Anhörung vor dem Collegium Pontificium

  • Aurelius Corvinus hatte sich noch einmal geäußert und nun erhob sich der Rex Sacrorum, um die Stimmabgabe zu überwachen. Durus war gespannt, wie es ausgehen würde: Es gab Stimmen dafür, aber auch andere dagegen.


    Zuerst wurden natürlich die Flamines und höheren Pontifices befragt, die unterschiedlich abstimmten. Manche gaben bereitwillig ihre Zustimmung zu dem Plan, manche stimmten entschieden dagegen. Bei sehr vielen war es jedoch so, dass sie unschlüssig waren und letztendlich enthielten sich sogar einige.


    Als die Reihe an Durus kam, gab er seine Stimme gegen eine Gehaltserhöhung der Priesterschaft ab. Ihn hatte die Vorbringung nicht überzeugt, dass eine Notwendigkeit dafür bestand. Außerdem würde es wohl viele Betteleien ersparen, wenn man darauf verzichtete...


    Als nächstes wurde Flavius Gracchus zur Stimmabgabe aufgerufen.

  • Eine Abstimmung begann, bezüglich der Erhöhung des priesterlichen Salärs, ganz so als wären restlos jegliche Zweifel ausgeräumt, alle Fragen beantwortet und jeder Schatten beleuchtet, gleichsam hatte Gracchus das Gefühl, als einziger im Raume noch nicht im Lichte angekommen zu sein, noch immer im Dunkeln zu tappen und um sich herum nur Mauern zu ertasten. Unzählige Fragen schwirrten durch seinen Geist, ohne dass er eine einzige davon konnte fassen, und es war ihm, als wäre weder Anfang noch Ende des Unterfangens deutlich geworden, wie auch ihm die Mitte dessen fehlte. Hätte im Nachhinein irgendwer ihn gefragt, weshalb er in jener Weise hatte abgestimmt, wie er dies letztlich tat, so hätte keine Antwort er darauf gefunden, denn allfällig war es nur einer der vor ihm Abstimmenden, welcher ihn beeinflusste, allfällig war es der Gedanke, dass für stets agreabler denn wider war, oder aber es war die seltsame Trägheit außerhalb seiner Sinne, welche ihn letztlich für eine Erhöhung der Entlohnung stimmen ließ.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Genauso wenig wie er die politische Arbeit und die Gesetzgebug mochte, mochte Valerianus die Teilnahme an Abstimmungen überhaupt. Es war zu seinem Vorteil, dass eine Zustimmung in der Regel eine aktivere Teilnahme verlangte als eine Ablehnung und er bei einer Zustimmung das langweilige Prozedere einer Abstimmung gleich durch eine eigene Anweisung abkürzen konnte.


    Diesmal lag aber nichts dergleichen in seinem Interesse und folglich war kein Zeichen der Zustimmung von ihm zu bemerken.

  • Die Reihe ging weiter. Die Pontifices, Pontifices Minores und Flamines gaben nach und nach ihre Stimme ab - Durus erkannte, dass es ein sehr knappes Ergebnis geben würde. Zuletzt war es am Rex Sacrorum, seine Stimme abzugeben (natürlich hatte er sie sich bis zuletzt vorbehalten, um sie entscheidender zu machen). Wenn Durus richtig gezählt hatte, stand es Neun zu Acht für eine Erhöhung der Gehälter. Das schien auch der Rex Sacrorum zu wissen, obwohl er sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen, als er mit huldvoller Miene seinen Daumen nach unten streckte und damit eine Patt-Situation herstellte.


    Durus riss die Augen auf: Er hatte es noch nie erlebt, dass das Collegium keine Entscheidung hatte fällen können. Doch eine Stimme der Entscheidung fehlte: Der Pontifex Maximus saß wieder einmal teilnahmslos dabei. Er zeigte keinerlei Zeichen der Zustimmung, doch ob er wirklich ablehnte, war ebenfalls schwer zu sagen. Der Rex Sacrorum allerdings schien genau herauszulesen, was Valerianus wollte, denn er sagte


    "Mit der Ablehnung des Pontifex Maximus haben wir ein Stimmenverhältnis von zehn zu neun gegen eine Erhöhung des Sacerdotes-Gehalts. Der Antrag ist abgelehnt."


    Während sich ein leises Gemurmel erhob, blickte Durus noch einmal zum Kaiser: Vielleicht würde er Einspruch erheben? Doch nichts dergleichen schien zu passieren. Dann sah er zu Corvinus: Würde er enttäuscht sein?


    Der Rex Sacrorum allerdings schien fortfahren zu wollen, denn er sagte


    "Du darfst dich entfernen, Aurelius!"

  • Nach und nach stimmten die Herren ab. Letztendlich entstand eine Parrsituation, und die Befürchtung, die ich während der Diskussion entwickelt hatte, wurde zur Gewissheit, als der Kaiser abstimmte. Oder es nicht tat. Genau genommen tat er gar nichts und wirkte ebenso desinteressiert an der Abstimmung wie an der gesamten Diskussion. Ich nagte verstohlen auf meiner Unterlippe. Ging es ihm denn so schlecht, dass ihn Wohl und Weh der religiösen Seite des Reiches derart wenig am Herzen lag? Zumindest ein Nein hätte doch kommen können. Ich war enttäuscht, nicht ob des Ergebnisses wegen, sondern vielmehr ob der Trägheit des höchsten pontifex dieses collegiums wegen.


    Wie befürchtet, wurde der Verzicht auf eine Stimme statt als Enthaltung als Gegenstimme gewertet. Allein diese Tatsache verärgerte mich ein wenig, doch dass es der Fabier war, der so selbstgefällig dieses Ergebnis präsentierte, machte mich erst recht wütend. Ich schluss für einen Moment die Augen und sammelte mich. Letztendlich war des Kaisers Trägheit mit der Hauptgrund, aus dem ich nicht mit ihm allein sprechen, sondern dem versammelten collegium mitteilen wollte, welche Schlangen sie in ihrer Mitte nährten.


    Ich erhob mich, als ich dazu aufgefordert wurde, zu gehen. "Das Ergebnis eurer Abstimmung werde ich dem collegium septemvirorum mitteilen." Erfreut würde wohl keiner darüber sein, dachte ich mir, doch mehr denn vorschlagen konnten wir nicht tun. Ein wenig Unruhe ergriff mich nun. "Verzeiht, ehrenwerte pontifices, doch es gibt noch eine zweite Sache, ob derer ich gern Bericht erstatten will. Ich wage zu behaupten, dass sie ungleich wichtiger ist." Die Pause, die ich machte, war nur kurz, denn ich konnte mir nicht sicher sein, dass man mir gestatten würde, ein weiteres Anliegen vorzutragen. "Es betrifft die pax deorum."

  • Ein leicht indignierter Blick traf Aurelius Corvinus von Seiten des Rex Sacrorum, als jener darum bat, eine weitere Causa vortragen zu dürfen, denn nach Auffassung des Fabius hatte der Septemvir bereits genügend der Zeit des Collegium in Anspruch genommen, gleichsam gereichten die im Zuge der bisherigen Diskussion angesprochenen Sachverhalte unbezweifelt für weitere interne Dispute. Doch Corvinus agierte überaus geschickt, warf jene Worte in den Raum, welcher keiner der Anwesenden konnte sich entziehen, welche niemand konnte ignorieren, und selbst so es nur sich um eine Banalität mochte handeln, das Collegium musste nun zumindest sich anhören, um was genau es ging. Einige Pontifices sogen scharf die Luft ein, war doch anzunehmen, dass gerade ein Septemvir wohl wusste, was die pax deorum bedeutete, so dass es tatsächlich um eine ernste Angelegenheit sich musste handeln. Mit einer Stimme, aus welcher sein Unmut nicht gänzlich zu verbergen war, forderte der Rex Sacrorum Aurelius denn auf.
    "So sprich, Septemvir, und berichte, was in deinen Augen das Gleichgewicht mit den Göttern zu stören vermag."
    Auch in Gracchus' Sinne waren die beiden Worte wie ein Blitz eingeschlagen, gleichsam zog sein Magen sich ein wenig zusammen, fürchtete er doch nicht nur stets den Zorn der Götter, sondern erinnerte sich allzu deutlich noch an die Strapazen der letzten lustratio. Wie all die anderen Augen im Raume - abgesehen von jenen des Pontifex Maximus allfällig - hefteten auch die seinen sich an den Septemvir, als könne der Blick allein dafür Sorge tragen, keiner Silbe verlustig zu werden, welche über die Lippen des Aurelius würde dringen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Tiberius Durus ging bereits davon aus, dass die ganze Angelegenheit geklärt war, als plötzlich etwas Unerwartetes geschah: Der Septemvir schien einen Trumpf im Ärmel zu haben, denn aus heiterem Himmel wollte er eine weitere Anhörung anfügen. Die Bedrohung der Pax Deorum ließ auch den Tiberier aufhorchen: So etwas durfte niemals auf die leichte Schulter genommen werden und ein Septemvir war sich der Tragweite dieser Worte mit Sicherheit bewusst!


    Doch Durus hatte noch nicht einmal Gerüchte über irgendeine Störung des göttlichen Friedens gehört, daher horchte er genau hin, was der junge Aurelier zu sagen hatte.

  • Die mit Absicht gewählten Worte waren die rechten gewesen. Eine mögliche Störung des wichtigen und nicht minder empfindlichen Gleichgewichts mit den Göttern war etwas, das man nicht einfach ignorieren konnte. Dass der rex sacrorum nicht gerade begeistert war über die Bitte, ein weiteres Anliegen vorzutragen, sporte mich umso mehr an. Flüchtig ging ein weiterer Blick zum Kaiser hin, der nach wie vor auf mich desinteressiert wirkte - bemerkte denn niemand sonst diesen skandalösen Umstand? Auch Gracchus warf ich einen Blick zu, der jedoch ungleich länger und bedeutsamer war. Er würde gewiss wissen, warum ich gerade ihn so ansah. Dann räusperte ich mich.


    "Gestattet mir, ein wenig weiter auszuholen, um das ganze Ausmaß hinlänglich zu erklären. Vielleicht erinnern sich einige von euch noch an meine letzte Amtszeit, die ich als quaestor urbanus hier in Rom abgeleistet habe. Wie jeder weiß, gehört zu den Aufgaben des urbanen quaestor nebst der Kontrolle des aerarium Saturni auch die der Bücher diverser Einrichtungen. Hierbei entdeckte ich eine Unstimmigkeit, scheinbar eine Lappalie. Es handelte sich um Gelder, die der Staatskasse entnommen und dem cultus gut geschrieben wurden. Zu Zeiten, in denen die im Buch aufgeführten Feiertage bereits längst verstrichen waren. All dies hätte ein Versehen sein können, doch ich forschte nach, und was ich entdeckte, glaubte ich nicht. Die Gelder, die transferiert worden waren, flossen über diverse Umwege in ein und dieselbe Tasche. Dein Name, Fabius Antistes, zeichnet verantwortlich hierfür." Das war vorerst genug Information, und auch, wenn dies nur zwei Drittel der ganzen Geschichte waren, so wollte ich den Anwesenden Zeit geben, diese Dinge zu verdauen, ehe ich fortfuhr. Wütend hatte ich die Hand ausgestreckt und deutete auf den Fabier, wie ich ein Mitglied des cultus, wie ich ein collinischer Salier, und doch so unverfroren, wie ich selbst niemals hätte sein können.

  • Wie in alten Zeiten, in denen er noch als Soldat an der Spitze seiner Männer stand und auf dem Marsch oder im Feld eine Staubwolke am Horizont oder ein aufgeschreckter Vogelschwarm höchste Anspannung erzeugten, so schien der Vortrag des Septemvirs nun auch eine solche Wirkung zu erzielen. Valerianus' eben noch träger Blick fixierte plötzlich bestimmte Personen und seine Gesichtszüge wurden schärfer. Aber noch sagte er nichts.

  • Durus Kinnlade kippte ein wenig herunter, als Corvinus diese schreckliche Anschuldigung vorbrachte: Fabius Antistes hatte den Staat betrogen? Er, der doch zu seinem Wohl eingesetzt worden war, als Mittler zwischen Staat und Göttern? Das war ein ungeheuerlicher Vorwurf.


    Alle Blicke richteten sich auf den Rex Sacrorum, bis Durus das Schweigen brach:


    "Hast du die Beweise dafür bei Dir, Aurelius?"


    Einen Augenblick blitzte durch Durus' Kopf, dass diese Frage eigentlich vom Oberhaupt des Collegium, nämlich Ulpius Aelianus Valerianus hätte kommen müssen und tatsächlich wirkte er auch aus seiner Lethargie aufgeschreckt. Dennoch musste er, Tiberius Durus, das Wort ergreifen.

  • Obgleich der Blick des Aureliers ein wenig länger dem seinen begegnete, verschwörerisch geradezu, ahnte Gracchus nichts von der Enthüllung, welche jener im Begriff war zu verkünden, so dass er hernach ebenso erstaunt war wie all die anderen ahnungslosen Pontifices, welchen die Worte im Halse stecken blieben, welche in stummem Entsetzen nicht wussten, wohin ihr Blick sollte sich wenden - dem anklagenden Septemvir zu, auf den angeklagten Rex Sacrorum oder hin zu dem allmächtigen Pontifex Maximus. Während noch den collegae das Ausmaß der Anklage allmählich dämmerte, wurde Gracchus sukzessive sich dessen bewusst, welche Rolle ihm selbst in jenem Szenario zukam, jene des Aedils, welcher die Konten hatte auf Rückfrage des Quaestors geprüft, ebenso ungeheuerliches musste festgestellt haben wie dieser selbst. Doch er erinnerte sich nicht, mit Aurelius darüber gesprochen zu haben, erinnerte sich nicht an auffällige Zahlungen, nicht an merkwürdige Transaktionen, entsann nur dunkel sich dessen, dass sein Vilicus, welcher die Amtshandlungen während Gracchus' Ausfall hatte koordiniert, beiläufig einmal eine solche Causa hatte erwähnt, doch nichts bezüglich weiteren Handlungsbedarfes, ob dessen die Angelegenheit irgendwo in Gracchus' damals überaus wirren Gedanken war ad acta gelegt worden. Als würde er selbst in diesem Augenblicke angeklagt, zog es Gracchus' Magen zusammen, der er aus der Pflicht gerissen jene auch im Nachhinein hatte vernachlässigt, der er tatenlos in diesem Gremium saß als wären die Verfehlungen des Opferkönigs nur Lappalien, der er jener Sachlage nicht einmal mehr bewusst gewesen war. Er suchte sich der Details zu entsinnen, der Beträge, welche dies alles betraf, doch er fand nichts denn gähnende Leere in seinen Erinnerungen, nur wirres Durcheinander aus Buchstaben und Bildern, deren er nicht sicher war, dass alle jene der Realität entstammten, erinnerte sich nicht des genauen Wortlautes, nicht einmal des Tages Sciurus' Berichtes, doch der Septemvir würde kaum anklagend in ihrer Mitte stehen, so es nicht um größere Summen sich handelte. Sich dessen unbewusst hob Gracchus seine Hand zur Unterlippe, begann an jener zu kneten, während Durus endlich die Stille durchbrach, welche auch der Rex Sacrorum nicht selbst hatte aufzulösen gewagt, jener Zweite - und darüber hinaus sooft der Erste - des römischen Kultkonstruktes, der nun nur mit seinen Blicken suchte Aurelius zum schlagartigen Sterben zu bewegen, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen gepresst, wohl wissend, dass jedes falsche Wort ihm selbst würde augenblicklich das Genick berechen können, gleichsam hoffend, eine Unachtsamkeit des Septemvirs für einen Ausweg nutzen zu können, auf jene marginale Chance lauernd.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ein Blcik hin zum Kaiser zeigte mir, dass er zumindest diesmal eindeutig als wach zu bezeichnen war, nicht wie kurz zuvor. Flüchtiger Ärger über das Desinteresse während der Abstimmung stieg in mir auf, doch lenkte ich Blick und Ärger wieder auf den Fabier, der mich aus glühenden Augen ansah. Ohne mit der Wimper zu zucken, dafür aber mit eiserner Miene, erwiderte ich diesen Blick. Meine Worte hatten die entsprechende Wirkung gehabt, wer nicht entsetzt den rex anstarrte, tuschelte mit seinem Nachbarn über diese bodenlose Frechheit. Den beiden ponticifes links des Fabiers indes stand plötzlich Schweiß auf der Stirn, und einer von beiden konnte auch mit häufigem Blinzeln nicht über das nervöse Zucken seines Augenlids hinwegtäuschen.


    Tiberius Durus' Stimme zerschnitt die Spannung im Raum wie ein frisch gewetztes Messer eine überreife Birne. Ich sah ihn an. Eigentlich hätte ich diese Frage von jemand anderem erwartet, doch bereits vom Beginn dieser Anhörung an hatte ich meine Erwartungen diesbezüglich ohnehin herunterschrauben müssen. So hielt sich meine Verwunderung tatsächlich in Grenzen. "Tiberius Durus, selbstverständlich habe ich Abschriften anfertigen lassen, rein zur Sicherheit, doch wollen wir einmal ehrlich sein - welches Gericht würde schon die Abschrift einer Fälschung als Beweis anerkennen? Aus diesem Grunde habe ich noch während meiner Amtszeit beantragt, betreffende Originaldokumente im Staatsarchiv zu verwahren und die laufenden Aufzeichnungen in die Abschriften einzupflegen. Meine Nachforschungen in den Büchern der Staatskasse indes waren nie ein Geheimnis. Es würde mich daher nicht verwundern, wenn in den Büchern des aerarium Saturni ganz plötzlich sämtliche Hinweise auf Eigenwirtschaft des rex fehlten. In den Originalen allerdings sollten sich gewisse Transaktion zurückverfolgen lassen bis zum sechsten Tag vor den Kalenden des April vor drei Jahren, anderthalb Jahre nachdem Gnaeus Fabius Antistes zum rex sacrorum ernannt worden war." Nun widmete ich mich wieder dem Fabier, der mich vermutlich sofort niedergestreckt hätte, wenn er nur ein gladius bei sich gehabt hätte. Dass zuvor kein anderer quaestor diesen Schwindel aufgedeckt hatte, mochte vielleicht daran liegen, dass meine Vorgänger nicht so tief in der Materie des Götterkultes steckten wie ich selbst. Ihnen jedenfalls war kein Vorwurf zu machen.


    "Das ist nicht alles", fuhr ich fort, als erneut empörtes Gemurmel begann. Ich sah nun die beiden Herren zur Linken des Fabius an, der granatapfelrot im Gesicht war. "Vor etwa acht Monaten gesellten sich zwei weitere Namen hinzu. Faustus Pomonius Cinna und Lucius Finelius Felix." Wie die beiden Herren hießen, die nun furchterfüllt zum Kaiser blickten.

  • Mit wachsendem Interesse verfolgte Durus die Anhörung, die sich mehr und mehr zu einer Art Verhandlung über Schuld und Unschuld des Rex Sacrorum entwickelte. Fabius Antistes war ganz offensichtlich ein sehr schlechter Schauspieler, denn seine Reaktion ließ allzu deutlich erkennen, dass er sich dessen schuldig fühlte, was ihm zur Last gelegt wurde. Durus' Erfahrung vor Gericht hätte ihn sehr davon abgehalten, sich solch ein Vergehen anmerken zu lassen.


    Offensichtlich hatte Corvinus sich aber gut vorbereitet und einen schlauen Schachzug getan, wie Durus anerkennen musste. Auch, dass er die Sache erst hier vor den Pontifices enthüllte und nicht einfach einen Brief geschrieben hatte, den Fabius Antistes mit Sicherheit abgefangen hätte, beeindruckte ihn.


    Die andern beiden Pontifices, die bereits in ihren Stühlen zerflossen, waren Durus noch gar nicht aufgefallen, so sehr war er auf Antistes und Corvinus fixiert gewesen. Als der Septemvir dann aber auch noch sie belastete, musste Durus vor Überraschung die Augen aufreißen. Ein Veruntreuer kam bisweilen vor, doch drei auf einmal! Das war ein dicker Fang!


    "Um welche Summen handelt es sich denn?"


    fragte Durus, doch in diesem Augenblick erhob sich Finelius Felix, der bekannt war für sein Temperament und brüllte


    "Ich verwahre mich gegen diese Unterstellungen! Ich habe mir nichts vorzuwerfen!"


    Zwar zeigte Durus schon die Art der Reaktion, dass er nicht ganz unschuldig sein konnte, dennoch war es vermutlich besser, als sich direkt schuldig zu bekennen - es sei denn, man wollte einen Handel eingehen. Vielleicht ließ sich das ganze ja außergerichtlich lösen, besonders, wenn der Kaiser wieder einmal zu schwach war, Härte zu zeigen.

  • Doch der Kaiser ließ nicht erahnen, was in ihm vorgehen mochte. Zumindest mir blieb es verborgen. Die allgemeine Reaktion war Verblüffung. Gemischt mit Verärgerung. Keine dieser Empfindungen konnte ich irgendjemandem vergällen, sah man von jenen drei Herrschaften ab, die es betraf.


    Ich hatte mir im Vornherein natürlich Gedanken gemacht. Daher konnte ich nachvollziehen, was in den Köpfen der Anwesenden sich abspielen musste. Drei der höchsten Diener der Götter, des Kaisers und des Staates, die gemeinschaftlich alles verraten hatten, was Rom bedeutete. Das war nicht nur ein starkes Stück, es war ein kleiner Weltuntergang. Den Einwand des einen nahm ich zur Kenntnis, indem ich ihm den Kopf hinwandte und ein freudloses Lächeln entgegnete. "Das brauchst du auch nicht, Finelius. Das werde ich für dich tun."


    Kurz darauf hielt ich eine Wachstafel in Händen. "Die Summe beläuft sich auf insgesamt zweitausendsiebenhunderteinundfünfzig aurei, drei denarii und zwölf Asse", las ich ab, dann ließ ich die Tafel sinken und sah erst Durus, dann den Kaiser an.



    Sim-Off:

    edit: Nehmen wir bitte eine stattliche Summe an. Ich habe keinen Vergleich, kann also nicht benennen, ob die angesetzte Summe zu hoch oder zu niedrig ist. Ggf. muss ich das nachbessern, wenn ich eine gute Angabe gefunden habe.

  • Die Anspannung, die Valerianus ergriffen hatte, als das Thema angesprochen wurde, veränderte sich weder durch den Vortrag der Ermittlungen noch durch die Reaktionen der Beschuldigten. Doch irgendwann musste sie eine Reaktion hervorrufen, schon weil Valerianus' Kraft nicht reichte, ewig angespannt zu sein. Also beugte er seinen Oberkörper etwas nach vorne, womit sich ein Teil der Spannung schon einmal in einem kräftigen Hustenanfall entlud. Leichter Schweiß machte sich bemerkbar und ein Diener hielt schon den obligatorischen Becher mit Wasser bereit, den Valerianus in solchen Augenblicken zu verlangen pflegte. Diesmal musste der Diener aber warten.


    "Legen die Herren Wert darauf, weiterhin dem Collegium Pontificium anzugehören?"


    Die Frage hatte er sowohl an die beiden beschuldigten Pontifices gerichtet als auch an den Rex Sacrorum, auf dem sein Blick nun ruhte. Zumindest so lange, bis ein Schweißtropfen in sein Auge lief.

  • Das war wirklich eine stattliche Summe! Und eine solche Summe ging auch über die üblichen Geldentnahmen für private Zwecke hinaus, die im ganzen Imperium unter den Amtsträgern verbreitet waren. Wie alle anderen blickte auch Durus zum Kaiser, der offensichtlich doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf die Sitzung lenkte, dies jedoch scheinbar unter größter Anstrengung. Wieder einmal kamen ihm Zweifel...


    Was er dann fragte, wirkte jedoch absolut lächerlich: Wollte der Kaiser diesen Verbrechern tatsächlich anbieten, einfach so das Collegium zu verlassen? War es nicht viel angebrachter, die drei vor Gericht zu stellen? Durus hätte mit Freuden die Anklage übernommen - wenn Aurelius tatsächlich solch gute Beweise hatte!


    Doch der Rex Sacrorum wirkte geschlagen, ebenso wie Pomonius Cinna. Dieser blickte zu Boden und schien um Worte zu ringen. Ein erwartungsvolles Schweigen breitete sich im Raum aus, dann endlich sagte Fabius Antistes.


    "Nein."


    flüsterte der ehemalige Leiter des Cultus Deorum, dann sank er in seinem Stuhl zusammen. Pomonius Cinna hob ebenfalls den Kopf. Er wirkte beschämt bis aufs Blut.


    "Ich ebenfalls nicht."


    Finelius Felix hingegen sog kurz Luft ein. Er hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und blickte in die Runde. Man konnte geradezu sehen, wie in seinem Kopf die verschiedenen Möglichkeiten einer Reaktion um Durchsetzung kämpften. Dann endlich meinte er


    "Ich habe kein Geld gestohlen, sondern nur geborgt. Daher bin ich natürlich bereit, es auch wieder zurückzuzahlen."


    Beinahe hätte Durus freudlos aufgelacht. Das war nun wirklich eine absolut lächerliche Erklärung. Einen Augenblick überlegte er, ob er diesen eingebildeten Gauner hier auf der Stelle herunterputzen sollte. Dann jedoch kam ihm, dass das wohl Aufgabe des Kaisers war. Des Kaisers? Hatte der den Beschuldigten nicht gerade eben eine goldene Brücke angeboten? Er musste doch etwas sagen!


    "Ich bin der Meinung, dass ein Gericht diesen Fall klären sollte - beziehungsweise der Senat! Bis zu einer Entscheidung sollten wir alle Beschuldigten aus dem Collegium ausschließen."

  • Neuerlich drang Raunen durch den Saal, manch einer der Pontifices sog scharf die Luft ein ob der horrenden Summe, welche all dies betraf, denn selbst für jene gut situieren Männer, welche sie alle waren, gab es gewisse Grenzen, insbesondere so es die Unterschlagung von Staatseigentum und schlimmer noch Eigentum der Götter betraf. Aller Augen wandten dem Kaiser sich zu, die Reaktionen auf seine Worte indes differierten von ungläubigem Erstaunen bis hin zu zustimmendem Nicken, während Einigkeit hernach folgte auf die Reaktionen der beschuldigten Pontifices, abfällige und enttäuschte Blicke zu Fabius und Pomonius, welche ihre Schuld hatten eingestanden, Ungläubigkeit auf Finelius' weitere Dreistigkeit. Durus war es, welcher vorpreschte mit der Forderung nach einer Anklage, und obgleich unbezweifelt die Mehrheit der Pontifices dies nur konnte gut heißen, so lief dies nicht nur der klandestinen Absicht des Pontifex Maximus entgegen, welcher mit seiner Frage bereits einen Weg hatte vorgegeben, sondern würde unbezweifelt ein großes Maß an Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Pontifex Cornelius erhob darob seine Stimme gegen Tiberius.
    "So dieses Collegium entscheidet, dass dieser Fall vor einem Gericht oder dem Senat verhandelt wird, tragen wir gleichsam das Vergehen in all seinen Details an die Öffentlichkeit. Gleich drei Collegae, darunter der Rex Sacrorum, welche nicht nur dem Vorwurf der Korruption sich stellen werden müssen, sondern im Angesicht der Beweise dies auch zugeben, gleichsam handelt es sich um Gelder, welche nicht nur dem Cultus Deorum zur Verwaltung übergeben wurden, sondern ein Teil des Cultus Deorum sind, ein Großteil davon durch Spenden eingebracht, somit ein Bestandteil des Dienstes an den Göttern und letztlich sacra. Bedenkt, was es für den Cultus Deorum, den gesamten Staat und nicht zuletzt die Pax Deorum bedeutet, wenn dieses Sakrileg bekannt werden wird. Ein Frevel wie dieser, aus unserem eigenen Inneren heraus, könnte die gesamte Struktur des Cultus Deorum ins Wanken bringen. Unbezweifelt muss das Verhalten Fabius', Pomonius' und Finelius' Konsequenzen nach sich ziehen, drastische Konsequenzen welche auch über den Ausschluss aus diesem Collegium hinaus gehen müssen, doch sollten die Gründe hierfür nicht aus den Mauern dieses Gebäudes hinaus dringen."
    Die Möglichkeit, jene Sanktionen zu verhängen, ohne notwendiges Gesetz, ohne langwierige Rechtfertigungen vor der Öffentlichkeit, saß in ihren eigenen Reihen, in Person des Imperator Caesar Augustus selbst. Wie die meisten um ihn herum, suchte auch Gracchus in der Miene des Pontifex Maximus nach Anzeichen einer Reaktion auf das durch verschiedene Parteien gesagte, suchte zu erahnen, wie das Urteil Valerianus' mochte ausfallen. Es war dies eine der ersten gewichtigen Entscheidungen des Imperators als Pontifex Maximus und sie würde weisen, ob er gewillt war, sich dem Rat des Collegium zu fügen, oder ob er bevor ein solcher Ratschlag beschlossen werden konnte, gleich welcher Richtung, bereits seine Macht demonstrierte, indem er selbst die Entscheidung traf.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Erleichterung war im Blick von Valerianus zu erkennen. Nicht nur, weil er erfolgreich den Schweißtropfen aus seinem Auge entfernt hatte, sondern auch weil die beschuldigten Männer offenbar keine vehemente Gegenwehr leisteten. Im Collegium Pontificium schien es keine Kämpfertypen zu geben, was Valerianus in diesem Augenblick aber ganz recht war. Sein Blick galt demjenigen Pontifex, der noch am meisten zu kämpfen schien.


    "Natürlich zahlst du die Summe zurück, genauso wie die beiden anderen auch. Und bringst Opfergaben in gleichem Wert an die Götter. Genauso wie die beiden anderen auch."


    Seine Stimme klang längst nicht so fest, wie es seine Worte suggerieren wollten und ließen sie eher wie eine Bitte denn ein Urteil klingen. Den Pontifex, der ein gerichtliches Verfahren forderte, schien Valerianus erst jetzt als Teilnehmer der Runde richtig wahrzunehmen. Zumindest schaute er ihn eine Weile an, bevor er etwas erwiderte.


    "Ist dir die hier vorgebrachte Klage und das Schuldeingeständnis der Männer nicht Verhandlung und Urteil genug?"


    Er wusste, dass sein Vater ein ausgiebiges Prozessrecht mit vielen Wegen mit entwickelt hatte, so wie einige seiner Vorgänger. Selber konnte er damit nicht viel anfangen und schätzte den kurzen Weg. Jeder Schritt kostete Kraft und in einem solchen Fall wohl sogar seine Kraft. Und diese war schnell zu Ende und verlangte jetzt nach dem Becher mit Wasser, den der Diener reichte.

  • Durus glaubte seinen Ohren nicht zu trauen: Sein Collega Cornelius wollte bei diesem himmelschreienden Verbrechen einfach Gras über die Sache wachsen lassen! Natürlich hätte Durus es für sinnvoll gehalten, etwas zu vertuschen, was von weniger großer Bedeutung gewesen wäre oder das Collegium als Ganzes im schlechten Licht hätte dastehen lassen - aber das?


    "Finelius gesteht sie ja nicht einmal ein!"


    klagte Durus gegen die Worte des Imperators. Bei Iulianus hätte er ein solch offenes Widerwort nicht gewagt, doch Valerianus gab geradezu eine Karrikatur eines Kaisers ab: Er wagte es nicht einmal, gegen erwiesenermaßene Verbrecher vorzugehen! Wahrscheinlich fürchtete er um seinen Thron!


    "Diese Angelegenheit wird an die Öffentlichkeit gelangen! Man kann drei Pontifices nicht grundlos entlassen! Und dann wird das Vertrauen in den Cultus Deorum Schaden nehmen, da bin ich mir sicher!"


    Durus war geradezu wütend ob der Gleichgültigkeit, mit der viele der Pontifices diese Angelegenheit betrachteten - insbesondere der Pontifex Maximus!

  • Unmissverständlich, wenn auch in seiner Frage verborgen, gab der Pontifex Maximus zu verstehen, dass er in dieser Causa einziger Richter war, die Angeklagten hatte vernommen und sein Urteil gefällt. Während sein Vater Iulianus sich kaum je hatte um den Cultus Deorum gekümmert, das Collegium Pontificium hatte in seinen Belangen schalten und walten lassen, schien Valerianus ein diktatorisches Regiment zu bevorzugen.
    "Ein äuß'rst mildes Ur..teil für ein'n ... Frevel sol'hen Aus..maß's"
    , warf Gracchus unbedachterweise ein, doch allfällig war dem Imperator Caesar Augustus, welcher lange Zeit fern von Rom hatte militärische Einheiten befehligt, jenes Ausmaß einfach nicht gänzlich bewusst. Es war eine Sache, sich in den Provinzen an den Schätzen der Barbaren zu bereichern, doch es war eine gänzlich andere Sache, inmitten Roms von den Schätzen der Götter zu stehlen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!