Das Fest des Alexanders und der Tyche - Auftakt auf der Agora

  • Ja, das Wort heißt Patrizier, und nein, sind wir nicht. Wir sind Plebejer. Es gab mal Iunier, die Patrizier waren, aber das ist eine lange Geschichte.Die ich nicht so gut kenne, fügte Axilla noch in Gedanken dazu.
    Dort, wo nun die Wagen standen, gab es Bewegung und lauthals wurde verkündet, dass es dort jetzt wohl etwas zu essen und zu trinken gab. Axilla hatte eigentlich keinen Hunger, das Gespräch Marcus war viel interessanter. Aber sie hatte keine Ahnung, ob er etwas essen wollte, und wollte ihn dann nicht aufhalten. Wobei bei dem Gedränge an ein Durchkommen kaum zu denken war.
    Eine Bemerkung von ihm machte sie ein bisschen stutzig. Es klang ja schon fast philosophisch, was er da über das kennen von sich und anderen Personen sagte. Sie überlegte einen kurzen Moment, ehe sie ihm antwortete. Axilla war zwar flatterhaft wie ein Schmetterling, aber das hieß nicht, dass sie sich nicht auch für Philosophie begeistern konnte.
    Das ist eine gute Frage übrigens. Also wer sich selbst kennt, und die anderen. Das wäre vielleicht etwas für einen Philosophen. Die Frage ist ja auch, kann man andere kennen, ohne sich selbst zu kennen?
    Axilla merkte, sie schweifte ab. Mit Iason hatte sie gerne stundenlang debattiert und argumentiert, aber er war auch ihr Lehrer gewesen. Und eigentlich hätte sie die Lehren von Plato auswendig lernen sollen, und nicht ihre eigene Meinung dazu zum Besten geben sollen. Aber sie wusste nicht, ob sich ihr Gegenüber hier überhaupt für solche Themen interessierte. Nur, weil er Grieche war, musste er ja nicht zwangsweise auch Philosoph sein. Sie war ja auch nicht allen überlegen, nur weil sie Römerin war. Den meisten Menschen war sie sogar gnadenlos unterlegen.
    Verzeih, ich schweife gerne ab. Und ich möchte dich ja auch nicht davon abhalten, das Fest zu genießen.
    Axilla blieb zwar bei Marcus stehen, so dass er das Gespräch nicht beenden musste, wenn er sich gerne unterhalten wollte. Aber ihre Worte gaben ihm auch den nötigen Freiraum, sich zu entschuldigen, falls er sich nicht unbedingt mit einer jungen Römerin unterhalten wollte.

  • Ich hatte nicht vor, mich dem Mob anzuschließen, der sich gierig um den Wagen drängte, nur um etwas Essen kostenlos zu bekommen. Im Museion gab es ja schließlich kostenloses Essen für mich als Gast. Es wäre unter meiner Würde gewesen, mich durch das Gedrängel zu kämpfen. Außerdem war das Gespräch mit der jungen Iunierin viel interessanter. Ich lächelte.
    "Im Moment genieße ich das Gespräch. Der Titel eines Jínshí," ich musste etwas schmunzeln, als ich das fremde Wort aussprach, das sich für Axilla sicher ziemlich komisch anhörte, "ist der Titel eines weit fortgeschrittenen Gelehrten, der zu höheren Beamtentätigkeiten befähigt. Und weil das wichtigste Thema dabei Staatsphilosophie ist, bin ich quasi eine Art Philosoph. Das Thema Selbstkenntnis und Menschenkenntnis ist schon recht interessant. In der Kriegskunst gibt es - ebenfalls in der Fremde - ein Werk über Strategie, in dem etwas höchst interessantes geschrieben steht. Da steht nämlich, wenn man sich selbst und den Gegner kennt, dann wird man auch in hundert Schlachten nicht verlieren. Kennt man sich selbst, aber nicht den Gegner, dann wird man mal gewinnen und mal verlieren. Kennt aber nicht einmal sich selbst, dann ist man verloren. Was an dem Werk recht interessant ist, ist die Tatsache, dass man es auch auf andere Bereiche anwenden kann. Beispielsweise Verhandlungen. Noch interessanter ist, dass die Möglichkeit, zwar nicht sich selbst, wohl aber den Gegner zu kennen, nicht in Erwägung gezogen wird. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob das überhaupt möglich ist. Inzwischen bin ich der Meinung, dass man nur dann andere Menschen kennen kann, wenn man sich selbst kennt. Weil man sonst nämlich nicht vergleichen kann. Und, das muss man sagen, unsere ganze Erkenntnis beruht auf Vergleichen. zum beispiel Gut und Böse. Wenn wir das Gute nicht kennen würden, woher sollten wir dann wissen, was Böse ist? Das bedeutet aber auch, dass Gut und Böse einander bedingen. Das Bild des Guten ist unvollständig und das Böse und umgekehrt."
    Meine Stimme war die ganze Zeit ruhig und fast emotionslos. Ich klang nicht wie ein Lehrer, sondern eher wie jemand, der etwas ganz Offensichtliches feststellt. Und dann lächelte ich wieder.
    "Aber verzeih, jetzt bin ich es, der abschweift."

  • Oh, da würde Plato aber heftigst widersprechen! Axilla hatte zwar nicht allzu viel verstanden, wie sie zu ihrer Schande zugeben musste, aber man wusste Dinge eben nicht nur durch Vergleichen. Abgesehen davon, dass sie weder das eine noch das andere für vollständig wahr hielt, sondern für sich selbst so einen Mittelweg als gut befunden hatte.
    Das hättest du aber nicht meinen Lehrer hören lassen dürfen. Er war überzeugter Anhänger Platos und wollte mir das auch näher bringen. Und deshalb weiß ich, dass es auch Ideen gibt, die nicht des Vergleichs benötigen. Wir sehen zwei Stöcke und sehen, sie sind gleich, ohne sie vorher zu wiegen und zu messen, weil in uns die Idee der Gleichheit bereits vorher existiert. Wir müssen nicht erst lernen, was Gleichheit und was Unterschiedlichkeit ist. Und auch glaube ich, dass es Dinge gibt, die absolut böse sind, und dass dies auch jeder weiß, ohne vorher etwas Gutes erfahren zu haben.
    Jetzt klang sie fast schon wie ihr Lehrer. Sie lächelte entschuldigend, und ging auf den anderen Teil ein. „Ich finde, die Anschauung über eine Schlacht ist aber doch sehr grob. Da gibt es doch hunderte von Beteiligten, und die kann man doch gar nicht alle kennen. Was ist, wenn einer bei heranstürmenden Reitern Panik bekommt und wegläuft? Dann bricht eine Reihe auseinander, und schon ist die ganze schöne Planung kaputt.
    Aber vielleicht seh ich das auch falsch, ich bin ja nur eine Frau. Meine Gedanken sind dem Chaos ohnehin näher als der Ordnung. Aber vielleicht kannst du mir es ja erklären, es klingt sehr interessant.

    Axilla hatte schon lange nichts Neues mehr gelernt. Und allein schon, dass es aus dem Land der lustigen Namen kam, machte es gleich doppelt interessant. Bestimmt war sie die einzige Römerin im ganzen Imperium, die sich sowas erklären ließ und es lernen wollte.
    Das Fest und ihre Cousine hatte Axilla völlig vergessen. Sie machte sich auch keinerlei Gedanken darüber, ob es denn überhaupt schicklich war, wenn sie hier einfach einen Griechen bat, ihr etwas über fernöstliche Philosophie beizubringen. Aber selbst wenn, wäre es ihr vermutlich egal. Sie war einfach neugierig.

  • Zitat

    Original von Nikolaos Kerykes
    ...Nikolaos beschloß, bald mit dem Opfer zu beginnen. Daher wandte er sich an den Agoranomos. "Steht das Opfertier bereit?"...


    Von dem ganzen Trubel auf der Agora nahm Mithridates kaum Notiz. Stattdessen richtete er sein Interesse zunehmend auf die dargebrachten Speisen, wobei der Wein besondere Aufmerksamkeit genoss.
    Erst die Frage des Gymnasiarchos machte ihn wieder für das übrige Geschehen empfänglich. "Wie...Opfertier?" Einen kurzen Moment benötigte M.C. doch, um zu verstehen, wovon dieser Mann eigentlich sprach. "Ach natürlich: Das Opfer! Die beiden Stiere stehen zur Verfügung!" Der Agoranomos machte eine Handbewegung zu einem seiner Lakaien, der die Aufforderung verstand und prompt in Richtung des hinteren Teils der Stoa davoneilte. Dort hatte man die Tiere in weiser Vorraussicht des Gedränges schon in den frühen Morgenstunden innerhalb einerr kleinen Absperrung untergebracht.
    "Welchen Ablauf hast du denn im Detail geplant?" fragte M.C. den Nikolaos, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Mann dem Befehl nachkam.

  • Zitat

    Original von Iunia Axilla
    ...


    Ich musste erstmal kurz über Platon nachdenken. "Ganz unrecht hat Platon sicher nicht, allerdings gibt es sicher Möglichkeiten, beispielsweise auch das absolut Böse als Normalität und damit nicht Böse darzustellen. Nehmen wir zum Beispiel an, ich erziehe ein Kind so, dass es der Meinung ist, es sei völlig normal, jeden Tag zehn Menschen zu töten. Dann wird es das nicht für Böse halten, obwohl es das ist. Aber darüber kann man jahrelang diskutieren ohne die Wahrheit gefunden zu haben."
    Ich dachte über ihre Worte bezüglich meines Beispiels einer Schlacht kurz nach.
    "Mit den Antworten auf ein paar Fragen kann man schon den gesamten Gegner einschätzen. Die Fragen sind einfach: Welcher General ist der fähigere? Wessen Disziplin ist wirksamer? Wessen Truppen sind die stärkeren? Welche Soldaten und Offiziere sind besser ausgebildet? Wessen System von Belohnung und Bestrafung ist klarer? Wenn ich dann noch das Terrain kenne, dann weiß ich, ob ich den Kampf wagen und gewinnen kann. Und man muss flexibel sein. Wenn die eine Reihe zusammenbricht, dann muss man eben sofort die Taktik anpassen. Man darf nicht auf Formationen beharren. Wer starr bleibt, wird verlieren. Lass es mich bildlich erklären: Wenn ich ein Stück Eis habe, das breiter ist als eine Schüssel, in die ich es packen will, und ich versuche es trotzdem, dann zerbricht das Eis. Seine Form ist zerstört und es ist nicht mehr das gleiche Stück Eis. Wenn ich aber die gleiche Menge Wasser nehme, dann passt sie sich der Form der Schüssel an und ich habe immer noch die gleiche Menge Wasser. Wer unflexibel ist, wird zerstört, wer flexibel ist, lebt, weil er keinen Angriffspunkt gibt. Zurück zu deinem Beispel: Wenn die Reiterei heranstürmt, dann sollte man die Truppen zur Seit ziehen und die Reiterei durchreiten lassen. Dahinter wird sie dann von beiden Seiten durch Bogenschützen beschossenund vernichtet. Wenn man sie aber aufhalten will, dann muss die Kampfreihe eben mehr Angst vor der Flucht haben als vor dem Kampf. Da kommt Disziplin ins Spiel. Wenn ich jeden hinrichten lasse, der sich ohne Befehl zurückzieht, dann werden sie kämpfen. Und warum? Ganz einfach. Wenn sie gegen die Reiterei standhaft bleiben, dann können sie sterben. Fliehen sie aber, dann sterben sie auf jeden Fall. Aber die besten Feldherren haben diese Probleme gar nicht. Die beste Strategie ist es nämlich, die feindliche Armee hilflos zu machen, ohne dass es zum Kampf kommt. Das kann man auch auf die Politik übertragen: Wenn die Gegner einen nicht angreifen können, dann wird man immer gewinnen."
    Ich hoffte, dass das jetzt nicht etwas zu viel auf einmal war.

  • Ihr Gegenüber hatte wohl vergessen, das Axilla eine junge Frau war. Sie versuchte ihr möglichstes, alles zu begreifen, aber gerade das ganze mit Krieg und Generälen war ihr irgendwie zu hoch. Natürlich verstand sie die Notwendigkeit von Disziplin und harten Strafen, aber für sie in ihrer Vorstellung gab es ohnehin niemand tapfereren als einen römischen Legionär. Ebenso wie es keine besseren Generäle gab oder bessere Taktiken. Und der Erfolg gab ihrer Logik ja auch Recht: Nie war das Imperium so groß gewesen, nie so sicher für seine Bewohner.
    Aber irgendwie verstand sie nicht alles, was er ihr sagen wollte. Wäre sie ein Mann gewesen und hätte statt Wolle spinnen etwas über alte Schlachten gelernt, hätte sie es vielleicht eher verstanden, aber so sah sie ihn nach seinen Worten nur grübelnd an und versuchte, daraus schlau zu werden.
    Hmmm, aber die Frage ist dann doch, wie finde ich genau diese Sachen über meinen Gegner heraus? Ich meine, er wird mir ja nicht gerade auf die Nase binden, wo seine Schwachstelle ist? Und wenn ich ihn frage oder Interesse zeige, weiß er doch, was ich vorhabe, wenn er mich auch kennt?
    Irgendwie hatte sie es immer noch nicht ganz verstanden. Ging es nicht auch eher um Selbsterkenntnis? So hatte sie Marcus zumindest am Anfang verstanden, aber irgendwie waren sie weit davon abgekommen. Sie sah noch ein wenig grübelnd drein, ehe sie es bemerkte, und musste dann mädchenhaft lachen.
    Heute muss wirklich der Tag Fortunas sein. An solche Zufälle, wie dass wir uns zufällig treffen, um über Philosophie zu streiten, glaube ich normalerweise gar nicht.
    Sie lächelte ihn strahlend an. Sie hatte schon ewig kein solches Gespräch mehr gehabt, und bis eben war ihr auch gar nicht bewusst gewesen, dass ihr so etwas fehlen könnte. Die Lernstunden waren ihr früher eher wie eine lästige Pflicht vorgekommen, aber jetzt war es irgendwie mehr eine Chance, ihren Geist ein wenig wach zu halten.
    Wird im Osten viel über solche Themen debattiert?
    Sie hatte keine Ahnung, was östlich der Grenzen des Imperiums so alles lag, und auch keine Ahnung von den Menschen, die dort lebten. Die meisten waren Feinde und damit in ihrer einfachen, kleinen, schwarzweißen Welt schlechte Menschen und damit uninteressant. Aber wenn es dort auch solche Philosophen gab, war es einen kleinen Tagtraum wert.

  • Irgendwie war ich da wohl übers Ziel hinaus geschossen.
    "Also, ich denke, dass ich da ein wenig vom Thema abgeschweift bin. Strategie ist ein schwieriges Thema, Spionage - denn damit findet man die Schwachstellen des Gegners - ist noch schwieriger. Allerdings, und das muss ich zugeben, stellst du sehr gute Fragen für dein Alter und dafür, dass du kein Mann bist."
    Ich erwiderte ihr Lächeln.
    "Ich glaube eigentlich auch nicht an solche Zufälle. Ihr Iunier-Frauen scheint eine besondere Begabung für Philosophie zu haben. Im Osten, vor allem in Han, wird unter Beamten und Offizieren oft über solche Themen debattiert. Der ganze Staat Han ist auf Philosophie aufgebaut. Vor allem geht es um die Werke der Meister Kong und Lao. Beide befassen sich mit Harmonie, aber der Weg zur perfekten Harmonie ist ein anderer bei den beiden. Lao sucht die Harmonie in der Überwindung der Gegensätze und dem Wirken, ohne an etwas festzuhalten. Kong sucht die Harmonie, indem er von der Harmonie in der Familie ausgeht und von da aus bis zur Harmonie des Kosmos geht, wobei die Harmonie durch das Verhalten der Menschen untereinander erreicht wird. Ganz wichtig bei Meister Kong ist auch die Bildung. Bildung sollte laut ihm jedem zugänglich sein. Geburt zählt nichts, nur das Geleistete bedeutet etwas. Man muss allerdings sagen, dass sich die Lehren nicht ausschließen. Es ist... schwierig."
    Ich zuckte schmunzelnd mit den Schultern.
    "Wirklich schwierig. Und dann gibt es noch eine Lehre in Indien, die irgendwie halb Religion und halb Philosophie ist. Die Inder glauben daran, dass man immer wieder wiedergeboren wird. Und diese Lehre, die zeigt einen Ausweg aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Das ist der religiöse Aspekt. Der philosophische Aspekt besagt, dass Leben Leiden bedeutet. Und dann werden die Ursachen des Leidens und Auswege aus dem Leiden aufgezeigt. Die Auswege wiederum passen ganz gut zu den Lehren des Meister Lao, obwohl der nie in Indien war. Das ist alles etwas verworren, also mach dir nichts draus, wenn du jetzt keinen Durchblick hast. Ich habe zehn Jahre in Han gelebt und vier Jahre in Indien und ich habe auch noch nicht alles verstanden. Aber irgendwann, da werde ich es verstehen."
    Ich grinste.
    "Und wenn nicht, dann hoffe ich, dass die Inder recht haben und ich nochmal wiedergeboren werde und ein weiteres Leben Zeit habe, das alles zu verstehen."
    Ich lachte herzlich.

  • Dafür, dass ich kein Mann bin und noch sehr jung, habe ich ja auch einen guten Lehrer gefunden“, meinte Axilla halb scherzhaft auf das Kompliment. Natürlich machte es sie stolz, gelobt zu werden, aber sie wollte nicht überheblich wirken. Und es stimmte ja auch, nicht jeder Mann würde sich so mit einem Mädchen unterhalten.


    Während er von den verschiedenen Lehren erzählte, hörte Axilla ihm aufmerksam und staunend zu. Sie hatte noch nie von so etwas gehört, aber es klang gut. Leben ist Leiden? Axilla wusste das wohl besser als so manch anderer. Der Vater gefallen, die Mutter nach langer Krankheit verstorben, unglücklich verliebt und irgendwie einsam, das war viel Leid für ein sechzehnjähriges Leben. Und sie hatte auch nicht das Gefühl, als ob es wirklich beständig besser würde, für sie war Glück momentan eher so etwas wie die kurze Verschnaufpause zwischen zwei wirklich schlimmen Katastrophen.
    Aber das alles zu erleben und dann noch wiedergeboren zu werden, um es noch mal durchzumachen? Das war keine Lehre mehr, das war grausam. Da lobte sie sich die römischen Gottheiten, die die guten Menschen ins Elysium ließen, in diesen ewigen Garten des Sonnenscheins, wo es kein Leid mehr gab. Natürlich gab es auch den Tartarus, aber darüber dachte Axilla lieber nicht allzu viel nach.
    Also, ich würde lieber ins Elysium eingehen als wiedergeboren zu werden. Aber um zu lernen wäre es wohl wirklich ganz praktisch. Aber ich glaube nicht, dass man wirklich alles lernen kann. Denn wenn du diese Lehren begriffen hast, dann gibt es doch bestimmt noch andere, die man dann wieder lernen will und verstehen will, oder? Dann muss man ja schon wieder neu geboren werden, um das auch noch zu lernen.
    Axilla machte ein grübelndes Gesicht. Nicht einmal jeder Gott wusste immer alles, sonst könnten sie sich nicht gegenseitig überlisten. Wie könnte da ein normaler Mensch alles wissen? Das war irgendwie paradox.

  • "Ich würde gerne in kurzer Zeit mit dem Opfer im Tychaion beginnen. Danach werden wir in einer Prozession zum Eingang der Basilea gehen, von dort aus zur Sema und zum Mausoleum des göttlichen Alexanders. Dort werden wir diesem opfern, anschließend geht es zurück zur Agora, wo das Fest enden wird."

  • Mir gefiel die Art wie Axilla dachte. Sie war offensichtlich eine sehr intelligente junge Dame.
    "Ich bin mir nicht sicher, ob ich lieber ins Elysium will oder wiedergeboren werden will oder einfach ins Nichts eingehen will. Letzteres ist eigentlich auch ganz reizvoll. Ende der Existenz, und das war's. Aber darüber mache ich mir keine großen Gedanken. Das sollen die Götter entscheiden. Vielleicht gibt es ja auch die eine Lehre, die alles erklärt, aber die müssten dann erstmal die Götter finden und den Menschen bringen. Für einen Menschen ist das jedenfalls zu viel. Deshalb mache ich mir darum auch keine Gedanken. Wichtig erscheint mir vor allem, durch mein Leben und Wirken die Harmonie der Welt zu fördern. Aber das gilt nur für mich persönlich. Übrigens, wenn du das nach dem heutigen Tag fortsetzen möchtest, findest du mich in der Bibliothek des Museions. Da habe ich in einer Ecke einen Tisch, wo ich Texte aus dem fernen Osten übersetze und kommentiere."

  • Zitat

    Original von Decius Germanicus Corvus


    Noch vor wenigen Monaten wäre mir ein solcher Auftritt mehr als unangenehm gewesen. Dieser Aufzug, dieser Protz und Prunk in Rom - niemals. Doch Alexandria war anders. Und man selbst wurde es auch, wenn man zu lange hier blieb. Nicht einmal, wie Corvus sich hier zu kleiden pflegte wunderte mich noch. Wie gut erinnerte ich mich an seinen ersten Auftritt in Alexandria... und wie gut wusste ich noch, dass ich damals innerlich den Kopf geschüttelt hatte. Wie ein eitler Pfau war er mir vorgekommen.
    Doch nun lag ich, nicht minder herausgeputzt als er, auf jener prunkvollen Sänfte, lächelte zufrieden in die Menge und konnte mir schon gar nicht mehr vorstellen, dass es jemals anders gewesen war.
    Ich selbst glänzte weniger durch Silber- und Goldfäden in der Kleidung, sondern mehr durch Armreife, Halsketten und dergleichen, die mit der Sonne um die Wette funkelten. Zweifellos ein kleines Vermögen, das ich da mit mir herumtrug.
    Vorsichtig wurde die Sänfte abgesetzt, als wir die Tribüne erreicht hatten, sodass Praefectus und Gattin wohlbehalten die wenigen Stufen bis zu ihren Ehrenplätzen erklimmen konnten. Und kaum hatten wir Platz genommen, erschienen bereits die 'Caterer' mit allerlei Leckereien, die nur darauf warteten verspeist zu werden. Ich nahm mir hier und da etwas - wollte ja schließlich nicht zu verfressen aussehen - und überblickte die versammelte Menschenmenge.

  • Da war ich ja genau zur richtigen Zeit gekommen!


    Jetzt gab es sogar noch etwas zu Essen und das umsonst.


    Wenn ich da ans Essen im Castellum dachte erschien mir das hier als der Himmel auf Erden.


    Ich nahm mir etwas und suchte mir anschließend ein freies Plätzchen, wo ich in Ruhe essen konnte.


    Egal um was es hier nun ging, mir gefiel es immer besser.


    Schließlich setzte ich mich, legte meinen Helm neben mir ab und aß.

  • Das Geschehen lief ein Wenig an mir vorbei ab, da ich mir nicht sonderlich viel Mühe gab mich auf das alles zu konzentrieren. Viel zu sehr war ich mit den Gedanken bei meiner Arbeit, die mich doch mehr forderte als erwartet. Wer hätte gedacht, dass es so anspruchsvoll sein würde die Getreideversorgung einer ganzen Stadt zu organisieren und dabei auch noch an die Bedürfnisse einer riesigen Metropole jenseits des Meeres zu denken.
    Was mich jedoch für einen Moment aus meinen Gedanken riss, war die Ankunft des Praefecten. Der Aufzug in dem er hier eintraf liess mir den Atem stocken und ich musste mir unweigerlich vorstellen, wie er diese Kleidung in Rom trug und wie er dafür vermutlich aus der Stadt gejagt würde.
    Doch kurz darauf versank ich wieder in Gedanken und bekam das Geschehen zumeist am Rande mit.

  • Cleonymus folgte den Gesprächen auf der Tribüne nur beiläufig, sein Hauptinteresse galt dem Schutze seines Freundes Nikolaos und des Präfekten, danach kamen seine Männern, die im Kreuzgang - Verfahren die Menge durchkämmten und so Präsenz zeigten, wodurch jeglichem Ärger vorgebeugt werden sollte ...


    Als Nikolaos die Route für die Prozession erläuterte ging Cleonymus im Kopf nocheinmal die Route durch, wer an welchen Ecken postiert war, wo wann die Wachwechsel stattfanden und einiges mehr, Cleonymus betete zu Alexander selbst das er an alles gedacht haben möge ...

  • Zitat

    Original von Marcus Achilleos


    Harmonie in der Welt fördern? Das klang ja beinahe schon romantisch. Axilla lächelte ein wenig verträumt, als Marcus sie überraschte. Sie sollte zu ihm ins Museion kommen, wenn sie gerne so diskutierte? Verschlagen sah sie zu ihm hoch.
    Vielleicht schau ich mal vorbei“ kokettierte sie ein wenig. Diese Einladung war zwar bestimmt nicht so persönlich, um als unschicklich zu gelten, aber sie war zumindest ein bisschen ungewöhnlich. Nungut, ein Museion war ein öffentlicher Platz, also konnte Axilla auch bei größter Phantasie keine ungebührlichen Absichten unterstellen. Aber sie liebte es, ein wenig zu reizen, wenn auch nur scherzhaft.
    Bevor ihr Gegenüber wirklich noch auf falsche Gedanken kam, was sie dachte, löste sie das ganze aber besser auf. Sie lachte herzlich und schaute sich noch einmal um, was hier denn noch weiter passierte. Auf der Bühne schien gerade etwas besprochen zu werden. Schade, das Axilla es nicht hören konnte, sie war doch so neugierig.
    Ich werde meine Verwandten mal fragen, ob es in Ordnung wäre. Ich muss sagen, dass es mir Spaß machen würde, mal wieder ein wenig über Philosophie zu lernen.

  • Auf ihren koketten Kommentar zog ich fragend eine Augenbraue hoch. Nach ihrem Lachen und der Bemerkung, dass sie ihre Verwandten fragen würde, war die Situation für mich geklärt.
    "Ich finde es sehr gut, dass du deine Verwandten um Erlaubnis fragst. Die Familie ist sehr wichtig, vor allem die Harmonie in der Familie. Sind alle Familien harmonisch, ist die ganze Stadt harmonisch. Sind alle Städte und Dörfer harmonisch, ist die ganze Provinz in Harmonie. Sind alle Provinzen..."
    In diesem Moment rempelte mich ein Mann von der Seite an. Er hatte sich eine ordentliche Menge Waren vom Wagen geholt und verlor nun, als er in mich hineinrannte, ein Brot, welches ich auffing. Etwas erstaunt über meine immer noch gut trainierten Reflexe betrachtete ich kurz das Brot.
    "Danke," sgte ich zu dem Mann, der mich kurz recht perplex ansah und dann, immer noch perplex, mit einem "Bitte" verschwand.
    Schmunzelnd sah ich Axilla an. "Meister Lao ist der Meinung, dass man alles erreicht, wenn man nach nichts strebt. Und hier haben wir den Beweis, dass er recht hat! Ich habe mich nicht zum Wagen gedrängelt und trotzdem ein Brot bekommen. Angewandte Philosophie. Äußerst praktisch."
    Wirklich ernst bleiben konnte ich dabei nicht.

  • Nikolaos sah den Agoranomos fragend an, als warte er auf dessen Zustimmung. Schließlich wurde ihm offenbar das Warten zu lang und er wandte sich ab und den übrigen Gästen wieder zu. Diese machten zu Nikolaos Freude reichlich von der Bewirtung Gebrauch. Der Gymnasiarchos wollte sich keinen Lumpen nennen lassen. Er wartete, bis der erste Aufmarsch der Diener vorrüber und die Speisen verspeist waren, dann schritt er bedächtig an den vorderen Rand der Ehrentribüne und erhob die Stimme, die trotz einer augenblicklichen Schwäche immer noch mächtig und durchdringend war. Er hatte viel Zeit und Gelegenheit gehabt, sie zu üben und zu stärken und zu lernen, sie einzusetzen wie ein Pfeilgift, das bei den Hörern die Wirkung hervorrief, die Nikolaos wünschte.
    "Bürger und Freunde der Polis! Wir sind an diesem Tag zusammengekommen, um dem göttlichen großen Alexander, dem Gründer unserer Stadt, zu gedenken, ihn um Schutz anzuflehen und ihn zu ehren, wie es eines Gottessohnes würdig ist. Wir sind zusammengekommen, um auch der Tyche zu opfern, die die Beschützerin unserer Stadt und unserer Bürgerschaft ist und die dieser Aufgabe nie müde geworden ist, wie wir alle jeden Tag aufs Neue sehen können, wenn wir nur mit offenen Augen durch unsere prachtvolle Stadt gehen.
    Bei diesem Fest erweist uns der ehrenwerte Dekios Germanikos Corbos, der Stellvertreter des verstorbenen Basileus, der zu den Göttern hinaufgestiegen ist und dort von diesen bewirtet wird, und der Stellvertreter des neuen göttlichen Basileus, des Beschützers, des göttlichen Dionysos, mit seiner Gattin die Ehre, heute Gast zu sein bei uns. Ich begrüße mit Freuden, und begrüßt ihr mit mir!, Dekios Germanikos Corbos, den großzügigen und klugen Statthalter des göttlichen Basileus, und seine Gattin Germanika Aelia."

    Beifall unter den Bürgern auf der Agora wurde laut. Besonders eifrig waren dabei freilich die von Nikolaos im Geheimen angeheuerten Claqueure. Blumen wurden geschwenkt und in die Luft geworfen.
    "Er lebe hoch! Er lebe hoch!", ertönte es inmitten des Beifalls und: "Es lebe der göttliche Basileus! Es lebe sein edler Stellvertreter!" Rufe, die den Abzug der Römer forderten, waren auf der Ehrentribüne nicht zu hören. Entweder wurden solche Unflätigkeiten nicht laut oder aber sie gingen im allgemeinen Jubel unter.
    Als der Beifall etwas abgeebbt war, fuhr der Gymnasiarchos fort mit seiner Rede.
    "Nun wollen wir der Beschützerin unserer Stadt, der unsterblichen Tyche, die uns immer schon wohlgesonnen war und uns wohlgesonnen ist bis zum heutigen Tag, ein ihr würdiges Geschenk darbringen."
    Mit diesen Worten blickte er sich zum Agoranomos um und wartete darauf, dass dieser den Transport des Opfertieres in den Tempel veranlasste.



    edit: Rechtschreibung korrigiert.

  • Naja, ob ihre Familie wirklich so harmonisch war? Was verstand er unter Harmonie? Ihre Eltern waren tot, sie hatte mit dem Vetter ihres Vaters geschlafen, Urgulania war wegen dem neuen Amt viel unterwegs, ihren Onkel hatte sie noch nicht einmal gesehen und mit Varilla konnte Axilla beim besten Willen nichts anfangen, dafür waren sie zu verschieden. Irgendwie bezweifelte sie, dass dieser Zustand auch nur in irgendeiner Form als Harmonie bezeichnet werden könnte. Aber das würde sie Marcus bestimmt nicht so auf die Nase binden.
    Bei seinen Worten zu Lao zog sie die Stirn ein wenig kraus. Ein wenig klang das wie die Kyniker, die auch propagierten, dass alle weltlichen, äußerlichen Dinge abgelegt werden sollten und die Natur schon alles richten und für alles sorgen würde. Axilla fand, dass diese Menschen herumlungernde Bettler waren und Armut absolut nichts Edles an sich hatte. Und auch diese neue, jüdische Sekte gab ähnliche Töne von sich, dass die Ärmsten eigentlich von den Göttern – oder besser ihrem Gott - am meisten geliebt wären. Axilla fand das alles ziemlichen Blödsinn.
    Sie versuchte, ihre Gedankenwelt möglichst diplomatisch mitzuteilen, um Marcus nicht einfach so schweigend stehen zu lassen.
    Sein Schicksal so in Fortunas Hände zu legen halte ich nicht unbedingt für erstrebenswert. Wenn man etwas will, dann muss man auch etwas dafür tun. Du bist ja auch in den Osten gereist, um zu lernen, und hast nicht gewartet, bis der Osten zu dir kommt. Wenn man nur dasitzt und wartet, passiert doch nichts.
    Dieser Lao war schon ein sehr komischer Mann, wenn er sowas sagte. Aber vielleicht hatte sie es auch nur falsch verstanden? Aber nichtmal im goldenen Zeitalter, als es noch kein Leid und kein Übel auf der Welt gab, hätte Axilla einfach so dasitzen und warten können, damit das, was sie will, zu ihr kommt. Wahrscheinlich war genau das ihr Problem.


    Wo sie grade schon beim Thema waren, trat der Gymnasiarchos vor und hielt eine Rede über den göttlichen Alexander und Tyche, die ja Fortuna war. Auch ließ er den Praefectus bejubeln, und Axilla klatschte auch mit der Menge mit, wenn auch nicht so überschwänglich wie so mancher Jubler hier in der Menge. Natürlich achtete und verehrte sie den Praefectus, aber sie fand, die Griechen übertrieben immer so maßlos.
    Das ist auch wieder ein Teil von dem, was ich meine. Fortuna wird gnädig gestimmt durch ein Opfer, und es wird nicht nur darauf gehofft, dass sie auch so gnädig ist.
    Hmmm, findet das eigentlich hier auf dem Platz statt?

    Zuzutrauen wär es den Griechen. Die kamen auf die lustigsten Einfälle, wenn man sie machen ließ, soviel hatte Axilla seit ihrer Ankunft hier schon gelernt.

  • Bei der Rede des Gymnasiarchos konnte ich mich nicht zurückhalten und rief laut "Lang lebe der Basileus! Lang, lang lebe der göttliche Basileus!" Das war vielleicht etwas übertrieben, aber im fernen Osten durchaus üblich. Dann sprach mich Axilla wieder an. Sie hatte mich da wohl falsch verstanden. Natürlich würde ich ihr das so nicht sagen.
    "Ich glaube, ich habe mich falsch ausgedrückt. Es war eher humoristisch gemeint. Die echte, ernst gemeinte Aussage des Meister Lao ist, dass man nicht für sich selbst wirken soll, sondern für den Kosmos. Man soll also nicht an materiellen Dingen hängen, weil sie einem jederzeit genommen werden können. Aber - und das ist wichtig - das heißt nicht, dass man faul auf seiner Haut liegen soll und nichts tun. Nur soll man eben nicht an seinem Besitz und Privilegien hängen. Sonst hat man nur ständig Angst, dass sie einem genommen werden. Angst vernebelt den Geist. Wer Angst hat, macht sich darum so viele Gedanken, dass er nicht mehr harmonisch wirken kann. Und dann schadet man sich selbst und anderen, ohne es zu wollen."
    Dann sah ich zur Bühne.
    "Also, ich denke ja mal, dass das Opfer in einem Tempel dargebracht wird. Oder vielleicht am Grabmal des Alexander. Die Agora ist sicher nicht der ideale Ort dafür. Übrigens halte ich Opfer an die Götter für ein zweischneidiges Schwert. Viele Menschen scheinen zu glauben, dass sie ja nichts mehr tun müssen, wenn sie den Göttern opfern, weil die Götter dann alles für sie regeln. Das ist ein Irrtum. Die Götter unterstützen uns dann vielleicht bei unseren Taten, aber tätig werden müssen wir schon selber."

  • Und was genau ist dann Harmonie?
    Die Frage klang vielleicht etwas dumm, aber vielleicht verstand er ja etwas anderes darunter als sie. Für sie war Harmonie schlicht und ergreifend ein vollkommener Moment des glücklich Seins, der aber durchaus vergänglich war, auch wenn man sich wünschte, er würde ewig halten. Aber so wie er davon sprach, war Harmonie als Endzustand anzustreben, und das nicht erst in elysischen Gefilden.
    Aber vielleicht hatte dieser Meister Lao ja auch recht. Axilla hatte sehr viel Angst und machte sich deshalb andauernd Gedanken. Vor allem hatte sie im Moment Angst, sich irgendwie zu verraten und damit sich selbst und vor allem Silanus zu schaden. Das würde sie sich nie verzeihen. Deshalb fühlte sie sich schon seit Tagen ziemlich schlecht, von so kurzen Ablenkungen wie diesem Fest einmal abgesehen. Aber sie konnte nicht einfach aufhören, Angst zu haben. Wie sollte sie das anstellen?
    Und wenn man vor etwas Angst hat, wie macht man dann, dass diese verschwindet und man wieder… harmonisch wird?
    Irgendwie war der Gedanke beunruhigend, dass sie gerade durch ihre Angst Silanus noch einen Schaden zufügen könnte. Aber Marcus hier war weit gereist, vielleicht gab es für ihre Angst ja wirklich eine einfache Lösung.

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