Nubische... Mittage

  • Die zwei Tage waren wie im Fluge vorbei gegangen, seit Amneris von einem ihrer Landsmänner auf einer nächtlichen Tour durch ein fremdes Haus geschnappt worden war. Wie versprochen, fand sie sich nun hier ein, in der kleinen Taverne, in der sie schon zuvor mit Celeste gewesen war. Ein sonderbares Gefühl.
    Langsam betrat sie den Schankraum und sah sich um. Offenbar war Silko noch nicht hier, sonderlich lange brauchte sie sich da gar nicht vergewissern, würde er doch allein ob seiner Hautfarbe aus der grauen Masse herausstechen. Dank ihrer Größe machte sie recht schnell einen freien Platz aus und steuerte zielstrebig auf diesen zu. Kaum Platz genommen wurde sie sich des ein oder anderen neugierigen Blicks gewahr, schenkte dem jedoch keine weitere Beachtung. Sie war daran gewöhnt. Den es gab zwar zahlreiche nubische Sklaven in Rom, doch waren diese meist eher männlich und trugen Sänften. In Tavernen traf man sie äußerst selten an.
    Einer Gewohnheit folgend hatte sie sich so hingesetzt, dass sie jederzeit die Türe im Blick hatte. So würde sie einerseits Silko schnell ausmachen können und andererseits eventuell auftauchende Gesetzeshüter, obwohl sie nicht glaubte, dass er welche mitbrachte.



    Sim-Off:

    Reserviert ;)

  • Silko war nervös wie eine Jungfrau vor der ersten Nacht. Er stand so neben sich, dass er sogar einmal eine falsche Abzweigung genommen hatte und jetzt einige Minuten zu spät kam. Bevor er die Taberna betrat atmete er erst einmal tief durch. Dann öffnete er langsam die Tür. Würde sie da sein?


    Er blickte in die Runde und seine Ängste waren verflogen: Sie war da! Er lächelte ihr zu. Allerdings fiel ihm negativ auf, dass der ein oder andere Amneris schräg anstarrte. Es schien von ihr abzuperlen, aber Silko passte das gar nicht. Nicht weil er Ansprüche erhob, sondern weil er einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte. Allerdings reichten einige böse Blicke um den Gaffern zu zeigen, dass es sicher noch andere interessante Dinge gab.


    Er kam am Tisch an. "Ich freue mich, dass du gekommen bist." sagte er mit einem Lächeln. Er war ganz und gar nicht sicher ob sie kommen würde, aber das sagte er natürlich nicht, denn es hätte sie beleidigen können.

  • Er war kaum zu übersehen. Kaum hatte der Nubier die Tür geöffnet, hatte Amneris den Kopf gedreht. Augenscheinlich war er allein. Doch hatte sie tatsächlich etwas anderes erwartet?
    Ihr war noch immer nicht eingefallen, wo sie seinen Namen bereits gehört hatte. Etwas, das sie ungemein ärgerte, glaubte sie doch, ein recht gutes Gedächtnis zu haben. Aber vielleicht ergab sich ja heute eine Gelegenheit, ihn darüber zu befragen.


    Das Lächeln, das er ihr schenkte, wich schnell einigen grimmigen Blicken in die Runde. Sie kam nicht umhin zu schmunzeln. Der Wachhund verteidigte seinen Knochen, so schien es ihr. Nun gut, sie war Schlimmeres gewohnt.
    Den Kopf in die Schräglage bringend, sah sie zu ihm auf.
    "Nun, meine Profession hält mich nicht davon ab, gegebene Versprechen auch zu halten.", erwiderte sie. "Ich nehme an, da du gesund und munter hier bist, hatte mein... Besuch keine weiteren Folgen?"
    Indes bedeutete sie Silko, sich zu setzen.

  • Er setzte sich und schaute sie an. "Niemand hat von deinem Besuch Wind bekommen. Aber selbst wenn, es wäre unklug einen Custos Corporis zu schlagen. Schließlich bin ich derjenige, der sich zwischen meine Herren und etwaige Angreifer stellt. Aber was hast du deinen Komplizen gesagt?"
    Sie konnten ganz offen reden. Erstens reden sie nicht übermäßig laut, und zweitens sprachen sie in ihrer Heimatsprache. Die Chancen das sie jemand hörte und dann auch noch nubisch sprach war wohl verschwindend gering. "Ich hoffe sie haben dir keinen Ärger gemacht."

  • In ihren Augen flackerte es undeutbar. Er hatte also ihre Kollegen gesehen. Was bedeutete, er hatte ihr hinterher gesehen. Der leicht säuerliche Gesichtsausdruck wich einem Versöhnlicheren. Der Ärger darüber, auf eine Art bespitzelt zu werden verschwand. Schließlich war auch Amneris nur ein Mensch und als solcher empfänglich für Komplimente jedweder Art. Einen Blick auf sich zu ziehen war in gewisser Weise ein Kompliment.
    "Custos Corporis bist du also. Hmhm. Bist du schon lange Sklave?"
    Die Antwort auf eine Frage, die man nicht beantworten wollte, war meist eine Gegenfrage. So hielt es auch die Nubierin in diesem Fall. Ihre Erklärung waren Blumen- und Wortreich ausgefallen, da sie wusste, ihre Komplizen verloren bei längeren Ansprachen schnell das Interesse. Von dem Treffen heute hatte sie zumindest nichts gesagt.
    "Ärger? Nein. Wir kennen uns lange genug, um zu wissen, dass keiner den anderen betrügt. Die Sache ist erledigt, die Casa Duccia von unserer Liste gestrichen."
    Ihre Lippen zuckten kurz nach oben, ehe sie sich schließlich zurücklehnte.
    "Aber du willst doch den Rest des Mittags nicht über... Geschäftliches sprechen, nehme ich an?"
    Zumal sie das Gefühl, verhört zu werden nicht recht mochte. Je weniger Fragen er ihr stellte, desto besser erschien es Amneris.

  • Sie übergang seine Frage erst, um sie dann doch mehr oder weniger zu beantworten. Nun, dann wollte er ihr auch etwas von sich preisgeben.
    "Du hast recht, lassen wir das... äh... Geschäftliche sein. Reden wir nicht mehr über dieses Thema. Nun, ich bin jetzt seit über zehn Jahren Sklave. Bei den Ducciern bin ich noch nicht lange. Mein vorheriger Besitzer war ein Händler aus Lugdunum. Ihm diente ich fast zehn Jahre und bereiste als sein Leibwächter fast die ganze Welt. Eigentlich versprach er mir, mir nach zehn Jahren die Freiheit zu schenken. Aber da er offenbar einige schlechte Entscheidungen traf, musste er mich verkaufen. Aber ich kann mich nicht beschweren, denn bei den Ducciern geht es mir gut und wie du siehst, hab ich viele Freiheiten. Zuerst war ich in ihrem Haus in Mogontiacum und jetzt habe ich die Schwester meines Herrn nach Rom begleitet."


    Smalltalk war nicht Silkos Stärke, zudem war er auch einfach etwas verunsichert. Aus dem Augenwinkel sah er die Bedienung ihren Tisch ansteuern.
    "Oh, ich vergaß: Was möchtest du trinken?"

  • Aufmerksam folgte sie seiner Erzählung – vielleicht konnte man das schließlich irgendwann noch einmal brauchen ;)
    Er schien weit herumgekommen zu sein. Dass er jedoch schon so lange Zeit Sklave war, überraschte die Nubierin. Sie selbst könnte sich ein Leben in Gefangenschaft kaum vorstellen, war der Drang in ihr, selbst zu bestimmen wohin sie ging und was sie tat doch recht ausgeprägt. Was allerdings zum Teil auch an ihrer Herkunft liegen mochte, zeigte ihr doch vor allem ihre Mutter immer wieder, wie schön die wilde und freie Natur in Nubien war.
    „10 Jahre. Eine lange Zeit. Vermisst du dein altes Leben denn nicht?“
    Kaum hatte sie diese Frage gestellt, fiel ihr auf, dass dies auch kaum das richtige Thema für eine lockere Unterhaltung war. Nunja, gesagt war gesagt und Amneris war ebenfalls alles andere als geübt in unverfänglicher Konversation.
    „Trinken? Saft. Granatapfelsaft, nach Möglichkeit.“
    Davon, Wein zu bestellen sah sie ab, wollte die Einbrecherin doch einen klaren Kopf bewahren.

  • Silko wandte sich an die Bedienung: "Zwei Granatapfelsäfte bitte."


    Ob er sein altes Leben vermisste? Natürlich vermisste er es. Er war hoch angesehen gewesen, reich und hatte eine große Zukunft vor sich gehabt...
    "Weißt du, ich denke die Götter haben für jeden von uns einen Weg. Meiner war es, dass ich wohl für Fehler in meinem früheren Leben damit gestraft wurde in Sklaverei zu geraten. Nun versuche ich dieses Schicksal so gut zu tragen wie es geht, denn ich weis dass mich das Ma'at* belohnen wird und ich nicht als Sklave sterben werde."


    Bei seinen letzten Worten schaute er ihr tief in die Augen. In seinen war die Entschlossenheit, Härte und der Stolz eines nubischen Kriegers zu sehen. Dieser Moment verging und seine Augen wurden etwas weicher, aber nicht weniger stolz. Was immer Amneris von einem Sklaven erwartet hatte: Silko war beileibe kein gebrochener Sklave und hatte sich seinen Stolz auch über die Jahre hinweg erhalten. "Aber das ist doch ein furchtbar bedrückendes Thema. Erzähl mir doch was über dich. Wie bist du nach Rom gekommen? Ich weis du hast Deine Geheimnisse, und ich respektiere das, bin aber natürlich trotzdem neugierig, daher erzähl halt so viel wie du mir anvertrauen möchtest." Jetzt lächelte er. "Ich möchte etwas über den Menschen Amneris erfahren, nichts über das Geschäft dem diese Person nachgeht."
    Je weniger er darüber wusste, umso besser für sie beide. Er war versucht gänzlich zu verdrängen, dass sie eine Diebin war. Vor zehn jahren hätte er ihr wohl ohne mit der Wimper zu zucken die Hände abschlagen lassen...was war er nur für ein dummer arroganter Narr gewesen.



    Sim-Off:

    *Siehe Maat als Weltordnung

  • „So kann man es natürlich auch sehen.“, erwiderte sie schlicht. Sie wusste nicht, wie es ihr ergangen wäre, hätte man sie versklavt. Früher oder später hätte sie wohl ihr Schicksal akzeptiert, sie war ein pragmatischer Mensch. Doch im Moment war ihr dies unvorstellbar. Trotz seiner Unfreiheit sah sie denselben Stolz, den sie früher immer in den Augen ihres Vaters und ihrer Brüder gesehen hatte. Er war kein verschüchterter Sklave, doch wäre dies für einen Leibwächter auch alles andere als förderlich gewesen. Säße ein Schreibsklave vor ihr, dessen war sie sich sicher, sein Verhalten wäre ein anderes.
    Obwohl sie sich vorgenommen hatte, jenes Thema nicht weiter anzusprechen, war die Neugierde größer, zumal da noch immer das Rätsel um seinen Namen war.
    „Gestatte mir noch diese Frage… wie wurdest du zum Sklaven?“
    Sie war sich nicht sicher, ob er überhaupt darauf antworten würde, war dies doch vermutlich nicht das angenehmste Erlebnis in seinem Leben gewesen. Doch fragen schadete wohl kaum.
    Die Bitte, sie solle nun auch etwas über sich erzählen, kam mit der Unausweichlichkeit eines Steuerbescheids. Nicht, dass sie Steuern zahlen würde, aber man hörte ja so manches.
    „Weißt du, das Problem mit Informationen über mich ist, dass sie sich nicht so leicht von meinem Beruf trennen lassen. Ich bin, was ich bin und das schon sehr lange. Aber ich werde versuchen, zu erzählen was ich kann.“
    Ihre Lektion, nicht zu vertrauensselig zu sein hatte sie vor langer Zeit gelernt, auf die harte Tour. So schnell ließ sich ihre Vorsicht also nicht abschalten und so dauerte es einige Zeit, bis sie weitersprach, da sie sich in Gedanken erst zurechtlegen musste, was sie erzählen, was verschweigen und was sie umdichten sollte.
    „Nubien war mir zu klein.“, begann sie schmunzelnd ihre Erzählung. „Ich hörte immer von großen Städten wie Rom und Alexandria. Verglichen mit dem kleinen Dorf, aus dem ich stamme, hörte es sich wundervoll, spannend und erkundenswert an. Naja, ich war kaum mehr als ein Kind, du wirst wissen, wie das ist. Doch ich hing fest. Kein Geld, keine Möglichkeit meine Heimat zu verlassen. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Ich riss aus, ließ alles hinter mir und kam nach Ägypten, nach Alexandria. Wie ich mich über Wasser gehalten habe, kannst du dir vermutlich denken. Doch Alexandria ist anders als Rom. Alles ist geordnet, die Straßen breit, die Wachen überall. Ich hörte, die urbs aeterna sei ein Paradies diesbezüglich, so brach ich erneut alle Zelte ab, nahm das erste Schiff Richtung Ostia und landete schließlich hier.“
    Mit undeutbarem Gesichtsausdruck zuckte sie mit den Schultern.
    „Eine Geschichte wie tausend andere auch.“

  • Eine Geschichte wie tausend andere auch? Das konnte er sich nicht vorstellen! Die meisten Frauen hätten sich damit zufrieden gegeben verheiratet zu werden und anschließend ein normales Leben als Bauern oder Handwerker zu führen. Das war alles andere als normal. Sie hatte einen starken Charakter, dessen war sich Silko sicher.


    Aber sie schätzte ihn immernoch falsch ein. Er wusste beileibe nicht, wie es war in einem kleinen Dorf zu wohnen und kein Geld zu haben... Das Ma'at hat schon seltsame Wege und nun war sie von höherem Stand als er.


    "Wie ich zum Sklaven wurde?" Nun konnte er entweder abblocken oder eine entscheidende Sache von sich preisgeben. Andererseits, warum nicht? Er vertraute ihr, auch wenn er nicht wusste warum. Also begann er zu erzählen, seinen Blick weit in die Vergangenheit gerichtet: "Nun ich befehligte eine Einheit im Süden-Westen Nubiens um die Grenze zu den Barbaren aus Äthiopien zu sichern. Eigentlich hätte ich schon in Meroe sein sollen," zu meiner Hochzeit, fügte er in Gedanken hinzu, "aber ich wollte diesen Einsatz unbedingt zuende führen, denn es wäre mein letzter Einsatz an der Grenze gewesen." Schließlich war er auserkoren worden die Leibgarde des Königs von Meroe anzuführen, aber auch das verschwieg er. "Wir hatten von einer Gruppe Äthiopier gehört, die sich an der Grenze zum Hochland aufhielten und nubische Bauern brutal abschlachteten. Also stöberten wir sie auf und verfolgten sie. Es schien eine einfache Aufgabe zu sein, und wir erwischen schon zu Beginn relativ viele von ihnen. Leider war ich nicht weitsichtig genug um hinter ihre Absichten zu blicken: Sie lockten uns einen Hinterhalt! Es war ein furchbares Gemetzel. Ich nahm so viele wie möglich von ihnen mit, bis ich von einem Speer in den Rücken getroffen wurde. Soweit ich weis, war ich der einzige Überlebende. Ich weis nur noch, dass ich einen Schlag in den Rücken spürte und den Speer sah, wie er aus meinem Körper ragte. Dann würde es schwarz um mich und ich fiel vom Pferd. Ich erwachte wohl einige Tage später. Meine Wunden waren versorgt worden, anscheinend kamen meine Feinde zu dem Schluss, dass ich als Sklave doch von einigem Wert war. Ich hätte es mit ihnen auch nicht anders gemacht, zumindest damals."


    Ihr Saft kam. Silko nahm gleich einen kräftigen Schluck.


    "Sie schafften mich nach Memphis und anschließend nach Alexandria. Dort kaufte mich ein Sklavenhändler und brachte mich nach Rom. Dort weilte eben auch jener besagte Händler aus Lugdunum, der mich dort ersteigerte und mit sich nahm."


    Dann wanderte sein Blick wieder auf sie: "Du musst eine starke Frau sein, wenn du dich alleine behaupten konntest. Man sagt die Straßen von Alexandria sind gefährlich, und hier in Rom ist es sicher nicht anders." Sie faszinierte ihn.

  • Es überraschte sie, dass er tatsächlich zu erzählen begann. Umso mehr überraschte sie jedoch, was er sagte. Ihre Augenbrauen wanderten immer weiter in die Höhe, bis sie schließlich ziemlich verdattert aussah.
    „Du warst das also. Wusste ich es doch…“, murmelte sie halblaut. Natürlich hatte sie von all den Dingen gehört, von Schlachten, von Plünderungen und dergleichen. Zu dieser Zeit war sie schließlich noch in Nubien gewesen, wenn auch nicht mehr allzu lange. Und in der Tat, nun konnte sie den Namen mit einer Erinnerung verbinden.
    „Das Schicksal beliebt bisweilen sonderbare Scherze zu treiben, nicht wahr? Einst warst du adlig, ich hätte vor dir knien müssen. Ich wäre nicht mehr gewesen als einer von vielen Bauerntrampeln, gerade gut genug, um die Erde zu verehren, auf der du wandelst. Und nun bin ich die Freie und du der Sklave.“
    Es half nichts. So sympathisch er auch sein mochte, ein Gefühl der Genugtuung stieg in ihr auf. Wie die meisten Menschen einfacher Herkunft hatte auch Amneris nicht allzu viel für jene übrig, die mit einem goldenen Löffel geboren worden waren.
    Dass ihre Getränke gekommen waren nahm die Nubierin nur am Rande wahr, so Vieles spielte sich in ihrem Kopf ab. Wäre es nicht ein so ernstes Thema, sie hätte wohl lauthals angefangen zu lachen.
    Doch er wechselte das Thema, brachte die Sprache wieder auf sie und ihr Leben. Die Lippen zu einem schmalen Lächeln zusammengepresst, schüttelte sie den Kopf.
    „Stark wäre ich gewesen, wäre ich in meinem Dorf geblieben. Ich bin davongelaufen, feige, wie der Dieb in der Nacht.“
    Dass jener Vergleich mehr zutraf, als sie es im ersten Moment beabsichtigt hatte, fiel ihr erst im Nachhinein auf.
    „Wie der Dieb, der ich nun mal bin. Man ist nur so stark, wie die Kontakte, die man knüpft. Und ich hatte diesbezüglich mal mehr, mal weniger Glück. Glaube nicht, dass ich nicht schon den ein oder anderen Kerker von innen gesehen hätte. Alleine wäre ich nach zwei Wochen im Nil oder hier im Tiber gelandet. Spätestens.“
    Es war ein Thema, das ihr so gar nicht behagte, holte es doch Erinnerungen hervor, die sie wohlweißlich tief in sich vergraben hatte. Eine Zeit lang starrte sie still in ihren Becher, ehe auch sie endlich den ersten Schluck nahm.

  • Irgendwie schien ihr der Gedanke zu gefallen, das sie die Plätze in der Hierachie so getauscht hatten.


    "Das Schicksal hat schon seltsame Pfade. Ich habe übrigens genau das Gleiche gedacht was du eben gesagt hast. Früher hätte ich mich nicht mit dir abgegeben. Das wäre aber beileibe nicht an Dir gelegen, sondern daran dass ich ein reicher, egoistischer und verblendeter Narr war. Nun muss ich sagen, verbringe ich sehr gerne Zeit mit dir und bin froh, dass du dich mit einem Sklaven abgibst." Er sagte das völig ohne irgendwelchen Hohn oder Verbiiertkeit in der Stimme. "Es ist eines der Dinge die ich gelernt habe: Man kann die Menschen nicht nach ihrem Stand beurteilen. Man muss ihnen in die Augen schauen." Und genau das tat er auch. Sie hatte nicht die Augen einer Diebin. Ihre Augen waren klar und strahlten eher einen unbändigen Stolz und Würde aus. "Aber du weist ja, nach deinem Tod wird das Ma'at abgerechnet und ich gehe davon aus dass ich bis dahin kein Sklave mehr sein werde, auch wenn ich sicher noch einiges werde tun müssen um die Waage ins Gleichgewicht zu bringen."
    Dann fügte er noch hinzu: "In Nubien wäre ich noch immer ein Adeliger, aber was sollte ich da? Meinen Platz hat längst ein anderer eingenommen. Besser wird es sein hier zu bleiben, als dort in Schande zu leben."


    Dann ging er auf ihren Lebensweg ein:
    "Nein, das war nicht der einfach Weg, den du gewählt hast. Sicher hätten dir daheim nicht so viele Gefahren gedroht. Alles hinter sich zu lassen und ins Unbekannte zu ziehen, kann niemals der einfach Weg sein. Zudem hast du dein Leben deine eigenen Hände genommen, und es nicht einem anderen überlassen für dich zu entscheiden."

  • Seine Worte entlockten ihr erneut ein Schmunzeln. „Ich war schon immer sehr gnädig und gütig gestimmt.“, witzelte sie.
    Ihre Familie hatte nie auch nur einen einzigen Sklaven besessen. Sie waren teuer, man musste sie versorgen und ihnen zumindest einen Schlafplatz geben. Das war ja schon für die eigenen Verwandten schwierig genug gewesen. In einer Gesellschaft, in der man den Wohlstand an der Anzahl der Sklaven ausmachen konnte, war sie wohl in der Tat nicht in die reichste aller Familien geboren worden. Doch zumindest auch nicht in die Ärmste, wie sie sich immer wieder vor Augen hielt.
    Unverwandt blickte sie ihn an, verlegen die Augen senken oder gar albern kichern, wie es wohl einige nun getan hätte, war nicht das ihre. Allein auf einen solchen Gedanken würde sie gar nicht kommen, so abwegig war diese Vorstellung. Doch auch das mochte berufsbedingt sein. Flirten lag ihr nicht im Blut.
    „Und? Was siehst du in meinen Augen?“, fragte sie geradeheraus.


    Die große Abrechnung am Schluss erwartete sie keineswegs so positiv gestimmt wie Silko. Sie hatte in ihrem Leben zu viel ‚Böses’ getan um hinterher besser da zu stehen als vorher. So machte sie eine wegwerfende Handbewegung und grinste schief.
    „Du willst also hier bleiben, solltest du jemals deine Freiheit wieder erlangen? Ein Händler werden? Ein rechtschaffener Libertus, dessen Kinder das römische Bürgerrecht erlangen?“
    Diesbezüglich war das römische Recht wirklich sehr großzügig. Nicht allein, dass ein Sklave – mit gewissen Einschränkungen – wie ein normaler Bürger unter jenen leben konnte, die ihm zuvor Befehle hatten erteilen können, nein, es gab ihm auch noch die Möglichkeit, seine Nachkommen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu sehen.
    „Wie willst du wissen, was einfacher gewesen wäre? Du kennst weder mich, noch mein zu Hause. Aus purem Egoismus bin ich gegangen, ein Zurück gibt es für mich nicht, niemals. Hätte ich die Wahl würde ich vieles in meinem Leben anders machen, glaub mir. Nein, Silko, du machst dir da ein falsches Bild von mir.“

  • Er muste lächeln, sie hatte Humor. Zudem war sie äußerst direkt.
    "Ich sehe in deinen Augen keine Diebin. Höchstens die Augen von jemandem der zu einer Diebin geworden ist. Deine Augen sind stolz, unbeugsam und klug aber ich sehe keine Verschlagenheit oder Falschheit, wie sie bei jemandem deines Gewerbes. Dir geht es nicht ums Geld, sondern um den Reiz der Jagd!" Als er dies erkannte, musste er an eine Spinne und ihr Netz denken, und er schien sich hoffnungslos darin zu verfangen. Er hoffte sie möge keine Katze sein, die nur mit ihrem Opfer spielte um es dann einfach liegen und verenden zu lassen.


    "Ich denke du wärst eine hervorragende Jägerin geworden, wobei du ja auch hier eine Jägerin geworden bist." Und er war der Hund, der die Katze gestellt hatte, dachte er bitter.


    "Wie alt warst du denn, als du von zu Hause ausgerissen bist?"

  • Durch so viele positive Eigenschaften, die er ihr zuschrieb, nun ein wenig verlegen geworden, wendete Amneris letztendlich doch den Blick ab, sah sich wie beiläufig in der Taverne um, um nicht zu zeigen, wie unangenehm ihr dies im Grunde war. So war sie nicht. Sie war kein edles Wesen, das durch unglückliche Umstände gezwungen worden war, auf die schiefe Bahn zu geraten. Es war ihr freier Wille gewesen und wenngleich sie kein Mörder und mit Sicherheit auch nicht der verschlagenste aller Einbrecher war, so war sie auch keineswegs ein ehrlicher Mensch.
    „Deine Worte beschämen mich.“, seufzte sie schließlich. „Denn augenscheinlich ist dein Wesen weitaus edler als das Meine. Deine Einschätzung von mir zeigt nur, wie sehr ich mich schon unbewusst verstellen kann. Du vergleichst mich mit einer Jägerin. Nun, eine Jägerin geht auf die Jagd, um zu leben. Genau das tue ich auch. Es geht mir ums Geld. Glaubst du, ich würde noch einbrechen, wenn ich reich wäre? Natürlich, es ist ein Nervenkitzel und mir macht meine… Arbeit Spaß, sonst würde ich nicht schon so lange das tun, was uns hier zusammengeführt hat. Aber erhebe mich nicht zu etwas, das ich nicht bin und niemals sein werde. Damit tust du weder dir, noch mir einen Gefallen.“
    Warum sie ihn so beharrlich davon überzeugen wollte, dass sie ein schlechter Mensch war wusste sie wohl selbst nicht genau. Vielleicht war es einfach der Wunsch, ihm widersprechen zu wollen. Obwohl sie sich tatsächlich so sah, wie sie es hier schilderte. Wie er etwas anderes annehmen konnte verstand sie nicht.
    Ihre Kehle war trocken geworden von all der Argumentation und so stillte sie mit einigen tiefen Zügen ihren Durst.
    „Ich war“, setzte sie schließlich wieder an, als ihr Becher abgestellt war, „15 Sommer alt. In etwa.“

  • "Nun in diesem Alter ist jeder egoistisch." meinte er lapidar. Auch sie blickte in ihren Becher, genauso wie er es eben gerade getan hatte. Wie ähnlich wir uns doch sind, dachte der Hüne.


    "Das du dich so schlecht siehst ehrt dich. Aber auch wenn du reich wärst, würdest du jagen, nur eben nicht die Geldbeutel irgendwelcher reichen Bürger, sondern nach etwas anderem. Ich werde immer ein Krieger bleiben, auch wenn ich eines Tages, die Götter mögen mich davor schützen, ein Bauer wäre. Aber es stellt sich die Frage, ob du dein ganzes Leben lang eine Diebin bleiben möchtest..."


    Natürlich wuste er, dass das eine Entscheidung wäre, die sie nicht heute und nicht hier treffen würde und ebeso hoffte er, dass er nicht zu weit gegangen war.. Vielleicht konnte er ihr dann helfen. Wie gerne wäre er mit ihr einmal auf die Jagd nach Antilopen oder gar nach einem Löwen gegangen.

  • „Mag sein. Aber nicht jeder lässt seine Familie im Stich.“
    Damit war jener Punkt für sie erledigt. Wie waren sie nur so tief in jenes Thema hineingeraten? Achja, sie hatte sich verzettelt, hatte bereitwillig jeden Köder geschluckt, den er ihr zuwarf und hatte weit mehr preisgegeben, als sie vorgehabt hatte. Ihr Blick wurde unergründlich. ‚So nicht, mein Lieber.’, schien sie sagen zu wollen. Das offene, oder wenigstens halboffene Buch der Amneris wurde zugeklappt, ihre Haltung änderte sich, wurde zurückgezogener. Eine Veränderung, die kaum auffallen mochte, dennoch signalisierte sie damit, dass sie vorerst nicht gedachte, noch weiter hierüber zu sprechen. Es ärgerte sie, dass sie sich so leicht hatte übertölpeln lassen. Sie war doch sonst kein red- und leutseliger Mensch, was hatte sie sich nur dabei gedacht?
    Gedankenversunken fuhr sie mit dem Zeigefinger am Rand ihres Bechers entlang. Es musste ein anderes Gesprächsthema her, denn er war ihr zu Nahe gekommen. Eine Tatsache, die Amneris nicht so einfach hinnehmen konnte.
    „Du warst in Germanien, sagst du. Wie ist es dort oben? Stimmen die vielen Gerüchte, die man hört?“, fragte sie die gleiche Frage, die zuvor schon die Keltin Celeste hatte hören müssen. Diese hatte es nicht gewusst oder nicht verraten, in jedem Fall war Amneris’ Wissbegier nicht befriedigt worden. Vielleicht hatte sie beim Nubier mehr Glück.
    „Ist es dort so kalt, dass immer Schnee liegt? Sind die Menschen wilde Barbaren mit weißen Haaren und bemalter Haut?“
    Es traf vermutlich ebenso sehr zu, wie die Geschichten, die man über die dunklen Nubier hierzulande zu hören bekam. Aber es lenkte das Gespräch weg von ihr und hin zu etwas Unverfänglichem, so glaubte sie.

  • Jetzt schien sie zu zu machen, er war also einen Schritt zu weit gegangen! Andererseits hatte er sich noch nie mit jemandem beim ersten Gespräch so tiefgründig unterhalten und so viel von sich preis gegeben. AberTroja war ja auch nicht an einem Tag gefallen, wobei der Vergleich hinkte, denn er hatte nicht vor sich der Verschlagenheit eines Odysseus zu bedienen um ihre Mauern zum Fallen zu bringen. So ging er bereitwillig auf den Versuch ein das Thema zu wechseln.


    "Germanien ist ein rauhes Land. Die Sonne scheint dort viel kälter und scheint viel weiter weg zu sein als in unserer Heimat. Auch ist es dort im Winter nachts und tagsüber bitterkalt. Schnee liegt dort aber nur ein paar Monate im Jahr. Dafür gibt es unglaublich große Wälder und allerlei merkwürdige Tiere. Die Germanen sind kein Volk wie die Römer sondern eher verschiedene Stämme. Ich kenne die Bataver, die Amisvarier, die Chaucken und die Langobarden. Wobei ich letztere am Besten kenne, da mein ehemaliger Herr Handelsbeziehungen dorthin hatte. Dieser Stamm wird so genannt, weil die meisten Männer ihre Bärte lang tragen. Langobarden heißt nämlich soviel wie "Langbärte". Aber viele von ihnen tragen wirklich Tierfelle als Kleidung. Außerdem haben sie eine harte, fast brutale Sprache die ungefähr so klingt: Habani wundrasaemunza augaz*." Jetzt konnte er nur hoffen, dass sie kein Germanisch sprach. Aber bei dem Gedanken musste er grinsen.


    "Von irgendwelchen Bemalungen habe ich nichts mitbekommen. Aber ich habe gehört die Pikten würden so etwas machen. Vielleicht gehe ich eines Tages wenn ich frei bin auch nach Germanien. Es ist ein raues, aber dafür ein ehrliches Land."






    [SIZE=7]*Du hast wunderschöne Augen.[/SIZE]

  • Entweder, er tat ihr nun einen Gefallen, indem er das Thema ihrer Vergangenheit und Gegenwart ruhen ließ, oder diese Materie gefiel ihm mehr. Was auch immer es war, Amneris war dankbar dafür und hoffte, es möge anhalten. Nichtsdestotrotz war sie nun weitaus mehr auf der Hut als noch vor wenigen Minuten.
    Vor ihrem inneren Auge entstand eine Landschaft. Eine blassgelbe Sonne, viele Hügel, bedeckt von Wäldern und Schnee. Germanien, so wie sie es sich vorstellte. Es wirkte kalt und abweisend auf sie, keineswegs wie ein Ort, an dem man unbedingt leben wollte, doch Silko schien das anders zu sehen. Vermutlich war es ohnehin nicht so, wie sie es sich nun ausmalte.
    Was auch immer ihr Landsmann nun auf germanisch sagte, sie verstand es nicht. Nicht einmal ableiten konnte man etwas, war jene Sprache doch so völlig anders als Latein, Griechisch oder gar Nubisch. In ihren Ohren klang es fast wie das Bellen eines Hundes und weniger wie die Sprache von zivilisierten Menschen. Angesichts seiner Sympathie für dieses Volk behielt sie ihren Gedanken jedoch wohlweißlich für sich. Nur fragte sie sich, was auf einmal sein Grinsen auslöste. Wer wusste, was er ihr da an den Kopf geworfen hatte? Vorsorglich setzte sie einen missbilligenden Gesichtsausdruck auf.
    Ein raues, ehrliches Land. Nein, das klang nicht nach einem Ort, an dem sie sich wohl fühlen würde. Zu viel Ehrlichkeit war dem Geschäft abträglich. Die ausführliche Erklärung seitens ihres Gegenübers stellte sie nun jedoch vor das nächste Problem. Sie wusste nicht, wie oder wo sie da noch weiter nachhaken konnte, um erst gar keine Stille aufkommen zu lassen.
    Nachdenklich senkte sie den Blick, nur ein stummes Nicken signalisierte, dass sie zugehört und verstanden hatte.
    „Diese Sprache… was hast du da gesagt?“, fragte sie schließlich unvermittelt und sah wieder auf.

  • Das war zu erwarten gewesen, dass sie wissen wollte, was er gesagt hatte. Jede Frau und fast jeder Mann hätte das getan.
    "Nun, magst du einem Mann nicht seine Geheimnisse lassen?" neckte er sie mit der Gegenfrage, die ihr bekannt vorkommen musste. "Ich schwöre dir, dass es etwas nettes war." sprach er und zwinkerte.


    "Magst du noch etwas trinken?" fragte er, als er ihren leeren Becher erblickte. "Das Reden macht ganz schön durstig, ich bin das gar nicht gewohnt. Die meisten kennen mich nur als dunkelhäutiger Schrank, der auf andere Leute aufpasst."


    Er spürte plötzlich eine Distanz zwischen ihnen beiden, die er mit einer lustigen Bemerkung zu überbrücken suchte.

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