Horti Lolliani - Schatten der Vergangenheit

  • Die Sonne näherte sich zunehmens dem westlichen Horizont und überzog die Stadt und das Italische Umland mit einen rosaroten Lichtschimmer.
    Tychicus schlenderte durch das kleine Wäldchen, das sich zwischen der Via Nomentana und der Via Tiburtina Vetus erstreckte. Man sollte gar nicht meinen, dass man sich hier schon innerhalb der Stadtmauern Romas befand, so idyllisch und friedlich war die Atmosphäre unter den Kronen Bäume.


    Ein weiterer harter Tag seiner Grundausbildung lag hinter dem Probatus der Cohortes Urbanae und Tychicus genoss die Ruhe, die er sich an diesem Abend gönnte.
    Er hing jedoch trüben Gedanken nach, wie er so durch den Wald schlenderte, denn die Einsamkeit, die ihn in der friedlichen Umgebung des Waldes überkam, kam nicht nur davon, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen war.
    Trotz der neuen Freunschaften, die der Rediviver inzwischen mit seinen Kameraden bei den Stadtkohorten geschlossen hatte, erfüllte ihn immer noch ein Gefühl der Leere, etwas, das sich schwer verdrängen ließ und schon gar nicht die Hoffnung zuließ, dass es nur ein vorübergehendes, vergängliches Gefühl war.
    Eine Welt war für Tychicus untergegangen, unweigerlich verloren - und doch nicht vergessen.


    Mit hängendem Kopf ließ sich Tychicus am Fuß einer riesigen Kiefer in das weiche Gras sinken, legte den Kopf in den Nacken und beobachtete, wie das Licht des Tages langsam vom östlichen Himmel verschwand und die ersten Sterne sich am dunkelnden Horizont zeigten. Die Vögel des Tages verstummten einer nach dem anderen, und wie ein schemenhafter, schwarzer Fleck am Himmel huschte eine Fledermaus durch die Baumkronen, auf der Suche nach Beute.


    Jeder andere hätte nichts als Glück empfunden angesichts dieses friedlichen Idylls, doch der junge Mann, der reglos am Stamm des Baumes lehnte, hatte keinen Sinn für solcherlei Dinge - jedenfalls im Augenblick nicht.


    Sim-Off:

    Frei für jeden, der mag :)

  • Es war schon spät am Abend, als Stellas Arbeitstag zu Ende ging. Und sie wollte so schnell wie möglich nach Hause,
    denn sie war sehr müde und hatte großen Hunger.
    So entschloss sie sich den kürzesten Weg durch die Horti Lolliani zu nehmen, denn so konnte sie schnell die Via
    Nomentana erreichen, wo sich die Casa Sergia befand.


    Ihre zwei Sklaven trugen die Fackeln und beleuchteten diesen schmalen Weg, denn es war schon dunkel und finster
    in diesem abendlichen Wäldchen.... Aber die Stille und Einsamkeit und die klare, würzige Luft machten diesen kleinen
    Spaziergang zum puren Vergnügen... . Stella entspannte sich langsam und genoss das Wunder der Abendstimmung.
    Sie sah durch Zweige und Äste die Sterne am Himmel glänzen und achtete nicht darauf, wo sie hintrat. Sie stolperte
    und ist fast umgefallen, aber Stella war eine spartanische und sehr sportliche junge Frau, sie behielt ihr Gleichgewicht
    und blieb stehen, aber die fünf Schriftrollenbehälter, die sie in ihren Händen hielt, fallen alle zu Boden. Nun stand sie
    da und versuchte die Rollen ausfindig zu machen. Der treue Sklave Nestor bemerkte sofort diese Panne und hielt die
    brennende Fackel hoch, inzwischen machte sich der zweite Sklave auf der Suche nach diesen Kostbarkeiten. Nach
    einer Weile wurden die vier Rollen gefunden, aber wo blieb die Fünfte? Stella sah sich noch mal um und zeigte Nestor
    auf einen riesigen Baum, vielleicht lag ihre Rolle da. Als Nestor mit der Fackel den Baum beleuchtete, erblickte Stella
    unter diesem Baum einen Mann, der einfach da saß und nach oben guckte .... . Nach einem ersten, kleinen Schreck
    fragte sich Stella, ob der Mann möglicherweise verletzt war oder sogar schon tot ...? Sie versteckte sich hinter dem
    Rücken von Nestor und fragte den Mann sehr vorsichtig und leise:


    "Verzeih bitte, brauchst Du vielleicht Hilfe?..."

  • Tod.
    Tot sein.
    Ein Ende für immer.
    Und Leere hinterlassen
    bei denen, die liebten...
    Aber was war mit den gehassten, den unbeliebten, den Verbrechern, Verrätern?
    Denjenigen, die von niemanden geliebt, von niemandem gemocht worden waren?
    Stimmte es denn, was die Philosophen, die Priester, all diese weisen Männer sagten? Dass der Tod nur eine der vielen Hürden ist, die man im Leben nehmen muss? Dass es weitergeht danach - irgendwie?
    Aber was interessierte ihn jetzt schon, wie es den Toten ging... Er saß hier an einem Baum, in der hereinbrechenden Nacht, mit einer Schriftrolle direkt neben seinen ausgestreckten Beinen.
    Moment.
    Eine Schriftrolle?!


    Erschreckt fuhr Tychicus aus seinen dunklen Gedanken hoch, richtete sich auf, noch etwas wacklig auf den Beinen, und überlegte, was die Frauenstimme da gesagt hatte.
    Es war eine junge Frau, die sich ängstlich hinter einem ihrer zwei Sklaven versteckte.
    Hilfe?


    "Nein, danke, ich brauche keine Hilfe. Verzeiht, wenn ich euch erschreckt habe. Ich habe irgendwie die Zeit vergessen... Es ist ja schon richtig dunkel..."


    Was auch stimmte, Tychicus war selbst überrascht, wie dunkel es schon geworden war, und er bereute sofort, sich keine Fackel oder Lampe von der Castra mitgenommen zu haben.

  • Stella seufzte erleichtert. Der Mann war nicht tot und nicht einmal verletzt ... . Vermutlich hat er einfach mit offenen Augen
    geschlafen. Er stand auf, wackelte etwas und sprach zu Stella mit einer angenehmen Stimme. Sie sah nun, dass von ihm
    keine Gefahr ausging, verließ ihr Versteck und lächelte ihn freundlich an


    "Bitte, verzeih mir, dass wir Dich geweckt haben, aber es ist nicht ungefährlich zu dieser späten Stunde im Wald zu sein"


    In dem Moment sah sie auch ihre verlorene Rolle und war nun darüber überglücklich


    "Ach, meine Rolle, die haben wir verzweifelt gesucht, Nestor, nimm nun dieses kostbares Schriftstück und gib es mir,
    sofort ....."


    Da hatte Stella nun alle ihre Rollen und konnte ihren Weg nach Hause fortsetzen, blickte noch mal den Mann an und sah
    sich dann um,


    "Ja, es ist schon sehr dunkel geworden, wenn Du kein Licht hast, kann ich Dir eine Fackel geben, wir kommen auch
    mit einer Fackel zurecht und die Strasse ist ja nicht mehr weit ..."

  • Hatte er wirklich geschlafen?
    Es war Tychicus nicht so vorgekommen. Was allerdings nichts zu sagen hatte, denn oft genug kam es vor, dass er totmüde abends ins Bett sank, am nächsten Morgen wieder aufwachte und das Gefühl hatte, als hätte er gerade erst die Augen zu gemacht.


    "Eine Fackel! Das ist wirklich sehr freundlich von euch!",
    freute sich der Rediviver.
    Dann runzlete er die Stirn.
    Er sah die Schriftrollenbehälter in der Hand des einen Sklaven und hörte die Worte der jungen Frau, dass sie es auch nicht mehr weit habe bis nach Hause.


    "Habt ihr etwa ein Amt in der Schola Atheniensis inne, in der Bibliotheca oder etwas ähnliches?"


    Alte Erinnerungen wurden in ihm wach, diesmal waren es (überraschenderweise) gute. Als Junge und Jugendlicher hatte er das Lesen geliebt, er hatte alles verschlungen, was er zuhause in die Hände bekommen hatte, von den Satiren des Horaz über Geschichten des Ovid bis hin zu älteren Texten von Cicero oder sogar Caesar.


    Er bedauerte es, dass es bereits so spät am Tage war und keine große Zeit mehr blieb, um sich ausführlich zu unterhalten...

  • Nachdem Stella alle Rollen wieder in ihren Händen hatte, entspannte sie sich und konnte nun im Licht der Fackeln den
    Mann zum ersten Mal genau ansehen. Er war noch sehr jung und trug eine Uniform, die sie nicht identifizieren konnte,
    ehrlich gesagt hatte sie keine Ahnung von Militär. Aber auf jeden Fall war er ein Soldat, das konnte sie schon erkennen.
    Und er freute sich, wie ein Kind über die Fackel.


    "Ja, Du kannst die Fackel natürlich haben, sonst verirrst Du Dich noch in diesem Wäldchen ..., es gab schon
    solche Fälle ..."


    und sie seufzte schwer, erzählte aber die grausige Geschichte nicht weiter ... und wechselte gerne das Thema,


    "Oh ja, so etwas ähnliches ... :)


    Übrigens, ich bin Furia Stella, und bin Curator Libris Scholae Atheniensis, ich verwalte da unsere
    Bibliotheca ..."


    sagte Stella nicht ohne Stolz und lächelte dabei bescheiden

  • "Curator Libris?" ,
    Tychicus staunte nicht schlecht und nickte dem Sklaven dankbar zu, der ihm jetzt seine Fackel reichte.
    "Und Verwalterin der Bibliotheca! Wie kommt man in so jungen Jahren schon zu einem solchen Amt?"


    Natürlich durch einflussreiche Freunde oder einen guten Ruf, beantwortete Tychicus sich die Frage selbst, aber er wartete trotzdem gespannt auf die Antwort von Furia Stella.
    Dann fiel ihm ein, dass er seine Vortstellung versäumt hatte und fügte hinzu:
    "Mein Name ist übrigens Redivivus Tychicus, ich bin Probatus bei den Cohortes Urbanae. Ich bin erst in meiner Grundausbildung, denn ich bin erst vor kurzem nach Roma gekommen."

  • Stella lächelte verlegen und senkte ihren Blick, dann schaute sie den jungen Mann wieder an und ihre Augen glänzten
    im Licht der Fackeln


    "... Nun, ich habe das Bibliothekswesen studiert, ... und auch die Sprachen. Die Bücher sind meine Leidenschaft,
    ohne die kann ich gar nicht leben ..."


    Und sie streichelte liebevoll ihre Rollen, da fiel ihr ein, dass sie noch heute diese Schriften korrigieren sollte und wurde
    unruhig, denn es war schon sehr spät und sie hatte noch viel zu tun ... Sie war aber eine gut erzogene junge Frau und
    sprach höflich zu dem jungen Mann


    "Es freut mich, Dich kennen zu lernen, Tychicus, wie lange dauert denn Deine Ausbildung? Und, entschuldige
    bitte die Frage: Woher kommst Du?"

  • "Wie lange?",
    Tychicus runzelte die Stirn,
    "Das weiß ich selbst gar nicht genau... wahrscheinlich so lange, bis man findet, dass ich den Rang des Miles verdiene."


    Jetzt kam es. Woher kam er. Düstere Wolken schienen sich über sein Gemüt zu ziehen, sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich entsprechend.


    "Ich wurde... ich Tarraco, in Hispania geboren. Als meine...meine Mutter starb, zogen mein Vater und ich nach Confluentes, nach Germania. Dann... dann starb auch mein Vater... und ich kam später - vor kurzem - hier nach Roma. Um das Vergessen und ein neues Leben zu suchen."


    Auf einmal fühlte er sich schrecklich müde und hatte jegliche Lust an einem Gespräch verloren. Er räusperte sich und fuhr dann gefasster fort:
    "Verzeih, es war wirklich nett, dich zu treffen Stella und wir können das gerne wiederholen, wenn du mir sagst, wo ich dich antreffen kann, aber ist wirklich schon spät und morgen wartet wieder ein anstrengender Tag auf mich. Ich muss gehen."


    Er hoffte, dass die junge Frau ihm seinen Gefühlsumschwung nicht übel nahm, aber er wollte einfach nur noch in sein Bett und ein wenig allein sein...

  • Stella sah nur, was sie mit ihrer Frage angerichtet hatte, aber woher sollte sie über das tragische Schicksal seiner
    Familie wissen? ... Sie wollte nur höflich sein ... Es betrübte sie sehr und sie sah Tychicus mitfühlend an,


    "Es tut mir leid, Tychicus, natürlich verstehe ich, dass Du nun gehen möchtest ... Vergiss bloß nicht die Fackel
    und pass unterwegs bitte gut auf dich auf ..."


    In seinem Zustand konnte er sich auch womöglich im Wald verirren, aber sie konnte nichts mehr für ihn tun, er hat
    nun die Fackel und die Strasse ist auch nicht weit weg, es wird ihm schon nichts passieren,... hat Stella sich selbst
    beruhigt ...


    " ... Vale bene, Tychicus, mögen die Götter Dich beschützen .., und es wird mich freuen, Dich wiederzusehen,
    in der Schola, in meinem Officium, da kannst Du mich immer antreffen ..."


    Mit diesen Worten verabschiedete sich Stella von Tychicus und ging schnell mit ihren Sklaven nach Hause.

  • Tychicus nickte müde und brachte sogar ein Lächeln zustande, als Stella ihr Verständnis für seine Reaktion bekundete.


    "Vale, und gute Nacht",
    verabschiedete er sich,
    "Und noch einmal vielen Dank für die Fackel!"


    Ohne das Licht hätte er sich um diese Zeit wohl wirklich hoffnungslos im Wald verirrt. Er war noch längst nicht lange genug in der Stadt, um auch nur die Straßen und Insulae nahe der Castra so gut zu kennen, dass er sich auch in schwarzer Finsternis zurechtifinden konnte.


    Raschen Schrittes entfernte er sich in die entgegengesetzte Richtung, zur Castra hin.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!