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~~Saba~~
Saba hatte kein Grund zur Klage. Sie hatte alles, wovon andere ihrer Artgenossen nur träumen konnten. Bei ihrer flavischen Herrin lebte sie vollkommen sorgenfrei im Luxus, so wie es die Tempelkatzen in ihrer alten Heimat auch tagein tagaus taten. Täglich servierte man ihr auf einem silbernen Tellerchen ein frisches schmackhaftes Mahl. Ein Sklave war speziell für ihre Fellpflege herangezogen worden und die Flavia hatte ihr ein goldenes, mit Lapislazuli besetztes Halsband angelegt, das sie nun jeden Tag trug. Wenn ihre Herrin sie auf ihre Ausflüge in die Stadt mitnahm, befestigte man eine feine Lederleine an dem Halsband, damit die Katze nicht verloren ging.
Doch einer Sache trauerte Saba nach. Das, was jede Katze liebte, blieb ihr verwehrt. Nach draußen gehen, im Garten umherschleichen und entdecken, was es für eine Katze dort zu beschnuppern gab, auf Bäume klettern und ihren Jagdtrieb ausleben, all das für sie tabu. Ihr Reich beschränkte sich lediglich auf das cubiculum der Flavia Celerina und wehe, einer der Sklaven, der darin zu tun hatte, achtete nicht peinlichst genau darauf, jeden Fluchtversuch der Katze zu unterbinden. Die Flavia konnte dann sehr ungemütlich werden!
Heute schien allerdings Sabas Glückstag zu sein. Ausgerechnet die Flavia selbst war es, die unachtsam war und Saba unbemerkt entwischen ließ. Saba nutzte ihre Chance und huschte nach draußen auf den Flur, dann schlich sie sich auf ihren weichen Samtpfoten die Treppe hinunter, sah sich um. Als die Luft rein war, huschte sie mit einem Satz hinaus in den Garten. Dort vor ihr lag ein wahres Paradies für Katzen, das keinen Wunsch unerfüllt ließ! All die Gerüche, das viele grüne Gras, die hohen Bäume und die Vögel und Mäuse, die hier ihr Zuhause hatten, lagen hier zu ihren Pfoten. Unglaublich, es war, wie im Traum! Nach Herzenslust stromerte sie durch den Garten und beschnupperte alles, was sie auf ihrem Weg sah. Dann, aus einer Laune heraus, die Katzen manchmal zu Eigen war, begann sie wie wild zu rennen. Sie sprang mit einem Satz über ein Blumenbeet und blieb schließlich vor einem hohen Baum, mit einer rauen Rinde stehen. Hier hatte sie das plötzliche Bedürfnis, ihre Krallen zu schärfen und das tat sie dann auch ausgiebig. Ach, das war ein Gefühl! Endlich durfte sie wieder Katze sein! Sie war so verzückt, daß ihr ein Schauer über ihre Rücken lief. Eine unbändige Lust durchfuhr sie und mit einem Satz kletterte sie den Baum hinauf, bis zu den obersten Zweigen. Dort verharrte sie und ließ sich den Wind um ihr zartes Näschen wehen. Von hier aus konnte man unglaublich weit schauen. Sie sah die Vögel, die zwischen den Bäumen umher flogen und die Bienen und Schmetterlinge, die im Blütenmeer der Rosenbeete tanzten. Als sie plötzlich merkte, wie allmählich der Zweig nachgab, wollte sie wieder umkehren. Doch einen Baum wieder hinunterzuklettern war eine weitaus schwierige Angelegenheit und erschwerend kam noch hinzu, daß Saba damit noch keinerlei Erfahrung gesammelt hatte. Das dumpfe Gefühl der Angst befiel sie. Nur nicht mehr bewegen! So verharrte sie angespannt in der Krone des Baumes und nur ihr klagendes Maaaauuu kündete davon, daß es eine Katze war, die da im Baum gefangen saß.