich etwas Neues gelernt habe, haben meine Lehrer immer erstmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und die Götter um Erbarmen angefleht.
Hast du sie zufällig dabei?“
Axilla hatte noch nie eine Auszeichnung gesehen. Und natürlich war sie da neugierig. -
Caius hätte um ein Haar laut gelacht.
»Äh...eigentlich...ist er so ziemlich das komplette Gegenteil von mir...« verriet er und zuckte mit den Schultern.
»Aber er könnte so eine lockere, lebenslustige junge Frau, die ihn ab und an von seinem Schreibtisch wegzerrt, sicher gut gebrauchen. Er arbeitet am Hof, weißt du. Procurator a libellis. Ein Knochenjob.« Da hatte Caius es im Grunde weitaus besser getroffen, dachte er. Auch wenn ihn die Präfektur hier beiw weitem nicht so berühmt machte.»Ah, Moment, da gibt es verschiedene Kurse. Manche sind eine Art Selbststudium, andere sind Vorlesungen. Es gibt einen Kurs über die römischen Gesetze, aber da musst du dir das Wissen selbst erarbeiten. So reine Zuhör-Kurse sind verdammt selten. Aber ich hab schon mal dran gedacht, selbst einen zu halten. Nur will mir partout kein Thema einfallen!« Und Eherecht? Och nö. Das war so knochentrocken... Hinterher redete sich Caius da vor allen anderen selbst in den Schlaf. Und das wär ja mehr als peinlich.
»Klar«, erwiderte er dann, als sie nach seinerm Diplom fragte. Ein wenig zerknittert zog er es aus der Tasche, entfaltete es und strich es ein wenig glatt, dann schob er es an dem Bücherstapel vorbei zu Axilla über den Tisch.
»Schon schick, nicht? Ich glaub, das häng ich mir zu Hause übers Bett.« -
Axilla hatte keine Ahnung, was ein Procurator a libellis denn so machte und wie schwierig das nun war oder auch nicht. Politik interessierte sie nicht besonders. Aber das mit dem Kaiserhof klang wirklich beeindruckend. Bei dem Spaziergang mit Silanus vor einiger Zeit war sie ja schon ganz aus dem Häuschen, der Regia Praefecti so nahe kommen zu dürfen. Wenn sie sich nur vorstellte, in Rom am Kaiserhof vorbeizuspazieren! Vielleicht sogar den Imperator höchstpersönlich treffen! Das war für ein junges Mädchen aus der hispanischen Provinz und als Tochter zweier völlig unberühmter Eltern mehr, als sie erträumen konnte.
Allerdings war die Vorstellung des Gegenteils von Archias nicht unbedingt ebenso berauschend. Was wollte er damit sagen? Dass sein Verwandter klein, hässlich, dick und dumm war? Nein, bestimmt hatte er das als Scherz gemeint. Trotzdem war Axilla ein bisschen vorsichtiger nun mit ihren Äußerungen in diese Richtung.Axilla bestaunte das Diplom, auch wenn es etwas zerknittert aussah. Irgendwie hatte sie es sich… pompöser vorgestellt. Aber das waren sicherlich nur die Knitter, versuchte sie sich einzureden. Seine Bemerkung über das Aufhängen entlockte ihr ein neckisches Lächeln.
„Und was machst du dann mit dem Spiegel?“
Als der Satz raus war, bemerkte sie erst, was sie da gesagt hatte, und erschrocken hielt sie sich den Mund zu und schaute Archias an wie ein Pferdegespann. Verlegen nuschelte sie zwischen ihren Fingern hindurch. „’Tschuldige, das is’ mir so rausgerutscht.“
Schnell versuchte sie, noch ein wenig abzulenken und griff sein Thema mit den Kursen noch einmal auf.
„Dir fällt doch sicher was ein. Zum Beispiel „Gefahren beim Postverkehr – wie wimmele ich Verrückte ab“ oder „Culinarischer Führer durch Alexandria – inklusive Übersetzungshandbuch“? Und zu aller Not kannst du ja noch eine Vorlesung über freche Römerinnen halten.“ -
Caius hatte mit seiner Bemerkung viel mehr gemeint, dass Callidus ernst, berühmt und grave war, aber Axilla hatte das sicher verstanden, also ging er nicht näher darauf ein und betrachtete mit Stolz, wie Axilla sein Diplom bestaunte. Breit grinsend nahm er dann ihre Bemerkung zur Kenntnis, hob den Zeigefinger und drohte ihr scherzhaft.
»Na na na, junge Dame. Woher weißt du denn das?« Natürlich war das auch nur ein Scherz, schließlich wäre Caius niemals allein auf die Idee gekommen, sich einen Spiegel übers Bett zu hängen. Allerdings musste er schon zugeben, dass die Vorstellung durchaus etwas hatte. Andererseits würde es wohl noch ne ganze Weile bei der Vorstellung bleiben, selbst wenn er einen Spiegel aufhing...
»Ja, das wäre sicher mal interessant zu untersuchen, allerdings bezweifle ich doch, dass die Allgemeinheit allzu begeistert davon wäre. Oder der Rektor der Schule oder der Vorsitzende des Museion. Insofern...« Er zuckte mit den Schultern und seufzte.
»...muss ich mir wohl wirklich etwas anderes überlegen. Irgendwann mal. Und es darf natürlich nichts Trockenes und Ödes sein.«Caius angelte nach seinem Diplom, faltete es wieder und stopfte es zurück in die Tasche. Was Seiana wohl dazu sagen würde?
-
Axilla grinste Archias frech an. Es war sehr befreiend, dass er einem anscheinend nichts übel nahm. Endlich mal jemand, mit dem sie wirklich so reden konnte, wie ihr der Schnabel gewachsen war. Das war neu. Ansonsten hieß es immer „Axilla, eine Dame sagt so etwas nicht“, oder „Axilla, solche Gedanken schicken sich nicht“, oder „Axilla, beschäftige dich lieber mit etwas sinnvollem, wie Wolle spinnen“. Wobei sie ehrlicherweise diese Sätze nicht mehr gehört hatte, seit sie in Alexandria war. Vielleicht stimmte es ja wirklich, und die südlichen Provinzen waren etwas freier im Umgang miteinander.
Als er das Diplom wieder zusammenfaltete, zog Axilla ihre Augenbrauen skeptisch nach oben. „Vor dem Aufhängen würd ich es aber von einem Sklaven noch mal glätten lassen.“
Vielleicht waren ja irgendwann mal dekorative Knicke und Knitter ganz modern, aber momentan glaubte Axilla nicht, dass er das Diplom so jedem vorzeigen konnte. Allerdings, wenn er es sich übers Bett hängte, würden es wohl ohnehin weniger Menschen sehen, und die wären dann vielleicht noch abgelenkt.„Ja, trocken, öde… meine Güte, ist das viel zu lesen…“ Etwas lustlos schlug Axilla die Abhandlung über Augustus auf und blätterte ein wenig darin herum. Sie wollte ja wirklich, wirklich, wirklich wissen, was sie und Silanus erwartete, aber sie hatte nicht geahnt, dass das unter Umständen soviel Arbeit wäre, es herauszufinden. Aber fragen konnte sie auch niemanden.
Sie sah noch ein wenig Mitleid erheischend zu Archias hoch. Wenn er da war, konnte sie ohnehin nicht wirklich loslesen, und vielleicht fiel ihm ja noch etwas ein, um sie abzulenken? Sie wäre wirklich alles andere als böse, wenn sie sich noch nicht gleich an die Arbeit machen könne. -
Sim-Off: So, unfreiwillige Pause hoffentlich längerfristig beendet *sfz*
...und Caius grinste frech zurück. Mit Mädels wie Axilla konnte er viel mehr anfangen als mit stummen Fischen, die sich nichts trauten und jeder noch so winzigen Anzüglichkeit aus dem Weg gingen. Caius steckte das Diplom wieder ein und zuckte mit den Schultern.
»Joa«, entgegnete er unbestimmt und hob eine Schulter. Er würde es einfach auf den Tisch legen daheim, irgendwer würde sich da schon drum kümmern. Und ihn hoffentlich auch drauf ansprechen.
Als Axilla sich dem ersten Wälzer widmete, sah er ihr skeptisch und beluistigt zugleich dabei zu, wie sie lustlos die Seiten umblätterte. Auf ihren Mitleid erweckenden Blick hin bemühte sich Caius, einen bedauernden Blick aufzusetzen, was allerdings nicht so ganz gelang.
»Ich könnte dir helfen«, schlug er halbherzig vor und grinste weiter.
»Oooder du gehst zu den Vestalinnen, dann bleibt dir diese Lektüre erspart. Übrigens, warst du schon mal bei den Pyramiden? Ist jetzt zwar etwas aus dem Zusammenhang gerissen, aber ich würde die echt gerne mal sehen. Das wollte ich noch machen, während Seiana da ist. Hast du sie eigentlich schon kennengelernt?« -
Allein beim Wort Vestalin brachte Axilla einen so entsetzten Blick zustande, dass klar war, für wie verrückt sie diese Idee hielt. Selbst wenn es ihr noch möglich gewesen wäre, den Vestalinnen beizutreten, hätte sie das nie getan. Dafür fand sie das andere Geschlecht viel zu interessant, und auch schon vor Silanus hatte sie sich schwärmerisch nach dem einen oder anderen umgedreht und zu träumen angefangen. Nein, sie war garantiert nicht als Vestalin geeignet.
Aber dann wechselte Archias so plötzlich das Thema, dass sie einen Moment stutzte. „Pyramiden? Seiana?“
Ihr stand der Mund eine Sekunde offen, bis sie ihre Gedanken geordnet hatte. „Ach, Seiana ist diejenige welche, nehme ich an? Nein, die hab ich noch nicht kennen gelernt. Kannst uns ja mal vorstellen.
Und aus Alexandria bin ich auch noch nicht herausgekommen. Aber ich habe gehört, die Pyramiden sind ein Weltwunder! Es wäre sicher sehr schön, sie mal anzuschauen. Aber meine Verwandten haben für so eine Reise sicher keine Zeit. Mein Onkel und Cousin sind bei der Legion, meine Tante hat sich eben erst wählen lassen – frag mich aber jetzt nicht, zu was sie gewählt wurde. Und die anderen… naja, eher nicht. Und alleine oder nur mit Sklaven darf ich glaube ich nicht verreisen.“
Das war richtig schade. Vielleicht wenn sie älter war konnte sie sich die Pyramiden noch anschauen. Aber jetzt, wo Archias davon sprach, hatte sie ein bisschen Sehnsucht danach, es gleich zu tun. -
Caius grinste entwaffnet, als Axilla ihn so ansah, als sei er eine lila Kuh. Zugegebenermaßen konnte er sich nicht vorstellen, wie sie ihr hübsches Gesicht hinter einem Schleier verbarg und jungfräulich bis an ihr Lebensende blieb. Das war eine kuriose Vorstellung, und so sprach er lieber nicht weiter davon.
»Jaah«, erwiderte er und schmunzelte.
»Decima Seiana. Allerdings weiß ich nicht so recht, was sie davon hält, dass sie...öh, diejenige welche ist.« Obwohl es doch eigentlich doch recht offensichtlich war, was Seiana davon hielt. Immerhin war sie eigens deswegen nach Alexandrien gekommen. Zumindest war Katander ziemlich davon überzeugt, dass er bald eine zweite Herrin haben würde. Für Elena und ihn wäre das natürlich die Erfüllung ihres Traumes, dachte Caius. Die beiden waren über das Turtelstadium längst hinaus. Bei ihm und Seiana war das etwas schwieriger. Gedankenverloren, wie Caius gerade war, zogen die ersten Worte Axillas erstmal nebulös an ihm vorbei, bis er schließlich blinzelte und Axilla ein wenig verwundert ansah. Pyramiden? Ah!»Tja also... Ich weiß ja nicht, ob deine Leute dir das erlauben, aber wenn du mit möchtest, wäre das bestimmt kein Problem. Wir wollten nämlich uns die Pyramiden mal ansehen, ehe Seiana wieder abreist. Obwohl ich ehrlich gesagt gar nicht weiß, wann sie wieder abreist... Aber...also, wenn du mit möchtest, habe ich gar nichts dagegen.
Allerdings«, fuhr er fort und lehnte sich verwegen schauend ein wenig nach vorn.
»Habe ich gehört, dass es gefääährlich sein soll...«Wieder schweiften seine Gedanken zurück zu Axilla. Sie war eine Frau. Ob er sie um Rat fragen sollte? Caius räusperte sich.
»Sag mal... Du hast nicht zufällig eine Idee, wie ich Seiana sagen kann, dass ich sie...äh...sehr gern habe und so?«
Hoffnungsvoll sah er sein Gegenüber an. -
Wieso wusste er nicht, was sie davon hielt, seine Zukünftige zu sein? So wie Archias Augen kurz geblitzt hatten war sich Axilla eigentlich sicher, dass das keine reine Vernunftehe wäre, aber so wie er jetzt sprach, klang es doch eher danach.
Aber sie hatte gar nicht lange Zeit, darüber nachzudenken, denn bei seinen nächsten Worten fiel sie beinahe vom Stuhl. Sie dürfte mit zu den Pyramiden?! Meinte er das ernst? Einen Moment saß Axilla nur mit weit aufgerissenen Augen da, völlig perplex und sprachlos. Doch dann konnte sie gar nicht anders als so breit übers ganze Gesicht zu grinsen und beim sprechen hoch wie eine Maus zu fiepsen vor Glück. „Du meinst, du würdest mich mitnehmen? Zu den Pyramiden? Wirklich?, Wirklich wirklich?“
Ein Fiepslaut, der noch mindestens eine Oltave höher anzusiedeln war, kündete von reinem, puren Glück. Einige der Besucher des Museion sahen sich belustigt um, während Axilla auf ihrem Stuhl herumhibbelte und sich freute. Als ihr dann aber einfiel, dass sie ja wirklich noch jemanden fragen musste, bekam ihre Freude kurz einen kleinen Dämpfer. Sie würde einfach Urgulania fragen und nicht Silanus. Das war vermutlich besser. Ach, sie musste es nur gut verkaufen.Vor lauter Freude bekam sie seine zweite Frage gar nicht so richtig mit. Erst, als sie sich einigermaßen wieder beruhigt hatte, fiel es ihr wieder ein. Ein bisschen verwirrt schaute sie Archias an – natürlich überstrahlt von dem immer noch breiten Grinsen. Manchmal verstand Axilla die Männer nicht. Archias war gutaussehend, aus der richtigen Familie und witzig, was machte er sich da Gedanken? Selbst wenn diese Seiana nicht in heißer Liebe zu ihm entflammt sein sollte, würde sie sich wahrscheinlich geehrt fühlen, dass er so für sie empfand. Da konnte man es wahrlich schlimmer treffen.
Aber nach diesem tollen Angebot wollte sie ihren neuen Lieblingsfreund natürlich nicht hängen lassen. Allerdings hatte Axilla ein recht romantisch verklärtes Bild von der Liebe, zumal sie selbst gerade frisch verliebt war.
„Nun, da kannst du vieles machen. Ein Gedicht schreiben, zum Beispiel. Aber nicht irgendeinen billigen Reim, schon was richtiges. Oder… gibt es etwas, dass sie sich wünscht? Das könntest du ihr schenken – natürlich nicht selbst, sondern als Paket von einem heimlichen Verehrer. Oder… hmm, Picknick bei Sternenschein, wobei das vielleicht einen Hauch zu kitschig ist. Oder… du kannst es ihr natürlich auch im passenden Moment einfach sagen. Ich kenn sie ja nicht, ich weiß ja nicht, wie romantisch sie ist.“ -
»Wirklich-wirklich«, entgegnete Caius breit grinsend, und es wurde sogar noch eine Spur breiter, als er fortfuhr.
»Wieso denn auch nicht? Du bist ja schließlich ein braves Mädchen und läufst nicht weg... Machst keinen Ärger, steigst keinen Männern nach...und so. Oder irre ich mich da?«
Caius fand, dass Axilla richtig goldig aussah, wie sie dasaß und sich freute. Nur warum mussten Frauen dann immer so quietschen? Wussten sie denn nicht, dass sie damit den Männern die Illusion zerstörten, gönnerhaft und edelmütig zu sein? Denn...wer war schon edelmütig oder gönnerhaft zu einem...Meerschwein?
»Du musst nur diesen Silvanus überzeugen.« Oder wie auch immer der noch mal gehießen hatte.Was die Vorschläge anging, die Axilla ihm bezüglich Seiana unterbreitete, sah Caius nur noch durcheinander drein. Ein Gedicht schreiben! Er! Oder ein Picknick unter Sternen...garantiert würde er das vermasseln, irgendwie. Und einfach sagen war Caius zu plump. Obwohl das vermutlich am ehesten zu ihm gepasst hätte, wenn man es genau bedenkt.
»Ja ööh... Sind Frauen nicht alle...gleich romantisch?« fragte er verwirrt, denn das hatte er immer gedacht. Die standen alle auf Hinstellerchen, alle auf Blumen und alle auf teure Geschenke - und da sollten die ausgerechnet in der Romantik nun Unterschiede aufweisen? Nää.
»Also... Ich denke, mit dem Gedicht, das... Hm. Meinst du sowas wie Ich bin der nette Caius-dein, du sollst für immer meine sein? oder, hah! ...ich lad dich in mein Bette ein! Sowas?«
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