alicubi | Die neue Sklavin

  • Sie hatten kaum das Atrium verlassen, als Nuala sie ebenfalls begrüßte – auf Germanisch. Siv blieb abrupt stehen und starrte die andere Sklavin an, während sie begriff, warum Trautwini sie geholt hatte. "Du… kommst aus Germanien?" Sie sprach einen anderen Dialekt als sie, einen, den sie in Mogontiacum oft gehört hatte, der römische Dialekt, wie sie ihn insgeheim getauft hatte. Den die Germanen sprachen, die sich an römisches Leben angepasst hatten. Aber die Sklavin sah nicht aus, als sei sie Germanin. Langsam ging sie weiter, während sie Nuala von der Seite musterte. "In Ordnung… ich bring dich zuerst in die Küche, wo du schlafen wirst und die Villa kann ich dir danach zeigen."


    Siv sparte es sich, Nuala unterwegs schon auf verschiedene Dinge hinzuweisen, was sich hinter den Türen verbarg, die vom Gang abzweigten. Sie konnte sich noch zu gut an ihre eigene Ankunft hier erinnern, und am Anfang hatte ihr so der Kopf geschwirrt, dass es ihr bald zu viel geworden war – was aber auch daran gelegen haben mochte, dass sie zum einen die Sprache nur schlecht verstanden hatte und zum anderen sie einfach neu als Sklavin gewesen war, voller Widerstand und Wut. Nuala machte nicht den Eindruck, als ob sie erst gestern Sklavin geworden wäre. Sie bemerkte nicht, dass der anderen etwas auf dem Herzen lag, dass sie etwas fragen wollte – erst als Nuala Mut fasste und sie schließlich ansprach, merkte Siv nicht nur an ihren Worten, sondern auch am Tonfall, dass ihr die Antwort wichtig war. Die sachte Berührung an ihrem Arm wäre kaum nötig gewesen, damit die Germanin auch stehen blieb. Sie schwieg einen Moment, bevor sie schließlich antwortete. "Gut." Wieder eine kleine Pause. Siv verdrängte, wie die letzte Zeit für sie gewesen war. Stattdessen versuchte sie zu lächeln und nickte. "Gut. Die Aurelier sind nett. Ich meine, sie sind Römer… und wir sind Sklaven. Aber sie behandeln Sklaven gut. Keiner verlangt etwas unmögliches oder so. Es wird keiner geschlagen, jedenfalls nicht seitdem ich hier bin. Wir kriegen frei, ab und zu…" … jedenfalls die anderen … "… wir kriegen alles, was wir brauchen… Das hier ist… Ich war nie woanders Sklavin. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es woanders kaum besser sein kann. Orestes kenne ich noch nicht so gut, er ist erst seit kurzem hier, und ich weiß auch nicht was er von dir will, da wirst du abwarten müssen… Aber eigentlich kann’s dir nur noch besser gehen, wenn du keine normale Haussklavin bist."

  • Siv sprach einen anderen Dialekt, den man jenseits der Grenze sprach. Nuala kannte ihn und hatte ihn gelegentlich schon vereinzelt gehört. Er war ihrem Dialekt sehr ähnlich. Daher hatte sie auch keinerlei Probleme damit, sie zu verstehen.
    "Ja, ich bin dort aufgewachsen." Wenigsten konnte sie das mit Bestimmtheit sagen, denn wo sie ursprünglich herkam, konnte sie nicht sagen. Sie war damals noch zu klein gewesen, als man sie von ihrer Heimat weg holte.
    Die Küche! Ja, das war gut. Ihr Magen knurrte schon ganz rebellisch und forderte seinen Tribut. Danach war noch genügend Zeit, um sich mit halbwegs gefülltem Magen den Rest des Hauses anzuschauen. Nuala nickte zustimmend und folgte Siv.
    Als sie der Germanin durch die Gänge folgte, begriff sie langsam, wie riesig groß diese Haus im Vergleich zu den früheren Häusern war, in denen sie gelebt du gedient hatte. Bis sie endlich wusste, wer oder was sich wo hinter welcher Tür verbarg, konnte es noch einige Zeit dauern. Aber Nuala war sich sicher, das wäre das Leichteste, was sie zu lernen hatte. Wichtig war jetzt erst einmal Klarheit darüber zu gewinnen, wo sie denn nun tatsächlich gelandet war. Darüber konnte ihr Siv Auskunft geben. Da sie beiden sich in Germanisch unterhielten, konnte sie auch ganz offen sprechen und musste nichts befürchten.
    Die Germanin blieb bei Nuala stehen und begann zu erzählen. Was sie hörte, war sehr aufschlussreich. Es stimmte also alles, was Trautwini ihr gesagt hatte. Sie hatte wirklich großes Glück gehabt! Die Götter meinten es wieder gut mit ihr. Vielleicht übertrafen dieAnnehmlichkeiten in der Villa Aurelia sogar alles, was sie in Germanien, bei "ihrer" Familie hatte. Nuala lächelte erleichtert. Die ganze Anspannung, die sie hatte, seitdem sie hier war, fiel mit einem Mal von ihr ab.
    "Das ist wirklich schön zu hören! Bei meinem letzten Herrn ging es mir nicht so gut. Er hat mich auch manchmal geschlagen, wenn er getrunken hatte und das passierte ziemlich häufig." Sie hatte allen Grund, fröhlich zu sein, auch wenn die Germanin alles andere als fröhlich wirkte. "Und du, bist du eine Haussklavin? Woher kommst du eigentlich? Du sprichst einen Dialekt, den man im freien Germanien spricht, nicht wahr?"

  • Nuala schien zu gefallen, was sie hörte – was auch kein Wunder war, denn was Siv erzählte, war nicht selbstverständlich für Sklaven. Die Germanin sah ihr Lächeln und meinte regelrecht zu spüren, wie die Anspannung, unter der die andere gestanden hatte, sich löste. Sie versuchte ebenfalls zu lächeln, aufmunternd und vor allem auf eine Weise, die ihre Worte bekräftigen sollten. Gerade Nualas nächste Worte zeigten, was manche Sklaven erleben mussten, und trotz allem, was bei ihr selbst in der letzten Zeit schief gelaufen war, konnte sie sich doch noch gut an die Soldaten und die Handlanger des Sklavenhändlers erinnern. Sie war froh, dass sie nicht bei einem solchen Römer gelandet war. "Das wird dir hier nicht passieren. Die Aurelier schlagen ihre Sklaven normalerweise nicht", wiederholte sie noch einmal. Dann wandte sie sich um und ging langsam Richtung Küche weiter. Die nächste Frage Nualas ließ sie kurz innehalten. Was sollte sie darauf antworten? Sie war nicht einmal keine normale Haussklavin. Aber was sie war, wusste sie auch nicht. Vor ihrer Reise nach Germanien war sie mehr gewesen, und jetzt… weniger. Nuala würde vermutlich früh genug erfahren, was passiert war, sie musste es ihr nicht unbedingt jetzt auf die Nase binden, zumal sie ohnehin nicht gern darüber redete. "Eine Haussklavin, ja. Allgemeine Aufgaben halt, die hier anfallen. Zum Teil. Ich bin noch für den Garten zuständig." Erneut glitt ein Lächeln über ihr Gesicht, diesmal ein aufrichtiges. "Ich bin Chattin. Aus dem freien Germanien, ja, da bin ich geboren und aufgewachsen." Sie erreichten die Küchentür, und Siv lehnte sich kurz dagegen, öffnete sie und hielt sie Nuala auf. "Du bist stammst aber aus keinem germanischen Stamm, oder?" Auf Latein meinte sie, in die Küche hinein zu Niki, die irgendwo rumorte, und den anderen die womöglich gerade da waren: "Das ist Nuala. Sie ist neu."

  • Die Germanin beschwichtigte sie nochmals. Schläge musste sie hier nicht erwarten, normalerweise. Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was dieses normalerweise zu bedeuten hatte. Die Vergangenheit hatte sie aber gelehrt, vorsichtig zu sein und vor allem, sich nicht zu früh auf etwas zu freuen, was allerdings nicht hieß, dass sie Sivs Worten keinen Glauben schenken wollte. Ganz und gar nicht! Sie hatte gleich bemerkt, Sivs Freundlichkeit war aufrichtig und nicht gespielt.
    Langsam gingen sie weiter. Nuala musterte die Sklavin von der Seite, als sie erklärte, eine Haussklavin zu sein. Sie dachte sich nichts weiter dabei. Jeder von ihnen hatte seine Aufgabe. Das war eben so! Auch Nuala hatte bereits erfahren, was ihre Aufgabe war und sie war dankbar darum gewesen, wieder das tun zu können, was sie so liebte. So erzählte sie Siv völlig sorglos davon. "Der dominus wünscht, ich soll ihn mit meinem Kitharaspiel und der Rezitation von literarischen Texten erfreuen." Natürlich würden auch noch andere, banale Aufgaben auf sie warten. Das hatte Orestes ja bereits angedeutet.


    Wie Nuala vermutete hatte, lagen Sivs Wurzeln im freien Germanien. Eine Chattin also! Sie hatte einige Chatten kennengelernt, als sie noch in Mogontiacum lebte. Einige der Sklaven dort, waren Chatten. Es hatte aber auch Freie gegeben, die ihr Glück im Imperium suchten.
    "Nein, ich bin keine Germanin. Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich bin. Eines Tages war ich einfach da. Als Kind, ich muss damals drei oder vier Jahre alt gewesen sein, haben mich Männer von zu Hause fortgebracht." Die spärlichen Erinnerungen, die ihr aus dieser Zeit geblieben waren, waren so verwirrend gewesen. Sie sprach nicht gerne darüber. Sie wusste nur, sie war damals sehr traurig gewesen. Ein weinendes Kind, das den Eltern entrissen wurde. Sie sah wieder auf und versuchte zu lächeln.
    Mittlerweile waren sie in der Küche angekommen. Siv war wieder ins Lateinische übergewechselt und stellte Nuala den Anwesenden vor. Mit "Salvete!" grüßte sie alle, die sich gerade in der Küche aufhielten.

  • Seit der Sklave Maron weg war, hatte Köchin Niki trotz des merkwürdigen Fehlens vom Sklaven Sertorio überhaupt nicht mehr nach Tilla verlangt, sodass immer noch das Aushelfen bei den täglichen Vor- und Zubereitungen wegfiel. Vielleicht war es die Köchin leid, jemanden back- und kochtalentierten bei sich zu akzeptieren und dann plötzlich wieder verlieren zu müssen. Jedenfalls brummte sie genauso ärgerlich wie Sertorio wenn ihr etwas Nahrhaftes wegen ihrer schlechter werdenden Augen misslang. Tilla fiel es schwer, nicht mehr in der Nähe der gutmütigen alten Köchin sein zu dürfen oder von sich aus heraus ihre Hilfe anzubieten. Irgendwie wusste sie einfach nicht, was man von dieser alten Frau halten sollte, deren Stimmung genau wie bei den Erwachsenen abrupt umschlagen konnte.


    Von daher schlich sie sich zwischendurch, wenn sie eine dienstfreie Minute hatte, zum äußeren Küchenfenster, kletterte die Efeuranken hinauf, die teilweise das Fenster verbargen und spähte durch eben diese Ranken in die Küche hinein. Das Klettern half ihr sich geschmeidig, beweglich und flink zu halten. Die Küchengerüche zogen nur so an ihr vorbei und waren für das eine oder andere sehnsüchtige Aufgrummeln ihres immer hungrigen Magens verantwortlich. Irgendwie schaffte sie es einzurichten, dass sie ihre Mahlzeiten aß, wenn Köchin Niki oder die seltsamen erwachsenen Sklaven nicht gerade in der Nähe waren.


    Jedenfalls erhaschten ihre Augen recht schnell die eintretende Siv und die unbekannte Frau an ihrer Seite. Tilla starrte Nuala verblüfft an. Die Frau hatte beinahe die gleiche Haarfarbe wie sie! Ein bisschen mehr als sonst zog sie sich auf die Fensterbank hinauf und verriet somit, dass sie auch in der culina anwesend war. Mit den Fingerknöcheln klopfte sie auf die steinerne Mauer, winkte Siv zu, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Noch eine die zu uns gehören soll oder wie? Das geht ja neuerdings zu wie im Bienenkorb oder Taubenschlag! Einer raus, einer rein und rasch wieder futsch. gebärdete Tilla, musterte Nuala mit sichtbar misstrauischem Blick.

  • Siv starrte Nuala kurz an. "Du sollst was?" Kitharaspiel und Rezitation von literarischen Texten? Na wenn sie meinte… Sie gingen weiter, und Sivs Gedanken schweiften einen Moment ab. Rezitation von literarischen Texten… Würde sie nicht inzwischen schon so lange in Rom leben, wüsste sie nicht einmal im Ansatz, was das zu bedeuten hatte. Und auch jetzt noch begriff sie nicht ganz, was es war – es war eine Form von Geschichten erzählen, allerdings eben irgendwie… anders. Man setzte sich dabei nicht einfach zusammen und einer erzählte etwas, während die anderen gespannt mitfieberten. Siv kräuselte die Nase. Vielleicht sollte sie sich damit mal auseinander setzen. Vielleicht sollte sie das lernen, diese Form von Geschichten erzählen, möglicherweise gefiel Corvinus das… Aber sie konnte sich das nicht so wirklich vorstellen, eine Geschichte zu erzählen, ohne dabei in leuchtende Kinderaugen und zwar auf andere Art, aber dennoch nicht weniger leuchtende Erwachsenenaugen zu sehen. Oder selbst so etwas hören und nicht gespannt zu sein wie eine Schleuder, bis die Geschichte endlich ihr dramatisch-furioses Ende fand.


    Wieder traf Nuala ein kurzer Blick, als sie erzählte, dass sie nicht wusste, woher sie kam. "Oh… das tut mir leid." Siv stellte es sich nicht sonderlich angenehm vor, nicht zu wissen, wo man herkam. Sicherlich mochten manche nun einwenden, dass es für eine Sklavin unwichtig war zu wissen, wo ihre Wurzeln lagen, aber das waren wohl hauptsächlich Menschen, die keine Sklaven waren und auch nicht wirklich einen Gedanken daran verschwendeten, dass Sklaven auch Menschen waren. Siv musterte Nuala noch einmal kurz, dann betrat sie die Küche, und sofort fiel ihr Tilla ins Auge, die scheinbar gerade durch das Fenster in die Küche klettern wollte. "Tilla, warum du kommst durch Fenster?" Sie grinste verhalten, als Niki ebenfalls herumfuhr und spaßeshalber mit dem Kochlöffel drohte. Danach begrüßte die Köchin Nuala und wandte sich wieder ihren Gerichten zu. Siv ging zu dem Fenster hinüber und bot Tilla Hilfe an beim Hereinklettern. "Sie ist Orestes. Ist… ist von… für Orestes. Nuala, das ist Tilla."

  • "Ich soll ihn mit meinem Kitharaspiel und der Rezitation von literarischen Texten erfreuen", wiederholte sie, diesmal leicht verunsichert. "Meinst du, er wird auch noch anderes von mir verlangen?" Sorgenfalten hatten sich in Nualas Gesicht gebildet. Sie erinnerte sich nur ungern daran, was ihr letzter Herr alles von ihr verlangt hatte und wenn sie sich weigerte, so hatte dies meist schmerzhafte Folgen für sie. Sie versuchte die Erinnerungen daran zu verdrängen. Dies war ein anders Haus und ein anderer Herr. Er war doch freundlich zu ihr gewesen, als sie vor ihm gestanden hatte. Er war bestimmt nicht von dieser Sorte!


    Für Nuala war es fast zur Normalität geworden, nicht zu wissen, woher sie kam. Sie hatte immer die Familie in Mogontiacum als ihre Familie bezeichnet. Durchaus hätte sie schon gerne gewusst, wer ihre wahren Eltern waren. Manchmal jedoch, meistens wenn sie schlief, waren diese seltsamen Bilder im Kopf und manchmal kamen ihr seltsame Worte in den Sinn, mit denen sie aber überhaupt nichts anfangen konnte. Sie tat das meist als ihre eigene Spinnerei ab und dachte nicht mehr darüber nach. "Ach, ist nicht schlimm!" In Wirklichkeit war es aber das, doch das zeigte Nuala nicht.


    In der Küche angekommen, staunte sie nicht schlecht, als plötzlich ein Mädchen, nicht viel älter, als sie selbst, zum Fenster herein geklettert kam. Die Köchin drohte ihr spaßeshalber mit dem Kochlöffel deswegen und auch Siv schmuzelte. Die Germanin hatte sie Tilla genannt. Das Mädchen machte seltsame Handbewegungen. Nuala war ganz verunsichert infolgedessen. Um die Unstände zu überspielen stellte sie sich ihr vor. "Salve Tilla, ich bin Nuala", sagte sie schmunzelnd.

  • Sie erschreckte sich vor Köchin Nikis plötzlichem Herumfahren und merkte schnell an deren Mimik, das es nur Spass war. Die Köchin schien sich irgendwie zu freuen sie zu sehen und lachte sie auch noch an. Also.. die Erwachsenen waren schon seltsam! Och... ich wollte klettern üben, den Kletterbaum kenne ich bald auswendig... darum. erwiderte sie auf Sivs Frage, liess sich von ihr von der Fenstermauer runterhelfen und fand asbald den sicheren Boden unter den Füßen wieder. Neugierig und misstrauisch zugleich musterte sie Nuala von oben bis unten. Für Orestes? Sie ist ein Geschenk für den Aurelier?? Na sowas.


    Tilla wusste, dass sie Corvinus gehörte, hatte aber kaum einem der Villenbewohner direkten Gehorsam zu erweisen, erledigte dies oder das für die verschiedenen Herrschaften, vornehmlich Duccia Clara oder Orestes. Wobei letzteres wahrscheinlich wegfallen würde, oder? Salve. grüßte sie Nuala, die linke Hand flach an die Stirn legend. Mal sehen, wie lange diese nicht viel ältere 'Neue' bleiben würde. Köchin Niki lenkte Tilla mit einer Schüssel süßem Milchbrei und Zimt ab. Mit eben dieser Schüssel setzte sich das Mädchen auf ihren selbst dekorierten Hocker und begann zu essen. Es war des erste Mal, das sie wieder in Anwesenheit der Erwachsenen aß, sonst aß sie ihre Mahlzeiten alleine und für sich. Köchin Niki bot den beiden alteren Frauen diesen kleinen Imbiss ebenfalls an und verschwand in den Gemüsegarten. Schläft sie bei uns oder schon bei Orestes?

  • Siv zuckte die Achseln, als Nuala scheinbar etwas verunsichert nachfragte. "Keine Ahnung. Ich kenn Orestes kaum. Ich kann nur mit… Kithara…", das fremde Wort wollte so gar nicht in die germanische Sprache passen, fand Siv, "… und Rezitation und so wenig anfangen. Aber wenn du so was kannst und Orestes das hören will…" Wollte Corvinus so was auch hören? Siv grübelte weiter, reichlich unentschlossen. Aber eigentlich war es vorerst auch egal, erst mal musste sie überhaupt lesen lernen, und davor vernünftig Latein, also wirklich vernünftig, und überhaupt… Sie hatte Fortschritte gemacht, recht schnell anfangs sogar, aber jetzt kam es irgendwie ins Stocken. Und das ärgerte sie. Vielleicht sollte sie Cassim mal bitten, sich mit ihr in seiner Freizeit zu treffen und mit ihr zu üben. Sie wusste, dass Freizeit etwas war, was für Sklaven oft sehr spärlich bemessen wurde, aber sie hatte das Gefühl der Parther mochte sie. Vielleicht ließ er sich ja überreden.


    In der Küche musterte sie Tilla kurz verwirrt. "Ein Geschenk? Eh, nein. Nein, sie ist Sklavin. Er hat gekaufen, Nuala, heute. Sie ist… seins." Siv nahm von Niki eine Schüssel mit Milchbrei entgegen und bedankte sich bei ihr, dann sah sie der Köchin kurz nach und wandte sich anschließend wieder den anderen beiden zu. "Ich weiß nicht. Nuala, du schlafst wo, weißt du das?"

  • Sivs Achselzucken trug nicht wesentlich dazu bei, dass Nuala wieder mehr an Sicherheit gewann. Doch als sie bemerkte, dass die Germanin eigentlich nur größere Schwierigkeiten mit dem Wörtern Kithara und Rezititation hatte, wirkte sie ein wenig erleichtert. "Ach ja, also die Kithara ist ein Saiteninstrument, ähnlich wie eine Lyra, ähm eine Leier, verstehst du? Und Rezititation, das bedeutet, Texte, die jemand einmal aufgeschrieben hat, mündlich zu wiederholen. Zum Beispiel Gedichte und solche Dinge." Nuala schämte sich fast ein wenig deswegen. Sie wollte nicht belehrend wirken. Mit ihren Fähigkeiten hatte sie schon manchmal den Neid ihrer Mitsklaven auf sich gezogen. Das wollte sie in ihrem neuen Heim vermeiden. Zumindest wollte sie sich nicht gleich am ersten Abend Feinde schaffen.


    Nuala beobachtete Tilla weiterhin. Sie fand das Mädchen etwas merkwürdig, denn sie sprach nicht. Stattdessen, machte sie diese sonderbaren Zeichen mit ihren Händen. Siv und die Köchin schienen sie zu verstehen, nur Nuala verstand rein gar nichts. Offenbar hatte sie Siv nach ihrem Schlafplatz gefragt. Sivs Antwort förderte wieder ihre alten Angste zu Tage.
    "Ich, ähm.. habe keine Ahnung. Er hat nichts gesagt. Ich weiß nicht!"

  • Aha.. eine gekaufte Sklavin. Tilla legte den Kopf schie, musterte Nuala eingehender. Die gleiche oder beinahe ähnliche Haarfarbe dieser 'Neuen' war ihr schon aufgefallen. Hmja... Nuala sah jedenfalls besser aus als sie selbst und älter schien sie sowieso zu sein. Also konnte sie die Stellung des jüngsten Nesthäkchens immernoch für sich beanspruchen.


    Tilla senkte den Blick und widmete sich dem Brei in der Schüssel, auch wenn sie beschäftigt tat, spitzte sie dennoch die Ohren um die Unterhaltung mitzuverfolgen. Siv erleichterte ihr dieses 'Mithören' jedoch nicht, da sie eine andere Sprache als üblich verwendete. Entnervt warf Tilla den Löffel in die Schüssel und trug das benutzte Geschirr zur Spüle, um sie dort hinein zu stellen. Der Tag ist für mich rum. Ich gehe schlafen.. gute Nacht. verabschiedete Tilla sich von den beiden Erwachsenen und überliess sie sich selbst. Wieder klingelten die Glöckchen an Tillas Kleid, als sie zu rennen begann. Ein kleines Wettrennen gegen sich selbst bis zu den Schlafräumen.

  • Sim-Off:

    Sorry für die Verspätung :(


    Siv war nicht bewusst, dass Tilla der Unterhaltung nicht folgen konnte, benutzte sie doch, seit Nuala und sie die Küche betreten hatten, Latein. Etwas irritiert musterte sie das Mädchen daher, als sie sich so plötzlich verabschiedete und auf ins Bett machte. Dann wandte sie sich wieder an Nuala – nun, da sowohl Niki als auch Tilla verschwunden waren, wieder auf Germanisch. "Tilla kann nicht reden, sie hat keine Zunge mehr", erklärte sie, während sie sich auf der Bank hinter dem Tisch niederließ und die Beine hochzog. "Meistens hat sie eine Tafel dabei, auf der sie aufschreiben kann, was sie meint. Mir hilft das nicht viel, ich kann nicht lesen. Noch nicht", fügte sie, teils etwas düster, aber nichtsdestotrotz entschlossen hinzu. Sie löffelte etwas Milchbrei und gestikulierte dann mit dem Löffel herum. "Aber sie verständigt sich auch über eine Zeichensprache, wenn man ein bisschen Zeit mit ihr verbringt, kommt man recht schnell dahinter, was sie meint. Und sie ist ein liebes Mädchen." Wenn auch etwas verschlossen, manchmal sogar depressiv, so kam es Siv vor. Sie mochte Tilla, aber mit ihrer oft pragmatischen Sichtweise kam sie nicht recht an sie heran, verstand sie oft nicht. Ihre Unterhaltung im Stall war das beste Beispiel. Sicher war es nicht leicht, keine Eltern zu haben, sie nicht einmal kennen gelernt zu haben… Aber so war das Leben nun mal. Siv kannte nichts anderes. Im freien Germanien aufzuwachsen hieß, sich damit abzufinden, dass tagtäglich Gefahr drohte, dass jederzeit ein oder mehrere Familienmitglieder oder Freunde nicht mehr heimkamen. Es passierte, man trauerte, und danach ging das Leben weiter. Wer sich zu sehr in der Vergangenheit verlor, zu lange trauerte und mit sich, seinem Schicksal und den Göttern haderte, verringerte seine eigenen Chancen zu überleben. Es lag mit daran, dass Siv sich trotz ihres eher aufmüpfigen Wesens an ihr Sklavendasein gewöhnt hatte.


    "Also, wenn Orestes nichts gesagt hat, wirst du wohl bei den anderen Sklavinnen schlafen, denk ich." Sie löffelte erneut etwas Milchbrei, stützte anschließend nachdenklich die Kante des Löffels auf ihre Unterlippe. "Mmh." Der Löffel hob sich und wippte kurz in der Luft hin und her. "Was für Texte wiederholst du?" Geschichten erzählen konnte sie auch, Lieder und Gedichte. Aber Texte, das klang… nach etwas anderem. Vielleicht meinte Nuala damit einfach nur römische Geschichten, aber so sicher war Siv sich da nicht. "Ah ja, und wenn du Leier spielst, solltest du dich mal mit Sofia unterhalten. Sie ist… na ja, etwas tollpatschig." Nuala würde schon früh genug herausfinden, wie tollpatschig Sofia manchmal war. "Aber spielen kann sie toll. Was willst du wissen? Hier, über das Haus, über die anderen Bewohner…"

  • Sim-Off:

    Ist nicht schlimm! ;)


    Auch Nuala war es nicht aufgefallen, dass es Germanisch war, dessen sie sich bedienten. Sie dachte sich auch nichts weiter dabei. Erst als das Mädchen aufstand und die Küche verließ, da bemerkte sie es erst. Allerdings waren jetzt nur noch Siv und sie in der Küche. Da konnten sie sich auch weiterhin in Germanisch unterhalten.
    Siv erzählte ihr einiges über das Mädchen, das den Namen Tilla trug. "Sie hat keine Zunge mehr? Wieso? Ich meine, was ist passiert?" Wenn Siv sagte, Tilla hatte keine Zunge mehr, dann bedeutete das, sie hatte einmal eine gehabt. Sie ahnte schon, etwas Schreckliches musste ihr widerfahren sein. Ob es in diesem Haus geschehen war? Es beschlich sie das Gefühl, in diesem Haus gab es noch so manche Geheimnisse, die sie im Laufe der Zeit noch entdecke´n musste. Jedes Haus hatte seine Geheimnisse. Blieb nur die Frage, wie schlimm diese Geheimnisse waren.
    Nuala nahm sich einen Holzlöffel und begann von dem Brei zu essen. Er war wirklich süß gewesen und wohlschmeckend. So gut hatte sie lange schon nicht mehr gegessen.
    Nach einer Weile und einigen Löffeln Bre mehri, begann Siv weiter zu erzählen. Sie mutmaßte, Nuala würde bei den anderen Sklavinnen schlafen. Was war mit Siv? Schlief sie nicht auch dort? "Und du? Schläfst du nicht dort?" fragte sie Siv und schaufelte dann noch einen Löffel des Breis in ihren Mund.
    Irgendwie schien sie bei der Germanin das Interesse für ihre Fähigkeiten geweckt zu haben. Hier gab es wohl nicht sehr viele, die diese Künste beherrschten. "Ich kann griechische und römische Texte. Gedichte und Lieder und solche Sachen." Das war vereinfacht ausgedrückt, so damit Siv es verstehen konnte. "Warst du schon einmal in der Bibliothek? Ich könnte dir solche Texte zeigen und wir können sie zusammen lesen. Ich meine ich könnte dir beim Lesenlernen helfen, wenn du möchtest!" Wenn sie so interessiert war, dann nahm sie vielleicht ihr Angebot an.
    Siv erzählte noch über eine andere Sklavin, die auch ein Instrument beherrschte. In den nächsten Tagen wollte sie alle Sklaven des Hauses kennen lernen. Dann hatte sie auch Gelegenheit, mit dieser Sofia zu sprechen.
    Es war wirklich gut, Siv bei sich zu haben, dachte sie. Sie konnte über jeden in diesem Haus etwas erzählen. Sie bot sich sogar an, noch mehr zu berichten. "Kannst du mir noch etwas über die Familie sagen, die hier lebt? Orestes ist doch nicht der Einzige."

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