officium TAU | Wieder da aber ganz weit weg

  • "Bis morgen dann. Ich werd pünktlich sein!" Ich nickte ihm zum Abschied noch zu und ging.
    Zuerst durchstreifte ich alle Ecken des Gartens. Da wo ich mich verstecken würde, wenn ich nicht gefunden werden wollte. Nach fast einer Stunde war ich mir sicher, im Garten war sie nicht. Als nächstes nahm ich mir das Haus vor. Ich sah in der Küche und in sämtlichen Nebenräumen nach. Ich durchsuchte die Sklavenunterkünfte und sogar den Keller, ohne Erfolg. Als es dann schon langsam Abend wurde, wollte ich schon das Handtuch werfen. Ich war richtig enttäuscht! Über mich, weil ich meine Schwester nicht gefunden hatte, über Caelyn, weil sie nicht zu mir gekommen war und sich finden lassen wollte und ich war über mein neues Leben enttäuscht. Das war wohl der Preis, den ich zu zahlen hatte, so wie Ursus sagte. Wenn ja, wollte ich dann überhaupt dieses Leben? Voller Zweifel ging ich auf mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Mein Gesicht vergrub ich in meinen Händen. In kürzester Zeit hatte ich es geschafft, dass sich meine Schwester von mir abgewandt hatte und sich mir nicht mehr anvertrauen wollte. Was hatte ich hier eigentlich noch verloren? War´s nicht besser, einfach abzuhauen? Auf jeden Fall musste ich an die frische Luft! Also ging ich in den Hof. Es war schon dunkel geworden.
    An die Hauswand gelehnt, sah ich hinauf zum Mond. Was Iustus jetzt machte? Wär´s nicht besser gewesen, wenn ih bei ihm geblieben wäre? Plötzlich knarrte die Tür des Schuppens, die sich wie von Geisterhand langsam öffnete. "Hallo, Caelyn!"

  • Irgendwann war ich eingeschlafen. Als ich wieder wach wurde, musste es draussen schon dunkel geworden sein. Ausserdem war´s kalt geworden. In dem Schuppen war´s mir einfach zu ungemütlich. Ih musste raus. Langsam öffnete ich die Tür. Dabei machte sie ´nen Höllenkrach. So´n Mist, wenn mich jetzt einer hört. Ach was, is doch eh alles egal, dachte ich. Ich wollte schnell über den Hof huschen und mich dann in der Sklavenunterkunft verkrümeln. Als ich plötzlich aus dem Dunkel angesprochen wurde, schreckte ich zusammen.
    "Louan, bist du das? Du hast mich aber erschreckt!" Was machte der denn hier draussen? Sag bloß, der hatte mich gesucht. Wahrscheinlich hatte ihn Ursus geschickt.
    "Hat Ursus dich geschickt? Wenn ja, dann kannste gleich wieder zu ihm gehn! Ich werd nich mehr zu ihm gehn. Nicht aus freien Stücken! Da kann er sich meinetwegen auf den Kopf stellen." Wenn er mich brauchte, dann musste er mich schon holen kommen. Freiwillig ging ich nicht mehr zu ihm!

  • Ja, sie war´s wirklich! Caelyn hatte den ganzen Tag im Schuppen gesessen und ich war so blöd und hatte dort nicht nach ihr gesucht! "Nee, er hat mich nicht geschickt. Er wollte mit mir in die Stadt gehen, aber ich hab gesagt, dass ich nicht mitgehe. Wegen dir. Er hat mir alles erzählt, was los war. Hey, was machst´n du? Warum bist du nicht zu mir gekommen?" Ich legte meinen Arm um sie. Sie fühlte sich kalt an. "Komm, lass uns rein gehen! Wir geh´n auf mein Zimmer. Da können wir über alles reden." Ich zog sie sanft mit mir mit.
    "Da gibt´s nix mehr zu reden! Das was er mir angetan hat, ist nicht zu entschuldigen!" Caelyn klang sehr entschieden. So hatte ich sie nur selten erlebt.
    In meinem Zimmer angekommen, machten wir es uns auf meinem Bett gemütlich. Endlich begann sie sich mir anzuvertrauen. Sie erzählte mir alles. Wie sie diesen Probus kennengelernt hatte und wie er sie nach Hause begleitet hatte und wie sie sich dann später noch mehrmals getroffen hatten. Dann beichtete sie mir auch, wie sie den Brief an Probus geschrieben hatte, den sie versehentlich verloren hatte und der am nächsten morgen von Ursus gefunden worden war. Ich war froh, dass sie mir wieder vertraute und dieses Vertrauen wollte ich darin bestärken, indem ich ihr morgen, wenn sie sich Ursus stellen musste, helfen wollte.
    Wir hatten die halbe Nacht gequatscht, bis wir eingeshlafen waren. So wie früher, schliefen wir zusammen in einem Bett, meine Schwester und ich.
    Als der Morgen graute, wurden wir wach. Heute sollte mein erster offizieller Arbeitstag sein.


    Zusammen mit meiner Schwester gingen wir Hand in Hand zu Ursus officium. Sie wollte erst nicht. Ich aber hatte sie davon überzeugen können, dass es so für sie besser war und ich ihr beistehen wollte.
    "Guten Morgen! Hier bin ich!" Ich war mit gemischten Gefühlen in das officium eingetreten. Was in Caelyn vorging, konnte ich nur erahnen.

  • Die ganze Nacht hatten wir gequatscht. Ich hatte meinem Bruder alles erzählt, was war und was mir so alles auf dem Herzen gelegen hatte. Das war auch gut so. Seit Wochen hatte ich mich nicht mehr so erleichtert gefühlt. So konnte ich ganz locker einschlafen.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich ganz dicht bei meinem Bruder auf seinem Bett. Für ´nen kurzen Moment dachte ich noch, wir wären wieder zu Hause in Augustodunum. Aber nein, das waren wir nicht. So ein schönes Zimmer hatten wir dort nicht und von einem Bett hatten wir da nur geträumt. Aber die Tatsache, dass es für ´nen kurzen Atemhauch wieder so sein konnte wie damals, machte mich zuversichtlich. Ich konnte gar nicht beschreiben, wie froh ich war, dass Louan wieder in meiner Nähe war! Klar, ich wusste auch, wem ich das zu verdanken hatte und genau das machte es für mich so schwer, ihn dafür zu hassen, was er mir gestern angetan hatte, als er den Brief vor meinen Augen zerriss und ihn mir vor die Füße warf. Logisch, wusste ich, dass es für Probus und mich keine Zukunft gab. So bescheuert war ich ja gar nicht! Aber konnte er nicht verstehn, wie sehr mir das Herz weh tat? Ich konnte nichts dafür, es war einfach passiert und ich wusste, Probus hatte ähnlich gefühlt wie ich, auch wenn er gewusst hatte, das das aussichtslos war.


    Louan hatte mich solange bearbeitet, bis ich damit einverstanden war, ihn zu Ursus zu begleiten. Eigentlich wollte ich ihn nicht sehen und schon gar nicht mit ihm reden. Ich wusste eh schon was kommen würde. Dieses ganze Gelabere über sein Ansehen, das ich beschmutzt hatte, ging mir eh auf den Keks. Mir war alles egal! Und wenn er mich die nächsten hundert Jahre zum Latrinenputzen abkommandieren würde, war´s mir auch Jacke wie Hose!
    Louan nahm mich bei der Hand und wir gingen so wie damals, als wir noch Kinder waren, zu Ursus officium. Louan klopfte. Kurz darauf traten wir ein. Ich drückte Louans Hand besonders fest, denn das war der letzte Ort, an dem ich jetzt sein wollte. Meine Angst, meine Wut und mein Herzschmerz wollte ich Ursus nicht zeigen. Der hatte für so was ja eh kein Verständnis. Ich glaubte, einer wie der wurde mit ´nem Stein, statt ´nem Herzen in der Brust, geboren. Wusste der eigentlich was Liebe war? Woher denn auch?
    Mir viel spontan ´n Sruch ein, den ein alter Kumpel aus Gallien immer brachte: Ich frage euch Brüder, was haben die Römer je für uns getan? Man kann sich nachts wieder auf die Straße trauen... ...und sie bringen unsere Gefühle durcheinander!

  • Caelyn war weder am Abend wieder aufgetaucht, noch am heutigen Morgen. Dementsprechend hatte sich Ursus von Alexandros rasieren lassen müssen, was in soweit ausgesprochen nervig gewesen war, weil er ihn nur mit allergrößter Mühe davon abhalten konnte, auch seine Haare zu schneiden und sich bei der Auswahl der Kleidung einzumischen. Zudem wollte er ihm ein Duftöl andrehen, das doch etwas arg intensive Düfte verströmte. Ursus liebte so etwas nicht, weswegen er Caelyns Gesellschaft am Morgen der dieses Alexandros doch deutlich vorzog.


    Entsprechend dieses etwas mißglückten Anfang des Tages war er auch nicht sonderlich gut gelaunt, als Louan und Caelyn nun eintraten. "Guten Morgen", grüßte er zurück, doch sein Blick blieb vor allen Dingen auf Caelyn hängen. Er erwartete natürlich eine Entschuldigung, deshalb sagte er jetzt erst einmal nichts, sondern wartete einfach ab.

  • Ich war wie angewurzelt und meine Kehle schnürte es zu. Keinen Piepser brachte ich raus. Man sah ihm schon an, wie schlecht er gelaunt war. Ausgerechnet an mir blieb sein Blick hängen, so als wartete er auf etwas. Eine Entschuldigung etwa, von mir? Wofür sollte ich mich denn entschuldigen? Dafür etwa, dass er mich gestern so demontiert hatte? Nee, entschuldigen wollte ich mich nicht.
    Ich war so froh, Louan neben mir zu haben. Der Druck seiner Hand gab mir Kraft.
    Aber Ursus´ Blick hielt ich auf Dauer nicht stand. Ich senkte meinen Blick und wartete darauf, endlich meine Strafpredigt zu hören. Denn das war es doch ,was jetzt kommen sollte.

  • Wie erwartet, war Ursus nich bester Laune. Er erwiderte meinen Gruß, sagte aber sonst nichts. Er betrachtete lange Zeit Caelyn. Es lag auf der Hand, er wartete auf ihre Entschuldigung. Meine Schwester allerdings, blieb regungslos stehen und sagte nichts. Auch als ich meinen Hädedruck etwas verstärkte, um ihr zu signalisieren, si solle doch etwas sagen. Sie tat´s aber nicht. Sie war eben ein richtiger Dickkopf!
    Mir war das alles total peinlich. Dieses Schweigen nervte mich, also sagte ich etwas.
    "Ja, öhm, was kann ich denn machen? Soll ich dort weitermachen, wo ich gestern stehen geblieben bin?"

  • Ursus schüttelte den Kopf. "Geh, Caelyn. Sofia hat Näharbeiten für Dich. Du wirst diese solange ausführen, bis Du verstanden hast, was ich von Dir erwarte. Und warum. Du bist nicht dumm, Du wirst schon irgendwann darauf kommen." Beim Nähen konnte man viel denken. Sehr viel denken. Vielleicht würde ihr das helfen, mal zu Verstand zu kommen.


    Damit war das Thema Caelyn für Ursus vorerst erledigt und er wandte sich Louan zu. "Ja, mach da weiter, wo Du gestern aufgehört hast. Die Kiste ist noch nicht vollständig ausgeräumt. Und dann wollte ich Dir noch die Systematik in der Bibliothek erklären. Es ist sehr wichtig, daß dieses System eingehalten wird. Denn sonst finden wir bald nichts mehr wieder." Er deutete auf die Kiste, in der noch einige Unterlagen schlummerte. Louan hatte sich ja gestern gar nicht ungeschickt angestellt, heute würde er hoffentlich noch besser zurecht kommen.

  • Als ich meinen Namen hörte, riss ich meinen Kopf hoch. Ich konnt´s echt nicht glauben, was er da von sich gab. Nähen? Ich? He? Ich konnte doch gar nicht nähen! Nein, schlimmer noch, ich war allergisch gegen jegliche Art von Handarbeiten. Damit hatte ich früher auch schon meine Mutter zur Verzweiflung gebracht. Wenn man mir richtig eins reinwürgen wollte, dann war´s das, mich zum Nähen zu schicken! Klasse, echt!
    Die ganzen bescheuerten Gefühle, die ich auf den Weg hierher noch hatte, alles was mich daran gehindert hatte, was zu sagen, waren wie weggeblasen. Die Wut errang die Oberhand. Ich ließ die Hand von meinem Bruder los und ging einige Schritte auf ihn zu. Auf einmal glaubte ich, soviel Kraft zu haben, wie ich brauchte, um ihm das zu sagen, was in mir brodelte.
    "Na, schön! Schick mich doch zum Nähen, aber das wird nix an meinen Gefühlen ändern! Jeder Stich, der in meine Finger geht, kann nicht schlimmer sein, als der Schmerz, den ich fühle. Ich kann nix dafür, verdammt nochmal, dass es passiert ist. Eigentlich steh ich gar nicht auf Typen in Uniform. Aber es ist nun mal passiert und zum Verliebt sein gehören ja auch immer zwei dazu. Ich hab genau gewusst, dass das keine Zukunft hat. Ich bin ja nicht blöd! Aber auf Befehl kann ich meine Gefühle nicht abstellen, oder so tun, als hätt ich gar keine, so wie andre Leute. Es ist mir sowas von egal, was jetzt passiert. Für dich bin ich ja eh nur´n Stück lebloses Holz. Also, schmeiß mich doch weg!"Ich drehte mich zu meinem Bruder um, umarmte ihn noch schnell und wollte dann gehen.

  • Ja, genau aus diesem Grund hatte Ursus genau diese Arbeit für sie ausgewählt. Er wußte, daß sie es verabscheute. Aber eine Strafe mußte her, da ging nichts drumherum. Schlagen wollte er sie nicht, also ging es nur über unangenehme Tätigkeiten. Wie lange die Strafe andauerte, lag schließlich bei ihr.


    Einen solchen Wortschwall hatte er nach ihrem trotzigen Schweigen allerdings nicht erwartet. Doch er ließ ihn ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen. Als er relativ sicher war, daß sie fertig war, denn sie wandte sich schon zum gehen, erwiderte er doch noch ein paar Worte. Sichtlich um einen ruhigen Ton bemüht. "Nicht Deine Gefühle sind das Problem. Sondern Deine Taten und Nichttaten. Denk darüber nach, Caelyn. Wie lange es dauert, liegt bei Dir. Komm wieder, wenn Du es verstanden hast."


    Es traf ihn ziemlich hart, daß sie glaubte, er würde sie für ein lebloses Stück Holz halten. Eigentlich dachte er, daß er sich ziemlich fair Sklaven gegenüber verhielt. Weil er sie eben nicht als Sachen betrachtete, sondern als Menschen. Er erwartete doch nur, daß sie ihre Arbeit taten und der Familie keine Schande machten. Caelyn durfte fühlen, was immer sie wollte, wer könnte schon Gefühle verbieten? Nur daß sie mit diesem Soldaten in Kontakt blieb, das ging eben nicht. Daß sie sich daran klammerte und es festzuhalten versuchte, obwohl es völlig sinnlos und hoffnungslos war. Wenn sie ihn gebeten hätte, einen Tag für sich haben zu dürfen, um mit ihren Gefühlen ins Reine zu kommen, er hätte dies ganz sicher nicht verweigert. Doch einfach der Arbeit fernzubleiben, das ging nun einmal nicht. Und ihn anlügen und Heimlichkeiten vor ihm haben, das ging ebenfalls nicht. Warum begriff sie das nicht?

  • Oh Mann, das war vielleicht´ne Bombenstimmung! Ich kam mir ganz schön deplaziert vor. Aus Caelyn war´s nur so herausgequollen, wobei sie dabei auch kein Blatt vor den Mund nahm. Als sie fertig war, wollte sie gehen, aber nicht ohne mich noch umarmt zu haben. Ich spürte, als sie sich an mich drückte, dass ihre Augen nass waren. Ursus warf ihr noch einige Worte hinterher. Als Caelyn sich von mir löste, drehte sie sich noch einmal zu Ursus um. Ich dachte schon, sie würde noch etwas sagen wollen. Aber sie ließ es dann doch besser sein. Wortlos lief sie aus dem officium. Ich sah ihr noch hilflos nach. Am liebsten wäre ich ihr nachgerannt. Das konnte ich aber nicht. Ich hatte ja hier noch zu tun.
    Ohne noch ein Wort zu verlieren, machte ich mich an die Arbeit. Schweigend machte ich da weiter, wo ich gestern stehen geblieben war. Mir gingen Caelyns Worte von heute Nacht durch den Kopf. Das was sie mir gesagt hatte. Wie verzweifelt sie war.
    "Als sie den Brief geschrieben hat, wusste sie schon, dass sie diesen Kerl nicht wieder sehen würde. Sie hat sich damit nur ihren Schmerz von der Seele schreiben wollen. Das hat sie mir heute Nacht erzählt. Ich hab sie gestern Abend gefunden. Sie hat heute Nacht bei mir geschlafen." Das kam so plötzlich aus mir heraus. Ich konnte mir zwar denken, dass Ursus nicht besonders scharf drauf war, noch weiter über dieses Thema zu diskutieren. Mich belastete es aber, denn ich konnte meine Schwester verstehen. Wenn so Verliebt sein war, dann konnte ich locker drauf verzichten!

  • Ursus atmete tief durch, als Caelyn schließlich wortlos aus dem Officium rauschte. Dieses unglaublich impulsive, starrköpfige Mädchen war wirklich zum auswachsen! Wenn er nur jemanden hätte, der mehr oder weniger neutral war und ihr einfach mal erklärte, wie die Welt geschaffen war. Sie war natürlich ein Ergebnis ihrer bisherigen Umwelt. Doch das befreite sie nicht von der Pflicht, sich um eine Änderung zu bemühen.


    Als Louan schließlich das Wort ergriff, seufzte Ursus unwillkürlich. Natürlich stand der Junge auf der Seite seiner Schwester. In gewisser Weise war das auch ganz richtig so. Geschwister sollten zusammenhalten, Familie war das wichtigste. Ursus sah das ja nicht anders und würde seine Schwester auch in Schutz nehmen und ihr beistehen. Nur aus diesem Grund ließ er sich auf eine Fortsetzung der Diskussion ein. "Louan, ich habe den Brief gelesen. Er lag am Morgen hier auf meinem Schreibtisch und Schriftstücke, die hier liegen, sind eben normal für mich bestimmt. Ich habe ihn gelesen und glaube mir, da stand nichts von einer Einsicht, daß die Beziehung keine Zukunft hätte. Da stand: Ich vermiss dich so sehr! Was kann ich nur machen, um dir wieder nahe zu sein?, da stand Wenn du mal nach Rom kommst, musst du mich unbedingt besuchen. Bitte antworte nicht auf diesen Brief, sonst kommt alles raus und dann bekomme ich nur Ärger und du vielleicht auch. Bitte vergiss mich nicht! Ich hab dich lieb! Das ist alles ziemlich eindeutig. Und ich konnte nicht zulassen, daß sie diesen Brief abschickt. Sie hätte damit nicht nur sich, sondern auch diesen Soldaten unglücklich gemacht, denn natürlich hätte er versucht, ihr zu antworten. Ihr Götter! Glaubst Du denn, ich tu Caelyn gerne weh?"

  • Das war alles so schwierg und ungewohnt für mich. Ich hatte in den letzten Stunden einige neue Seiten von meiner Schwester kennengelernt, die ich so bisher von ihr noch nicht kannte. Meine Schwester kannte ich früher nur als raubeiniges stures Mädchen, für die Gefühle etwas für Schwächlinge war. Naja, stur war sie immer noch. Aber jetzt zeigte sie selbst so viel Gefühl. Zu viel Gefühl!
    Ich kannte nicht den genauen Inhalt des Briefes. Aber was ich hörte, ließ mich dann auch zweifeln. Das klang wirklich nicht nach Abschied nehmen. Ich war jetzt wirklich ratlos.
    "Ich weiß nicht! Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll! Sie hat sich so verändert. Sie ist so ganz anders geworden. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil sie sich jetzt nicht mehr ums Überleben Sorgen machen muss. Ich glaub, sie weiß es selber nicht. Sie redet nur noch von Gefühlen und dass sie unglücklich ist. Ich glaub, sie hat jeden Menge Probleme, die sie gar nicht mehr alle bewältigen kann. Sie kommt mit ihren Gefühlen nicht mehr klar. Ich würde ihr so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie. Das macht mich total fertig!" Genau das war mein Problem! Sie so zu sehen, tat mir weh. Ich seufzte und machte mit meiner Arbeit weiter. Aber es dauerte nicht lange, bis ich wieder aufsah.
    "Mach dich bei ihr auf ´ne lange Wartezeit bereit. Sie kann unglaublich dickköpfig sein. Sie hat ganz schön entschlossen geklungen. Ich musste mir fast den Mund fusselig reden, bis ich sie soweit hatte, mitzukommen."

  • "Sie hat Dich nicht belogen. Nicht in dem Sinne. Sie meinte das sicher alles so, wie sie es Dir gesagt hat." Ihr Götter, jetzt fing er schon an, Caelyn ihrem Bruder gegenüber zu verteidigen! "Sie ist verliebt, das kann einen schon mächtig durcheinander bringen. Das erwischt Dich auch noch, warte ab." Ursus mußte sogar schmunzeln. Irgendwann erwischte es einfach jeden.


    "Es ist mir egal, wie lange es dauert. Hauptsache, sie versteht am Ende. Wenn ich versuche, es ihr zu erklären, schaltet sie sowieso ab. Sie wird es nur verstehen, wenn sie von alleine darauf kommt. Sie ist tatsächlich sehr dickköpfig. Und impulsiv. Sie denkt nie nach, bevor sie etwas tut. Und wenn es dann schiefgeht, schaltet sie einfach auf stur. Ja, ich sehe, daß sie mit ihren Gefühlen nicht klarkommt, aber ich fürchte, ich bin ganz der falsche, um ihr zu helfen. Vielleicht sollte sie mit Siv sprechen. Oder mit Fhionn. Frauen können ihr sicher viel besser helfen." Als Mann hatte man doch da im Grunde gar keine Chance.

  • Da waren ja wirklich tolle Aussichten! Ich betrachtete Ursus ungläubig, als er das sagte. Verliebt sein musste also so was wie ein Vollrausch sein, bei dem man danach mächtig starke Kopfschmerzen hatte. Naja, wenn man nix verträgt, sollte man auch nicht so tief in die Amphore gucken, das war meine Meinung! Aber was wusste ich schon?


    Ursus brachte mich da auf eine Idee, als er meinte, sie solle mal mit Siv oder Fhionn sprechen. Ich wusste, Caelyn würde niemals auf diesen genialen Gedanken kommen. Dafür war sie einfach zu stur! Wenn ich aber die beiden Mädels mal anhauen würde, dann hätte sie wahrscheinlich keine andere Wahl. Ja, das wollte ich versuchen. Die beiden Sklavinnen konnten nicht mehr, als nein sagen. Naja, und wenn ich sie nett darum bat. :D
    "Ja, das ist wohl das Beste! Öhm, konnte ich vielleicht nachher zehn Minuten früher Schluß machen? Ich hab da noch was zu erledigen!"
    Mit meinem Plan in der Tasche, ließ es sich schon viel besser arbeiten und so stürzte ich mich voll rein, in die Arbeit.

  • Der Junge schien wirklich noch völlig unerfahren zu sein, was die Liebe anging. Dabei war er bereits in einem Alter, in dem die meisten Jungen ihre ersten Erfahrungen sammelte. Ursus seufzte innerlich. Ob Louan in der Beziehung seiner Schwerster wohl sehr ähnlich sein würde? Er hoffte es nicht. Auf jeden Fall hatte er mit Louan wohl auch noch einiges vor sich, obwohl der Junge schon jetzt in vielen Dingen weit verständiger wirkte, als Caelyn.


    "Ein sonderlich guter Anfang ist das ja nicht, gleich am ersten Tag die Arbeit früher beenden zu wollen. Aber da ich annehme, daß dieser Wunsch irgendwie mit Deiner starrsinnigen Schwester zu tun hat, will ich nicht so sein. Ich werde Dich in der nächsten Zeit ohnehin etwas mehr brauchen. Denn sobald ich meine Kandidatur durch habe, und ich gehe mal davon aus, daß mir dies gelingt, brauche ich Dich wie auch jeden anderen meiner Klienten auf dem Forum." So war das eben. Man zeigte, wer man war, indem man seine Klienten um sich scharte, damit sie ein Loblied auf einen sangen.

  • Puh! Ich dachte schon, er würde gleich nein sagen. Das hatte er aber dann doch nicht gemacht. Klar, ich fand´s auch nicht so prickelnd, gleich am ersten Tag frühzeitig die Kurve zu kratzen. Es war aber mehr als wichtig!
    "Hey, danke! Ich kann ja dann später noch mal kommen!"
    Das waren echt gute Aussichten! Ich wollte gleich nach der Arbeit mit den beiden Mädels quatschen. Die halfen mir bestimmt, damit Caelyn wieder zu Verstand kam und diesen Kerl endgültig vergaß. Dann war alles wieder im Lot und es gab keinen Stress mehr. Hoffentlich klappte dass auch alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber warum auch nicht?
    Ich arbeitete an diesem Morgen beschwingt weiter und die Zeit verging, wie im Flug.
    "Öhm, kann ich jetzt geh´n?" fragte ich Ursus, nahdem ich meine Arbeit abgeschlossen hatte.

  • Auch Ursus kam mit seiner Arbeit gut voran, nachdem er es endlich geschafft hatte, die Gedanken an seine sturköpfige Sklavin zu verdrängen. Er hatte sich vorgenommen, die detaillierten Berichte seines Verwalters von einem ganzen Jahr nachzuarbeiten und heute war er diesem Ziel so nahe gekommen, daß es ihm fast schwer fiel, aufzuhören. Erst Louan erinnerte ihn an die fortgeschrittene Zeit. Längst hatte er das Haus verlassen und sich zum Forum aufmachen sollen, um zu hören, was es neues gab. "Was? - Achja... ja, natürlich, geh nur, Louan. Du hast gut gearbeitet, mach weiter so, dann wirst Du noch viel erreichen im Leben." Natürlich konnte man nach einem Tag noch nicht viel sagen. Es kam ja auch darauf an, wie er sich beim Lernen machte. Doch der Eifer des Jungen ließ wirklich nichts zu wünschen übrig.

  • "Ja, öhm, dann geh ich mal! Öhm, danke!" Mal sehen, ob ich bei den beiden Sklavinnen auch so viel erreichte. So was blödes, heute morgen war ich noch ganz locker drauf und jetzt rutschte mir fast das Herz in die nichtvorhandene Hose. Naja, die beiden würden mich bestimmt nicht fressen! Wenn sie nein sagten, dann musste ich eben ´ne andre anhauen. Sklavinnen gab´s hier ja fast, wie Sand am Meer. Der Typ, dem der Laden hier gehörte, stand wohl eher auf den weiblichen Typ Sklave.
    Ich stand auf und ging zur Tür. Noch einmal sah ich auf Ursus zurück. Dann ging ich.
    Unterwegs traf ich einige Sklaven, die ich gleich mal nach Siv und Fhionn fragte. Sie meinten, ich könnte vielleicht im servitriciuum Glück haben. Da ging ich gleich mal hin!

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