Anhörung vor dem Collegium Pontificium

  • Valerianus konnte die Aufregung des Pontifex nicht verstehen. Sein Leben lang hatte er die Ansicht vertreten, dass das Ereignis zählte und nicht die Art und der Ort, an dem darüber gesprochen wurde. Deswegen hatte er auch mit vielem politischem Getue nichts anfangen können und sich dem Militär zugewandt. Auch jetzt versuchte er sowas so gut es ging zu vermeiden.


    "Die Erschütterung der Götter ist es, die wir fürchten müssen. Und denen ist es egal, wo gesprochen wird."


    Dass die Gründe an die Öffentlichkeit gelangten, konnte mit einem öffentlichen Prozess erst Recht nicht verhindert werden

  • Ich schwieg. Es war ungeheuerlich. Dort, wo Iulianus - wenn er denn sein Augenmerk einmal auf den cultus gerichtet hatte - Strenge und Entschlossenheit bewiesen hätte, ging sein Nachfolger den Weg des geringsten Widerstandes. Ich setzte mich wieder und hatte Mühe, mir meine Enttäuschung über die Worte des Kaisers nicht anmerken zu lassen. Eine versteinerte Miene sollte darüber hinwegtäuschen. Es war nicht an mir, Ratschläge oder meine Meinung zu präsentieren, dies war die Sache der pontifices, und Gracchus sprach mir aus der Seele. Dennoch, sie war und blieb mir unverständlich, diese Milde samt der vorgebrachten Begründung, die mir unangemessen gleichgültig erschien. Und Durus war ebenso im Recht. Jeder der Anwesenden sollte zumindest einen Eid auf den Stein Iuppiters schwören, und doch würde am Ende jemand seinen Mund nicht halten können - und wenn es einer der drei Beteiligten war, der nach einem Becher Wein zu viel über das widerfahrene Unrecht klagte. Nicht zum ersten Mal war ich froh darum, Artikel der Acta bei Bedarf zensieren zu können.

  • Durus war wütend - der Kaiser taktierte hier herum und plötzlich waren wieder nur die Götter im Zentrum! Und dann sah er zu den Angeklagten, die nun etwas erleichtert wirkten, so glimpflich davon gekommen zu sein. Eine Unverschämtheit! Wie konnte Finelius Felix es wagen, ihn nun auch noch anzugrinsen, weil der Kaiser ihn nicht einmal herausgeworfen hatte! Er setzte wieder an. Einen Augenblick überlegte er, ob er noch einmal Einspruch erheben sollte - doch andererseits würde das wohl nichts ändern. Etwas konnte er sich dann aber doch nicht verkneifen.


    "Dann verlange ich, dass du diese drei Männer auch aus dem Collegium entlässt, und zwar umgehend. Alles andere wäre eine Beleidigung der Götter!"

  • Der neuerliche Einwand des Pontifex brachte Valerianus zu der Erkenntnis, dass er es gar nicht weiter versuchen sollte, einen diplomatischeren Ton anzuschlagen, als er das aus vielen Jahren bei der Legion gewohnt gewesen war. Alles andere wurde offenbar nicht verstanden.


    "Die drei Genannten sind nicht länger Mitglieder des Collegium Pontificium. Sie werden die Sitzung gleich verlassen. Möchtest du mir auch gleich noch einen neuen Rex Sacrorum vorschlagen, wo du es offenbar so eilig hast?"

  • Durus zuckte ein wenig zusammen, als der Kaiser ihn so harsch anfuhr. Für eine Sekunde hatte er ein schlechtes Gewissen, doch dann übermannte ihn der Ärger: Valerianus ging mit ihm um, als wäre er ein kleines Kind oder ein unmündiger Untertan! Offensichtlich vergaß der Kaiser, mit wem er hier sprach: Er, Tiberius Durus, Praetorier und Pontifex (schon länger, als Valerianus selbst), der seiner Stirps wieder zu Ruhm verholfen hatte und eine feste Größe im politischen Alltagsgeschäft war, wurde abgekanzelt wie ein kleiner Junge! Eine Frechheit. Er lehnte sich zurück, setzte eine missmutige Miene auf und weigerte sich, vorerst eine Antwort zu geben.


    Unterdessen erhoben sich zuerst Pomonius Cinna, dann Fabius Antistes und zuletzt Finelius Felix, der ebenfalls noch etwas wütend wirkte. Eisiges Schweigen breitete sich aus, dann meldete sich ein Pontifex zu Wort.


    "Vielleicht sollten wir zuerst Bedenkzeit geben - diese Angelegenheit hat uns doch relativ unvorbereitet getroffen!"


    So etwas hatte Durus auch gedacht, zumal er kein Freund von spontanen Entscheidungen war. Und wen sollte man auf die Schnelle schon wählen? Vielleicht den Flamen Martialis? Der Dialis war wohl kaum geeignet - er schaffte schon sein bisheriges Amt kaum auszufüllen, der Oberpriester des Mars dagegen war noch relativ jung und kräftig. Nunja, es sollte wohl zuerst einen fairen "Wahlkampf" geben, bevor es jetzt zu Kurzschlussreaktionen kam...

  • Gegen eine Bedenkzeit hatte Valerianus nichts einzuwenden, gab es ihm doch die Möglichkeit, die Sitzung zu einem Ende kommen zu lassen.


    "Die Bedenkzeit ist gewährt. Weitere Themen, oder können wir die Sitzung beenden?"

  • Obgleich es durchaus bisweilen ein wenig hitzig konnte zugehen innerhalb des Collegium Pontificium, so durchbrach doch des Pontifex Maximus' Reaktion eine gewisse Grenze, zeigte gleichsam, dass Vorurteile bezüglich des Militärkaisers nicht aus der Luft waren gegriffen. Mehr noch als im Senat war es im Collegium Pontificium von Nöten stets diplomatisch vorzugehen und einen Konsens zu suchen, denn es gab kaum feste Parteien unter den Pontifices, und von einigen freundschaftlichen Gefallen oder zufällig gleich lautenden Bestrebungen abgesehen, musste ein jeder stets durch Argumente überzeugen, da der vorige Pontifex Maximus Iulianus zudem kaum je zu den Sitzungen erschienen war, um unwiderrufliche, kaiserliche Weisungen zu erteilen. Mehr als einer der Pontifices war ob dessen nun überaus indigniert ob Valerianus' Tonfall, doch alle suchten dies mehr oder minder gut zu verbergen, da niemand dessen Aufmerksamkeit wollte auf sich ziehen. Als die Frage nach weiteren Themen wurde gestellt, schüttelten die meisten den Kopf, denn zu viel gab es vorerst für sie zu verdauen, wohl würde der ein oder andere ein kollegiales Gespräch außerhalb der Mauern suchen, würden einige von ihnen Möglichkeiten abwägen außerhalb der Reichweite des Imperators. Auch Gracchus blieb stumm, durch die barsche Zurechtweisung Tiberius' daran erinnert, dass gerade die flavische Familie in keiner besonders günstigen Position zu dem derzeitigen Imperator Caesar Augustus stand.

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  • Da Schweigen eintrat, wurde die Sitzung beendet und Durus erhob sich. Er war ein wenig blass vor Zorn und überlegte einen Augenblick, ob er mit seinen Collegae sprechen und seinem Ärger direkt Luft machen sollte. Dann jedoch entschloss er sich anders - der Kaiser war noch da und es war trotz allem nicht sinnvoll, seinen Zorn auf sich zu ziehen. Er erhob sich daher und verließ flugs den Raum und die Regia.

  • Den Disput zwischen Durus und dem Kaiser verfolgte ich stumm. Es war gewagt, was hier vonstatten ging. Ich fühlte mich seltsam fehl am Platze. Die Vorwürfe waren vorgebracht, die pontifices zweifelten die Beweise nicht an und wie es schien, der Kaiser selbst auch nicht. So gab es für mich nichts weiter zu tun, und bis zum Ende der Versammlung hüllte ich mich in Schweigen, bis die contio schließlich aufgelöst wurde und nach und nach alle den Raum verließen. Ich ließ mir Zeit, und als einer der Letzten verließ ich nach einem Nicken in Gracchus' Richtung und mit einem großen Fragezeichen in meinem Kopf den Versammlungsraum. Wie würde es da nun weitergehen? Ich beschloss, die Beweise baldestmöglich und persönlich der administratio zu überstellen, damit der Kaiser damit tun konnte, was er für richtig hielt. Auch, wenn ich argwöhnte, dass dort nicht mehr viel zu erwarten war.


    Mit wirren Gedanken, die sich um den Kaiser und die unglaubliche Milde rankten, die er hatte walten lassen ob dieser frevlerischen Tat, trat ich schließlich den Heimweg an.

  • Die Versammlung löste sich auf, die meisten Pontifices verließen einzeln die Regia und strebten auch von dort je ihrer Wege, ganz so, als würde man fürchten, der Imperator könne jedes noch so leise auf dem Nachhauseweg gewisperte Wort hören. Auch Gracchus erhob sich, ein wenig langsam, da er nach dem langen Sitzen seinem Körper nicht gänzlich traute, schloss dem stummen Protest sich an und war froh, als seine Sänfte endlich in leichtem Schaukeln nach Hause wurde getragen. Es war eine äußerst merkwürdige Sitzung gewesen, und doch beschlich ihn das Gefühl, dass nicht mehr als ein marginales Zittern daraus würde folgen, dem Abfallen einiger Erbrocken am tarpeischen Felsen gleich.

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