Triclinium | Hungaricus et Furianus

  • Das pompöse Triclinium war stets bereit für feierliche Anlässe kurzzeitig dekoriert zu werden. Auch die Küche hatte eine gewisse Routine darin binnen weniger Stunden die köstlichsten Speisen auf den Tisch zu zaubern. Und so war es auch an jenem Tag, welcher der letzte für Furianus in seinem Amt, in dieser Villa, in dieser Provinz sein sollte.
    Selbst, mit den letzten Kraftreserven verblieben, lag er auf einer der zahlreichen Clinen um den Esstisch und versuchte das ihm schon langsam allzu vertraute Husten zu unterdrücken. Der Vinicier sollte nicht sehen, dass der Flavier nicht um seine Ehre, sondern viel mehr um sein Leben rang.
    Und doch, er war froh Hungaricus ein weiteres Mal, das erste Mal in Zweisamkeit, sprechen zu können. Es gab sowieso keinen besseren Nachfolger als den ehemaligen Chef der Garde.


    Gespannt wartend, lag er da und ließ sich ab und an mit einem feuchten Handtuch die Stirn mit kühlem Wasser benetzen.

  • Es dauerte einige Zeit, bis der Sklave ihn durch die Gänge zum richtigen Triclinium führte. Und vermutlich würde es auch einige Zeit dauern, bis er, Hungi, sich in diesem Haus genau auskennen würde. Wahrscheinlich würde er in exakt jenem Zeitpunkt abberufen werden. Wenn ihm der Sinn nach dem ausgesuchten Interieur stehen würde, hätte er dieses schon längst anerkennend begutachtet. Doch in diesem Moment war ihm das mehr oder weniger gleich, denn dafür hatte er nachher noch genug Zeit. Zuerst stand das Gespräch mit seinem Vorgänger auf dem Plan.


    Senator Flavius. begrüßte er eben jenen, als er im Triclinium eintraf und auf ihn zuging. Wie geht es dir? Er war zwar nicht blind, sah er doch, daß der Flavier krank war, was auf eine merkwürdige Art und Weise wiederum gut war, denn sonst wäre Hungi sehr beleidigt gewesen, wenn der Flavier eine Krankheit nur vorgeschoben hätte, um ihn nicht persönlich bei seiner Ankunft am Hafen Tarracos begrüßen zu müssen.

  • "Senator Vinicius, es freut mich."


    Sagte er zur Begrüßung und schickte sich an aufzustehen, bis ihn ein stechender Schmerz in der Brustpartie zur kurzzeitigen Aufgabe zwang, er sich jedoch noch aufrappeln und mit der letzten Würde, die er noch hatte, alleine erheben konnte.


    "Nun, wie du siehst kann ich schon fast wieder sprinten."


    Scherzte er, reichte dem Senator schnell die Hand, um sich sogleich wieder außer Atem auf die Cline fallen zu lassen.


    "Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob ich die nächsten Monate noch überlebe. Oder besser gesagt, die nächsten Monate noch so vor mir daher vegetieren will."


    Doch er besann sich wieder darauf, dass sein Gegenüber sicherlich nicht die Zeit hatte einem fast Verblichenen beim Wehklagen zuzuhören und fing an das Unwichtige vom Wichtigen zu trennen.


    "Aber genug davon, du bist sicherlich nicht deswegen hier.
    Ich muss dir jedoch sagen, dass ich dir nicht das sagen kann, was ich gerne an Informationen hier hätte. Wie du siehst bin ich kaum im Stande in Tarraco meinen Pflichten nachzugehen, ich lasse mir alles hierher bringen und verrichte, wenn ich kann, das Nötigste. Aber selbst das reicht nicht aus. Meine Augen und Ohren in der Stadt sind meine früheren Mitarbeiter gewesen. Und diese sind recht bescheidene Quellen. Das, was ich weiß, ist recht simpel und mit den Worten zu umschreiben, dass alles ruhig zu sein scheint. Ich habe jedoch vor Kurzem vom Duumvirn gehört, dass er an einem der Drahtzieher des Aufstandes dran sein soll, aber ob du das so recht glauben willst, ist deine Sache, ich habe mein Urteil diesbezüglich noch nicht fällen können. Wie auch bei den Übrigen Informationen, die ich habe.
    Ich verlasse mich nicht gerne auf Quellen aus zweiter Hand, sie sind allzug leicht manipulierbar. Und selbst kann ich schlecht etwas in Erfahrung bringen.
    Das Einzige, was ich im Moment für dich tun kann, ist dir über die Beamten zu berichten, die ich noch selbst kennen lernen und beobachten konnte, bevor mir diese Plage auferlegt wurde."


    Was sollte er ihm denn schon Weiteres sagen? Es gab nichts, was Furianus wusste und gerade dieser Umstand machte ihm zu schaffen. Seiner Aufgabe nicht gerecht nachzukommen war für ihn schlimmer als der beklemmende und stechende Schmerz in der Brust, den er erdulden musste wie Prometheus den Adler.

  • Mitleidig sah er auf den kranken Flavius, als dieser ihm die Hand zum Gruße reichte, und legte sich danach auf eine Cline. Einer der Sklaven reichte ihm einen Becher Wein, den er jedoch noch nicht kostete. Ach was. Mit einem ordentlichen Opfer an Äskulap und einem guten medicus wirst du wieder bald auf den Beinen sein. Oder auch nicht, aber er wollte weder den Mitleidenden heraushängen lassen noch pietätlos sein. Also beließ er es auch bei diesen Worten und achtete nur darauf, es positiv klingen zu lassen.


    Das, was folgte, war ihm mehr oder weniger latent ohnehin schon bewußt. Ob die Quellen, eben die Mitarbeiter, auch tatsächlich die Wahrheit sagten, würde Hungi in den nächsten Tagen und Wochen herausfinden. Es war immerhin gut möglich, daß sich die Leute mangels einer Kontrollinstanz einen schönen Sommer machten und wie Iuppiter in Gallia lebten. Genauso gut war es natürlich auch möglich, daß ihn sein Vorgänger anlügte. Aber auch das würde er bald herausfinden, so er nicht Opfer einer unglaublich guten Intrige werden würde. Ich werde dir gerne zuhören.

  • "Ach, Äskulap habe ich schon ein ganzes Latifundium geopfert und es rührt sich nichts. Aber gut, dann fangen wir mal von oben nach unten an."


    Gab er als Einleitung bekannt und hatte auch schon das erste Gesicht vor Augen.


    "Der erste wird wohl der Comes sein, welcher zugleich auch Princeps der Curia ist. Er ist mein Klient, so dass du sofort annehmen wirst nur Positives von mir zu hören. Das wirst du auch, aber jeder hat seine Schattenseite und das sollte dir bekannt sein. Mir geht es um das Wohl dieser Provinz, das solltest du dir bei Zweifeln an meiner Glaubwürdigkeit durchaus vor Augen führen.
    Wo waren wir? Ja, Fabius Rusticus, Comes und Princeps Curiae. Ein fähiger Mann, hoch kompetent und hat mich noch nie enttäuscht. Ein großes Manko ist seine, nun ja, Steifheit. Er ist ein, wenn ich es so ausdrücken darf, nicht gesellschaftsfähiger Mann. Das ist ein großer Nachteil, wenn du ihn für Verhandlungen oder Ähnliches, was ein gewisses Feingefühl und einen Umgang mit dem Verhandlungspartner erfordert, einsetzen willst. Ist sein Verhandlungspartner mit ihm auf gleicher Augenhöhe oder darunter, ist Fabius sehr kompetent, denn er weiß sich durchzusetzen. Verschwiegen ist er auch, eine ebenfalls negative wie auch positive Eigenschaft."


    Auch Furianus ließ sich einen Becher stark verdünnten Wein einschenken und nutzte die Pause um ein wenig zu verschnaufen.


    "Der zweite ist der Procurator Aquarum. Es ist der Eques Didius Sevycius. Ebenfalls mein Klient und fähiger Mann, zumindest ist mir noch nichts Negatives über die Wasserversorgung zu Ohren gekommen. Anders verhielt es sich bei seinem Vorgänger, Didius Crassus, diesen habe ich sofort hinaus werfen lassen. Nun ja, Sevycius ist konstant, möchte ich sagen, jedoch hält er sich mit seinen Berichten etwas zurück, so dass du ihm ein wenig Tempo auferlegen musst.
    Der Dritte wäre dann der Praefectus Portuensis. Dieser ist meines Wissens dein Klient, Furius Helios. Auch seine Arbeit ist konstant, nur mit den Berichten hält er sich ebenfalls sehr zurück. Das Gleiche wie bei Sevycius.
    Und zum Schluss auf regionaler Ebene wäre da mein Verwandter, Flavius Quirinalis. Ein sehr ruhiger, jedoch kompetenter Bursche. Von ihm hört man so gut wie gar nichts, es liegt also in deiner Hand, ob er sein Amt behält oder nicht. Du bist der Statthalter."


    Dass Quirinalis wie vom Erdboden verschluckt schien, missfiel Furianus in letzter Zeit weniger, da er viel mehr mit seiner Krankheit beschäftigt war, als die gescheiterten Karrieren seiner Verwandtschaft zu fördern.
    Ein kleiner Schluck, um die Kehle zu befeuchten, und er fuhr fort.


    "In Tarraco hast du einen fähigen Duumvir, Artorius Didianus Nero. Sehr kompetent und engagiert, recht aktiv in der Curia. Ich wollte ihn kürzlich zum Magister Scriniorum erheben, da er mir stets ein guter Duumvir war. Vielleicht ergreifst du die Initiative, es würde mich freuen.
    An seine Stelle würde ich dann Germanicus Matrinius einsetzen. Er ist zwar nicht lange in seinem Amt, aber er war eine beachtliche Zeit als Scriba in Germanien und macht sich hier auch recht gut als Magistratus."


    Das waren wohl alle, die ihm so auf die Schnelle einfielen.


    "Ich habe einige Edikte erlassen, die deine Arbeit hier recht angenehm gestalten sollten. Du wirst merken, dass dadurch viel Macht in den Händen des Statthalters gebunden wird, aber als ich hier zum ersten Mal erschien, war alles macht- und führungslos, so dass ich das Ruder an mich gerissen habe, um überhaupt noch etwas voran zu kriegen. Es ist Mehrarbeit, aber dadurch geht alles viel schneller, glaube mir. Natürlich verfallen meine Edikte, aber wenn du sie weiterhin übernehmen möchtest, ist es deine Sache. Für mich war es einfacher so, du kannst es ja noch anderweitig ausprobieren, vielleicht findet sich ein neuer Weg."


    Was er jedoch stark zu bezweifeln gedachte. Die lokalen Honoratioren waren nicht gerade die verantwortungsbewusstesten Menschen, die er kannte. Und Demokratie war etwas Zähes, was er gerne mit seinen Edikten umging und gleich selbst erledigte, bevor es Jahre dauerte, bis eine Straße gebaut wurde.

  • Den Comes habe ich schon kennengelernt. Gerade eben, als ich in Tarraco ankam. Er schien mir tatsächlich ein etwas reservierter Charakter zu sein. Die Kompetenz wollte er (noch) nicht beurteilen, da er den Mann ja dort das erste Mal gesehen und auch nur kurz mit ihm gesprochen hatte. Aber Hungi hatte ohnehin vor, mit den wichtigsten Leuten der Verwaltung ein Gespräch zu führen. Der Name Sevycius sagte ihm nichts, hätte ihm zwar etwas sagen sollen, da dieser vor Jahren einmal Quästor war, aber anscheinend ging der Didius unter den anderen Quästoren vollkommen unter. Den nächsten erwähnten Namen hingegen kannte er tatsächlich.


    Furius ist hier? Der wollte doch nach Alexandria. Hatte sich nicht Hungi selbst dafür eingesetzt, daß sein Klient die ersehnte Stelle bei irgendeiner Legio in Ägypten bekam? Das würde Konsequenzen haben. Artorius Didianus... ja, den habe ich auch vorhin kennengelernt. Warum hast du ihn nicht schon erhoben, wenn er so gut ist? Immerhin war es eine Sache, schon geklärte Verhältnisse vorzufinden, eine andere, jemanden nur aufgrund einer Empfehlung, die wahrscheinlich auch noch getrübt war, in eine hohe Stellung zu befördern. Einen Magistrat zu einem Duumvir zu befördern... das kam ihm etwas merkwürdig vor. Seinem Verständnis nach wurden die Duumvire gewählt und nicht eingesetzt.


    Alle waren ruhig, alle waren kompetent und alle waren faul im Erstellen von Berichten. Eine interessante Mixtur von Eigenschaften derjenigen Beamten, die sein Vorgänger aufzählte. Erste Schlüsse zog Hungi bereits, doch verifizieren wollte er sie noch.


    Ich werde mir deine Edikte gerne ansehen und wenn sie mit meinen Vorstellungen übereinstimmen, auch übernehmen. Und auch mit den Gesetzen. Macht- und führungslos? Er überlegte, wer vor Flavius hier Proconsul gewesen war. War dein Vorgänger nicht Matinius Agrippa?

  • "Na dann hast du ihn ja erlebt."


    Kommentierte er die Begegnung mit seinem Klient und nahm einen weiteren Schluck.
    Dass der Furier hier war, obwohl er eigentlich nach Ägypten gehen sollte, belustigte ihn irgendwie.


    "Weißt du, das mit dem Furier ist ein tolles Beispiel an dem, was dich hier erwarten wird, nämlich geradezu vollkommene Abgeschiedenheit von Rom und dem politischen Leben im Reich. Gut, du wirst Klienten und Informanten haben, sie werden fleissig Briefe an dich schreiben, so wie ich sie hatte, aber du wirst schnell merken, dass es ein gewaltiger Unterschied ist aktiv Politik zu betreiben oder hier bloß der Empfänger der Informationen zu sein."


    Und der nächste Satz war einer, der Furianus an all die Tage erinnerte, an denen er nur die Informationen bekam, wie im Senat über ihn getuschelt, gemunkelt und am Ende hohle Unterstellungen auferlegt wurden.


    "Du bist mundtot. Du siehst, was in Rom passiert, doch auch wenn es dich direkt betrifft, kannst du nichts sagen. Du kannst dich nicht rechtfertigen, du kannst nichts erklären, kannst keinem dieser Dummschwätzer ins Wort fallen, geschweige denn ihnen in die Augen blicken. Du sitzt hier und grübelst darüber nach, ob du eine Reise wagen solltest, welche Konsequenzen es dich kosten würde. Und am Ende entscheidest du dich gegen deinen Ruf und für die Provinz, bleibst hier und stehst am Ende vor einem Scherbenhaufen."


    "Sieh mich an", wollte er nur zu gerne ergänzen, doch diese Pein wollte er sich nicht geben. Zu lange wurde er gedemütigt, um sich nun selbst in diese Rolle zu hieven. Sie alle würden, falls ihm von den Göttern die Gesundheit je wieder geschenkt werden sollte, erfahren, dass ein verwundetes Tier auch zubeissen kann. Und wenn es gesund ist, auch viel mehr.


    "Ich muss dir die Situation erläutern, sie mag nun nicht mehr zutreffend sein. So hoffe ich.
    Es war eine große Umstellung als ambitionierter Mann, vom Senat hierher geschickt, mit Eifer, Esprit und Visionen gesegnet, nach Hispania zu kommen. Ich fand eine tote Curie vor, keine Motivation, keine Sehnsucht nach Erneuerung und Verbesserung. Bloß alt eingesessene Plätze, die mit stummen Statuen bestückt sind.
    Der Apparat funktioniert hier bei weitem nicht so gut und schnell wie in Rom, also musste ich Befugnisse nehmen und auf mich vereinen, damit überhaupt etwas voran getrieben wird. Führungspersönlichkeiten fand ich auch keine und aufgrund des kürzlichen Aufstandes konnte ich mich auf die alt eingesessenen Amtsträger nicht wirklich stützen. Wie gesagt, es ist am besten mit dem Wort "ruhig" zu umschreiben.
    Also nahm ich mir vor, neue und integre Männer an meine Seite zu bringen, sie haben, das muss ich auch zugeben, nicht alle die geforderten Voraussetzungen gehabt, um in die Ämter zu kommen, die ich für sie angedacht und in denen ich sie am meisten gebraucht habe.
    So habe ich mir wiederum weitere Befugnisse geben lassen und zum Schluss, vor meiner Krankheit, wieder ein wenig Lockerung walten lassen, nachdem die Provinzkurie nun endlich funktioniert hat. Davor war sie sprichwörtlich tot, ich habe viele Sodales entlassen und dafür neue ernannt, tatkräftigere, Visionäre von einem besseren Hispania.
    Nun funktioniert es recht gut, es ist alles aktiver, davor habe ich die Curie nur als Beratungsgremium gesehen. Und selbst als das hat sie mir nie gedient."


    Zu Matinius Agrippa wollte er nicht viel sagen. Eine bestimmte Meinung hatte er, aber Agrippa war immerhin ehemaliger Consular, ja Censor, gewesen. Kritik an ihm zu üben fiel ihm nicht gerade leicht.


    "Wenn ich es vorsichtig ausdrücken darf, gebe ich Agrippa eine gewisse Mitschuld an dem Aufstand. Er sah dies einfach zu locker, diesen Eindruck bekam ich, als ich die Curie sah.
    Stell dir mal vor, als ich hier ankam, sagte man mir sogar der Comes von Hispania Tarraconensis sei einfach so nach Italie abgereist und schon seit Monaten ohne Lebenszeichen verschwunden. So etwas hätte ich mir nie gewagt zu träumen, aber genau das fand ich vor.
    Als Statthalter muss man in gewisser Weise den Schäfer spielen und seine Leute beisammen halten, jedoch nie zu fest und nie zu lasch. Das hat Agrippa meiner Meinung nach in letzter Zeit nicht gerade mit Bravour gemacht.
    Auch wenn es ruhig ist, Vinicius, halte deine Augen offen und die Leute ein wenig auf Trab. Aber das muss ich dir nicht sagen, du hast weitaus mehr Erfahrung in Menschenführung als ich."

  • Hungi hatte keine Ahnung, was der Flavius da mit seinem Klient da andeuten wollte. Furius selber wollte nach Ägypten, was das mit Politik und Abgeschiedenheit zu tun sollte, entzog sich völlig seiner Kenntnis. Und dann folgte eine quasi endlose Jammerei über den Senat und der Person des Flavius, daß Hungi enorme Mühe hatte, dem allen zu folgen. Naja, dafür hatte er einen köstlichen Spritzer in der Hand. Ob er auf seinen Pannonier verzichten konnte die nächsten Monate? (Denn länger als ein Jahr würde er wohl kaum hierbleiben, dachte er sich.) Falls nicht, mußte er seinem Klienten Varus schreiben, daß er sich bei seinem persönlichen Händler melden und ihm ein paar Amphoren (so um die 30 bis 40 in etwa) schicken lassen sollte. Schön langsam kommt eh wieder die Lesezeit. Ohja, ein ordentlicher Sturm (in anderen Teilen des Reiches sagte man Federweißer dazu), das wäre etwas feines, ob er sowas hier auch bekommen würde? Den aus Pannonien herzukarren wäre vergebene Liebesmühe. Schade. Allerdings hatte er jetzt einen definitiven Grund, auf die Märkte von Tarraco zu schaun. Offiziell natürlich um die Betriebe zu besichtigen und mit den Zuständigen über die Wirtschaft zu plaudern, aber inoffiziell konnte er ja die Augen offenhalten und gegebenenfalls etwas verkosten. Im Normalfall reissen sich ja die Händler darum, einen hohen Herren Kostproben ihrer Ware anzubieten in der Hoffnung auf gute Geschäfte.


    Ah! Jetzt war es doch passiert, er war mit seinen Gedanken abgeschweift. Verdammt. Hungi nickte verständig, so als würde er zumindest teilweise der Meinung vom Flavius sein. Hatte er jetzt eigentlich seine Frage über den Artorius und die Erhebung beantwortet? Vermutlich nicht. Hätte auch nicht zum Thema gepasst. Verdammt, jetzt musste er sich auch noch mit einer Beförderung herumschlagen, die zu beurteilen er einfach nicht konnte. Du hast meine aufrichtige Anteilnahme. Das war nicht einmal gelogen. Aber du irrst, ich habe Erfahrung in der Führung von Soldaten und ich ahne, daß die Führung von Zivilisten nicht so einfach sein wird. Wenn ein Miles nicht spurt, wird er verprügelt, bekommt Latrinendienst, verminderte Rationen, Ausgehverbot und andere Strafen bis hin zum Spießrutenlauf. Das kann man - leider? - bei Zivilisten nicht machen. Man muß wohl die Leute auf andere Art gefügig machen und Hungi ahnte schon, auf welche Weise dies hinauslaufen würde. Matinius selber macht ja keinen Hehl daraus, sehr republikanisch gesinnt zu sein. Eine ziemlich ewiggestrige Ansicht, meiner Meinung nach, aber sie würde zumindest ansatzweise erklären, warum du deine Probleme am Anfang hattest. Der Becher, der in der Zwischenzeit leer wurde, war wie von Geisterhand wieder aufgefüllt. Hungi liebte gut abgerichtete Sklaven. Wie war eigentlich die Zusammenarbeit mit den Comites von Baetica und Lusitania? Um auf die aktuelle Lage zu kommen.

  • "Ja, das stimmt allerdings. Doch es ist fast das Gleich, nur mit anderen Mitteln. Das Prinzip ist gleich, die Bestrafung. Den Soldaten kannst du physisch bestrafen, den Zivilisten kannst du materiell jauchzen lassen. Kürze ihm das Gehalt, gib ihm Mehrarbeit und als letzte Konsequenz drohst du ihm einfach mit der Entlassung. Kein Mann, welcher auch nur ein wenig an seiner Zukunft hängt, wird sich danach noch gegen dich stellen. Du sitzt am längeren Hebel und das kannst du auch bei Zivilisten wie auch bei Soldaten nutzen."


    Eigentlich konnte es ihm egal sein, der Vinicier würde sich schon etwas einfallen lassen. In dieser Hinsicht, nämlich bezüglich der Strafen, war wohl jeder Mensch recht kreativ, solange er selbst nicht bestraft wurde. Das sah man schon an dem recht großen Spektrum an Foltermechanismen und Methoden.
    Das Thema Matinius wollte er allzu gerne begraben, da auch er so manchen Tages den Hang hatte der Republik nachzuweinen.


    "Die Demokratie ist ein wunderbarer Traum, Vinicius, doch zu viel Demokratie lähmt den Staat. Und das ist sein Todesurteil. Es ist gut so, wie es nun ist."


    Mehr wollte er dazu auch nicht sagen.
    Die Comes der anderen Regionen? Interessante Frage, hatte er sich doch primär auf Hispania Tarraconensis konzentriert. Aber die anderen Regionen waren der primären doch ähnlich: ruhig.


    "Die Zusammenarbeit gestaltete sich zunächst etwas schwierig, da besonders der Comes Baeticas sehr reserviert auftrat. Er fürchtete wohl, dass ich ihn ersetzen werde, da ja seine Regio der Auslöser des Aufstandes war. Ich ließ ihn im Amt und so langsam taute er auch auf. Beide sind sehr erfahrene Männer und bis heute habe ich keine besorgniserregenden Nachrichten aus den Regiones erhalten. Die Dienstreisen durch einige wichtige Städte haben mir auch nichts Gegenteiliges aufgezeigt. Du hast zwei eigene Abteilungen von Beamten und Schreibern, die sich um die Korrespondenz zu den beiden anderen Regiones kümmern.
    Ahja, was du eigentlich noch intensiver voran treiben solltest, ist ein Praefectus Vehiculorum. Der Postdienst funkioniert zwar reibungslos, aber seitdem der letzte von diesen Schreibern da gegangen ist, Hadrianus war wohl sein Name, hatte ich keine direkte Ansprechperson für den Cursus Publicus. Dies ist zwar keine ernste Angelegenheit, aber falls was passiert wäre, hätte ich gerne ein Gesicht gehabt, welches mir als Ventil gedient hätte."

  • Hm, Gehalt kürzen, Mehrarbeit geben, in letzter Konsequenz Entlassung... ja, das waren Vorschläge, die durchaus praktikabel waren. Doch leider, so befürchtete Hungi, nur in den unteren Rängen. In manchen Fällen verschwanden einfach die hohen Beamten, nur um woanders wieder aufzutauchen. Er hatte das schon einmal erlebt bei einem ... verdammt, wie hieß dieser suizidale Typ nochmal... Didius? Didius Albinus! Genau. Dieser kleine verdammte Wicht hatte es damals tatsächlich gewagt, ihm, ihm! dem Praefectus Praetorio (wenn ihn seine Erinnerung nicht trübte, auf alle Fälle hatte er gerade eine hohe Stellung inne) auf dem Forum im Rom saublöd zu kommen. Am liebsten hätte er diesen Käfer gleich dort zertreten, aber nein... Und was war? Irgendwann hatte er erfahren, daß dieser Didier irgendwo Duumvir wurde. Fortuna treibt manchmal wahrlich ihre Spielchen mit ihm.


    Ganz meine Meinung, Flavius. Ich halte es da ganz mit Aristoteles... oder war es Platon? Ich verwechsle die beiden immer. Wahrscheinlich haben es ohnehin beide gesagt. Die Herrschaft der Besten, das ist das wahre. Früher mochte es der Senat sein, heute ist es der Kaiser mit seinen Getreuen. Nicht ohne Grund befehligt nur ein Legatus Legionis eine Legion mit 6000 Mann mit Unterstützung seines Stabes, und jedes Kind wird ohne große analogische Fähigkeiten dieses Prinzip auf ein Reich ummünzen können. Selbstverständlich mit einigen Modifikationen. Ja, Hungi war ein eingefleischter Kaisertreuer, bedingt durch seine Vergangenheit, denn seine Karriere war zu einem massiven Gutteil vom Kaiser bestimmt und warum die Hand beißen, die einen füttert?


    Das ist gut zu hören. war seine Antwort auf den Bericht über die anderen Comites. Ich werde zwar selbst dorthin einige Dienstreisen unternehmen, schon alleine um meine Präsenz zu zeigen, aber es ist immer gut zu wissen, wenn die Korrespondenz keinerlei Schwierigkeiten beherbergt. Lusitania und Baetica waren zwar im Vergleich zu Hispania Tarraconensis eher kleinere Bezirke, aber Probleme wollte er in keinen haben. Kein Praefectus Vehiculorum in dieser Provinz? Sagenhaft. Na gut, das sollte wohl hoffentlich kein gar so arges Problem sein. Ein Brief an Avarus sollte wohl hoffentlich Abhilfe schaffen. Hungi hatte, im Gegensatz zu Flavius, ein recht gutes Verhältnis zu Avarus, schon alleine deswegen, weil er, als er noch Praefectus Praetorio war, Avarus als Legatus Augusti Cursu Publico unter sich hatte. Er vermied es allerdings an diesem Tage, diesen Namen auszusprechen, wußte er doch nur zu gut von den Problemen zwischen Flavius und Avarus und er wollte bei Iuno zu diesem Zeitpunkt wirklich keine künstliche Aufregung herbeiführen.


    Mir fällt da noch eine Frage ein, und zwar zu den Milizen. Im Bericht an die Curia Iulia fiel den Senatoren auf, wie du ja sicher weißt, daß du eine Milizpräsenz anvisiert hast und einige Zeit später - in einem anderen Bericht - die außergewöhnlich hohe Summe für die Unterhaltung dieser Milizen. Ich bin mir sicher, du hattest deine Gründe, diese einzusetzen. Letzter Satz sollte als Entschärfung dienen. Doch muß ich jetzt wissen: wieviele Milizen gibt es jetzt hier und hatte dies wirklich effektiv Auswirkung auf die Kriminalität? Hungi gab sich zwar nicht der Vorstellung hin, daß sein Vorgänger ihm nun die reine Wahrheit einschenkte, aber zumindest die Anzahl, ob real oder anvisiert, wäre ihm schon eine wertvolle Information.

  • Der Vinicier, ganz kaisertreu, hätte auch nichts sagen können. Jedoch hatte es Furianus schon immer beschäftigt, warum er als Praefectus Praetorio ausgetauscht worden war. Er war sehr kompetent und loyal gewesen, zumindest sah man dies in der Öffentlichkeit. Doch es könnte genau so gut eben diese Loyalität sein, die ihn um das wohl wichtigste Amt im Reich gebracht hatte. Vielleicht hatte der Kaiser irgendwo irgendwas gehört und schwups, der Vinicier wurde unter falschen Tatsachen aus dem Amt gebeten. Dass er ihm nicht gänzlich das Vertrauen entzog, bewies ja die heutige Stellung.
    Doch auch der jetzige Kaiser kommt wohl nicht gut mit ihm aus, schließlich hat auch dieser ihn durch einen anderen Mann ersetzt. Vielleicht war Vinicius doch nicht so kaisertreu, wie er vorgab. Furianus hätte es sich sicherlich gewünscht.
    Aber darüber zu urteilen oder gar selbst an den Senator zu treten, hatte er nicht vor. Dazu war er zu schwach und hatte größere Probleme mit sich selbst.


    "Du hast ohnehin bessere Beziehungen zum Cursus Publicus als ich sie habe."


    Bemerkte er nebenbei mit einem leichten Lächeln. Ja, dieser Barbar fehlte ihm schon ein wenig. Nicht das hässliche Gesicht, bei den Göttern nicht! Nein, eher der Germanicus als so etwas wie ein weiches Trainingsgerät, auf das man einfach einschlagen konnte, wenn man etwas auf der Seele hatte. Natürlich nur verbal.


    "Geschätzt etwa 3000 Mann."


    Kam auch prompt die Antwort, die nur auf die richtige Frage sehnlichst gewartet hatte.


    "Dreitausend Mann, über die ganze Provinz verteilt, in den Ballungsgebieten natürlich mehr als auf dem Land."


    Er nahm einen Schluck, nun war der Vinicier sein Ventil, genau das Ohr, was er die letzten Monate über, als diese Komödie mit Unterstellungen gegen ihn begann.


    "Ein Witz ist das! Wie sollen dreitausend noch nicht gänzlich voll ausgebildete Milizen meine persönliche Armee sein? Und das auch noch in einer Provinz mit einem Flottenteil und einer Auxilia-Einheit, die beide dem Kaiser treu ergeben sind! Auch wenn meine Vorgehensweise nicht immer logisch erschien, verrückt bin ich nicht, Vinicius, um mit dreitausend beinahe Zivilisten gegen die fast doppelte Anzahl an kaisertreuen Soldaten anzugehen. Irrsinn, ein Witz ist das, was ich vom Senat hören musste!
    Und das Geld, nun, du wirst schon selbst sehen, warum die Provinz so viel braucht. Nach dem Aufstand wurde alles zerstört, die ganzen Kastelle, die ganze Ausrüstung, Gebäude, Wachposten und das Schlimmste ist, es wurden zahlreiche Milizen getötet.
    Doch dem nicht genug. Nach dem Aufstand sind sehr viele gegangen. Auch nicht verwunderlich, haben sie doch Jahrzehnte, ja beinahe Jahrhunderte ohne irgend welche nennenswerten Vorkommnisse gelebt. Die Arbeit in der Miliz war beinahe die gleiche wie ein Schuster, Metzger, Kaufmann. Die Menschen kannten es nicht anders, keiner wagte davon zu träumen, dass man als Angehöriger der Miliz einfach so überrannt werden konnte, ja auf dem Schlachtfeld stehen musste! Stell dir vor, fast die Hälfte ist einfach so verschwunden oder musste entlassen werden, weil sie für den Dienst nicht mehr verwendbar waren. Damit meine ich nicht nur Verstümmelte, sondern auch seelisch erkrankte. Ja, und stell dir mal vor, dass diese Personen, zusätzlich zu den Witwenrenten, die unsere Provinz bis heute zahlen muss, auch noch entschädigt werden müssen! Hat man dies in Rom zur Kenntnis genommen, gar daran gedacht?! Nein.
    Und wie kostspielig ist es, Senator, fast eine ganz neue Miliz aufzubauen? Das größte Problem ist nicht das Material und die Infrastruktur, das größte Problem sind die Männer. Kaum einer will zur Miliz, also musste ich Zugeständnisse machen. Ein höheres Gehalt, mehr Absicherungen, bessere Ausrüstung und Ausbildung, ja auch die Zahl erhöhen, damit sie sich sicher wähnen konnten! Weißt du wie viel das kostet, auch noch zusätzlich zu den schon ohnehin horrenden Summen?!
    Und zudem hat der Senat die Summe für die Sicherheit der Provinz im Verhältnis zu den anderen Ressorts gesetzt, dabei jedoch das Niveau der hispanischen Einnahmen vernachlässigt. Hättet ihr in Rom mal die Summen vor und nach dem Aufstand verglichen, würdet ihr einen starken Einfall bemerken. Davon schrieb ich nichts, ja, weil das Niveau schon so niedrig lag, als ich hier ankam, ich kannte nichts anderes und wenn es sich zum vorherigen Jahr bezogen gesteigert hat, habe ich an Rom geschrieben, dass die Einnahmen glänzend sind. Erst vor wenigen Monaten sah ich mir die Büher vor dem Aufstand an und bemerkte völlig überrascht, welch Einnahmen die Provinz Hispania tatsächlich an Rom sandte, bevor der Aufstand die ganze Wirtschaft lahm legte und die feinen Handelskontakte alle zerbrochen sind. Die Wirtschaft ist noch immer im Aufbau und das größte Problem ist hierbei das mangelnde Vertrauen.
    Hispania muss wieder vertraut werden können, nicht nur als Durchreisender, sondern auch als Geschäftsmann, denn sonst liegt hier alles brach, Hispania lebt vom Handel. Und daher habe ich diese Summe für die Miliz ausgegeben und nicht für die wahnsinnige, geradezu lächerliche Idee einer privaten Armee."


    Mit einem energischen Ruck stieß er sich die kleine Decke von den Schultern und griff blitzschnell nach dem Becher Wein, den er in einem Zuge leerte.


    "Kein Wunder, diese Idee konnte ja auch nur von diesem Barbaren Avarus stammen."


    Sagte er, ein wenig beruhigt und musste stark husten.

  • Dreitausend Mann also... wiederholte Hungi und rieb sich nachdenklich das Kinn. Daß in der Stadt mehr Milizen unterwegs waren als auf dem Land, war selbstverständlich und lag in der Natur der Sache. Ob die Zahl gerechtfertigt war oder nicht, würde er noch überlegen und entscheiden müssen. Aber nicht am heutigen Tage und nicht am morgigen. Eher in den nächsten Wochen, wenn er alle Berichte bekommen und durchgelesen hatte, die er für nötig empfand.


    Und da war es passiert. Genau das, was er verhindern wollte: nämlich eine erneute Jammerei. Schön langsam fühlte er einen Schmerz in seinem Kopf, an den Schläfen, so als ob ständig dagegen gedrückt wird. Nicht stechend, dafür war der Schmerz nicht stark genug, aber doch präsent genug um es mißfallend zu bemerken. Er hütete sich, dem Flavier zu widersprechen, auf eine Diskussion solcher Art hatte er nur wenig, eigentlich gar keine Lust. Er beschloss daher, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.


    Was wirst du nun eigentlich machen? Selbstverständlich steht es dir frei, solange hier wohnen zu bleiben, bis du dich in der Lage fühlst, eine Reise zu unternehmen. Bei deinem Zustand hingegen würde ich dir Rom keinesfalls empfehlen.

  • "Dein Angebot ehrt mich, Vinicius."


    Und ab diesem Augenblick war es geschehen. Nun war auch die Villa völlig in den Besitz des Viniciers übergegangen und Furianus war nichts weiteres als nur ein Gast unter vielen.


    "Nun, wahrlich bist du nicht der erste, der mir von einer Reise nach Rom abrät.
    Aber auf Anraten meiner Ärzte habe ich den Entschluss gefasst mich nach Achaia zurück zu ziehen. Für wie lange weiß ich nicht, aber es dürfte Avarus zutiefst freuen. Mal sehen, ob ich gesund werde oder Rom nur in einer Urne wieder sehen darf.
    Mein Schiff wird in den nächsten zwei Tagen beladen und meine Ärzte trauen mir eine Reise zu, von daher werde ich dir nicht lange zur Last fallen."


    Sagte er mit einem leichten Lächeln und blickte sich um.


    "Lange genug war dies mein Zuhause. Es ist ein prachtvolles Domizil, das wirst du schon noch erfahren. Schreibe mir bei Gelegenheit, denn auf meinem Landgut nache Athen wird es nicht gerade schäftig zugehen."

  • Achaia... wiederholte er, sicher sehr schön dort. mutmaßte er, da er noch nie dort gewesen war. Eine Studienreise dorthin war ihm "dank" seines frühen Eintritts in das Militär nicht vergönnt gewesen. Aber aber, mein lieber Kollege, nicht so pessimistisch in die Zukunft sehen. Viel Ruhe und gute Luft und du bist bald wieder der Alte. Allerdings war Hungi kein Medicus, aber definitiv nicht blind. Es war tatsächlich gut möglich, daß er den Flavier nie mehr wiedersehen würde.


    In zwei Tagen schon? Der kurze Zeitraum überraschte ihn tatsächlich. Seine eigenen Erfahrungen von Rom hierher hatten ihn gelehrt, daß man mindestens eine Woche benötigte, um das gerade Notwendigste zu erledigen und packen zu können. Offensichtlich war Flavius schon seit längerem bereit für seine Abreise.


    Nun sah auch er sich um. In der Tat, ein prachtvolles Gebäude, was ich bis jetzt gesehen habe. Und ich werde dir gerne schreiben. Das war jetzt eher ein leeres Versprechen, denn Hungi war kein großer Briefeschreiber, und schob dies immer hinaus, selbst Briefe an seinen Bruder, außer natürlich, wenn es sich um die Arbeit handelte, denn dann mußte er schreiben bzw. die Briefe diktieren.

  • "Deine Worte in göttlichen Ohren, Vinicius, und ich wäre heilfroh. Aber von guter Luft und einem schönen Ausblick werde ich wohl so schnell nicht wieder gesund. Ich vertraue mehr der Arznei, als diesen Naturheilern. Aber derzeit kann ich es mir nicht leisten auch nur jedweden dummen Vorschlag abzulehnen."


    Es war schon traurig genug, dass er mehr Äzte hatte als irgend einer im Reich, doch es war noch trauriger, dass er auf jeden auch so dummen Ratschlag hören musste. Ausweglosigkeit machte wohl nicht nur abhängig, sondern auch dumm.


    "Ja, vor deinem Eintreffen habe ich schon damit begonnen, meine Privatsachen vor zu schicken, um dir genug Freiraum zu schaffen und schneller nach Achaia abreisen zu können. Ich bin kein Mann von großen Zeremonien, ich mache es lieber schnell und heimlich."


    Zwinkerte er ihm zu und war froh, dass er die Strapazen eines Umzuges oder einer Feier ihm zu Ehren nicht ertragen musste. Zudem war er sich nicht einmal sicher, ob es Vinicius je in Betracht gezogen hatte. Es war ihm auch egal, er wollte nur weg.


    "Nun denn, ich bin jetzt kein Gastgeber, sondern Gast. Du wirst schon selbst die Vorzüge dieser Räumlichkeiten zu schätzen wissen. Mir hat es hier an nichts gefehlt. Doch nun muss ich mich zurück ziehen, wenn du erlaubst, die Prozedur der Medikamenteinnahme steht mir gleich bevor."


    Sagte er grinsend und ließ sich von einigen Sklaven aufhelfen.


    "Mögest du weise regieren und dir kein Unheil geschehen, Vinicius. Wir sehen uns dann bei meiner Abreise."


    Doch das war glatt gelogen. Furianus würde sowieso still und heimlich davon schleichen. Wie der Tod.

  • "Mögest du weise regieren und dir kein Unheil geschehen, Vinicius." Diese Worte hallten in Hungi noch nach, noch lange nachdem er seinen Vorgänger verabschiedet und sich in sein Cubiculum zurückgezogen hatte. Zwei Dinge, die ohne Zweifel in engem Zusammenhang standen, aber genauso sehr komplett gegenüberstehen konnten. Mehr noch brachte es in sein Bewußtsein, daß er tatsächlich regieren sollte, nicht nur verwalten. Bereits in seinem Cubiculum über seine Wachstafel leicht gebeugt mit einem stilus in der Hand überlegte er, wie sein Proconsulat hier beschaffen sein wollte. Allerdings reichten seine ersten Ideen kaum über ein Überprüfen und Verwalten hinaus. Genervt legte er die tabula hin. Er würde wohl das tun, was er sonst immer zu tun pflegte: zuerst einmal alle nötigen Berichte lesen und alle notwendigen Gespräche führen, frei nach dem germanisch-norisch-pannonischem Motto: "Schaunmer mal, dann sehnma scho."

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