Ànthimos' Training

  • Das war reichlich viel was Marcus Achilleos da erzählte. Ànthimos verstand nicht alles, aber eine Sache kam ihm komisch vor:


    "Eines verstehe ich nicht und ich hoffe du siehst mir meine Fragen nach: Wenn ich nichts begehre und ich nichts ablehne, dann bin ich gleichgültig. Wie soll ich denn, wenn ich gleichgültig bin, zum Beispiel so etwas wie die Liebe empfinden? Ist es nicht das, was einen Menschen ausmacht? Und wie kann ich zum Beispiel Sachen wie Gewalt nicht ablehnen? Da wiedersprichst dir: Einerseits meinst du man soll nichts ablehnen und andererseits soll man das töten vermeiden, es also ablehnen."


    Irgendwie wurde er aus dieser Lehre nicht schlau.

  • "Liebe führt zu Leiden," erwiderte ich. "Man kann die Person verlieren, die man liebt. Dann leidet man unendlich. Man kann Angst haben, die Person zu verlieren, die man liebt. Auch dann leidt man. Man kann auch die Liebe selbst verlieren. Und auch dann leidet man. Was Gewalt anbetrifft: Da bin ich mir selbst noch nicht ganz sicher. Ich denke aber, dass die Kunst darin besteht, sie weder zu begehren noch abzulehnen. So kann man sie als Werkzeug benutzen, um andere und sich selbst zu schützen. Sie darf aber nur das letzte Mittel sein."

  • "Deine Lehre ist kompliziert, denn ohne Liebe würde ich ebenso Leiden. Ist es nicht vielmehr eine Lösung keine Angst zuzulassen und an sich und sein Glück zu glauben?" Das schien ihm eine gute Lösung zu sein.


    "Das mit der Gewalt finde ich sinnvoll, das ist verständlich. Wer Gewalt sucht, wird sie finden, und wer sie ablehnt, dem wird sie wohl angetan werden, denn so jemand wird wohl von seiner Umwelt unterdrückt werden."

  • Ich nickte anerkennend. "Das ist eine gute Frage. Ich kann sie nicht beantworten. Allerdings ist der Weg, den diese Lehre nennt, nicht der einzige, der zur Befreiung von Leiden führt. Derjenige, der diese Lehre gegründet hat - die Inder nennen ihn Buddha, was in etwa "der Erleuchtete" bdeutet - der hat jedenfalls gesagt, dass man seine Lehre nicht als einzigen Weg sehen soll. Es war der Weg, der ihn von den Leiden befreit hat. Letztlich muss aber jeder seinen eigenen Weg finden."

  • Buddha? Lustiger Name dachte sich Ànthimos. "Das ist eine interessante Lehre, aber ich glaube sie ist mir zu kompliziert. Aber die grundsätzlichen Ansätze scheinen mir auf jeden Fall nicht verkehrt zu sein." Anthi zuckte mit den Schultern. "Aber lass mich raten, du wohnst doch ganz sicher im Museion, oder?"

  • Ich lachte.


    "Ja, das tue ich wirklich! Ich übersetze die Schriften, die ich aus der Ferne mitgebracht habe, ins Attische. Ich nehme dafür kein Geld, sondern nur die Gastfreundschaft des Museions in Anspruch. Ich möchte diese Schriften der hellenischen Welt zugänglich machen. Das habe ich Athene versprochen, und die Göttin hat mich immer beschützt. Und sie hat mich von einem Hort des Wissens zum nächsten geführt."

  • "Das ist nobel von dir." Meinte er anerkennend. "Meine Brüder und ich hatten auch überlegt ins Museion zu gehen, bis wir uns hier in Alexandria eingelebt haben. Allerdings haben wir das dann relativ schnell wieder verworfen."

  • Das war ja interessant. "Du bist also mit deinen Brüdern hier? Das finde ich gut. Familien sollten zusammen halten. Ihr wollt lieber erstmal Geld verdienen und eigene Familien gründen, nehme ich an?"

  • "Ich sehe schon, ich bin eine offene Schriftrolle für dich." Scherzte er. "Ich habe gerade als Scriba in der Agora angefangen und sobald ich genug Geld habe möchte ich heiraten." Irgendwie hatte er den Eindruck diesem merkwürdigen Gesellen vertrauen zu können. "Ja, das wäre auch nicht richtig gewesen im Museion zu wohnen. Ich habe zwar von meinen Eltern eine gute Bildung genossen, zumindest hoffe ich das, aber zum Philosophen bin ich wohl nicht geboren. So wie es jetzt ist, ist es mir bedeutend lieber, und ich muss nicht mit dem schlechten Gewissen leben die Großzügigkeit das Museions ausgenutzt zu haben."

  • "Eine noble Gesinnung," sagte ich anerkennend. Ánthimos schien meines Vertrauens würdig zu sein. "Weißt du, als ich von Athen fortgegangen bin war ich 15 Jahre alt und hatte meine Ephebia gerade hinter mir. Ich bin gegangen, weil ich es nicht mehr aushielt. Mein Großvater hatte meiner Mutter verboten, meinen Vater zu heiraten. Meine Mutter war eine gute Tochter und gehorchte. Du kannst dir denken, was das für mich bedeutet hat. In der Fremde konnte ich neu beginnen. Als ich loszog, war ich Athener. Jetzt bin ich ein Jínshí, ein Mensch, der die höchste Stufe der Gelehrten des Reiches Han erreicht hat. Ein Philosoph, fähig eine Armee zu befehligen oder ein Reich zu regieren. Ich bin auch noch immer ein Beamter des Kaisers von Han, auch wenn ich nicht im Dienst bin. Ich ließ mich ins Exil schicken. Das war die einzige Möglichkeit, als Beamter das Reich Han zu verlassen. Hier möchte ich nun meine Vergangenheit aufarbeiten. Meinem Großvater verzeihen und herausfinden, was für ein Mensch mein Vater war."

  • Anthi entgleisten ein wenig seine Gesichtszüge, er hatte sich aber schnell wieder gefangen. Das erinnerte ihn doch sehr stark an seine momentane Situation, nur das er sich sicher war, dass Penelope mit ihm kommen würde und sich ihrem Großvater wiedersetzen würde.


    "Das ist eine traurige Geschichte. Ich habe auch noch nicht die Erlaubnis meine Geliebte zu heiraten, also von ihrem Vormund. Mein Bruder hat zum Glück schon zugestimmt." Meinte er ein wenig abwesend.


    "Wir wollen unsere Ephebia so schnell wie möglich machen. Ich denke das wird uns nicht schwer fallen, so zu sagen ein eher symbolischer Akt."

  • Damit hatte ich jetzt natürlich nicht gerechnet.


    "Ich denke nicht, dass irgend ein Vormund etwas gegen einen Schwiegersohn wie dich haben könnte. Du bist athletisch, gebildet und von edler Gesinnung. Ein echter Hellene eben." Ich klopfte ihm auf die Schulter. "Und die Ephebia schaffst du sicher mit links."

  • "Danke! Das ist wirklich nett von dir. Und sollten wir die Erlaubnis nicht erhalten, bin ich mir sicher, dass sie mit mir zusammen fortgehen würde. Aber es wäre schade, denn hier in Alexandria gefällt es mir sehr gut." Langsam fühlte er sich wirklich geschmeichelt.


    "Wie siehts aus, sollen wir noch ein wenig Diskuswerfen üben, oder sollen wir lieber zur spitzeren Variante übergehen?" Sie waren ja schließlich zum Trainieren hier, und nicht zum Reden.

  • "Also, nachdem ich beim Diskus wieder halbwegs ein gefühl dafür bekommen habe, wie das geht, probiere ich jetzt mal den Speer."


    Ich nahm mir einen Wurfspeer und weil Ánthimos noch genügend Abstand von mir hatte, konnte ich das gleich mit einer kleinen Übung kombinieren. Ich nahm den Speer recht nah bei seiner Spitze, führte ihn hinter meinen Rücken, wobei ich den Griff an die linke Hand übergab, wobei ich ihn nun schon in der Mitte griff, um ihn dann mit einer Drehung des linken Handgelenks am Bauch vorbei führte und mit der rechten Hand griff. Jetzt ließ ich mit der linken Hand los, um das Handgelenk richtig herum zu drehen und den ordentlich zu halten. Das Ganze ging blitzschnell und ich beendete es mit einem kurzen Stoß nach vorne.


    "Liegt gut in der Hand. Mal sehen, ob er auch gut fliegt."


    Ich nahm einen Schritt Anlauf und warf den Speer - eine sehr ungewohnte Tätigkeit, was man auch daran sah, dass er keine zehn Schritte vor mir im Boden steckte.


    "Ich habe zu spät losgelassen, oder?"

  • Erst war Ànthimos beeindruckt von Marcus' Umgang mit dem Speer beeindruckt, und brach nach dem Wurf in schallendes Gelächter aus, bis ihm die Tränen kamen.


    "Entschuldige, aber du hast den Speer nicht nur zu spät losgelassen, du hast vor allem die Ankyle* vergessen. Es muss wirklich schon eine Weile her sein, dass du das gemacht hast." Meinte er noch ein wenig glucksend und wedelte mit dieser, einer Schnur mit der Schlinge am einen Ende, vor seiner Nase rum.







    Sim-Off:

    In der Antike wurden die Speere mit ener Schleuder der sog. Ankyle geworfen ;)

  • "Oh," sagte ich und grinste. "Das hatte ich also vergessen. Sah sicher saukomisch aus, oder?" Das brauchte ich eigentlich nicht fragen, weil ich es aus seiner Reaktion deutlich erkennen konnte. Ich musste dann auch lachen, schon allein, weil sein Lachen ansteckend war.


    Nachdem ich mein Lachen wieder halbwegs unter Kontrolle hatte und nur noch bis über beide Ohren grinste, meinte ich "Jetzt muss ich nur noch wissen, wie das mit der Ankyle geht. Ich hab's echt vergessen."

  • Ànthimos geng die paar Meter nach vorne und schnappte sich den Speer.


    "Also, dass ist eigentlich ganz einfach: Du wickelst die Ankyle einfach um den Speerschaft, das geht so..." Anthi zeigte ihm genau wie man die Schnur am Besten um den Speer wickelte "...du must schauen, dass die Schlaufe für deine Finger an dem spitzen Ende ist. Dort steckst du dann zwei Finger rein. Ich bevorzuge den Zeige-und den Mittelfinger, manche nehmen aber auch den Daumen und den Zeigefinger. Dann nimmst du einige Schritte Anlauf und wirfst. Die Ankyle wickelt sich dann ab, und versetzt den Speer in eine Drehung. So bleibt er stabil und du kannst weiter und genauer werfen. Beides ist sowohl beim Weit-als auch beim Zielwurf sehr hilfreich. Natürlich geht das Ganze auch ohne Ankyle, aber ich habe noch nie gehört das ein Athlet ohne sie jemanden geschlagen hätte, der eine benutzt."


    Und da er nun schon alles gewickelt hatte, warf er auch gleich. "Ich zeig dir mal wie das geht. Ich mach mal einen lockeren Wurf zum Aufwärmen." Er nahm fünf Schritte Anlauf beugte zwei, der Mal seine Knie und setzte sich dann in Bewegung. Der Speer wurde nach vorne geschleudert und flog durch die Eigenrotation beinahe völlig gerade und stabil nach vorne. Nachdem er locker viermal so weit wie Marcus' Versuch geflogen war, bohrte er sich in den Boden. Eigentlich war es ein richtig schlechter Wurf gewesen, weil Anthi zu wenig Kraft in ihn gelegt hatte, aber die Ausführung war technisch perfekt gewesen, und darauf kam es ihm im Moment an.

  • Ich beobachtete ganz genau, wie Ánthimos die Ankyle benutzte und den Speer schleuderte. "Aha."


    Ich nahm die Ankyle und einen weiteren Speer, umwickelte ihn, und benutzte Zeige-und Mittelfinger für die Schlaufe am Ende. Ich nahm einen Schritt Anlauf und schleuderte den Speer. Donnerwetter! Der kam fast bis an den Speer heran, den Ánthimos geworfen hatte. "So geht das also."

  • Jetzt war Anthi dran mit Klatschen :app:


    "Siehst du das ist gar nicht so schwer. Das waren jetzt sicher so 37-38 Meter. Das ist richtig gut für jemanden der ungeübt ist. Mit ein bisschen Übung könnten wir dich sicher an die 50 Meter ranbringen."


    Das Speerwerfen schien Marcus' besser zu liegen, weil es dort mehr auf die Technik ankam, und nicht so sehr auf die Muskeln wie bei einem globigen Diskus.

  • Ich verneigte mich, so wie ein Schauspieler beim Applaus des Publikums.


    "Danke sehr. Etwas Steigerung wäre natürlich nicht schleht. Wobei ich ja keine Wettkämpfe gewinnen möchte. Ich entspanne mich nur ganz gut dabei, stelle ich fest. Außerdem komme ich so unter Leute. Beim Übersetzen ist man ja eher für sich allein."

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