cubiculum Laevina | Ein Wolf im Schafspelz?

  • Auch wenn ich bei Laevinas Ankunft nicht hatte zugegen sein können, so hatte mich dennoch die Kunde von ihrer Ankunft erreicht, als ich heimgekehrt war. Doch gleichsam war mir berichtet worden, dass die Aurelierin, müde und ausgelaugt von der Reise, erst einmal ein Bad genommen und sich danach zurückgezogen hatte. Ich hatte sie nicht wecken wollen, und so hatte ich auf den Besuch verzichtet mit der Absicht, sie gleich am nächsten Morgen nach dem Klientenempfang zu besuchen.


    Es waren mehr Anliegen als sonst gewesen heute, sodass es beinahe Mittag war, als ich endlich die Zeit fand, Laevina aufzusuchen. Ein Sklave, den ich nach ihr gefragt hatte, wusste nichts über ihren Aufenthaltsort, sagte mir aber, dass er nicht glaubte, sie habe ihr Zimmer verlassen. Also versuchte ich dort mein Glück, indem ich anklopfte. "Laevina?" fragte ich durch das Holz. So einiges hatte ich mir ausgemalt, wie sie wohl sein musste. Insgeheim wünschte ich mir eine zweite Prisca, sanftmütig und so liebenswert, denn wenn ich meine Nichte nun schon an meinen besten Freund verlor, so würde mir dann doch wenigstens Laevina bleiben. Aller Rationalität zum Trotze hoffte ich, dass es wahrhaftig so sein würde, ich ein Lämmchen vorfinden würde. Und doch... War nicht auch Prisca damals anders gewesen? All das Grübeln half nichts. "Bist du da?"

  • Wie Ursus... oder war es Orestes gewesen? - vorausgesagt hatte, hatte auch mein festes Bett an Land erheblich geschwankt. Dennoch war ich ziemlich schnell eingeschlafen und hatte tief und traumlos geschlafen. Manchmal hatte ich in den letzten Nächten von meinem Vater geträumt, doch hier in Rom, nach meinem Neuanfang verschwendete ich meine Nächte nicht mehr daran.
    Als ich morgens aufwachte, vielleicht durch die Sonne die durch das kleine Fenster schien, vielleicht durch die Geräusche des Hauses, war es schon recht spät, zumindest schätzte ich das angesichts der Sonne und der Lebendigkeit. Hier war also doch ein bisschen etwas los, gestern abend war es mir fast ein wenig zu still vorgekommen.
    Ich blieb noch eine Weile liegen, überlegte, was ich heute machen würde, kam aber zu keinem Schluss und entschied schliesslich, liegen zu bleiben, bis jemand an mich dachte oder mir etwas zu essen bringen würde. Andererseits wollte ich das Haus erkunden, doch das machte man wohl in meinem Alter nicht mehr... Wie auch immer, nach einer langen Zeit, wie es mir vorkam, klopfte es an meine Tür. Sofort sprang ich erschrocken auf, als ich meinen Namen hörte. Ich sagte nichts und warf mir so schnell es ging und so ordentlich es ging eine palla über mein dünnes Unterkleid. Dann ordnete ich mein Haar - es war ein Mann an der Tür. Es war zwar nicht Ursus aber auch sicher kein Sklave. Schliesslich musste ich mich mit meinem Erscheinungsbild zufrieden geben und während ich mich aufrecht auf mein Bett setzte, damit ich nicht dämlich im Raum rumstünde, sagte ich: "Ja, herein!??" und wartete, wer wohl eintreten würde.

  • Es verging noch eine geraume Weile, in der ich mit mir und meinen Gedanken vor der Tür wartend allein war. Schon zweifelte ich daran, ob Laevina tatsächlich in ihrem Zimmer war, doch da hörte ich schnelle Schritte und geduldete mich noch einen Augenblick länger. Kurz darauf wurde meine Geduld belohnt und ich hineingebeten. Ich trat also ein.


    Der Geruch des Schlafes hing noch im Zimmer wie Parfum nach einer angenehmen Nacht. Mein Blick fiel augenblicklich auf Laevina, die ein wenig zerstrubbelt auf ihrem Bett saß. Sicherlich hatte sie bis eben darin gelegen und wollte sich nur nicht die Blöße geben, mich im Schlafgewand zu empfangen. Ich lächelte sie an. "Guten...nun ja, Tag, junge Dame", begrüßte ich sie und ging zuerst zum Fenster hinüber, dessen Flügel ich weit öffnete, um die herrliche Luft hereinzulassen, die der kühlere Tag mit sich gebracht hatte. Dann wandte ich mich um und ging zu Laevina, um mich neben ihr auf die Bettkante zu setzen. "Ich hoffe doch, dass du gut geschlafen hast? Wie war deine erste Nacht in Rom?" Erneut lächelte ich sie an. Dass sie vielleicht nicht ahnte, wer ich war, dieser Gedanke kam mir gar nicht, und so fuhr ich einfach fort. "Verzeih mir, dass ich dich nicht gestern schon begrüßt habe, aber als ich nach Hause kam, hast du vermutlich schon geschlafen. Wie war die Reise?"

  • Der Mann betrat den Raum und wünschte mir einen guten Tag. So spät war es auch wieder nicht. Sodann öffnete er das Fenster. Die Luft war wirklich angenehm und half mir ein wenig beim Aufwachen. Spätestens als er sich neben mich auf´s Bett setzte war ich mir sicher, dass es Corvinus sein musste. Sonst würde er das nicht wagen. Davon ging ich wenigstens aus. Ich lächelte freundlich zurück. "Danke! Ich habe sehr gut geschlafen. Es war sehr erholsam, wieder auf dem Land zu schlafen. Die Reise... war nicht besonders schön, aber ich glaube für eine Seereise ist sie ganz gut verlaufen." Dann fügte ich aus Neugierde hinzu: "Wo warst Du gestern Abend bis so spät abends?" Schliesslich fiel mir auf, dass das auch eine sehr unhöfliche Frage sein konnte, doch nun war es eh heraus, also schaute ich den Mann, den ich für meinen Vormund hielt in die Augen und musterte ihn nebenbei möglichst unauffällig. Er sah auch nicht schlecht aus und war nur ein paar Jahre älter als die beiden Männer, die ich gestern kennen gelernt hatte. Das schien ein richtiger Männerhaushalt zu sein...

  • Eben noch ein Lächeln auf den Lippen, war ich im nächsten Moment irritiert darüber, dass sie mich fragte, wo ich denn so spät noch gewesen sei. Ich entschloss mich für die Ablenkungstaktik. "Amtsgeschäfte. Sie würden dich nur langweilen. Aber sag, du bist nicht gern auf See? Ich mag den Geruch des Meeres und das Wiegen der Wellen. Gerade vor ein paar Wochen habe ich den Bau eines eigenen Schiffes in Auftrag gegeben", sagte ich also, und mit dem ersten Teil hatte ich nicht einmal gelogen. Die halbe Nacht hatten wir im Büro des Aedilen verbracht und Akten gewälzt.


    Inzwischen grinste ich und stupste Laevina in die Seite. "So, dann wirst du jetzt also eine Weile hierbleiben. Ich freue mich darüber, wir haben uns ja bisher nicht recht kennenlernen können. Allerdings", und dabei sah ich sie möglichst ernst an, auch wenn ich das Grinsen nicht unterdrücken konnte, "müssen wir an deinen Aufstehgewohnheiten noch etwas feilen. Es ist nach Mittag. Für heute aber will ich nichts sagen, du musst dich schließlich von der Reise erholen." Ich zwinkerte ihr zu und erhob mich wieder. Laevinas Gepäck war noch nicht vollständig ausgepackt. "Wenn du etwas brauchst, kannst du dich an jeden wenden, der dir über den Weg läuft. Hast du schon ge... Nun gut, für Frühstück ist es vermutlich ohnehin zu spät, aber hast du heute schon etwas gegessen?" fragte ich sie.

  • Kurz verschwand sein Lächeln, doch bald war es wieder da und ich musste mir keine tieferen Gedanken machen, wieso es kurz verschwunden war. Amtsgeschäfte?? Ja, es war sehr wahrscheinlich, dass die mich langweilen würden. So nickte ich auch lächelnd. Ein eigenes Schiff?? Wofür das denn?? Wer konnte das wollen? Ich antwortete irritiert und ich fürchte leicht verächtlich: "Nein, das Meer ist mir gruselig und auch der Geruch reizt mich nicht. Willst Du Handel betreiben mit Deinem Schiff??" Er stupste mir in die Seite. Erst war ich durchaus sehr verwirrt. Das hatte man schon seit Jahren nicht mehr mit mir gemacht. Doch vielleicht würde ich mich daran gewöhnen können oder müssen - oder dürfen? Wie auch immer, ich beschloss, dass es mir gefiel, von ihm berührt zu werden, auch wenn es ungewohnt war und so lachte ich. Bisher hatten wir uns natürlich noch nicht kennengelernt, ich war ja auch erst einen Tag hier. Sein Grinsen unterdrückend versuchte er mich wegen des Aufstehens zu ermahnen. "Es tut mir sehr Leid!", sagte ich mit gesenktem Blick und gespieltem Schuldbewusstsein. "Es wird nicht wieder vorkommen!" Dann richtete ich den Blick wieder auf und schaute ihm vergnügt in die Augen: "Ich habe auch viel zu viel zu entdecken hier in Rom! Ich sagte gestern schon zu Ursus, ich hoffe, jemand zeigt mir die Stadt!"
    Schliesslich fragte er mich nach dem Essen. Ich hatte wie üblich keinen Hunger und hielt es auch nicht für nötig etwas zu mir zu nehmen.
    So schüttelte ich zweimal den Kopf. Ich hatte nichts gegessen, wollte auch nichts. Ich musterte Corvinus von der Seite. Er war mir symphatisch, das waren mir nicht viele und natürlich war das ganz praktisch, bei meinem künftigen Vormund. Bald würde ich herausfinden, ob er auch freigiebig war. Für mich ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Charakterprüfung...
    Für den Moment aber freute ich mich, dass er so freundlich war.

  • "Handel?" echote ich verwundert und schüttelte dann schmunzelnd den Kopf. "Nein, Laevina. Unsere Wurzeln mögen im Handel liegen, aber es ist nicht üblich, dass Patrizier Handel betreiben. Wir besitzen zwar einiges an Gütern, beispielsweise einen Olivenhain und diverse Tierzuchten, doch kümmern sich Bedienstete um den Vertrieb und derlei. Ich lasse eine Zweimast corbita bauen. Sie wird nur der Vergnügung dienen."


    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musterte das Mädchen. Vor kurzem hatte ich eine Einladung von Tiberius Durus erhalten. Ob ich Laevina mitnehmen sollte? Nun, zuerst sollte ich vielleicht herausfinden, ob noch andere Frauen kommen würden, damit sie sich nicht langweilte. Es würde später noch Zeit sein, sie zu fragen. Kaum entschuldigte sie sich, da blitzte der Schalk in meinen Augen und ich musste lachen. Sie war eine Frau nach meinem Geschmack, und sie schien Humor zu haben. Eine sehr gute Voraussetzung, fand ich. Das würde einiges leichter machen, angefangen beim Zusammenwohnen und endend bei der Suche nach einem geeigneten Ehemann. "Rom ist groß. Du wirst es an einem Tag wohl kaum erkunden können, vielmehr wirst du Wochen brauchen, ehe du alles gesehen haben wirst. Aber Laevina", sagte ich und sah sie ernst an. "Tu mir bitte einen Gefallen und geh nicht allein hinaus. Ich möchte, dass dich stets einige Sklaven begleiten, wenn du das Haus verlässt. Wende dich einfach an Brix, er ist der maiordomus und wird dir weiterhelfen können bei der geeigneten Wahl." Ich fuhr mit mit der Hand über den Nacken. "Ich werde dir vermutlich nicht viel zeigen können, gerade derzeit habe ich sehr viel zu tun. Du könntest dich aber an Prisca wenden, meine Nichte. Sie ist schon eine ganze Weile hier und kennt sich gut aus in der Stadt. Oder du fragst Orestes. Ursus wird vermutlich zuviel zu tun haben, immerhin wurde er gerade zum quaestor gewählt. Minervina täte es auch gut, auf andere Gedanken zu kommen...wie wirkt mir in letzter Zeit sehr frustriert. Vielleicht tut euch beiden eine gemeinsame Erkundung ganz gut. Und dann wäre da noch Avianus, den du fragen könntest. Ansonsten steht dir natürlich die Möglichkeit offen, Rom auch allein zu erkunden."


    Leider schüttelte Laevina den Kopf, als ich sie nach etwas zu essen fragte. "Ah, schade, ich hätte dich sonst gefragt, ob du nicht mitkommen möchtest, ich habe mir nämlich ein wenig zu essen auf die Terrasse bestellt", erwiderte ich und zwinkerte ihr zu.

  • Ja, sicher, das war nicht besonders schlau von mir gewesen, dass Patrizier keinen Handel trieben, wusste ich. Naja. Ein Schiff nur zum Vergnügen?? Sehr zweifelnd schaute ich Corvinus an und es schüttelte mich etwas. Nein, freiwillig würde ich auf dem Boot keine Zeit verbringen.
    Oh, er zählte die Leute auf, mit denen ich Rom erkunden könnte. Das war interessant. Ich würde sie sicherlich bald alle kennenlernen und ich freute mich tatsächlich schon darauf. Doch Ursus hatte keine Zeit... Corvinus hatte keine Zeit... Die interessanten Männer waren beschäftigt. Aber Rom war gross, wie er richtig bemerkt hatte, es gab sicher noch andere.
    "Ich weiss ja was sich gehört!", versicherte ich ihm energisch kopfnickend, aber etwas naiv. Dann viel mir auf, dass ich nicht mehr in Griechenland war sondern in DER Stadt. Es ging ihm sicherlich um meine Sicherheit noch vielmehr als um den Anstand. Also fügte ich hinzu: "Es wäre ja auch sehr leichtsinnig von mir, mich der Gefahr einfach so auszusetzen...". Leichtsinnig... Nunja, das war ich manchmal auch, aber ich hatte im Augenblick zumindest wirklich nicht vor, alleine in die Stadt zu gehen.
    Aber es wäre doch wichtig, dass ich einen eigenen Sklaven hätte, dieser könnte mich dann immer begleiten. Es klang hoffentlich nicht zu forsch, als ich Corvinus darauf ansprach. "Gibt es einen Sklaven, der sich um mich kümmert oder mich begleiten würde? Oder gibt es nur Haussklaven?"
    Ich hatte nicht viel Hunger, aber so ein freundliches Angebot wollte ich auch nicht ausschlagen und da Corvinus sagte, er sei sowieso sehr beschäftigt, nickte ich etwas verlegen. "Nun ja. Ich hab´s mir nochmal überlegt, ich würde sehr gerne mit dir etwas im Garten sitzen! Viel Appetit habe ich nie, aber eine Kleinigkeit täte mir sicherlich trotzdem gut."

  • Laevinia wurde mit einem nachsichtigen Schmunzeln bedacht. Immerhin war es ihre erste Nacht hier gewesen, und mein Tadel war ja zudem nur halbherzig vorgebracht. Ihren Kommentar die Sklaven betreffend nahm ich zunächst mit einem Stirnrunzeln auf, doch ehe ich deutlicher machen konnte, dass es mir vielmehr um ihre Sicherheit ging als um alles andere - wobei das andere natürlich ebensowenig zu missachten war - erriet sie es bereits selbst. Ich nickte demnach also nur noch einmal bekräftigend.


    "Nun", erwiderte ich auf die Frage nach einem Leibsklaven hin. "Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht erwartet, dass du allein ankommst." Ein prüfender Blick ruhte auf Laevina, ich war heute schließlich nur wenigen Sklaven begegnet, und vielleicht hatte sie tatsächlich welche aus Griechenland mitgebracht, ohne dass ich davon wusste. "Du bist doch nicht allein gekommen?" hakte ich dennoch noch einmal nach. "Nun denn, aber ich hatte ohnehin darüber nachgedacht, die eine Sklavin an die Seite zu stellen. Sie ist ein wenig jünger als du, aber ich denke, ihr werdet gut miteinander auskommen", erwiderte ich. "Später ist Zeit, sie dir vorzustellen. Aber jetzt lass uns erst einmal hinausgehen. Das heißt, ich werde schon vorausgehen und du kommst nach, wenn du fertig bist - aber wehe dir, du vergisst mich da draußen", witzelte ich und grinste sie an. Ich ging davon aus, dass Laevina sich zumindest noch ankleiden lassen wollte, und da ich ohnehin noch stand, begab ich mich daraufhin gemächlich zur Tür und ging hinaus.



    Draußen war es ein goldener Herbstanfangstag. Mit viel Enthusiasmus konnte man ihn auch noch als kühlen Spätsommertag bezeichnen. Ich saß in der Sonne und trank Saft. Mit dem Essen wollte ich warten, bis Laevina fertig war und zu mir stieß. Drei Sklaven wuselten herum und würden Essen und Getränke anreichen, wenn jemand es wünschte.

  • Oh, ich freute mich. Ich liebte es, Geschenke zu kriegen!! Und das war ja wohl so, eine eigene Leibsklavin zu kriegen. Ich konnte es kaum erwarten.
    "Doch, ich bin allein gekommen!", doch dann fiel mir Blandus ein. "Nein, also der ehemalige Verwalter meines Vaters hat mich begleitet, aber er ist schon weiter gereist und einen Sklaven habe ich nicht mitgebracht."
    Jetzt stimmte es, oder?? Auf seinen Vorschlag hin nickte ich eifrig und als er mein Zimmer verlassen hatte, zog ich mich schleunigst ordentlich an, machte mich zurecht und schliesslich folgte ich ihm in den Garten.

  • Schliesslich war ich fertig und fand Corvinus im Garten wieder. Er trank nur etwas, doch die Sklaven die in der Nähe waren, würden sicherlich das Essen schnell bringen. Ich setzte mich verlegen lächelnd zu ihm. Der Garten war sehr schön und auch der Tag war einer der schöneren. Das Licht brach sich in den Blättern und Vögel zwitscherten.

  • Während ich wartete, wunderte ich mich darüber, dass sie anscheinend ohne Begleitung gereist war. Für eine Frau ihres Standes war das eine undenkbare Sache, noch dazu für eine meiner Verwandten, die nun meiner tutela unterstellt waren. Ich würde dringend mit ihr darüber reden müssen. Ein Jammer, dass dieser Verwalter bereits wieder abgereist war - wohin eigentlich? - ich hätte ihn gern durch die Mangel gedreht. Es hätte sonstwas passieren können. Nachdenklich schwenkte ich den Saft in meinem Glas umher.


    Kurz darauf erschien Laevina bereits. Sie setzte sich, und mittels eines Winks gab ich den beiden Sklaven zu verstehen, dass sie uns nun bedienen konnten. Von verschiedenen kleinen Platten würde Laevina zwischen Herzhaftem und Süßem wählen können. Ein Korb mit kleinen, frischen Brotfladen stand auf dem Tisch. Ich selbst bevorzugte Honig und einen Aufstrich aus Früchten, nahm mir aber auch zwei der kleinen Küchlein, die Niki gebacken hatte. Man fragte Laevina, was sie zu trinken wünschte. "Ich habe nachgedacht, Laevina", sagte ich und griff damit das Thema von eben wieder auf. "Da ich nun quasi die Verantwortung für dich trage, möchte ich nicht, dass du allein irgendwo hin gehst. Ich hätte dich niemals nur mit irgendeinem Verwalter durch das halbe Reich reisen lassen. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können." Ich stippte ein Stückchen Brot in den Honigklecks auf meinem Teller. Zähe Fäden zogen sich in die Länge, die sich mit Drehung des Brotes um selbiges wickelten und dann in meinem Mund verschwanden. Bedächtig kaute ich. Wie hatte sie nur ihr Gepäck befördert, wenn sie keine Sklaven dabeigehabt hatte? Oder war sie gar ohne Gepäck angereist? Die Vorstellung, wochenlang auf einer Reise zu sein, ohne sich neu einkleiden oder einfach nur waschen lassen zu können, war alles andere als angenehm. "Nun... Was erwartest du dir von Rom? Von der Familie? Von mir?" fragte ich sie.

  • Auf einen Wink Corvinus´ erschienen die Sklaven mit verschiedenen Platten bei uns und wir konnten uns das aussuchen, was nach unserem Geschmack war. Ehrlich gesagt fand ich Essen allgemein nicht besonders lecker. Aber weil ich etwas essen musste und es sonst auch unhöflich gewesen wäre, nahm ich etwas von den kleinen gekochten Eiern, die wohl eingelegt worden waren und ass etwas von dem Fladenbrot dazu. Schliesslich verzehrte ich ein paar in Honig eingelegte Kirschen. Diese teure Delikatesse war eine meiner liebsten. Was soviel hiess, wie dass ich sie ganz gut ertragen konnte.
    Dann fühlte ich mich von meinem "Vormund" gerügt. Obwohl mir eigentlich klar war, dass es im Grunde nicht meine Schuld war, fühlte ich, ich müsse mich irgendwie verteidigen: "Blandus war dafür verantwortlich! Er meinte, er wolle lieber keine Sklaven mitnehmen, die wurden in Griechenland alle verkauft oder freigelassen und er selbst ist nun auf seinem Landsitz, den er geerbt hat." Ich legte alle meine Verachtung - und das war nicht wenig - die ich für Blandus empfand in diese Worte. Dann beruhigte ich Corvinus. "Es ist ja nichts passiert... Aber du hast sicher Recht.", meinte ich mit gesenktem Köpfchen. Ich versprach ihm erneut, nicht alleine durch die Stadt zu ziehen und versuchte dann auf seine Fragen einzugehen. Das war aber gar nicht so einfach.
    "Ich hoffe erst einmal, dass ich hier mehr am Leben teilhaben kann als in Achaia. Auf die Familie bin ich sehr gespannt, ich hoffe, ich finde auch hier einige Freunde!" Von den Kerlen schwieg ich vorsichtshalber. Meinem sozusagen Vater musste ich das ja nicht unter die Nase reiben.
    "Was ich von dir erwarte??" Er würde meinen Vater nie ersetzen aber das sollte er ja auch gar nicht. Geld und Aufmerksamkeit und etwas vorsichtige Liebe wollte ich. Doch das wollte und konnte ich so nicht in Worte fassen. Also versuchte ich es etwas unbeholfen und frech. "Von dir? Sei immer nett zu mir und unterstütz mich, dann bin ich schon zufrieden.", sagte ich mit einem unsicheren Grinsen, doch gleich darauf warf ich ihm einen um Zutrauen und Liebe bettelnden fast verzweifelten Blick zu, der ganz tief und ziemlich unbeabsichtigt aus mir hochgestiegen war.
    Als mir diese Schwäche auffiel, musste ich sie schnell überspielen. Also nahm ich einen weiteren Happen und fragte dann: "Wie ist das nun mit meiner Begleitung? Du willst ja nicht Schuld sein, wenn mir in der Stadt etwas zustösst..."

  • Dass Laevina mehr wie ein Spatz aß denn wie eine junge Frau, schob ich auf das Unwohlsein in Bezug auf Schiffe, von dem sie mir erzählt hatte. So dachte ich mir nichts weiter dabei und langte selbst kräftig zu. Das ientaculum war schon länger her, und morgens konnte ich ohnehin nicht allzu viel essen. Kauend wunderte ich mich über diesen gedankenlosen Blandus und schüttelte den Kopf. Doch war dazu wohl genug gesagt, der Schuldige nicht mehr anwesend, und damit das Thema vorerst erledigt.


    "Du wirst sie nach und nach alle kennenlernen. Meistens schaffen wir es nicht, die cena gemeinsam einzunehmen, aber die villa ist alles andere als ruhig, du kannst praktisch keinen verfehlen", sagte ich und trank einen Schluck Milch. Die folgenden Worte klangen mir ein wenig oberflächlich, aber das war nur zu verständlich, wenn man bedachte, dass wir uns nicht einmal eine Stunde lang persönlich kannten. Insofern sah ich ihr auch dies nach und nickte nur amüsiert. "Das lässt sich durchaus machen. Wie steht es eigentlich mit deinem Gepäck? Hast du alles Nötige mitgebracht?" erkundigte ich mich. "Nun, wie ich bereits sagte, wende dich einfach an Brix. Er wird dir dann eine Sänfte organisieren, solltest du eine benötigen, und er wird sich auch um ausreichende Begleitung sowie den nötigen Schutz kümmern. Prinzipiell steht es dir frei, die Sklaven für deine Exkursionen eigenständig auszuwählen, jedoch solltest du darauf achten, dass sie ihre Aufgaben nicht vernachlässigen, um dich zu begleiten. Ah, was noch wichtig ist zu erwähnen, Laevina... Sollte es jemals Grund geben, einen Sklaven zu bestrafen, wende dich an mich oder denjenigen Besitzer. Bis wir eine angemessene Begleitung für dich gefunden haben, wird Tilla für dich zuständig sein. Sie ist, wie ich vorhin schon sagte, in etwa in deinem Alter. Am besten lernst du sie selbst kennen", sagte ich und trug hernach einem Sklaven auf, Tilla herbeizuholen.


    Während wir warteten, stellte ich Laevina eine weitere Frage. "Prudentius Balbus hat mich zu seiner Hochzeit eingeladen. Er ist ein hochrangiger Prätorianer, und er heiratet eine Verwandte des Kaisers. Möchtest du mich begleiten?" Über den Rand des Bechers hinweg betrachtete ich Laevinas Reaktion.

  • Dass die Villa nicht ruhig war, fand ich klasse, etwas Leben war in der Bude.
    Seine Zusage zur Unterstützung klang auch schön in meinen Worten, das liess sich weit dehnen. Ich nahm mir vor, bald herauszufinden, wie weit.
    Als er auf Brix verwies, nickte ich, auch wenn ich natürlich keine Ahnung hatte, wer dieser Mann war. Aber das wüssten sicherlich alle ausser mir die hier lebten. Er rief nach Tilla. Gespannt wartete ich, wer erscheinen würde. Ich überprüfte unauffällig meine Haltung, wollte ich doch gleich einen angemessenen Eindruck auf die Sklavin machen. Ich trank einen winzigen Schluck, als Corvinus mich zur Hochzeit einlud. Meine Augen öffneten sich erfreut: Eine Feier! Dort würde ich gleich die Gelegenheit haben, wichtige Leute kennenzulernen. Auch wenn der Mann kein Adeliger war und der Name blöde klang, war ich entzückt. Ich strahlte Corvinus an und sagte: "Sehr gerne möchte ich mitkommen! Wie ist die Braut mit dem Kaiser verwandt? Wird er etwa auch da sein?" Das wäre soo aufregend!

  • Ein wenig enttäuscht darüber, dass ich so gar keine Reaktion auf meine Worte hin erhielt, aß ich den Honigfladen auf und spülte mit etwas zu trinken nach. Zumindest schien sie ein wenig aufgeregt, als es nun um Tilla ging. Dass die Kleine nicht sprechen konnte, würde sie schon noch merken. Die Frage war, ob sie bereit sein würde, die seltsame Fingersprache Tillas zu erlernen oder es mir gleich zu tun und mit der Tafel Vorlieb zu nehmen, die Tilla stets bei sich trug, um sich auszudrücken.


    Wenigstens mit der Hochzeit schien ich ein Thema gewählt zu haben, zu dem Laevina etwas sagen wollte. Sie stimmte zu, und ich sah sie zweifelhaft an. "Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob der Kaiser uns mit seiner Anwesenheit beehren wird. Es scheint ihm nicht so gut zu gehen dieser Tage." Ich überlegte einen Moment, ob ich sie darauf aufmerksam machen sollte, sich für den Fall der Fälle angemessen zu verhalten, verwarf diesen Gedanken doch recht schnell wieder. "Ich kenne die Braut nicht, kann dir daher nichts dazu sagen. Aber du wirst sicher Gelegenheit haben, sie selbst zu fragen", vertröstete ich mein Mündel und begann damit, einen Pfirsich in kleinere Stücke zu schneiden.


  • Ich nickte und nahm noch einen Schluck. Dann verstummten wir für einen Moment, in dem wir auf Tilla warteten. Ich musterte den Raum und Corvinus. Ich dachte über mich und mein neues Leben nach. Rom, da war ich! Nun würde ich eine Sklavin kriegen, Rom erkunden und auf eine Hochzeit gehen. Ich freute mich, aber gleichzeitig war diese Unsicherheit wieder da. Ich konnte sie meistens überspielen oder sogar nutzen, doch tief in mir drinnen war sie immer anwesend. Für den Moment konnte ich sie allerdings verdrängen.

  • Rauf und runter, rauf und runter wandern die Hände, schmeissen mit rauf und runter jeden Fleck ins Wasser, rauf und runter, rauf und runter geht die Reise des Stoffs. summte Tilla in Gedanken. Jemand tippte ihre Schulter an und bedeutete ihr aus der Waschküche zu folgen. Sie sah zu der Person auf.. es war Dina.


    Tilla erwiderte ihr Lächeln und bekam zu hören, dass sie im Garten von dominus Corvinus erwartet wurde. Nunja.. das war eine willkommene Gelegenheit frische Luft zu schnappen. Sie zog sich die Sandalen wieder an und bekam ein Handtuch, um den Schweiss vom Gesicht abzuwischen. Mit dem Handtuch, welches sie sich um die Schulter legte, trabte sie zum Garten hinaus, hielt Ausschau nach den anderen und erblickte Corvinus mit einer jungen Frau in Sesseln sitzend. Neugierig, aber auch mit fragendem Gesichtsausdruck trabte Tilla näher, blieb kurz vor den beiden stehen und begrüßte sie mit einer kurzen stummen Geste. Salve.. hier bin ich. Die Tafel hing allzeit griffbereit samt Kreidestückchen am geflochtenen Gürtel. Ihre Augen wanderten über Aurelia Laevina und ihre Lippen schenkten der jungen Frau ein schüchternes Lächeln.

  • Und dann nach einer Weile kam die Sklavin auf die wir gewartet hatten. Sie war jung. Meine Leibsklavinnen in Griechenland waren immer älter als ich gewesen, doch ich fand es schön, dass diese sich wohl kaum als meine Amme fühlen konnte. Sie kam herein und grüsste Corvinus und mich, und schaute fragend, doch sie sagte kein Wort! Das kam mir sehr komisch vor. Sie schien hier sehr zuhause zu sein und irgendwie fehlte es ihr an Ehrfurcht. Dann schaute sie mich neugierig an und... lächelte mir zu! Das war mir bisher selten untergekommen und ich konnte nicht gut damit umgehen. Einerseits und ganz automatisch lächelte ich zurück: Tilla war in meinem Alter, sah freundlich aus und war hübsch und sie lächelte mir zu. Sie hasste mich nicht und ich war ihr auch nicht gleichgültig. Doch dann schaute ich schnell Corvinus an. Es schien mir falsch, eine Sklavin anzlächeln. Auch noch eine, die ich gar nicht kannte und die so unverschämt war, dass sie nicht einmal die Zähne auseinanderkriegte, wenn sie gerufen worden war. Schon jetzt war da ein Zwiespalt in mir. Ich sehnte mich so sehr nach einer Freundin, doch es konnte, es durfte einfach keine Sklavin sein. Der Gedanke war schon absurd! Also wartete ich, dass Corvinus ihr mitteilte, dass sie meine Leibsklavin sein würde oder dass er sie anfuhr, dass sie gefälligst grüssen sollte, wenn sie den Herren traf.

  • Die Weile war lang genug gewesen, dass ich meinen Hunger hatte stillen können. Laevina war seltsam still gewesen, und insgeheim fragte ich mich schon, ob mit ihr alles in Ordnung war. Ich kannte keine Frau, die derart still war. So saß ich nun in der herbstlichen Sonne und trank ab und an aus dem blauen Glaskelch, der verdünnten Apfelsaft enthielt, bis Tilla kam.


    "Salve, Tilla", grüßte ich das Mädchen, das ein wenig schüchtern Laevina musterte. "Das ist Laevina. Sie ist meine Großcousine und gestern erst hier angekommen. Sie wird auch eine ganze Weile hier bleiben, und ich möchte, dass du dich um sie kümmerst. Machst du das?" fragte ich sie und sah das Mädchen erwartungsvoll an. Dann wandte ich mich an Laevina. "Tilla kann nicht sprechen. Aber sie hat eine Tafel bekommen und schreibt auf, wenn sie sich mitteilen will. Wenn du geduldig genug bist, kannst du auch die Zeichen erlernen, die sie mit den Händen macht", teilte ich ihr mit. Ich hatte nicht genug Geduld gehabt, die Zeichensprache zu lernen, weswegen Tilla in meiner Gegenwart auch meistens ihre Tafel benutzen musste.

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