Hortus| Wie man plant und denkt, kommt es nie

  • Ja, diese Leute kannte ich allerdings nur zu gut. Für sie und ihresgleichen, war sie nichts weiter als ein Gebrauchsgegenstand, den man benutzte, wie man ihn brauchte. Deshalb hatte es mich ja auch schon so gewundert, als sie mir sagte, ich solle mich zu ihr setzten. Im Nachhinein war mir jetzt alles klar. Sie wollte mich nur aushorchen! Ich hatte es ja schon vermutet, jetzt hatte ich die Gewissheit. Ja Youen hatte Recht, in ihren Augen war sie nur ein Möbelstück. Der Tisch konnte auch gut ohne den Stuhl funktionieren.
    Ich sah, wie ich ihn so arg in Bedrängnis gebracht hatte, wie er ängstlich um sich schaute, weil er befürchten musste, sie würde gleich hinter ihm stehen, wie er nach Worten kramte, um sich vor mir rechtfertigen zu wollen. Ich war mir sicher, er hatte Angst. Nicht nur vor ihr, nein auch vor mir.


    Youen, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anschnauben, schluchzte ich.


    Am liebsten hatte ich diesen Körper verlassen und wäre in einen anderen gefahren. Ich hatte es satt, schwanger zu sein. Ich wollte nicht mehr. Jetzt nach diesem "Gespräch", war es für mich fast belanglos geworden.


    Nein, ich bin nicht mehr lange schwanger! Und deshalb gehe ich jetzt zu Aquilius und sage ihm alles. Ich warte nicht bis morgen. Morgen ist es vielleicht schon zu spät!
    Soll er doch entscheiden, was mit dem Kind und mit mir wird. Soll er mich bestrafen, wenn er denkt, es sei notwendig. Ich sollte mir wirklich nichts mehr vor machen! Ich hatte schon geglaubt, ich könne mich auf das Kind freuen. Aber weiß du, ich freue mich nicht. Ich hatte gedacht,.. nein, ich hatte überhaupt nichts gedacht!


    Genau, ich war in allem unbedacht gewesen, sonst wäre ich ja nicht schwanger geworden. Ich sah mein Leben als eine Aneinanderreihung von Katastrophen an, eine schlimmer als die andere und ich war gerade wieder im Begriff, auf die nächste zielsicher zuzusteuern.

  • Hatte er sich vorab bereits unwohl in seiner Haut gefühlt, schien ihn Bridhes Entschuldigung nur noch mehr in die Bredouille zu stürzen. Nun war er auch noch schuld, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, was konnte es schlimmeres geben? Sein Blick wandelte sich immer mehr in den eines geprügelten Hundes, der absolut nicht verstand, warum sein Herrchen ihn nun in den Regen gesetzt hatte, während er irgendwie kleiner und kleiner zu werden schien. Wenigstens vor seinem inneren Auge.
    „Nein, nein. Du musst dich nicht entschuldigen.“, versicherte er schnell, hob zur Unterstützung abwehrend beide Hände.
    „Aber bitte, hör auf zu weinen.“


    Und war er eben noch das Abbild des misshandelten Sklaven gewesen, so wandelte sich Pallas’ Gesichtsausdruck mehr zu einem jener Gesichter, die Perseus entgegen geblickt haben müssen, als er verkündete, er habe Medusa den Kopf abgeschlagen. Er verkniff sich ein „Bist du des Wahnsinns?“ und ließ jenen verwirrten Ausdruck für sich sprechen.
    „Äh…“, war das einzige an verbaler Unterstützung, die er vorerst herausbrachte.
    „Ja aber… aber…“
    Für jemanden, dessen Gedächtnis wahrlich vollgesaugt war mit allerlei Sagen, Legenden, Geschichten und Gedichten stellte sich der Britannier in manchen Moment als ausgesprochen uneloquent dar.
    „Lass dir doch von ihr nicht die Freude auf dein Kind verderben. Ich bin mir sicher, du malst dir jetzt alles schlimmer aus, als es wird. Denkst du denn wirklich, Aquilius würde dich schwer bestrafen? Er ist doch recht verträglich, oder nicht?“

  • Ich konnte einfach nichts dagegen tun. Die Schwangerschaft bestimmte mein Leben und Handeln. Manchmal wunderte ich mich selbst über mich. Ich tat Dinge, die ich früher nie getan hätte. Doch in Situationen wie diesen, in denen ich sah, was ich anderen Menschen antat, durch mein Verhalten und das was ich sagte, fühlte ich mich einfach schlecht. Genau in einem solchen Moment befand ich mich jetzt. Ich musste nur Youan ansehen und wusste, was ich getan hatte. Schluchzend wischte ich mir mit meinem Handrücken die Tränen ab.


    Ich hör ja schon auf.


    Nicht nur er sah jetzt aus, wie jener gequälte Hund. Mir ging es nicht besser. Meine Gedanken kreisten nur um eine Frage. Was wird diese Frau alles anstellen, um sich an mir rächen zu können? Ich selbst hatte ihr den Vorteil verschafft, zu wissen, auf welche Weise sie mir schaden konnte. Mir war klar, sie würde es nicht auf sich beruhen lassen. Nicht sie und schon gar nicht, wenn der Grund für ihren Zorn eine Sklavin war.
    Mein Entschluß, zu Aquilius zu gehen und ihm alles zu beichten, musste in Youens Ohren wie ein Selbstmordkommando anhören. Ich war aber fest davon überzeugt und nichts konnte mich davon abbringen. Auch nicht Youens Einwände. Jedenfalls im Moment nicht.


    Ja, er ist sogar sehr verträglich. Und genau deshalb muss ich es tun! Wer weiß, was sie ihm alles erzählt? Ich traue ihr nicht! Du hast es doch selbst gesagt, sie ist unberechenbar.

  • Die Tränen begannen sich zu verflüchtigen und so wäre es auch mit Pallas Gefühl geschehen sollen, das absolut niederste Wesen auf der Welt zu sein – ein Mann. Bei der Geburt seiner Herrin hatte er mitbekommen, welche Höllenqualen eine Frau bei der Niederkunft wohl durchstehen musste und er kam nicht umhin, sich schuldig zu fühlen, wenngleich er nie etwas Derartiges verursacht hatte – so weit er wusste zumindest. Dennoch senkten sich die angespannten Schultern ein wenig ab und wenn er sich auch nicht gänzlich wohl in seiner Haut fühlte, so half es doch sehr, dass Bridhe sich gefangen zu haben schien. Pflichtschuldig nickte er. „Danke.“


    Dass seine Landesgenossin nach wie vor vorhatte, zu ihrem Herrn zu gehen und die ganze Sache zu beichten wollte ihm nicht so recht in den Kopf. Was spielte es schon für eine Rolle, ob er es von einer zickigen Patrizierin oder einer zi… einer schwangeren Sklavin erfuhr? Die ganze Sache war mehr als übertrieben. Über was Frauen sich bisweilen so den Kopf zerbrachen war schon äußerst lächerlich. Als gäbe es keine anderen Probleme auf der Welt. Doch vermutlich sah er das, als jemand dem unaufhörlich die Logik von Myriaden von Schriftrollen im Kopf herumspukte, zu unemotional.
    „Und? Was ändert das? Du erzählst ihm deine Version, sie erzählt ihm ihre. Wem wird er glauben? Und selbst wenn er dir glauben sollte – was ich statistisch gesehen für unwahrscheinlich halte-“, diesbezüglich hatte er jahrelange ‚Feldforschung’ hinter sich, „-denkst du denn, wenn sie auf einer Bestrafung besteht wird er ablehnen? Ich für meinen Teil würde das wohl nicht tun, sei mir nicht böse. Aber eine beleidigte Sklavin wäre mir weitaus lieber als eine beleidigte Senatorengattin.“

  • Ich konnte Youen einfach nicht verstehen! Was es änderte? Sehr viel änderte es! Wenn seine Herrin wirklich so unberechenbar war, wie er sagte, dann konnte sie ihm auch alles Mögliche erzählen. Ich traute ihr kein bisschen!


    Er wird erkennen, dass ich die Wahrheit sage! Und ich kann es ihm erklären.


    Dafür musste er mich aber auch erst anhören. Ob er das in ihrer Gegenwart tat, war fraglich. Doch ich musste es einfach versuchen!


    Dann soll er mich doch bestrafen! Aber er würde nichts tun, was dem Kind schadet! antwortete ich ihm trotzig.


    So gut kannte ich Aquilius mittlerweile. Ich glaubte zu wissen, dass auch er dieses Kind wollte, weil es seines war. Vielleicht freute er sich sogar schon darauf. Er hatte mir schon des Öfteren versichert, dem Kind würde es an nichts fehlen. Wenn es nur nicht als Sklave zur Welt kam! Wieder packte mich die Angst! Was wenn sie ihn dazu zwang, mich nicht freizulassen? Youens Worte stürzten mich in ein tiefes Loch der Angst. Eine beleidigte Sklavin wäre mir weitaus lieber als eine beleidigte Senatorengattin. Schnell! Ich musste zu ihm sofort, bevor sie bei ihm war! Ich lief schneller, sofern mir das möglich war. Bald schon hatten wir die Villa erreicht.


    Weißt du, mir ist alles gleich, was er mit mir machen wird. Für mich ist nur mein Kind wichtig! Meinem Kind soll es einmal nicht so ergehen, wie es dir ergangen ist, Youen. Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, hab ich mich deiner Worte erinnert und ich habe mir geschworen, dies wird meinem Kind nicht widerfahren!

  • Schicksalsergeben seufzte der Sklave. Irgendwie schien diese Diskussion ins Nichts zu führen und so breitete er ratlos die Arme aus, zuckte mit den Schultern und ließ schließlich die Arme wieder fallen.
    „Wenn du das sagst.“
    Pallas indes erinnerte sich an eine kurze Szene, als er mit Aquilius zusammengetroffen war und dieser alles andere als guter Laune schien… doch vielleicht war er gegenüber Bridhe anders, wer konnte das schon sagen.
    Und während Bridhe ihre Schritte beschleunigte, blieb der Britannier plötzlich abrupt stehen. Er traute seinen Ohren kaum, hatte sie das tatsächlich gesagt? Unwillkürlich begann das Blut in seinen Ohren zu rauschen, das Herz in wildem Widerstreit gegen seine Rippen zu trommeln.
    „Verstehe.“, erwiderte er kühl.
    Seine Existenz war in ihren Augen also nicht erstrebenswert, sein Leben nicht lebenswert. Er selbst hatte sich nie nach einem anderen Leben gesehnt, wusste er doch zu gut, dass es ihm als Sklave einer patrizischen Familie, noch dazu als Leibsklave, weitaus besser ging als den meisten Freien im römischen Imperium. Und was tat sie? Nahm sein Dasein und warf es in den Dreck. Nicht genug damit, trat es tiefer in schlammige Pfützen und steinigen Untergrund. ‚Sie ist schwanger, sie meint es nicht so.’, sagte sein Kopf. Doch er wusste, sie meinte es genau so, wie sie es sagte. Sie war nicht wie er, sie hielt hier nichts und so verstand sie nicht, dass es keineswegs ein unerträgliches Leben war, das er führte. Ein paar Herzschläge lang stand er so da, steif und unfähig sich zu rühren, nun, da ihm von einer anderen Sklavin praktisch sein Wert abgesprochen worden war. Seine Hände öffneten und schlossen sich zu Fäusten, immer und immer wieder, bis er nach kurzem Lippenzucken „Dann viel Glück bei Aquilius.“ sagte, sich umwandte und zurück zu dem Platz stapfte, an dem er seine Herrin verlassen hatte.

  • Youen blieb plötzlich stehen. Ich war schon ein ganzes Stück weiter gelaufen, als ich auch stehen blieb und mich zu ihm umdrehte. Ich konnte an seinen Gesichtszügen erkennen, etwas stimmte nicht. Er sah mit einem Mal so abweisend aus.


    Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt? Youen!


    Ja, das musste es sein! Ich hatte ihn unwissentlich beleidigt, mit dem was ich sagte. Für mich war dieser Zustand Sklave zu sein, das grausamste was es gab. Etwas, was man niemandem wünschen wollte. Er hingegen sah das offensichtlich ganz anders!
    Er wünschte mir noch viel Glück bei Aquilius und ging zurück in den Garten. In mir entstand der Drang, ihm nachzurennen. Aber es war ausgeschlossen, rennen konnte ich nicht mehr in meinem Zustand. So ließ ich ihm noch hinterher, so schnell ich konnte, musste allerdings bald inne halten, weil mir schlicht und ergreifend die Kraft dazu fehlte. Ich konnte ihm nur noch hinterher blicken und hatte ein ganz schlechtes Gewissen deswegen. Es tat mir so leid, ihn beleidigt zu haben. Bei nächster Gelegenheit musste ich mich bei ihm entschuldigen. Ihn als Freund zu verlieren, wollte ich nicht. Doch jetzt musste ich erst mit Aquilius ins Reine kommen.

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