Decima Flava

  • Ja das wäre es. Vor allem für eine politische Laufbahn, die Marcus über Kurz oder Lang anstreben wollte, war ein Posten am Kaiserhof eine gute Referenz. Auf die Senatoren, denen er sich bei einem Einstieg in den Cursus Honorum zur Wahl stellen musste, machte ein solches Amt bestimmt den Eindruck eines zielstrebigen jungen Mannes. Doch mehr wollte er seine Schwester nicht einweihen. Er wusste zwar, dass sie für ein Mädchen ausgesprochen schlau und interessiert war, aber mit Frauen unterhielt man sich nicht über Politik und auch Marcus wollte diese Tradition nicht anders handhaben. Er stützte sich ebenfalls auf seinen Ellbogen, als sie sich neben ihn legte und sah zu ihr.


    "Dann haben wir beide ja morgen einen aufregenden Tag vor uns. Möchtest du nun eigentlich Priesterin der Diana werden, wie es Mutter war? Hier in Rom hättest du auch viele andere Möglichkeiten. Du könntest etwa eine Vestalische Jungfrau werden."


    Beim letzten Satz sah Marcus seine Schwester kess an und begann schließlich zu lachen. Seine Schwester war zwar ein wohlerzogenes und grundanständiges Mädchen, aber sie hatte sich ihre Zukunft bestimmt anders Vorgestellt, als sich ihr Leben lang einen Keuschheitsgelübte zu verschreiben. Marcus war sich sicher, dass seine Schwester noch Jungfrau war und wenn es nach ihm ging, würde er dafür sorgen, dass sie es noch einige Zeit blieb. Für eine junge Frau war es wesentlich schwerer etwaigen Gelüsten nachzugehen, da dabei immer ihr guter Ruf auf dem Spiel stand. Bei Männern war das anders – ganz anders. Marcus hatte in Britannia keine Gelegenheit ausgelassen, so manch einem vornehmen Mädchen ihre Unschuld geraubt und sogar mit den Haussklavinnen seiner Großeltern so manches ausprobiert, das keine anständige Römerin mit sich machen lassen würde. Doch auf seine Schwester gab er in dieser Hinsicht Acht wie auf einen Goldschatz. Schon wenn einer sie nur kurz Lüstern ansah, konnte dies schwerwiegende Folgen für den Betreffenden haben. Als Jüngling hatte er sogar einmal einen etwas älteren Jungen fast zu Tode geprügelt, weil dieser Flava kurz unsittlich Betatscht hatte. Wäre seine Schwester nicht in letzter Minute dazuwischen gegangen, hätte er ihn in seinem unbändigen Zorn vermutlich umgebracht. Ja - sein Jähzorn wäre im schon öfter fast zum Verhängnis geworden.

  • Ja, das würde dir wohl gefallen, was?
    Flava schaffte es nur kurz, eine beleidigte Miene aufzusetzen, dann musste sie ebenfalls lachen. Sie konnte sich schon gut vorstellen, dass ihrem Bruder das gar nicht mal so unrecht wäre, würde sie auf ewig unverheiratet und unberührt bleiben. Zwar war Flavus nicht im eigentlichen Sinne eifersüchtig, aber dennoch störte es ihn wohl, wenn jemand Flava auch als Frau wahrnahm. Sie hatte sich schon daran gewöhnt und kannte es ja nicht anders, aber in ihrem Alter noch nicht einmal einen Kuss bekommen zu haben war schon etwas, was sie von den meisten anderen ihrer Altersklasse unterschied. Manchmal übertrieb er in seinem Eifer, sie zu beschützen, so dass Flava sich schon gar nicht mehr anders zu helfen wusste, als ihn zu packen und festzuhalten, damit er sich wieder beruhigte.
    Sie hoffte ja, dass sich das legen würde. Als Tochter eines Senators war sie eigentlich eine zu gute Partie, um unverheiratet zu bleiben. Wenn ihr Vater nach seiner Rückkehr seine Position im Senat festigen wollte, konnte sie sich schon vorstellen, verheiratet zu werden. Wie ihr Bruder das ganze aufnehmen würde war aber eine andere Sache. Vermutlich würde er dann nur noch mehr toben, wenn ihr Vater sie für so etwas einsetzte. Aber Flava hatte es auch nicht so eilig damit, sich verheiraten zu lassen. Sie wollte erstmal nur Priesterin sein, das war genug. Ein Mann verkomplizierte das ganze nur, falls dieser nicht wünschte, dass sie das fortführte.
    Nein, ich möchte Diana dienen, wenn es geht. Natürlich wäre ich auch glücklich, in den Dienst jeder anderen Gottheit gestellt zu werden, aber wenn es möglich ist und ich wählen kann, dann wähle ich Diana. Ich hoffe, es wird alles so funktionieren, wie wir uns das Wünschen, Marcus. Das wäre so schön.
    Flava bekam diesen träumerischen Ausdruck in den Augen und legte sich einfach ruhig ins Bett. Sie wünschte sich so sehr, dass es klappen würde. Sie träumte schon so lange davon.

  • Marcus konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen, dass im selben Augenblick in sein Gesicht trat. Seine Schwester sah richtig süß aus, wenn sie sich unnötig Sorgen machte oder in ihre Gedanken und Schwärmereien versank. Langsam hob er seine freie Hand und strich Flava zärtlich durch ihr wunderschönes langes Haar.


    "Macht dir keine Sorgen Schwesterherz. Es wird bestimmt alles so werden wie wir es uns wünschen. Dafür werde ich schon sorgen."


    Dann griff er nach ihrem Hinterkopf, schob seinen Körper etwas näher an ihren heran und drückte ihre Kopf zärtlich an seine Brust, um ihr das Gefühl von Geborgenheit und Liebe zu vermitteln. Auch er hatte im Moment ein sehr großes Bedürfnis danach und war froh, dass diese geschwisterlichen Zärtlichkeiten noch nie ein Thema zwischen den beiden war. Falva war ein wunderbarer Mensch und auch wenn Marcus es nicht immer gut hieß, dass sie unbedingt einer beruflichen Tätigkeit nachgehen wollte, würde sie bestimmt auch eine hervorragende Priesterin abgeben. Und im Cultus Deorum war sie bestimmt besser aufgehoben, als an so manch anderen Orten und Posten, die von den Frauen in letzter Zeit immer mehr für sich in Anspruch genommen wurden.

  • Ihr Bruder zog sie an sich und Flava kuschelte sich leicht an ihn. Körperliche Nähe zu ihm beruhigte sie immer, sie wusste auch nicht so genau, warum. Aber umgekehrt wusste sie, dass es genauso der Fall war. Wenn Flavus tobte und wütete, reichte eine Berührung von ihr meist schon aus, um ihn zu beruhigen. Leicht lag ihr Kopf an seiner Brust, und sie hörte seinen ruhigen Herzschlag, der ihr so vertraut war wie ihr eigener. Sie musste aufpassen, dass sie nicht einschlafen würde, denn sie wollte ja den Brief heute auf alle Fälle noch schreiben, sobald Flavus in sein Zimmer gegangen wäre.


    Ja, das wirst du. Das hast du schon immer.


    Flava streichelte ein wenig verträumt über Flavus’ Seite und ließ sich einen Moment einfach in Gedanken versinken. Sie selbst dachte sich nichts dabei, aber nach einer Weile schaltete sich ihr Verstand wieder soweit ein, dass ihr wieder einfiel, was andere darüber dachten. Wenn ein Sklave oder ein Verwandter hereinplatzen würde, würden diese die Umarmung des Geschwisterpaares womöglich anders interpretieren. Also löste sich Flava von ihrem Bruder und setzte sich wieder auf. So war es sicherer für sie beide, auch wenn sie beide wussten, dass ihre Umarmungen unbedenklich waren.
    Flava stand auf und ging wieder zu ihrem Stuhl am Tisch. Sie sollte wirklich den Brief noch schreiben, solange sie dazu den Mut noch hatte. Wenn Flavus noch eine Weile auf sie da einreden würde, würde sie sich vielleicht doch nicht mehr trauen. Und wer wusste schon, ob Meridius diesen Brief dann überhaupt mitnehmen würde?
    Und hast du heute noch irgendwas geplant, Brüderchen?

  • Das hatte Marcus tatsächlich. Er wollte sich über die Kursangebote in der Schola Atheniensis erkundigen. Eine gute Ausbildung in gewissen Themenbereichen vorweisen zu können, war bestimmt ein weiterer wichtiger Punkt, auf dem Weg zur angedachten Karriere. Er sah seiner Schwester hinterher, als sie sich erhob und wieder zurück zu ihrem Tisch ging. Wäre es nach ihm gegangen, hätte die Umarmung durchaus noch länger dauern können. Er merkte, dass er von der langen Reise nach Rom immer noch etwas geschafft war und wäre schon fast mit Flava in seinen Armen eingeschlafen.


    "Ich werde heute noch bei der Schola Atheniensis vorbeischauen und mir dort das Kursangebot ansehen. Vielleicht wäre es nicht schlecht den einen oder anderen Kurs zu besuchen und die abschließenden Prüfungen abzulegen. Und was wirst du tun?"

  • Flava strich leicht über die Schreibfeder und zuckte lächelnd mit den Schultern.
    Nun, ich wollte noch die Briefe fertig schreiben und mich dann ein wenig im Haus umsehen. Heute Abend hat uns Meridius ja zum Familienessen eingeladen, da will ich möglichst vorher schon die Gesichter auseinander halten können. Und natürlich muss ich auch angemessen dafür gekleidet sein.
    Sie wollte schließlich den besten Eindruck auf ihre neue Familie machen. Sie hoffte, das in der Schola würde bei ihrem Bruder nicht allzu lange dauern, sonst verspätete er sich noch zum Essen. Sie glaubte zwar nicht, dass das seinen Eindruck bei der Familie gleich ins Negative ziehen würde, aber es wäre zumindest kein optimaler Einstieg. Und Flava wollte doch so sehr, das alles klappte.
    Daher sollte sie sich auch an diesen Brief endlich machen, damit sie Meridius beim Abendessen auch gleich danach fragen konnte. Würde er ihn nicht mitnehmen, hätte sie ihn umsonst geschrieben. Aber wenn er sich bereit erklärte, wollte sie ihn schon fertig haben.

  • Stimmt – das Abendessen. Darauf hatte Marcus schon fast vergessen. Er war nicht besonders glücklich darüber, die Verwandtschaft so rasch kennen zu lernen, aber es wäre bestimmt auch sehr unklug gewesen, diese Einladung abzulehnen. Der junge Decimer würde es bestimmt nicht eilig haben sich in dieser illustren Runde einzufinden und plante auch schon mit ein nicht pünktlich zu erscheinen. Seiner Schwester wollte er jedoch noch nichts davon verraten, da es sonst nur unnötige Diskussionen gegeben hätte.


    "Also gut! Dann sehen wir uns spätestens heute Abend bei diesem Familienessen wieder."

  • Das hörte sich nach Abschied an, also stand Flava auch auf und wandte sich ihrem Bruder zu. Er hätte auch gerne noch länger bleiben können, aber wenn er noch vor dem Abendessen zur Schola wollte, musste er sich wohl ohnehin beeilen. So lange war es ja nicht mehr hin bis zum Essen. Also bekam Flavus noch zum Abschied einen geschwisterlichen Kuss auf die Wange, ehe er das Zimmer verließ, und Flava widmete sich ihrem Brief.


    Das Problem mit dem passenden Anfang hatte sie immer noch nicht gelöst, aber dennoch nahm sie die Feder in die Hand. Vielleicht war es das beste, einfach mal zu schreiben, was ihr in den Sinn kam, und später darüber nachdenken, ob sie es so lassen konnte? Den Brief neu schreiben und diesen hier wegwerfen konnte sie immer noch. Es war ja nicht so, als würde sie das in Marmor einmeißeln lassen.



    Lieber Vater,


    es ist seltsam für mich, diese Zeilen zu schreiben, wusste ich doch bis vor wenigen Monaten noch nichts von dir. Ich nehme an, du wirst ebenso überrascht sein, wenn Meridius oder Mattiacus dir von mir und meinem Bruder erzählen. Auch wenn du in dem Moment, in dem du diesen Brief erhalten wirst, viele Meilen von uns entfernt sein wirst, hoffe ich, dass diese Zeilen uns ein wenig näher bringen, bis ich dir gegenüberstehe.


    Ich weiß gar nicht so recht, wo ich beginnen soll. Vielleicht schreibe ich zunächst, was geschehen ist, denn ich weiß, dass meine Großeltern zu dir keinen Kontakt gehalten haben. Ich hoffe, du kannst ihnen vergeben. Sie sind gute Menschen und haben sich fürsorglich um meinen Bruder und mich gekümmert. Aber der Schmerz über den Verlust der geliebten Tochter ließ sie schweigen.
    Aemilia war schwanger, als sie nach Britannia aufbrach, nicht krank, wie vermutet wurde. Aber die Schwangerschaft verlief schwierig, und bei der Geburt gab es Komplikationen, weshalb sie letztendlich verstarb. Unsere Großeltern haben uns aufgezogen, ohne dir von unserer Geburt zu berichten. Ich bete zu den Göttern, sie mögen diese Tat vergeben, ebenso wie ich hoffe, dass du es ihnen vergeben kannst.
    Unsere Kindheit war schön, und es fehlte uns an nichts. Wir wussten zwar, wer unsere Mutter war, aber den Vater verrieten uns unsere Großeltern nicht. Verzeih mir, dass ich nicht früher danach gefragt habe. Dein Sohn, Marcus, genannt Flavus, aber war forscher als ich und hat oft gefragt. Schließlich vor einem halben Jahr in etwa haben unsere Großeltern seinem Fragen nachgegeben und uns deinen Namen genannt.
    Ich wollte dich gerne kennen lernen, und hoffe, du nimmst uns beide als deine Kinder auch an. Als wir hier in Rom ankamen, erfuhren wir, dass du vermisst bist. Ich werde jeden Tag zu Merkur beten, er möge dir einen Weg zurück zu uns zeigen. Dein Vetter Meridius nahm uns sofort herzlich auf, so dass wir hier auf deine Rückkehr warten werden. Ich danke ihm sehr dafür, dass er uns dies ermöglicht.


    In der Zwischenzeit werde ich mich zum Cultus Deorum begeben. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Priesterin der Diana zu werden, ebenso wie Mutter eine war. Ich hoffe, dies ist auch in deinem Sinne. Neben meinem Wunsch, dich kennen zu lernen, ist dies das einzige, was in meinem Herzen ist. Ich hoffe, ich kann diese Aufgabe so ehrenvoll wie meine Mutter bewältigen.


    Doch sicher möchtest du auch mehr von deinem Sohn erfahren. Flavus ist ein trefflicher junger Mann. Er ist stark, stolz, klug, ein wundervoller Bruder. Manchmal führt ihn sein Ehrgeiz etwas weiter, als es sein Ziel sein sollte, das möchte ich dir nicht verschweigen. Aber er ist der beste Bruder, den man sich nur wünschen kann. In seiner Nähe fühle ich mich mutiger und stärker, weil er verlässlich auf mich aufpasst. Meridius meinte in einem Gespräch vorhin, er hätte deinen Blick und dein Kinn geerbt.
    Verzeih, wenn er selbst hier keine Zeilen schreibt. Manchmal ist er dickköpfig und stur, aber ich weiß, dass er dich auch kennenlernen will. Ich nehme an, er fühlt Loyalität zu unseren Großeltern und sähe es als Verrat an ihnen, dich so ungeduldig zu begrüßen, wie ich es gerade tue. Ich hoffe, du kannst ihm das nachsehen. Wenn du ihn kennenlernst, wirst du sehen, was für ein wunderbarer Mann er geworden ist. Ohne ihn würde ich nun nicht hier auf dich warten und hoffen, dass du bald zurückkehrst.


    Es gibt so vieles, was ich dir gerne noch sagen würde, so vieles, was ich dich gerne Fragen möchte. Dieser Brief ist vermutlich nicht lang genug, und es gibt wohl auch nicht die richtigen Worte dafür. Ich bete, dass du bald heimkehren mögest, damit ich dir all das sagen kann, was in meinem Herzen ist.


    In Liebe
    Flava


  • Mit einem kleinen Lederbeutel in der Hand klopfte Marcus an die Zimmertüre seiner Schwester. Er hatte dem Verwalter des Alten ein wenig Kapital abgepresst, von dem nun natürlich auch seine Schwester profitieren sollte. Auch wenn die beiden Geschwister hier im Haus alles bekamen was sie brauchten, so war ein wenig eigenes Geld für kleine Anschaffungen nie schlecht. Um welchen Betrag es sich tatsächlich gehandelt hatte, wollte Marcus seiner Schwester selbstverständlich nicht mitteilen.


    "Flava? Bist du da?"

  • Zusammen mit einer Sklavin kümmerte sich Flava gerade um ihr langes Haar, als es anklopfte. Sie war schon drauf und dran, es zu ignorieren. Immerhin war die Haarpflege doch etwas sehr persönliches und Anliegen konnten sicher noch eine Weile warten. Abgesehen davon, dass es ja eigentlich ohnehin nichts geben sollte, wobei dringend ihre Meinung oder Anwesenheit benötigt würde.
    Aber auf der einen Seite war Flava viel zu anständig, um wirklich jemanden vor ihrer Türe warten zu lassen, und auf der anderen Seite erkannte sie auch gleich die Stimme ihres Bruders. Sie gab der Sklavin einen Wink, dass sie aufhören konnte, ihr Haar zu bürsten.
    Ja, komm herein.
    Dem Mädchen zugewandt flüsterte sie noch zu: „Komm bitte in einer halben Stunde wieder, dann machen wir mit den Haaren weiter.“ Die musste nicht nebenbei stehen bleiben, wenn sie und ihr Bruder sich unterhielten. Die Sklavin verbeugte sich leicht und ging dann zu der Tür hinaus, durch die ihr Bruder eintrat.

  • Als ihm eine junge hübsche Sklavin aus dem Zimmer seiner Schwester entgegen kam, die Marcus bisher noch nie im Haus wahrgenommen hatte, sah er zuerst der Sklavin hinterher bis sie hinter eine Ecke verschwand, ehe er sich seine Schwester zuwandte. Sie wurde sofort mit einem breiten Lächeln begrüßt und mit einem Kuss auf die Stirn, als er schließlich vor ihr stand.


    "Ich hoffe ich habe dich nicht gestört Schwesterherz."

  • Du störst mich nie, Bruderherz. Wir haben nur gerade ein wenig meine Haare gekämmt und frisiert, aber das hat auch Zeit. Was gibt es denn?
    Natürlich freute sich Flava immer, wenn ihr Bruder sie besuchen kam, da brauchte er nicht unbedingt einen Grund haben. Aber trotzdem fragte sie immer nach, weil ab und an gab es doch einen Grund.

  • Ihre Haare? Ach ja! Erst jetzt bemerkte Marcus, dass Flava ihre Haare heut anders trug als sonst. Männer hatten eben keinen Blick für solche Details – hatte er zumindest schon öfters aufgeschnappt. Er legte den Lederbeutel, den er bisher in der Hand gehalten hatte auf den Tisch und grinste seine Zwillingsschwester dann triumphierend an.


    "Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit dem Verwalter des Alten. Dabei konnte ich ihm ein paar Sesterzen entlocken, damit wir hier nicht ständig auf andere angewiesen sind sondern auch selbst ein wenig Kapital haben, dass wir ausgeben können. Hier hast du einmal 400 Sesterzen. Gib aber nicht alles auf einmal aus Schwesterherz und wenn du wieder etwas brauchst, dann sag mir einfach bescheid."


    Sim-Off:

    in der WISIM überwiesen

  • Dass er nicht einmal das Wort „Vater“ benutzen konnte? So schwer war es ja nicht, es hatte nur zwei kleine Silben. Aber Flava hatte schon aufgegeben, ihren Bruder da zu drängen. Lieber schaute sie, was in dem Beutel denn nun war.
    “Marcus! Das müssen… fünfzig.. neunzig… du bist verrückt.“
    Aber man konnte Flavas Stimme anhören, dass sie sich dennoch freute. Lächelnd stand sie auf und drückte ihren Bruder einmal.
    “Keine Sorge, ich werd schon sorgsam damit umgehen.“
    Flava war noch nie besonders verschwenderisch gewesen. Um genau zu sein, gab sie nur dann Geld aus, wenn es nötig war und sie etwas brauchte. Sie war sehr genügsam, was das betraf. Natürlich brauchte sie auch manchmal unbedingt eine neue Tunika oder ein neues Paar Schuhe oder ganz dringend eine Halskette mit einem Anhänger in Ährenform oder dergleichen, wie alle Mädchen nun mal. Aber im großen und ganzen war sie sparsam.

  • "Das ist gut so. Obwohl ich glaube der Alte hat genug davon und wir uns bei Bedarf wesentlich mehr rausholen können. Dieser Verwalter war recht schnell zu überzeugen."


    Er lächelte seine Schwester verschmitzt an und zwinkerte ihr zu. Es war eine wunderbare Vorstellung dem Alten das Geld aus den Taschen zu ziehen – vor allem wenn dieser es nicht einmal mitbekam. Dann wurde sein Grinsen noch breiter. Er ging vor seiner Schwester in die Hocke und nahm ihre Hand in die seine.


    "Und stell dir vor Schwesterherz. Ich habe einen Brief vom Consul erhalten. Nächste Woche soll ich vor dem Senat sprechen und dort meine Kandidatur für das Vigintivirat bekannt geben. Ist das nicht phantastisch?"

  • Das ist ja phantastisch! Oh, Marcus, das sind wirklich wunderbare Neuigkeiten!
    Freudestrahlend umarmte Flava ihren Bruder und drückte ihn einmal fest an sich. Aber nur kurz, immerhin war in dieser Position sein Kopf etwas unvorteilhaft bei ihr auf Brusthöhe und ihre Tür war nicht abgeschlossen. Und Flava achtete immer sehr darauf, was andere von ihr denken könnten. Gerade, da sie hier noch so neu waren.
    Hast du denn schon etwas passendes anzuziehen? Oh, und vielleicht solltest du auch vorher zum Barbier, dir die Haare ordentlich richten lassen.
    Das waren jetzt typische Frauensorgen, aber Flava wusste, wie wichtig ein perfektes Auftreten bei solchen Gelegenheiten war. Und sie wollte doch, dass ihrem Bruder die Welt zu Füßen lag.

  • Marcus konnte nicht behaupten, dass er sich nicht wohl zwischen Flavas Brüsten fühlte. Sie war seine Schwester – natürlich! Aber sie war auch eine äußerst attraktive junge Frau, die in der römischen Männerwelt bestimmt noch für so manche Aufregung sorgen würde. Für ihren Bruder war natürlich auch klar – jeder der an sie rann wollte, musste zuvor an ihm vorbei. Und das konnte für die meisten nur beim Medicus oder vielleicht sogar in der städtischen Leichenhalle enden. Denn obwohl er Flava selbst anziehend fand, hütete er sie schon seit Kindheit an wie seinen Augapfel. Er erwiderte ihre kurze Umarmung diesmal nicht, sondern ließ sich einfach von ihr drücken. Gleich darauf zauberte Flavas Frage ein leicht verhöhnendes Lächeln in sein Gesicht und er zog eine Augenbraue nach oben.


    "Es ist ja nicht so, als ob man sich aussuchen könnte, was man dort anzieht Flava. Jeder Kandidat für die Wahl in den Cursus Honorum hat bei seiner Anhörung vor dem Senat die Toga Candida zu tragen. Sie hat gänzlich weiß zu sein und lässt daher nicht viel Spielraum für modische Spielereien und Schnickschnack, wie es bei euch Frauen üblich ist."

  • Männer! Für die war eine weiße Toga wie die andere.
    Ja, schon, aber hast du denn schon eine? Ist sie auch wirklich ganz weiß? Ist der Saum anständig vernäht? Wie ist der Faltenwurf? Wieviele Falten hat sie? Muss sie gestärkt werden?
    Das war alles wichtig! Zumindest, wenn man einen perfekten Eindruck hinterlassen wollte. Dass Männer da aber auch manchmal absolut gar kein Gespür dafür zu haben schienen!
    Ich will doch, dass du dort perfekt auftreten kannst, wie ein Sieger, nicht wie ein Bettler.
    Nicht, dass ihm die Toga noch von der Schulter rutschte, weil eine Falte nicht so hielt, wie sie sollte, oder das Ding am Boden streifte oder ähnliche Katastrophen. Manchmal war ihr Bruder, so ambitioniert er auch sonst war, doch so hilflos und unerfahren wie ein kleines Kind. Aber zum Glück hatte er ja seine Schwester, die schon dafür sorgen würde, dass er perfekt gekleidet vorsprechen würde.

  • Das liebevolle Lächeln des jungen Mannes wurde breiter. Seine Schwester war wohl aufgeregter über diese wundervollen Nachrichten als er selbst. Er strich ihr mit seine Hand liebevoll über den Kopf.


    "Keine Sorge Schwesterherz. Ich werde heute Nachmittag eine Toga besorgen. Einen passenden Schneider habe ich mir bereits auf den Trajansmärkten ausgewählt. Ich bin mir sicher er wird eine hervorragende Toga Candida für mich anfertigen. Ich werde vermutlich wie ein Triumphator damit aussehen, aber für meine Zwecke wird sie bestimmt perfekt sein.


    Und natürlich werde ich mich vorher von dir genauestens Begutachten lassen. Schließlich kannst du am besten beurteilen was mir steht und was nicht."


    Wenn Flava wo ein sicheres Händchen hatte, dann in Sachen Kleidung und Mode. Bereits in Britannia sah sie immer bezaubernd aus und wusste genau, wie sie ihre weiblichen Reize zur Geltung brachte, ohne es dabei zu übertreiben oder gar gegen irgendwelche Sitten zu verstoßen. Wer konnte also ein besserer Berater sein als sie.

  • “Es könnte mich auch nichts davon abhalten, dir dabei zu helfen, Marcus. Und du darfst ruhig wie ein Triumphator aussehen, ich möchte doch, dass der Senat von dir genauso begeistert ist, wie ich.“
    Liebevoll lächelte Flava ihren Bruder an. Es war ein schönes Gefühl, dass sie ihm auch einmal bei etwas helfen konnte, und nicht immer nur umgekehrt. Sie fühlte sich im Allgemeinen ihm unterlegen und bedurfte seiner mehr, als er ihrer. Aber in solch seltenen Situationen konnte sie ihm helfen, und das genoss sie sichtlich. Dann fühlte sie sich gleich viel wertvoller als noch zuvor, und es tat ihr gut, ihm etwas Gutes zu tun.
    “Ich überlege, ob ich mir auch vielleicht ein oder zwei neue Tunicae schneidern lassen sollte, für meine Zeit als discipulus. Aber eigentlich habe ich noch so viele mitgenommen, und nicht, dass es zuviel wird. Ich bin mir noch ein wenig unschlüssig.“

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