Templum Iunonis Lucinae | Wenn Kühe brennen weil Schweine fliegen

  • Mit lauten Rufen trugen drei bullige, flavische Klienten dafür Sorge, das sich die Menge in den Gassen und Straßen Roms teilte und zur Seite trat, notfalls halfen sie dem auch mit ein wenig Nachdruck Seitens ihrer klobigen Hände nach. Ihnen hernach folgte, geleitet von zwei Sklaven, getragen von acht nubischen Trägern, die einfache, doch edle Sänfte, deren Fenster mit transluzenten Stoffen waren verhängt, welche zwar einen Blick aus dem Inneren des Transportmittels gewährten, jedoch keinen Blick von Außen hinein zuließen. Hinter der Sänfte trugen drei Sklavinnen mit Seidenstoffen bedeckte Gefäße, eine weitere eine Kanne aus Silber, und ihnen hernach folgten wiederum zwei Knaben, welche Weihrauchgefäße schwenkten und so die hinter ihnen, durch einen Sklaven an einer Schnur geführte weißfarbene Kuh wieder und wieder in rauchigen Dunst tauchten. Das Tier glänzte nicht nur weißfarben ob des Kalkes wegen, mit welchem sein helles Fell war eingerieben worden, darin vermengte Silberspäne ließ es gleichsam in den milden Strahlen der Sonne aufblitzen, ebenso wie die mit einer dünnen Schicht Gold überzogenen Hörner und Hufe. Die infulae und vittae waren aus der kostbaren Wolle afrikanischer Küstenschafe, naturbelassen oder mit Cinnabarit gefärbt, geflochten, ebenso wie die dorsule über ihrem Rücken daraus gewebt. Nichts war Antonia und Gracchus zu kostbar gewesen für das kommende Opfer, denn nichts gab es, das derzeit in ihrem Leben war kostbarer als ihr kleiner Sohn, auf dessen Schultern bereits jetzt die Zukunft ihres Familienzweiges lag. Der kleine Prozessionszug schlängelte sich durch die Eingeweide Roms hindurch bis zum Tempel der Iuno auf dem Esquilinischen Hügel. Bereits am Tage zuvor war ein Bote geschickt worden, welcher das Opfer dem zuständigen Tempelvorsteher hatte angekündigt, so dass einerseits am Tempel alle notwendigen Vorbereitungen waren getroffen, andererseits auch niemand sonst aedes und Opferaltar blockierte.

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  • Hätte Antonia auch nur geahnt, dass sie jenes Versprechen tatsächlich würde einlösen müssen, vielleicht wäre es ein wenig anders ausgefallen. Doch angesichts der Tatsache, dass sie kaum noch zu hoffen gewagt hatte was sich nun doch erfüllte, war vielleicht gar jene Kuh eine zu kleine Dankesbekundung, weshalb sie bei Gelegenheit noch das ein oder andere Opfer für Iuno folgen lassen würde.
    Doch Hier und Heute entstieg sie mit jenem Lächeln der flavischen Sänfte, das sich seit der Geburt ihres Sohnes nicht mehr verflüchtigen wollte. Ihr Blick streifte die prachtvoll hergerichtete Kuh, die jedesmal, wenn die Sonnenstrahlen auf ihr Fell fielen aufgrund des Silbers zu funkeln begann, als spiegele sich das Licht auf Edelsteinen. Es würde Iuno sicher gefallen. Ganz abgesehen von all den anderen Dingen, die sie und ihr Gatte auf Rat eines erfahrenen Priesters der Iuno erstanden hatten. Iuno sei eine besondere Göttin, hatte dieser gesagt, und somit benötige sie auch besondere Opfergaben. Der Claudia hatte dies sofort eingeleuchtet und somit war die erste größere Anschaffung für ihren Sohn - dieses Opfer - tatsächlich etwas, das auch gut als Staatsopfer hätte durchgehen können.
    Da bezüglich des Opferablaufs jedoch Iuno wie alle anderen Götter war, würde die Kuh erst später ihrem Zwecke zugeführt werden und konnte sich so einer gewissen Galgenfrist erfreuen. Stattdessen wurden die Sklavinnen herangewinkt, die zunächst ins Tempelinnere folgen sollten. An der Seite ihres Gemahls erklomm Antonia die Stufen hinauf zum Tempel, vorbei an den langen Säulen, die das Gebäude umsäumten. Ein letzter Blick galt den noch schüchtern über die Dächer Roms kletternden Sonnenstrahlen, ehe die Schatten des Daches sie umfingen und nur noch Kerzen und Kandellaber Licht spendeten. Das Flackern gab der großen Iunostatue beinahe etwas lebendiges, ließ sie mit wachen Augen auf die Sterblichen herabblicken. Niemand sonst war hier, offenbar tatsächlich alles für jenes große Opfer freigehalten worden.
    Die Mühe, sich das Haar umständlich und aufwendig zu einer kunstvollen Frisur türmen zu lassen hatte die Claudia sich heute nicht gemacht, hätte sie schließlich für die Opferung ohnehin gelöst werden müssen. Und so waren es lediglich wenige Haarnadeln, die eine Sklavin vom Kopf ihrer Herrin entfernte, sodass die dunklen Strähnen locker über Antonias Schultern fielen. Ihr prüfender Blick glitt zurück, stellte zufrieden fest, dass alle, die benötigt wurden anwesend waren und sah letztlich zu ihr Gemahl, abwartend, fragend, wer nun beginnen sollte.

  • Ich war ein bisschen spät dran - meine Sänfte war auf dem Weg zum Iuno-Tempel aufgehalten worden, dank eines Zwischenfalls, bei dem diverse Träger, Sklaven und eine ganze Batterie Tonamphoren samt Inhalt beteiligt gewesen waren - und musste mich beeilen, da ich keinen meiner Verwandten mehr draußen sah. So war es eben, wenn man den Morgen im Mars-Tempel begann und dann wechseln musste, damit der Vetter und seine Gemahlin eine angemessene Begleitung für ihr Dankesopfer bekamen. Dennoch, als ich Gracchus und Antonia dann zu Gesicht bekam, fühlte ich mich in meiner toga praetexta und dem sauberen Haarschnitt, aber ohne sonstige Kinkerlitzchen hoffnungslos underdressed*.


    Wobei zu bedenken war, wie wichtig den beiden dieses Opfer schien, ich selbst hatte es bisher eher weniger mit Iuno und eher mehr mit den männlichen Gottheiten gehabt, in einem Tempel herumzulungern, in dem die Mehrzahl der Anwesenden Frauen war, bereitete mir weit weniger Gedanken als die Art der Frauen, die man hier tatsächlich antraf - Matronen, keifende Weiber, die ihre Freizeit mit Klatsch verbrachten und sich ihre Zungen an den Lebens- und Liebesgeschichten anderer wetzten. Nicht ganz meine übliche Klientel, wenn es um Frauen ging ... den Gedanken schlug ich mir allerdings aus dem Kopf, als ich auf Gracchus und Antonia zuging, um mich zu ihnen zu gesellen - eine flapsige Begrüßung fiel in dieser Umgebung aus, auch wenn sie mir auf der Zunge lag. So beließ ich es bei einem leichten Nicken, einem Lächeln und ansonsten meiner Anwesenheit, die sowohl als Beistand als auch als Unterstützung gedacht war. Bei einem so wichtigen Opfer hätte es ausgesprochen schwach ausgesehen, wäre nicht auch ein Rest der Familie aufgetaucht.


    Sim-Off:

    * [SIZE=7]Normalerweise bin ich kein Freund von Anglizismen im antiken Rollenspiel, aber underdressed war das perfekte Wort.[/SIZE]

  • Ich hatte eh noch etwas mit Iuno zu besprechen. Etwas sehr wichtiges sogar! Die Göttin sollte ihr möglichstes tun, damit der Aurelier und ich doch noch zusammen kamen. Nach dem letzten Debakel im flavischen Garten, stand alles wieder auf der Kippe. Da kam diese Opferung wie gerufen. Diese Opferung diente zwar in erster Linie dazu, der Göttin für die Geburt des kleinen Flavius zu danken. Aber sicher hatte sie anschließend auch ein Ohr für mein Gebet!
    In Begleitung meiner Ylva hatte ich die Villa verlassen. Meine Sklavin hatte dafür gesorgt, daß ich auch heute wieder in gewohnter Schönheit erstrahlte. Eine neue Tunika von Diorix, ein Perlencollier und die passenden Ohrring dazu. Dann konnte sich endlich meine Sänfte durch die Gassen Roms, hin zum Tempel der Iuno, ihren Weg bahnen.
    Mein Onkel war mir einige Minuten zuvor gekommen. Ich sah noch, wie er seiner Sänfte entstieg und auf die Pforte des Tempels zu schritt. Ich tat es ihm gleich, wobei meine Sklavin, die neben der Sänfte hergelaufen war, sofort zur Stelle war, um mir mein Gewand zu glätten. Unter den vielen, meist weiblichen Besuchern , erblickte ich sofort meine Verwandten und nickte ihnen freundlich zu.

  • Locker die Hand auf Aristides' Unterarm gebettet, betrat Epicharis an der Seite ihres Ehemannes die Stufen, die zum Tempel empor führten. Seite an Seite schritten sie nur kurz nach Celerina gemeinsam die Treppe hinauf, so wie sie von nun an Seite an Seite durchs Leben schritten. Epicharis war durchaus glücklich, eine sanfte Ruhe strahlte dieser Tage von ihr aus, und sie fühlte sich schlichtweg wunderbar in diesem neuen Leben, das ihr die Ehe bescherte.


    Nicht im Traum hätte sie es sich nehmen lassen, heute mit den anderen - ihrer neuen Familie - der Göttin zu danken, dass der kleine Manius gesund und munter war. Sie hatte den Kleinen sofort in ihr Herz geschlossen, als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, und sie schwörte steif und fest, dass Klein-Gracchus bisweilen den gleichen ernsten Gesichtsausdruck an den Tag legte wie sein Vater. "Salvete", sagte Epicharis leise, als sie bei den anderen angelangt waren, die sich für das Voropfer bereits drinnen eingefunden hatten. Das Haar fiel ihr bereits seidig über die Schultern, sie hatte für diese Opferung gänzlich auf Haarschmuck und auch auf sonstigen Zierrat verzichtet, sah man von den hellen Stickereien auf ihrer lindgrünen Tunika und den Elfenbeinfibeln, die sie hielten, einmal ab.

  • Mein Gesicht spiegelte nicht das wider, was es in den letzten Monaten erfahren hatte... sonnige, wärmende und saubere Landluft. Es war blass. Woran dies lag, ließ mich frösteln und war für die Anderen nicht zu erahnen. Die letzten beiden Nächte war ich mehr wach vor Angst als schläfrig vor Erschöpfung, was schon viel heißen sollte. Träume jagten mir im Schlaf hinterher. Brutal, ungestühm und immer darauf bedacht einen meiner nächsten Verwandten vor meinen Augen in einen barbarischen, blutigen Tod zu reißen. Mindestens einmal schreckte ich aus dieser Hölle hoch. Schwer atmend und mich vergewissernd, das das alles nur die bösen Geister waren. Doch viel bedenklicher waren jene Schlafsagen aus denen ich nicht erwachte. Deren Ende ich in Hilflosigkeit miterlebte. Deren Geschichte mir so wahr erschien, so greifbar, so reel. Deren Ende zum Morgen erst begreifbar und als Traum skizziert wurde. Ich fühlte mich nicht besonders vor, auch nicht bei und jetzt nach der Feierlichkeit. Aber ich erkannte noch Pflicht vor Gefühl. War jetzt dabei, wenn auch noch viel stiller als sonst. Dabei sein ist alles. Und doch ist mittendrin statt nur dabei sonst üblicher.


    Ich quälte mir ein Lächeln aus den Mundwinkeln und sprach ein männlich kaum hörbares: "Salve..." bevor ich mich schweigend und abwesend dazu stellte. Wie grausam war es wohl den eigenen Bruder vorn am Straßenrand zu sehen, wenn eine Horde wild gewordener Ochsen direkt auf ihn zusteuert. Dem lauten Rufen und Schreien nur eine langsam verebbende Wolke aus Staub und Tod folgt und schließlich das wehende Auge die leblosen Knochen im zerstapften Boden sieht.


    Mein ganzer Körper schüttelte isich bei der Erinnerung an diesen mir befremdlichen Traum. Hastig griff ich nach einer der Säulen des Tempels. Fand Halt daran und hoffte einfach, das die bösen Geister meine Seele verließen, bevor ich dem Wahnsinn verfiel.

  • Die Schritte hallten in dem Tempel, der Weihrauch stieg Marcus kitzelnd an die Nase, immer wenn er Weihrauch roch, fühlte er sich wieder gleich etwas jünger und unsicherer, denn hier war der Ort, der durchdrungen war von der mystischen Präsenz der Götter - und gerade Iuno hatte stets (Ehr-)Furcht in ihm geweckt, sagte man ihr doch allerhand nach. Die Hand von Epicharis fühlte sich auch recht kühl auf seinem Arm an als er mit ihr zu den Anderen trat. Seine Augen streiften all jene, die mit Antonia und Gracchus mitgekommen waren, die Knaben mit den Weihrauchbehältnissen und das prächtige Tier. Marcus nickte anerkennend, aber er hätte auch nie gedacht, daß Gracchus nur eine Sesterze an dem Opfertier für seinen Sohn und Erben sparen würde, wie es auch Marcus niemals tun würde.


    "Salvete!"
    , grüßte auch Marcus zu den anderen Verwandten, die sich an dem für Familie durchaus wichtigen Tag versammelt hatten. Marcus sah auch zu dem Bruder von Gracchus! Daß dieser nach Rom zurück gekehrt war, hatte Marcus erstaunt, noch mehr in dann ihn der Militärakademie zu sehen. Und gar nicht amüsiert war Marcus über das Verhalten seines Verwandten gegenüber seinem früheren Vorgesetzten gewesen. Marcus' Stirn runzelte sich einen Augenblick und er sah Lucullus düster an, doch an diesem Tag wollte er sich erst mal nicht dazu äußern, jetzt ging es nur um das Opfer für Gracchus' Sohn. Mit einem Lächeln bedachte er Celerina, die die villa der letzten Wochen mit ihrer Anwesenheit und ihrer lebendigen Art bereichert hatte, zu guter Letzt nickte er noch Aquilius zu. Irgendwie sah er seinen Vetter in letzter Zeit kaum noch, nicht signifikant öfter als er noch fern von Rom weilte, gleichwohl sie doch jetzt im selben Haus wohnten.

  • Ohne ein Wort, nur mit jenem zufriedenen Lächeln, welches sich seit der Geburt seines Sohnes so oft um seine Lippen legte, begrüßte Gracchus die anwesenden Familienmitglieder, über alle Maßen erleichtert, dass er diesen Augenblick letztlich doch endlich mit ihnen konnte teilen. Als sie im Inneren des aedes standen, Antonia ihn erwartungsvoll ansah, nickte er ihr zu und zog sich eine Falte seiner Toga über den Kopf. Ein Teil der Welt um ihn herum verschwand aus seinen Sinnen, nurmehr die hehre Iuno vor ihm war bedeutsam, gleichsam wuchs unter ihrem indifferenten Blicke die Anspannung in ihm, denn da dies ein Opfer überaus persönlichen Anliegens war, hatte Gracchus letztlich sich dazu durchringen müssen, im Wechsel mit seiner Gemahlin selbst die Gebetsworte zu sprechen, und es dauerte ihn, dass er nicht in der Lage würde sein, der Göttin jene klangvolle Harmonie angedeihen zu lassen, welche ihr von göttlichkeitswegen zustand. Doch es gab kein Zaudern, kein Zögern in diesem Augenblicke, da getan werden musste, was getan werden musste, so dass Gracchus alsbald einen Fuß vor den anderen setzend dem Opferaltar am Ende der cella sich näherte, geleitet durch seine Gemahlin - wie auch durch die Sklaven, welche jedoch keinerlei Aufmerksamkeit genossen - in etwas Abstand gefolgt von den anwesenden Flaviern. Wie stets glühten die Kohlen auf dem Rost vor der Statue bereits in tiefem Orangerot - die Räucherstätten der großen Tempel wurden gehütet wie Vestas Herdfeuer selbst - so dass dort eine wohlige Wärme die Luft erzittern ließ. Von einer der Sklavinnen nahm Gracchus den samtigen, blauen Beutel entgegen, in welchem die Räucherung verborgen war, eine exquisite Mischung aus Harzen und Kräutern aus dem fernen Gallia importiert, nahm eine Hand voll daraus hervor und streute vorsichtig die granularen Körner über die Kohlen hinweg. Heller, graufarbener Rauch schlängelte sich in die Luft empor, und ein würziger, herber Geruch umschmeichelte die thronende Statue der Iuno. Stunden hatte Gracchus an seinen Worten gefeilt, sie wieder und wieder repetiert, um das Stocken und Vergessen der Buchstaben so gering wie nur möglich zu halten, nun schloss er halb die Augen, ließ die Worte vor sich entstehen, um nurmehr ihnen Klang und Ausdruck verleihen zu müssen, im verzweifelten Glauben zudem, Iuno würde sie ebenso in seinem Kopfe sehen und herauslesen können, wenn er nur deutlich genug sie visualisierte.
    "O hehre Iuno, majestät'sche Göttin, aus Zeit..altern geformte, göttli'he Königin, ... die du im Herz'n des himmlisch'n Ä..thers thronst, ... Dein ist die stet'ge Sorge ... um der sterbli'hen Geschle'ht, ... Dein göttli'h Tem..p'rament allein ... erweckt und nährt das tägli'he Verlangen na'h Beständ'gkeit, .... Deiner Hand entspr'ngen ist alles Fort..besteh'n, ... und den Sturmwind'n Deiner Ma'ht obliegt Gedeih und Ver..derb. Divine Allumsorg'nde, Iuno Lucina, ... gewähre die Gunst Deiner Aufmerks'mkeit uns, ... die wir Dir zu Dank verpfli'htet sind, göttli'he Iuno, all..umfassende Himmelsherrsch'rin."
    Er wagte nicht den Blick empor zu heben, wartete darauf, dass Antonia die Bahn des Rauches würde beäugen und mit dem Opfer fortfahren oder zum Abbruch ihn auffordern.

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  • Eine geballte flavische Präsenz manifestierte sich im Iunotempel, zog auf wie ein unheilvolles Gewitter, wenngleich jenes Gewitter für Antonia durchaus positiv zu sehen war. Es gab ihr ein Gefühl von Familie, von Zusammenhalt und letztendlich auch die Gewissheit, mit so viel Unterstützung könne fast nichts mehr schief gehen.
    Mit bedächtigem Lächeln folgte sie ihrem Gatten, stellte sich leicht schräg hinter ihn, als er mit der Zeremonie begann und seine Stimme erhob. Sie schloss die Augen, betete innerlich, er möge einigermaßen seine Zunge unter Kontrolle halten, möge die Göttin nicht verärgern durch einen Umstand, der wahrlich nicht die Schuld ihres Gemahls war. Erst als Gracchus geendet hatte, gestattete sie sich die Augen wieder zu öffnen und dem kräuselnden Rauch, welcher die Wände und Statuen emporkroch genauer zu betrachten, während zeitgleich der aromatische Duft sie umhüllte wie die Tunika, die sie trug. Die aufsteigenden Schwaden waren hell, wenigstens so weit schien Iuno bereit, sich anzuhören, weswegen sie gekommen waren. So trat Antonia vor, stand nun an jener Stelle, an der sie in den letzten Jahren so oft gestanden, gebetet und gefleht hatte. Zum ersten Mal, um zu danken, um ihr Gelöbnis einzulösen.
    „Mater Iuno.“, intonierte sie also mit einer Festigkeit in der Stimme, die sie selbst überraschte. Sie hatte so viel zu sagen, so viele Dinge lagen ihr auf dem Herzen, die sie unmögliche an einem einzigen Tage hätte der Göttin kundtun können. Lange hatte sie über ihre Worte nachgedacht, versucht, sich auf das Wichtigste zu beschränken, um nicht die Geduld der Iuno überzustrapazieren. Viele Superlative benutzen, hatte der Priester gesagt. Iuno sei die höchste aller Göttinnen und sie wisse das, dennoch schade es nicht, dies durch Worte zu bekräftigen. Auch dies hatte Antonia eingeleuchtet und so wollte sie es auch umsetzen.
    „Iuno Lucina, Mutter der Mütter, Herrin über die Familie, höchste und größte Göttin, höre unsere Worte, vernimm unseren Dank.“
    Ohne sich umzusehen hielt sie ihre Hand nach hinten, wo die erste der Sklavinnen stand und der Claudia stumm eine der mitgebrachten Gaben reichte. So wechselte eine Amphore Wein ihren Besitzer, deren Inhalt wiederum in eine der bereitgestellten Opferschalen gegossen wurde. Süß war er. Zu süß für Antonias Geschmack, doch auch hier hatte sie sich auf den Rat des Iunopriesters verlassen. Weißwein aus Illyricum, der in alle Richtungen den Schein der Kerzen reflektierte.
    „Mater Iuno, Mächtigste aller Göttinnen, nicht zu bitten sind wir hier, sondern zu danken. Dir, die du in deiner Weisheit und Güte uns einen gesunden Sohn gewährt hast. Dir, die du großzügig gabst und uns Dein Wohlwollen entgegen brachtest.“
    Wieder griff die Hand der Claudia nach hinten, wieder erhielt sie einen Teil des Voropfers. Und hatte der geopferte Wein lediglich die Farbe von Honig, so war der Opferkuchen, den sie nun in Händen hielt honigüberzogen. Süß und klebrig schimmerte das Gebäck, das ebenfalls an seinem Bestimmungsort platziert wurde. Antonia, die sich selbst auf eine Diät gesetzt hatte, lief das Wasser im Mund zusammen. Dergleichen Süßigkeiten gab es im Moment nicht für sie. Doch sie hielt nicht inne, erhob erneut ihre Stimme, um Iuno zu preisen.
    „Iuno Lucina, nur klein sind unsere Gaben, verglichen mit deiner Freigiebigkeit und Güte. Ewig werden wir in Deiner Schuld stehen, die Du uns gabest, was wir sehnlichst erhofften, die Du Großmut zeigtest, wie keine andere Göttin dies vermag.“
    Einmal mehr wanderte Antonias Hand nach hinten, um zunächst einige farbenfrohe Blüten und anschließend nach und nach Äpfel, Trauben und Kirschen – importiert aus Asia – in die Behältnisse zu legen.
    „Oh Mater Iuno, allerhöchste Herrscherin, möge der Wein deine Zunge erfreuen, mögen die Blumen deine Augen entzücken, mögen Dir dieser Kuchen und diese Früchte munden. Mater Iuno, Spenderin allen Lebens, Verehrungswürdigste aller Göttinnen, sieh gnädig unseren Dank, gewähre uns Deine Gunst für dieses Opfer, wie Du uns gewährtest einen Sohn.“
    Sie hätte wohl noch Stunden so weiterreden können, doch die Claudia hielt endlich inne, richtete den Blick nach oben, zu jener Statue, die sie oft so flehentlich angesehen, so händeringend um ein wohlwollendes Zeichen gebeten hatte.

  • Iunos Anwesenheit wurde wieder erbeten, also blickte sie hinunter auf die Ansammlung von Sterblichen, die ihr wohl huldigen wollten. Doch ihr erster Eindruck war gleich ein schlechter, der Rauch, hervorgerufen durch die gallische Mischung, so exquisit er auch sein mochte, war viel zu stark, den hatte sie noch nie gemocht. Die Mischung im gelben Beutel, die hätte der Sterbliche nehmen sollen! Die war viel angenehmer und von Iuno derzeit favorisiert. Und dann noch diese furchtbare Ansprache. Wenn Iuno nicht die silberne und glitzernde Kuh gesehen hätte (was sie aber natürlich tat, denn sie war ja eine Göttin und ihr entging nichts), dann hätte sie schon längst den Ort wieder verlassen.


    Ihre Schläfen reibend versuchte sie den peinlichen Auftritt des Togamännchens zu vergessen und sich auf die Frau zu konzentrieren, die sich schon eher so verhielt, wie Iuno es gewohnt war und von den Sterblichen erwartete. Die ersten Opfergaben erregten ihr Wohlgefallen, Früchte, Wein und ein köstlicher Kuchen nebst hübschen Blumen... das waren Dinge, mit denen man eine Frau glücklich machen konnte, auch eine Göttin.

  • Ein eisiges Gefühl umfing Gracchus obgleich noch immer die zahlreichen Kerzen und Lampen um sie herum ihr warmes, goldfarbenes Licht im Raume verteilten, und nicht nur ob dessen fühlte er sich fehl am Platze. Auch er blickte gleich seiner Gemahlin in die Höhe, die Ansicht der göttlichen Iuno suchend, doch jenes Gefühl des Unwohlseins wollte nicht aus seinem Empfinden weichen. Ein wenig erinnerte der farblose, starre Blick ihn an seine Gemahlin Antonia, in jenen Momenten da er sich unter ihrem Blicke wie ein minderes Insekt, wie der Bodensatz der Welt fühlte, wenn sie seine Existenz ohne ein Wort vernichtete, ihn in den Staub hinab drückte, hinab in die Tiefen, wo er hin gehörte. Es war eine geraume Weile her, da Antonia ihn solcherlei hatte betrachtet, doch sie hatte es zu lange, zu oft getan, als dass er jenes Gefühl der Nichtigkeit würde je in seinem Leben vergessen können. Flüchtig suchte Gracchus sich damit zu beruhigen, dass die göttliche Iuno die göttliche Ehefrau war, und dass sein Unvermögen, die Frau an sich auch nur im Ansatze zu verstehen, vermutlich auch im Angesichte der Göttlichen nicht würde weichen, doch im nächsten Augenblicke bereits schalt er sich solch einfältiger Gedanken, denn Iuno war mitnichten die göttliche Ehefrau - sie war ein göttliches Prinzip, das Urprinzip der Ehefrau wie auch der Ehe an sich, und ihr menschliche Launen anzudichten, dies war ein wahrhaft infamer Gedanke. Es war der Ausgleich, das do ut des, respektive in ihrem Falle das damus ut dedisti, ob dessen sie gekommen waren, nicht, um einer kapriziösen Frau gegenüber zu treten. Antonia schwieg, wie auch Gracchus schwieg, was gleichsam Zeichen war, das aedes zu verlassen, sich dem blutigen Teil des Opfers zuzuwenden. Die Wendung rach Rechts hin schloss wie üblich das Voropfer ab und mit einem Nicken zu den Verwandten hin begab sich das Ehepaar aus dem Tempel hinaus, vorbei an den dicken Säulen, die Reihe der Treppenstufen hinab, bis vor den Opferaltar auf dem Tempelvorplatz hin. Von einem der Bediensteten nahm Gracchus einen Pinsel aus weißfarbenem Pferdehaar in Empfang, welchen er in eine Schale klaren Wassers tauchte und hernach damit die Flavier und Claudierinnen besprengte, ihre rituelle Reinheit damit herstellte. Die weißfarbene Kuh war bereits mit Seilen an den Ringen im Steinboden vor dem Altar gebunden, gleichsam jedoch war dies kaum notwendig, da das Tier nur versonnen vor sich hin starrte, das Treiben um sich herum ignorierte.
    "Iuno Lucina, Dir zu Ehre uns're Gabe, als Dank, ... unsere Gabe, Dir zur Ehr', Iuno Lucina."
    Gracchus wusch seine Hände und trocknete sie mit dem malluium latum, hernach ließ er aus einer kleinen Kanne einige schimmernde Perlen Wein auf die Stirne der Kuh tropfen, rieb alsdann ein wenig der mola salsa darüber, um das Tier der Iuno zu weihen, um schließlich seiner Gemahlin sich zuzuwenden, welche das Opfergebet würde sprechen.

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  • Gänzlich andere Gefühle bezüglich Iuno hegte Antonia. Stets war ihr die Göttin ein Licht in der Dunkelheit, ein Leuchtfeuer der Hoffnung gewesen. So erahnte sie nicht im Entferntesten, was im Kopfe ihres Gatten umherging. Doch war dies ja wahrlich nichts Neues, wusste sie schließlich nicht einmal um den Umstand, welche Empfindungen der Wertlosigkeit sie selbst bisweilen in ihm ausgelöst hatte. So schritt sie mit stoischer Ruhe, sogar mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht nach draußen, wo der größere Teil der Opferung stattfinden würde. Für einen Moment war ihr Blick gefangen vom Glitzern des Kuhfells. Silberfäden im Haar.. vielleicht sollte man sich dies für die nächste Feierlichkeit merken.
    Wassertropfen auf ihrer Haut ließen sie kurz überrascht zusammenzucken, wurde sich dann jedoch wieder des Orts und der Zeit gewahr. Ein lauer Wind kam auf, ließ einige leichte Strähnen ihres Dunklen Haares sich tänzelnd in der Luft bewegen – bereits ein Zeichen der Göttin? Gewiss, was sonst könnte es sein. Die Claudia räusperte sich vernehmlich, erfrischte die Lungen einmal mehr mit einem tiefen Atemzug und begann zu sprechen, wenngleich sie sich sicher war, ihr Gatte, wäre er im Vollbesitz der Herrschaft über seine Zunge, hätte weitaus bessere Worte gefunden.


    „Iuno Lucina, du Mutter der Mütter, strahlende Herrscherin über Ehe und Familie, Dir allein gilt unser Dank. Mater Iuno, Dir zu Ehren opfern wir diese Kuh, Dir zu danken geben wir Dir ihr Leben. Große Iuno, vernimm unsere Gebete, sieh unser Opfer, auf dass es Dich zufrieden stellen möge. Lass es Dir Zeichen dafür sein, mit welchem Dank wir Dir von nun an auf alle Zeit begegnen werden, für das, was Du uns, in all deiner Güte, schenktest. Iuno Lucina, Gütigste der Göttinnen, verehrungswürdige Himmelskönigin, um nicht mehr wollen wir Dich heute Bitten, als unsere Danksagung in Form jenes Tieres entgegen zu nehmen, für den Sohn, den Du uns gewährtest.“


    Ihre Stimme verklang langsam doch noch rührte sich Antonia nicht, widmete der glänzenden Kuh einen letzten Moment der Aufmerksamkeit, ehe diese ihrem Schicksal zugeführt werden würde. Der Blick wanderte zu Gracchus, signalisierte diesem mit einem Nicken, dass sie zu Ende gesprochen hatte und das Opfer somit seinen Lauf nehmen konnte.

  • Einer Schlange ähnlich kroch der Weihrauch in die Luft und kitzelte an Marcus' Nase, er unterdrückte den Impuls zu niesen und sah in den gräulichen Rauch, der Wirbel bildete, sich zerfaserte und dann wiederum verdichtete, um mit der Statue der höchsten Göttin sein Spiel zu treiben; Marcus meinte in dem Dunst des Weihrauches mal das Gesicht einer Ziege erkennen zu können, dann schimmerten die majestätischen Züge der Göttin hervor und wurden im nächsten Zug von dem Rauch wieder verdeckt. Immer wenn er die Augen der Statue sah, schauderte es Marcus, denn Iuno war für ihn ein unverständliches und machtvolles Mysterium, das er als Mann nicht zu durchschauen vermochte; Götter wie Mars lagen Marcus' Natur näher. Schweigend richtete Marcus seine braunen Augen auf seinen Vetter und verspürte ein wenig Wehmut, gleichsam auch bei diesem Opfer sein Vetter wie die Verkörperung von gravitas wirkte, so war doch ein himmelweiter Unterschied zu früher, als er mit seiner Stimmgewalt und der Kraft seiner Worte die Gunst der Götter zu gewinnen vermochte. Marcus' Augen gewannen wieder jenes traurige Mitgefühl, mit dem er seinen Vetter gedankenlos bedachte, obwohl Marcus es selber gar nicht bemerkte. Und doch war Gracchus wieder in der Wahl seiner Worte unvergleichlich, was ein Lächeln bei Marcus verursachte, ehe er wieder ernst wurde, dem Opfer wegen und der Wichtigkeit dessen für das Wohl der Familie und dem jungen Flavier, der gerade das Licht der Welt erblickt hatte.


    Ernsthaft und im Kreise der Familie verfolgte er auch die Opferhandlung von Antonia und nickte unaufällig; sie war wirklich würdig, die Ehefrau seines Vetters zu sein und mit Sicherheit würde Antonia das Wohlwollen der Göttin erwecken können mit ihrer eleganten und eloquenten Art, das Opfer an Iuno dar zu bieten. Dem Winken von Gracchus folgte Marcus natürlich als sie zum Tieropfer schritten. Einige Schritte entfernt vom Opferaltar blieb Marcus stehen, als einer, der zwar am Opfer teilnahm, aber nicht das Opfer vollführte. Er spürte, wie die reinigenden Tropfen auch auf sein Gesicht fielen oder auf dem dicken Stoff der toga versickerten. Der laue Wind strich um seine Wangen und trocknete jene wenigen Tropfen in seinem Gesicht. Aufmerksam verfolgte Marcus die so sicheren Handlungen der Beiden, die das Opfer harmonisch und vereint wie eine melodische Musikkomposition vollführten.

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    Als würde ein unsichtbarer Gegenstand herum gereicht, nahm Gracchus den Blick seiner Gemahlin auf, trat einen Schritt zur Seite und wandte seinen eigenen Blick den bereit stehenden popa und victimarius zu, gab das Nicken seiner Gemahlin ebenfalls an jene weiter. Die beiden Tempelbediensteten traten zu dem Opfertier hin und der popa wandte dem Ehepaar sich zu.
    "Agone?"
    fragte er beinahe ein wenig schüchtern, ganz so als fühle er den strengen Blick der göttlichen Iuno auf seinen Schultern, und obgleich er schon aberzählige Opferungen hatte durchgeführt, so war er doch ein wenig nervös.
    "Age!"
    Da er die Formel am Tage der Hochzeit seines Vetters Aristides hatte vergessen, hatte Gracchus jene sich insbesondere für diesen Anlass eingeprägt, obgleich er im Nachhinein ohnehin nicht mehr konnte nachvollziehen, wie sie ihm überhaupt je hatte entfallen können, jenes Wort, welches so oft in seinem Leben bereits über seine Lippen gedrungen war. Sekunden nur, nachdem die Aufforderung gesprochen war, schwang der popa den malleus und schlug dessen runden Kopf auf das Haupt der ahnungslosen Kuh. Ein leises, klandestines Knacken verriet, dass der Schädelknochen unter ihrem kurzen Fell splitterte, und noch während die Augen des Tieres sich langsam gen Himmel wandten - als wolle sie in ihren letzten Zügen jener Göttin gedenken, in deren Besitz zuvor sie geweiht worden war -, traf bereits die scharfe Schneide der sacena, der Axt des victimarius ihre Kehle. Einer kleinen Fontäne gleich drang das dunkle, rotfarbene Blut aus der Wunde, hoben sich die Tropfen in freudigem Tanze und strebten alsbald dem Reigen der Schwerkraft folgend dem Grund entgegen, wo die Sprenkel und Schlieren ein Muster hinterließen, welches im nächsten Augenblicke bereits verdrängt wurde durch den konstanten Fluss des Lebenssaftes und den massigen Leib, welcher mit dumpfem Schlage folgte, so dass es einen Augenblick schien, als würden die Steine vor dem Altar erzittern. Vom Verklingen des Age bis zu jenem Moment schien alles eine einzige, unausweichliche Bewegung, ein Ineinandergreifen getrennter Lebenswege, welche sich für die dahinrinnenden Sandkörner der Zeit jenes Opfers zu einer einzigen Hommage an Iuno vereinten. Doch in den irdischen Gefilden goutierte niemand sich lange an jener schwungvollen Komposition, denn der victimarius hatte bereits Axt gegen Messer eingetauscht und wartete darauf, dass der Blutstrom versiegte, er den Leib des Tieres am Bauchraum konnte öffnen und die vitalia, jene für die Opferschau wichtigen Organe, entnehmen. Bis zu den Ellenbogen verschwanden alsbald seine Arme im noch warmen Fleisch, und manches mal schien es gar, als wolle er gänzlich in die fellummantelte Hülle hinein schlüpfen. Einige der Blutspritzer hatten auch Gracchus' Toga erreicht, ein weiteres Opfer somit, da die rotfarbenen Tropfen nicht wieder würden aus dem Stoffe weichen, und so wartete er als Opferherr gezeichnet, bis dass der popa die silbrigen Schalen ihm anreichte, in welche die vitalia waren hinein gelegt worden, um sie einer genauen Untersuchung zu unterziehen und im Ergebnis die Annahme oder Ablehnung, die Gunst oder Missgunst der Göttin festzustellen.

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  • Verstohlen bisss sich Epicharis auf die Unterlippe. Mitleid keimte in ihr, wieder einmal, als sie hörte, wie schwer Gracchus die Worte fielen. Doch hatte sich dieser unrühmliche Makel schon gebessert, fand sie, und Gracchus verschluckte nun nicht mehr ganz so viele Buchstaben, was ihn eindeutlig verständlicher werden ließ, wenn auch seine frühere Eloquenz noch nicht zurückgekehrt war.


    Antonias Wortwahl erschien ihr ungleich besser, und auch wenn es ein gemeiner Gedanke war, so fand sie doch, dass eigentlich Gracchus diese Redegewandtheit und die weisen Worte eines Pontifex zugestanden hätten. Aber er und Antonia fungierten hier beide als gleichberechtigte Opfernde, insofern konnte man das wohl ruhig außer Acht lassen. Was zählte, war dass das Opfer auch angenommen wurde. Zumindest das Voropfer schien Iuno schon zu gefallen, nichts deutete darauf hin, dass die Göttin das Opfer zurückwies. Wenn es nun auch bei der Kuh so funktionieren würde, wären nicht nur Antonia und Gracchus glücklich und zufrieden.


    Epicharis folgte an Aristides' Seite den anderen hinaus, schloss die Augen bei der Besprenkelung und verfolgte dann mit einem leichten Ausdruck von Ekel um die Mundwinkel herum die Opferung des Tieres. Weit genug war sie entfernt, um nicht mit dem Blut der Kuh bespritzt zu werden. Es roch, wie es aussah, warm und klebrig, und sie war im Grunde froh darum, nicht weiter vorn zu stehen. An blutigen Dingen hatte sie nicht viel Freude, es war ihr auch immer schon schwer gefallen, bei den Riten zu Ehren der Bona Dea am blutgefüllten Füllhorn zu nippen. Einer der Tempelbediensteten schnitt den Bauch des Tieres nun auf und schickte sich an, die Innereien herauszuschneiden. Epicharis warf Aristides einen Blick aus den Augenwinkeln zu, hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln und betrachtete dann weiter das Geschehen vorn.

  • Meine Augen verfolgten die Opferhandlung, sahen gelegentlich zu Antonia oder Epicharis hinüber. Mein Mund lächelte ihnen verstohlen zu. Meine Ohren hörten die dankenden Worte des Gracchus und seiner Gemahlin, die sie an die erhabene Göttin richteten. Mein Körper war hier anwesend, so wie er es sein sollte, aber mein Geist driftete stets ab. Meine Gedanken hätten bei der Familie sein sollen, die Iuno für die glückliche Fügung danken wollte. Aber sie waren es nicht. Ich fragte mich, ob es schändlich war und was meine Familie dächte, wenn sie es wüßte. Wenn sie wüßten, daß es der Aurelier war, an den ich dachte. Ich wollte Iuno bitten, auch mir eine glückliche Fügung zuteil werden lassen.
    Agone? hörte ich die Priester fragen. Gracchus beantwortete dies mit einem Age. Ich wußte was nun kam. Ich mochte noch nie gerne Blut sehen. So vermied ich es, das Opfertier, bevor man es tötete noch einmal anzuschauen. Dem Augenblick indem man die Kuh tötete und ihr anschließend die Kehle aufschlitzte, damit so der rote Saft ihres Blutes entweichen konnte, wollte ich entgehen, indem ich meine Augen schloß. Die Geräusche, die dieser Vorgang hervorbrachte, waren mir ausreichend. Das Blut, es spritze. Ich trat einen Schritt zurück, damit es meine Tunika nicht befleckte.
    Bald ging man dazu über, den Bauchraum des Tieres zu öffnen, um seine Organe zu entnehmen. Der Geruch der dabei ausging, rief Ekel in mir hervor. Ich wandte erneut meinen Blick ab.
    Aus meinem Augenwinkel heraus, konnte ich das frischvermählte Paar beobachten. Die beiden waren wie für einander geschaffen. Wenn mir nur auch ein solches Glück zuteil werden würde!

  • Iuno blickte zufrieden auf den weiteren Ablauf des Opfers hinab. Nach dem miserablen Start wurden ihre leise aufkeimenden Hoffnungen nicht enttäuscht. Mit einer silbern glitzernden Kuh konnten die Sterblichen eben doch nicht viel falsch machen. Als das Togamännchen dann auch endlich sein erstes Wort ohne Stottern heraus brachte, war Iuno fast schon wieder besänftigt. Sie hatte schon befürchtet, der frisch geborene Sohn würde eher ordentlich sprechen als der Vater. So verschwanden nach kurzer weiteren Massage sogar die Kopfschmerzen.


    Deswegen verzichtete Iuno darauf, in der glitzernden Kuh noch glitzernde Pusteln zu verstecken. Das Opfer sollte gelingen.

  • Kein Makel bot sich Gracchus' Auge, keine Unregelmäßigkeit erhob sich unter den Spitzen seiner Finger, an keinem der Organe, welches er genauestens begutachtete, dabei nicht einmal sich dessen sicher, was in einem solchen Falle er würde tun, die Verwandten vor Augen, das Wohl seines Sohnes im Sinne. Doch die Entscheidung war nicht zu fällen, so dass schlussendlich ein Lächeln seine Lippen kräuselte, er ein wenig erleichtert speziell seiner Gemahlin zunickte.
    "Litatio"
    , verkündete er leise, rieb seine nun blutigen Finger an einem durch einen Sklaven angereichten Tuch flüchtig ab, während zwei popae die dreibeinige, bronzene Schale mit dem beinah nurmehr aus Glut bestehenden Opferfeuer näher an den Altar heran trugen. Stück um Stück übergab Gracchus hernach die vitalia eben jenem Feuer, dass sie durch dieses aufgenommen in den sakralen Einflussbereich der Göttin übergingen.
    "Dir, Iuno Lucina, z'm Dank."
    Sukzessive verbreitete der Geruch nach verbranntem Fleisch sich um den Altar herum, zwischen den am Opfer Partizipierenden hindurch, kündete über den Platz hinweg von gelungenem Opfer. Antonia und Gracchus hatten entschieden, nur einen Teil des im weltlichen Bereich übrig bleibenden Fleisches für das flavische Abendmahl mit nach Hause zu nehmen, der Großteil indes würde dem Tempel zugute kommen, welcher die Stücke wahlweise an ärmere Teile der Bevölkerung verteilen oder aber an nicht ganz so arme Teile würde verkaufen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Keine Sekunde hatte Antonia Gracchus aus den Augen gelassen, hatte jede Bewegung seiner Hände verfolgt, darauf wartend, dass er endlich das erlösende „Litatio“ verkünden würde. Endlich blickte der Gatte auf, zeigte langsam ein Lächeln, das durch ein ebensolches erwidert wurde. Ein besonderer Glanz trat jedoch in die Augen der Claudia, als er das Gelingen des Opfers verkündete. Litatio… nicht L’tatio, nicht Lit’io, nein, Litatio. Leise zwar, doch vollständig. Stolz kroch in ihr empor, mischte sich mit dem Gefühl der Erleichterung und ließ eine überglückliche Antonia zurück, die nun lediglich, an einem anderen Tag, zwei Ziegen zu opfern hatte.
    Züngelnd gierten die Flammen nach den Organen der jüngst noch so lebendigen Kuh, ließen grauschwarze Rauchschlieren in den Himmel aufsteigen, um letztlich nur verkohlte dunkle Klumpen übrig zu lassen, die kaum sich von der Kohle unterscheiden würden.
    Somit schien die Pflicht für heute getan, die Reste der Kuh würden beseitigt werden, die flavische Sippschaft rottete sich einmal mehr zusammen, nur um sich letztlich wieder aufzuteilen. Der eine setzte vielleicht seinen Weg in die Stadt fort, der andere kehrte zurück zur heimischen Villa. Letzteres taten auch die Eltern des Gracchus Minor, die mit einem guten Gefühl sich in ihre Sänfte begaben und den Heimweg antraten.

  • Ein Lächeln umspielte Epicharis' Mundwinkel, als sie das feine Kräuseln der Lippen Gracchus' gewahrte, und sie ahnte es bereits, ehe er das Wort ausssprach. Die Göttin hatte das Opfer akzeptiert und damit ihr Wohlwollen ausgedrückt. Solchermaßen zufrieden gestellt, war der Rest des Opfers nur noch ein Klacks. Fleisch kokelte in der Glutschale dahin, verzog sich und verschrumpelte zu unansehnlichen, schwarzbraunen Stücken. Natürlich wohnte man nicht dem ganzen Prozedere bei, die Tempeldiener erledigten den Rest der Kuh, im wahrsten Sinne des Wortes, auch ohne das Beisein der Opfernden. So kam es, dass sie sich bald alle wieder auf machten, um den Tempel zu verlassen. Den einen mochten die Schritte nach Hause führen, den anderen in die Stadt. Epicharis verspürte an diesem Tage keine Lust, sich der Vielfalt der Märkte hinzugeben, weswegen sie sich der heim strebenden Familie anschloss.

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