Es erwartet auch niemand von dir, dich für eine Seite zu entscheiden.
Sagte ich doch erleichtert, Marcus umgestimmt zu haben.
Doch das mit dem "töten" war doch etwas hart von Marcus formuliert.
Jeder verdient eine zweite Chance! Merk dir das. Deine Barmherzigkeit ist keine Schwäche, sondern ein Segen! Denn die wenigsten in dieser Stadt besitzten ihn.
Ich verfolgte Marcus Selbstgespräch dann doch mit einer gewissen Befriedigung.
Ich hatte zwar das eigentliche Ziel mit dem ich hierher gekommen war nicht erfüllen können, doch hatte ich etwas viel wichtigeres geschafft.
Das spürte ich einfach!
Ich wandte mich zum gehen, als mir noch etwas einfiel.
An der Tür zur Meditationshalle blieb ich stehen und drehte mich nochmal zu Marcus um.
Zieh deine Rüstung wieder aus und verstau sie gut! Wenn du den Menschen hier mit weniger Misstrauen begegnest, werden sie es bestimmt auch tun.
Ich dachte dabei kurz an meine Uniform, doch verwarf ich den Gedanken gleich wieder.
Wenn Vibulanus mich ohne Uniform rumlaufen sehen würde, würde er mich glatt aus der Legion werfen und in ihr sah ich meine einzige Möglichkeit den Menschen helfen zu können. Denn das umfassende Wissen von Marcus, die Macht des Praefecten oder die unglaubliche Liebes- und Freudeskraft von Anthimos besaß ich ja nicht.
Ich drehte mich wieder um, überquerte den Hof, grüßte dabei freundlich Stratocles und die Kinder, und verließ die Akademie.
Akademie des Marcus Achilleos
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Als ich mich zu Matrinius umdrehte, war er gegangen. Ich wollte ihm gerade noch sagen, dass ich ganz sicher nicht die Rüstung ablegen würde. Nicht, weil ich den Leuten hier in Rhakotis misstrauen würde, sondern, weil ich den Griechen in Broucheion misstraute. Da er aber weg war, konnte ich das nicht mehr sagen. Statt dessen ging ich in meine Wohnung und gürtete noch mein Schwert um. Wer auch immer mich angreifen wollte, sah sich jetzt einem zum kampf bereiten Krieger gegenüber. Dafür würde ich mich nicht mehr im privaten Teil meiner Akademie verkriechen. Ich würde wenigstens weiter unterrichten.
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Stratocles brachte mir den Brief. Ich stand wieder vor der Kalligraphie, allerdings mit umgürtetem Schwert. Die linke Hand ruhte auf dem Knauf des Schwertes und meine Haltung war stolz, ganz im Gegensatz zu den letzten Tagen.
Als ich seine Anwesenheit bemerkte, drehte ich mich um und gab ihm ein Handzeichen, dass er zu mir kommen könnte. Wortlos übergab er mir den Brief und ging wieder. Ich las den Brief im Stehen. Wozu sollte ich mich setzen? Ich hatte schon fast mit einer solchen Antwort von Ànthimos gerechnet. Allerdings hatte er meine Intention wohl falsch verstanden. Nicht, weil ich ihn für einen berechnenden Politiker hielt, schickte ich ihm den Brief, sondern weil ich hn für das genaue Gegenteil hielt. Man könnte auch sagen, ich hielt ihn nicht für hart genug, sich notfalls von seinen Freunden zu trennen, wenn sie problematisch wurden. Ich würde es meinerseits wohl auch nicht machen, aber hier lag der Fall anders. Die Frage war nur, wie konnte ich ihm das so schreiben, dass er es mir nicht übel nahm? -
"Ich meine das Haus im Königsviertel. Allerdings weiß ich teilweise selbst nicht, wo welches Buch in meinem Besitz lagert. Zwar fertige ich in einigen Abständen Bestandslisten an, jedoch entgeht mir jedes Mal dabei das eine oder das andere Exemplar. Ich würde mich über einen Besuch deinerseits sehr freuen. Da kann ich dir meine kleine, bescheidene Bibliothek zeigen und du kannst sogleich Werke auswählen, die du für geeignet hälst."
Er lauschte den Ausführungen des Hausherren. Wie es schien, war die Art der Götterverehrung allen Seltsamkeiten zum Trotz in jenem seltsamen Land am anderen Ende des Erdballs nicht sehr unterschiedlich zu den Gepflogenheiten der hellenischen Welt.
"Athene ist sicher eine gute Göttin für eine Stätte, die der Förderung der Klugheit dient. Meiner Heimatstadt brachte sie jahrhundertelang ihren Segen, was sie noch immer freilich tut, jedoch ist die goldene Zeit vorbei. Wie es für die Menschheit insgesamt unterschiedliche Zeitalter bewohnt von unterschiedlichen Menschengeschlechtern gab, so hat auch jede Polis ihre eigenen Zeitalter, in denen sie blüht oder vergeht."
"Auch ist Athene eine Göttin, die ihre Günstlinge oft anhand der Klugheit wählt. Dem klugen Odysseus half sie, dem Paris, der ihre Weisheit verschmähte zugunsten einer sterblichen Frau, half sie nicht. Ihm wurde seine Wahl zum Verhängnis.
Doch ich glaube auf der anderen Seite, dass diese Art von Torheit dem Menschen zu eigen ist." -
"Ich werde dich auf jeden Fall besuchen." Freundlich lächelte ich, und es war ein ehrliches Lächeln.
"Übrigens habe ich auch einen kleinen Athene-Schrein an einer Straßenecke errichten lassen. In Rhakotis. Vielleicht bringt das ja etwas Frieden und Weisheit für dieses Viertel. Zumindest ich ringe ihr regelmäßig Opfer dar."
Langsam ging ich die Stufen zur Meditationshalle hinauf. Als wir in der Halle standen, die außer den Sitzkissen am Boden nur noch eine große chinesische Kalligraphie an der Wand beherbergte, deutete ich auf genau jene. "Ich habe diese Kalligraphie selbst gemalt. Das Zeichen heißt Tianxia und es bedeutet, alle unter dem Himmel in Harmonie zu bringen. Das habe ich mir als Ziel gesteckt. Natürlich werde ich es nie erreichen, aber das ist ja gerade der Sinn dahinter. Der Weg ist das Ziel. Möchtest du etwas hier verweilen oder soll ich dir erst den Tempel zeigen? Oder meine recht leere Bibliothek?" Bei der letzten Frage hatte ich ein scherzendes Lächeln auf meinen Lippen.
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Genau wie vor einigen Tagen, gab Anthi auch heute einen Brief am Tor von Marcus' Akademie ab. Doch dieses Mal war es die Einladung zu seiner Hochzeit.
Einladung
Hiermit möchten wir dich Marcus Achilleos recht herzlich zu unserer Hochzeit einladen. Sie findet am ersten Tag des Gamelión/ANTE DIEM IV ID IAN DCCCLIX A.U.C. (10.1.2009/106 n.Chr.) in der megaro Bantotakia statt. Das ist das frühere Haus des Kitharisten Philolaos im Broucheion. Die Zeremonie wird der ehrenwerte Priester Geórgios Krateidos leiten. Diese wird nach der offiziellen Eheschließung durch den Eponminatographos stattfinden, welche im engsten Familienkreis begangen wird. Für Speis und Trank wird ausreichend gesorgt sein.
Wir würden uns sehr über dein Erscheinen freuen, natürlich sind auch Begleiter recht herzlich eingeladen.Voller Freude
Penelope und Ànthimos Bantotakis.
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Nachdem mir die Einladung gebracht wurde, las ich sie mir durch und dachte nach. Eine Antwort auf den letzten Brief hatte ich noch nicht geschrieben. Ich schob es auf, um meine Worte genau zu überdenken. Doch nun musste ich ja antworten. Ich nahm also ein Blatt Papier - noch hatte ich welches - und Tusche, und begann zu schreiben.
Als ich die unmittelbare Antwort fertig geschrieben hatte, gab ich sie Nefirtiri. Sie würde sie Ànthimos übergeben. Vorher sagte ich ihr noch etwas, das sie dem Griechen sagen sollte.
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"Zeige mir zuerst den Tempel.", meinte Nikolaos, ehrlich interessiert an der Sache. "Das Streben nach Vollkommenheit kann gewiss viele gute Dinge bewirken. Zwar wird kein Mensch, wie du sagtest, die Vollkommenheit selbst erreichen, doch gewissermaßen am Wegesrand kann er gute Taten vollbringen. Alle Menschen sollten danach streben. Doch leider ist man, und ich bin es im übrigen manchmal auch, oft verblendet, sodass man keine Vorstellung von dem hat, was Vollkommenheit wäre; also nicht weiß, welchen Weg man nehmen sollte."
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"Nun, vielleicht gibt es ja gar keine falschen Wege? Was, wenn auch jeder Fehler zu neuer Erkenntnis führt? Ich weiß es zwar nicht, ob dem so ist, aber man sollte jeder Situation etwas Gutes abgewinnen." Ich grinste kurz. Dann öffnete ich die Tür zum Tempel und ging hinein.
Nur wenige Öllampen tauchten den Raum in ein diffuses Licht. In der Luft hing der Geruch von Weihrauch. Gegenüber der Tür war ein hölzerner Altar erkennbar, ebenso wie an den Seitenwänden. Die seitlichen Altäre waren aber nicht so hoch wie der Hauptaltar.
Auf dem Hauptaltar gab es keine Statue, aber eine große Tafel aus edlem Holz, auf der in goldener Schrift große chinesische Schriftzeichen waren. Flankiet wurde er von zwei kleineren Altären, auf denen je vier hölzerne Tafeln mit silbernen chinesischen Zeichen standen.
Der Altar an der südlichen Wand beherbergte drei Tafeln mit silbernen Zeichen, der nördliche um die zwanzig kleine Tafeln mit nur weißen Schriftzeichen.
Ich ging bis in die Mitte des Raumes, dann verneigte ich mich tief vor dem Hauptaltar, dann wesentlich weniger tief vor den flankierenden Tafeln. Danach wandte ich mich zum südlichen Altar und verneigte mich, danach vor dem nördlichen. Schließlich wandte ich mich an Nikolaos. "Im Osten habe ich gelernt, dass es niemals schadet, vor Göttern und Ahnen Demut zu zeigen. Es mag nicht gerade die Sitte unserer Vorfahren sein, aber ich habe mir diese frede Sitte zu eigen gemacht. Sie zügelt meinen Stolz, deshalb befinde ich sie für gut für mich."
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MemnosWomöglich hätte Memnos, seines Zeichens durchaus als erfolgreich zu bezeichnender Händler von Seide und geringen Anteilen anderer nützlicher wie angenehmer Warengüter, seinen Geistesblitz, der ihm wie vom großen Zeus persönlich geschickt in einer mondbeschienenen Nacht durch den Kopf gezuckt war, doch noch einmal gut überdenken sollen. So genial er seine Einfälle auch für gewöhnlich erachtete, hin und wieder entging ihm neben seinem eigenen Glanz die ein oder andere Konsequenz, die das Umsetzen seiner Pläne zwangsläufig mit sich brächte. Eine Konsequenz wie das 'Spazieren' durch Gegenden wie Rhakotis beispielsweise. Nun gut, er hatte Geleitschutz dabei und ein mit Orangenduft getränktes Tuch immer griffbereit, aber die Realität war an derlei Orten für gewöhnlich extrem zäh und hartnäckig. Da konnte er sich noch so sehr in einen Olivenhain wünschen, komplett mit Vogelgezwitscher und fleißigen Arbeitern, die seinen Reichtum vergrößerten, irgendwie endete doch alles in missgestalteten Baubaracken und gierigen Blicken aus großen Augen, gleich Hyänen, die auf eine Schwäche im Verhalten ihrer Beute lauerten und gierten.
Selbstverständlich ließ Memnos sich sein inneres Desaster nach außen hin nicht anmerken, sah man von einem leichten Zucken seines linken Augenlides ab und dem etwas zu verkniffenen Mund, der nur hin und wieder durch einen in schöner Regelmäßigkeit missglückenden Versuch zu pfeifen aufgelockert wurde. Der Händler beschloss sämtlichen Göttern zu danken, sobald er seine selbstauferlegte Mission erfüllt hatte und diesem garstigen Ort wieder getrost den Rücken zukehren durfte. Ein Abbruch kam ohnehin nicht in Frage, diese Blöße würde er sich nicht geben. Der Entschluss war gefasst und damit wurde jede etwaige Diskussion darüber im Keim erstickt. Tief sog er den Orangenblütenduft ein und versuchte, elegant genug zu erscheinen um dem Pöbel ringsumher seinen illustren Stand zu verdeutlichen - aber doch nicht zu arrogant, um keinen von ihnen auf dumme weil gewaltbereite Gedanken zu bringen.Dass der ehrwürdige Händler persönlich in dieser Brutstätte wonniglicher Krankheitsüberträger auftauchen musste, besaß freilich einen guten Grund. Schon immer war er der Ansicht gewesen, dass ähnlich wie schimmelnde Äpfel und faulendes Wasser auch Sklaven eine Art Verfallsgrenze besaßen, nach deren Überschreitung man sie schleunigst loswerden sollte. Ansonsten wurden sie... wunderlich. Sie kannten ihre Herrschaften zu gut, fühlten sich zu sicher und wurden einfach... ja, 'wunderlich' traf es wohl am Besten. Gerade wenn sie aus den Ländern der nordischen Barbaren stammten konnte man nie so recht wissen, was eigentlich gerade in ihrem Kopfe vor sich ging. Er selbst hätte niemals nicht in tausend Jahren einen germanischen Sklaven eingekauft. Eher wäre Zeus seiner Gemahlin bis in alle Ewigkeit treu geblieben. Doch seine geliebte Tochter Hermione, sein einziges Kind, hatte schon immer die Gabe und die Freiheit besessen, seine Prinzipien mit einem einzigen Wimpernschlag den Abhang hinunter zu schubsen und ihn dabei nicht einmal ein Gefühl des Verlustes erleben zu lassen. Und sein Hermionchen hatte damals eben eine Germanin haben wollen, weil die unter ihren Freundinnen gerade Mode gewesen waren. Jeder musste eine haben, wer keine bekam, war offiziell nicht auf dem neuesten Stand. Also hatte eben eine rothaarige Sklavin Einzug halten müssen, um eine Art lebende Puppe fürs Fräulein Tochter darzustellen. Zugegeben, diese Aufgabenstellung hatte sie recht gut erfüllt. Aber Hermionchen war nun glücklich verheiratet und Alsuna, die Sklavin, war lange genug in ihrer Nähe gewesen. Fand Memnos. Zudem fürchtete er um die Gesundheit seiner hoffentlich bald eintreffenden Enkelkinder in der Nähe einer Rothaarigen. Man erzählte sich da Geschichten... blanker Aberglaube, schließlich war er ein intelligenter Mann.. aber man erzählte sich eben Geschichten... und ein wenig Sicherheit hatte noch nie geschadet.
Natürlich hätte er Alsuna auch freilassen können, aber... was hätte er davon gehabt? Bereits bei dieser Frage hatte sich die Option Freilassung erledigt. Er hätte sie ebenso weiterverkaufen können, aber irgendwie kam es ihm nicht rechtens vor, für diese Sklavin Geld zu erhalten. Zumal das Geld, welches man im Tausch für eine Rothaarige erhielt, ebenso von den Göttern verflucht sein konnte. Und er wollte auf jeden Fall frei von Flüchen bleiben. Er trug ganz sicher keine Dutzende von Talismane und Schutzamulette mit sich herum, um sich dann des simplen Mammons wegen am Ende der Reise doch im Tartaros wiederzufinden und sich von den Furien verspotten zu lassen.
Ergo waren Memnos nicht mehr allzu viele Möglichkeiten geblieben, um Alsuna und ihre roten Haare vorteilhaft verschwinden zu sehen. Bis auf eine Schenkung, mit der er sich gleich zweimal den Bauch streichelte. Er gewann jemandes Dankbarkeit und die damit einhergehende gewissensabhängige Gewogenheit, und er konnte all seinen Problemen Auf Wiedersehen sagen. Natürlich musste der Empfänger seines kleinen Geschenkes sorgfältig ausgewählt werden. Nicht zu gut bekannt, aber auch niemand, dessen Dienste er nie wieder brauchen würde. Etwas ähnlich... Wunderliches wie die rothaarige Sklavin. Jemand Bizarres, dessen Sinn für Normalität ausreichend verrutscht war, um ohne Misstrauen das anzunehmen, was der gute Memnos ihm vor die Tür setzte. Jemand, der Unterstützung und Hilfe durch einen Sklaven derart benötigte, dass er sich nicht lange mit unglücklichen Fragen aufhielt, wie zum Beispiel 'Wenn die Sklavin so toll ist wie du sagst, weswegen behältst du sie nicht?'. Memnos war Händler, das Aufspüren von Argumenten war in der Regel kein Problem für ihn, doch trotz aller Hintergedanken sonnte er sich selbst gerne in seinem selbsterdichteten Edelmut, ganz einfach weil dies ein so hübsches Bild abgab, das er nur sehr ungerne zerstört sähe.Nach langen Hin und Her und einigen Listen mit den Namen von Kunden, Kollegen, Helfershelfern und Konkurrenten war seine Entscheidung schließlich auf Marcus Achilleos gefallen, in seinen persönlichen Augen der Inbegriff der Wunderlichkeit. Doch dieser seltsame Mann kannte sich wie kein Zweiter mit der Qualität gewinnträchtiger Seidenstoffe aus und hatte Memnos' Geldbeutel auf diese Weise ordentlich anschwellen lassen. So ein außerordentlich hilfreicher Mann verdiente tatsächlich eine angemessene Belohnung für sein freundliches Wesen. Und mit dieser merkwürdigen Einrichtung, die er hier mitten in den Armenpfuhl der Stadt gesetzt hatte gleich einem Mahnmal für... für was auch immer, gab es sicherlich viel Arbeit für einen Sklaven. Der ehrwürdige Händler vermochte sich zwar nicht recht auszumalen, was Achilleos da eigentlich trieb, erst recht nicht WARUM er es trieb, doch für sein selbstloses Vorhaben genügte es schließlich auch samt und sonders zu wissen, DASS er etwas trieb. Memnos plante nicht, den Aufenthalt unnötig in die Länge zu ziehen. Sein persönliches Auftauchen alleine sollte schon ausreichend sein um zu vermitteln, dass sein großzügiges Geschenk nicht zur Verhandlung stand. Hätte Alsuna in den Briefkasten gepasst, lägen die Dinge weit weniger komplizierter.
Endlich, nach gefühlten Jahren der Wanderung durch unappetitliche Gegenden und dazu adäquat passende Gestalten kam das Ziel in Sicht und Memnos' Kehle durchflutete ein dankbarer Atemzug. Er murmelte ein Gebet an den großen Blitzschleuderer Zeus und tupfte sich ein paar Schweißtröpfchen von der Oberlippe. Dieses Gebäude war... nun, im Grunde durfte es ihm herzlich gleich sein, wie das obskure Ding aussah. Wozu wertvolle Gedanken daran verschwenden? In ein paar Minuten würde er der so genannten 'Akademie' wieder den Rücken kehren können. Was darin genau vor sich ging durfte auch gerne dort drinnen bleiben.
Die Eingangstüre stand offen, doch es widerstrebte Memnos, einfach schnurstracks hineinzugehen. Ganz besonders weil er nicht recht wusste, was für ein Kuriositätenkabinett dahinter lag. Fernöstliche Seide war hübsch, dies bedeutete jedoch nicht, dass er gleich mit dem gesamten Land Freundschaft schließen wollte. Draußen warten mochte er jedoch ebenso wenig. Eine seiner Wachen hinein schicken - diese Wache fehlte dann womöglich hier vor der Tür. Rufen - ein Memnos blökte nicht wie ein hagerer Schafbock vor einem Eingang herum. Also schritt er, nachdem seine Bewegungen kurzzeitig ein wenig träger und zögernder geworden waren, besinnend auf seine Stellung und seine Identität auf die geöffnete Tür zu. Und damit wohl oder übel zu dem, was dahinter lag. Seine drei Wachen, zwei davon mit einfachem Gepäck beladen, sowie das 'Geschenk' folgten ihm in dieses unbekannte Reich. -
Der schmale Gang zwischen den Unterkünften der Schüler - die inzwischen leer waren, da Stratocles wieder in Broucheion wohnte und jeden Tag zur Akademie kam - und der Mauer, die den äußeren Hof von den Unterkünften trennte, war leer, so dass der Trupp von Menschen durch das zentrierte Tor der Mauer direkt in den Innenhof kam, wo ich gerade damit beschäftigt war, Kinder zu unterrichten. Natürlich bemerkten die Kinder die Gäste zuerst, während ich erst durch die entstehende Unaufmerksamkeit auf die Gäste aufmerksam wurde.
Meine fremde schwarze Kleidung, dazu noch das schwert an meinem Gürtel, gaben mir sicher ein höchst exotisches Aussehen, was aber inzwischen mein Markenzeichen war. Ich ging auf die Gäste zu und war höchst erstaunt, ausgerechnet Memnos hier begrüßen zu können. Das Gefolge verwunderte mich hingegen deutlich weniger.
Ich ging auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich. "Chaire, Memnos. Was treibt dich denn hierher?"
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MemnosEs war wirklich großartig, dass manche Menschen ihn nie enttäuschten. Achilleos‘ Verschrobenheit hatte sich keinen Schritt näher an die Normalität herangewagt, dies konnte man bereits nach einem einzigen Blick ohne jeden Zweifel bestätigen. Da musste man sich doch wirklich fragen, weshalb der Kerl nicht gleich im Osten geblieben war. Doch vermutlich verspürte er lediglich den rebellischen Drang, sich von seiner Umgebung so stark wie irgend möglich abzuheben. Dies gelang ihm an diesem Ort zweifelsohne am Besten. Memnos hatte es nie so recht glauben wollen, doch offensichtlich unterrichtete Achilleos hier tatsächlich Kinder. Kinder, von denen ohnehin mindestens Dreiviertel entweder an irgendeiner Krankheit starben oder sich gegenseitig umbrachten oder kriminell wurden. Schön, dass die Stadt bald über gebildete Kriminelle verfügen durfte. Dieser Mann besaß scheinbar deutlich zuviel Zeit.
Doch Memnos hatte den beschwerlichen Weg ganz sicher nicht auf sich genommen, um Kritik zu üben, und sei es nur im Geiste. Schließlich sollte dieser Mann, der ihm gerade mit einer freundlichen Begrüßung auf den Lippen entgegenkam, ihn von einer kleinen Sorge erleichtern. Und so schmückte auch der ehrwürdige Händler sich mit einem erfreuten Lächeln, das ihn nicht einmal allzu viel Überwindung kostete.
„Sei mir gegrüßt, Achilleos! Ich hoffe, ich störe dich augenblicklich nicht gar zu sehr.“ Sein durchaus Wohlwollen widerspiegelnder Blick glitt über die neugierig dreinschauende Kinderschar, ehe die braunen Augen den Eigentümer dieses Wohnsitzes erneut fanden.
„Nun, zum einen wollte ich gerne einmal persönlich sehen, was du aus diesem Fleckchen Erde gemacht hast. Und ich muss sagen, ich bin beeindruckt. Deine Entschlossenheit hat sich tatsächlich ausgezahlt .“
Erneut machte Memnos‘ Augenmerk die Runde durch den wirklich als interessant zu bezeichnenden Innenhof, während er seine Zustimmung in einem gemächlichen Nicken ausdrückte. Dann verbreiterte sich sein Lächeln und der Schalk blitzte in der dunklen Iris auf.„Allerdings ist mir schon bewusst, dass meine Neugier und meine Lobeshymnen dir hier nicht wirklich weiterhelfen werden. Also möchte ich dir meine Unterstützung auf anderem, praktischerem Wege versichern. Ich bin gekommen, um dir eine Sklavin zum Geschenk zu machen. Ich bin sicher, sie wird dir eine gute Hilfe sein können.“ Bei was auch immer.
Memnos deutete eine knappe, winkende Geste an, welche von der hinter ihm stehenden jungen Sklavin auch tatsächlich registriert wurde, was aufgrund ihrer ebenfalls über die seltsame Umgebung schweifende Aufmerksamkeit nicht unbedingt selbstverständlich war. Sie trug einen indigofarbenen Peplos sowie darüber einen Himation in einem etwas helleren Farbton. Die Stoffe wirkten nicht nur farblich gut aufeinander abgestimmt und zeichneten sich durch einen modernen, anmutigen Schnitt aus, sondern fielen zusätzlich noch eindeutig nicht in die Kategorie Kleidung, in welche man für gewöhnlich Sklavinnen steckte. Es hätte sich bei dieser deklarierten Bediensteten durchaus auch im Memnos‘ Tochter handeln können, zumal Ohren und Hals der Sklavin von feinen, silbernen Kreolen geschmückt waren. Hermione hätte allerdings mit Sicherheit Gold bevorzugt. Der Händler schob sein Geschenk noch ein wenig in Positur, das den ernsten, jedoch gelassen wirkenden Blick recht präzise auf Achilleos‘ Hals gerichtet hielt, und fuhr munter fort:„Alsuna ist ihr Name. Sie stammt aus Germanien, aber daran erinnert nur noch ihr Aussehen. Sie wurde gut erzogen, ist folgsam und eine eher stille Natur. Aber wer möchte schon eine ständig plappernde Sklavin haben? Sie gehörte meiner Tochter und hat deshalb trotz ihres Standes eine hervorragende Ausbildung genossen. Ich habe lange überlegt, wem ich sie geben könnte, doch ich finde, du verdienst sie aufgrund deiner noblen Absichten am meisten.“
Lächelnd und guten Mutes blickte Memnos den baldigen Neubesitzer der Sklavin an. Wenn es nach ihm ginge, würde er sich nun umdrehen und diesen zweifelhaften Ort verlassen, doch dies wäre vermutlich einer Flucht zu ähnlich gekommen. -
"Nein, du störst mich nicht. Wie könnte mich ein Freund stören?" erwiderte ich feundlich. Natürlich waren wir keine Freunde. Vermutlich würden wir auch nie welche werden, aber es war nun einmal höflich so und die Griechen mochten ja solche Floskeln.
So weit kannte ich Memnos inzwischen, dass ich wusste, dass es ihm ganz sicher nicht um meine Akademie ging. Irgend etwas führte er im Schilde. Andererseits konnte ich Hilfe wirklich gebrauchen und so beschloss ich, das "Geschenk" anzunehmen. "Ich danke dir ganz herzlich. Ja, ich kann wirklich Hilfe gebrauchen. Und ich freue mich außerordentlich, dass du an mich gedacht hast und sie nicht einfach verkauft hast. Alsuna, sagst du, ist ihr Name, ja?"
Ich ging auf die Sklavin zu und betrachtete sie. Eine Germanin hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich wusste zwar nicht, wie groß Germaninnen normalerweise waren, aber hier war sie sicher eine der am höchsten gewachsenen Frauen. Nur gut, dass ich für griechische Verhältnisse groß war. Dadurch war ich ein Stückchen höher als die Sklavin. Sklavin? Sie sah gar nicht aus wie eine Sklavin. Hübsch, elegant gekleidet, könnte sie genauso gut eine Tochter aus gutem Hause sein. Die roten Haare waren ungewöhnlich für diese Gegend, aber sonst könnte sie durchaus auch als Griechin durchgehen. Jedenfalls rein äußerlich.
Ich wandte mich wieder an Memnos. "Ich danke dir für dieses Geschenk und nehme es gerne an. Wenn du entschuldigst, aber ich bin gerade mitten im Unterricht. Ich... ähm... würde damit jetzt gerne weitermachen. Du kannst ja gerne noch einmal vorbeikommen, oder am späten Nachmittag bei meiner Vorlesung im Museion vorbei schauen."
Nach diesem Wort des Abschieds, meiner Meinung nach durchaus diplomatisch hervor gebracht, wartete ich, bis er gegangen war. Nicht, dass ich meinen Unterricht nicht auch länger unterbrochen hätte, aber ich hatte Memnos angesehen, dass er sich hier unwohl fühlte. So gab ich ihm die Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren und trotzdem zu verschwinden.
Alsuna stand noch immer an dem Platz, wo sie Memnos sie stehen gelassen hatte. Ich lächelte sie freundlich an. "Nun... ähm... erstmal willkommen. Ich bin Marcus Achilleos und du bist also Alsuna. Ich würde dir ja gerne sofort alles zeigen, aber ich war in der Tat mitten im Unterricht. Am besten... komm einfach mit und hilf mir dabei." Das war meine erste Sklavin. In der Fremde hatte ich zwar Diener gehabt, aber die gehörten dem Staat und nicht mir selbst. Außerdem hatte sich meine Frau da um die Sklaven gekümmert. Jetzt musste ich also selber dafür sorgen. Mal sehen, wie das enden würde.
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MemnosMit einem zufriedenen Nicken, das wohl so etwas wie Güte darstellen sollte, erwiderte Memnos die Bemerkung seines persönlichen Problemlösers. Er glaubte ebensowenig an ein flatterhaftes und sentimentales Gefühl wie Freundschaft zwischen ihnen, aber die Bemerkung machte sich gut, selbst wenn sie nicht wirklich real war. Doch ein angenehmer Schein war immer noch besser, als rein gar nichts Positives. Ansonsten war es ihm beinahe gleich, wie Achilleos verbal reagierte, solange er sein Geschenk brav annahm. Und dies tat er offensichtlich.
Auch Alsuna benahm sich bei der näheren Inspektion anständig. Wenigstens wurde sie nicht störrisch bei dem Gedanken, ihr Dasein auch weiterhin als willenlose Sklavin fristen zu müssen. Eigentlich hatte er an dieser Stelle auch mit ein wenig mehr Gegenwehr gerechnet. Nicht, dass er ihr vor Antritt dieses 'Spazierganges' nicht eingeschärft hätte, was ihr blühen würde, wenn sie die Schenkung durch ungebührliches Verhalten boykottierte. Doch sehr wahrscheinlich hatte sie auf eine Freilassung gehofft, was man ihr nicht verübeln konnte. Nun blieb sie nicht nur in ihrem Stand, gleichzeitig war es auch vorbei mit dem guten Leben, das sie in seinem Haushalt zweifellos hatte führen dürfen, denn in dieser Ecke der Stadt sah das Dasein ungleich finsterer aus. Aber dies sollte nun wirklich nicht seine Sorge sein. Er besaß genug wichtigere Geschäfte, die seiner Anwesenheit bedurften."Gewiss würde es mich mit großer Freude erfüllen, einmal einer deiner Vorlesungen beiwohnen zu können, doch die Geschäfte nehmen mich derzeit arg in Anspruch. Selbst meine Gemahlin beschwerte sich unlängst, dass ich ihr zu wenig Zeit erübrige. Doch sobald mir die Götter etwas Luft gönnen, werde ich sicher gerne auf dein Angebot zurückkommen."
Ebenfalls eine diplomatische Lüge, doch man schien auf diesem Boden dennoch gut voranzukommen. Achilleos schien keine Fragen mehr bezüglich der Sklavin zu haben, was den griechischen Händler gleichzeitig erstaunte als auch von ihm begrüßt wurde. Falls es zu irgendwelchen unangenehmen Folgen aufgrund der Schenkung käme, würde man gewiss wieder auf diese übereilte Annahme zurückkommen.
Mit einem weiteren kurzen Wink ließ Memnos die Habseligkeiten seiner ehemaligen Sklavin, die er nicht mehr in seinem Haus zu sehen wünschte, ein Stückchen entfernt in den Schatten dieses kuriosen Gebäudes stellen und empfahl sich anschließend mit einem verabschiedenden Nicken und einem neuerlichen höflichen Lächeln. Er hatte an diesem Ort wesentlich weniger Zeit benötigt, als er eingeplant hatte und alles so bekommen, wie er es haben wollte. Ein wahrhaft guter Tag.Alsuna
Sie hätte damit rechnen müssen, dass es nicht so einfach werden würde, die Freiheit wiederzuerlangen. Dass Hermione diesen Vorschlag überhaupt gemacht hatte, war schon mysteriös genug gewesen. Doch wahrscheinlich hatte sie es in der Gewissheit getan, dass ihr Vater als Geschäftsmann niemals auf eine solche Lösung eingegangen wäre. Es war schon ganz richtig gewesen, keine weitreichenden Pläne für die Zukunft gemacht zu haben. Dieses 'neue Leben' hielt vermutlich nicht viel mehr Möglichkeiten zur Eigeninitiative bereit, als das vergangene. Obgleich diese beiden sich kaum zu gleichen schienen. Alsuna besaß nicht die geringste Ahnung, wo sie hier gelandet war und was sie erwartete. Allerdings war ihre Zeit als Gesellschafterin einer verwöhnten, egozentrischen Göre ganz gewiss beendet. Ohja, Hermione hätte es hier zweifellos ganz ‚reizend‘ gefunden mit all diesen Kindern und der Aussicht, sie unterrichten zu müssen. Zumindest war die Wahrscheinlichkeit gering, dass man an diesem Ort ein Wiedertreffen mit Vergangenem befürchten müsste.
Die Germanin vermied weiterhin direkten Augenkontakt mit ihrem neuen Herrn, mochte er diese Angewohnheit entweder für Scheu oder Demut halten. Wenn etwas anderes seine Aufmerksamkeit fesselte, so würde sie ihn gewiss noch in ausreichendem Maße mustern können. Zumindest war er von einer richtigen Aura an Ungewöhnlichkeit umgeben, die er pflegte und hegte wie einen kostbaren Rosengarten. Sie würde wohl nicht befürchten müssen, sich hier an die festen Regeln der Gesellschaft halten zu müssen und Auffälligkeiten um jeden Preis zu meiden, damit die Leute nicht hinter dem Rücken tuschelten und schwatzten. Vermutlich hatte sich bereits ganz Rhakotis das Maul über dieses seltsame Gebäude und seinen Bewohner zerrissen. Wenn ihr neuer Herr also alle Aufmerksamkeit auf sich zog, schenkte man ihr deutlich weniger. Und wer wusste schon zu sagen, ob sich an diesem Ort nicht noch mehr merkwürdige Gestalten befanden.
Da ihr neuer Herr ihr gerade allzu viel Beachtung schenkte, vermied es Alsuna zunächst einmal, sich weiter neugierig umzusehen, obwohl es sie nicht wenig danach gelüstete, das Innenleben von Haus und Besitzer auf eigene Faust zu erkunden. Doch so einfach würde dies sicherlich erst einmal nicht werden, da andere Pläne geschmiedet wurden. Eine Führung war natürlich auch nicht das Allerschlechteste. Solange sie darauf acht gab, für nichts besonderes und offenkundiges Interesse zu zeigen."Herr, ich besitze leider keine Erfahrung im Unterrichten", gab Alsuna leise und pflichtgemäß zurück, auch wenn sie ahnte, dass er mit der 'Hilfe' nicht direkt ihre sklavischen Fähigkeiten angesprochen hatte. Zudem war dies nicht mehr Memnos' Haushalt, der sich einfach einen besser ausgebildeteren Sklaven aus seinem Fundus angepasst an die jeweilige Aufgabe greifen konnte. Anscheinend war Marcus Achilleos dieser Unterricht sehr wichtig. Oder er tat Buße für irgendetwas. Nun, sie befanden sich definitiv noch im Vorgang des Kennenlernens und Ertastens und als gute Sklavin besaß sie die Pflicht, ihre Grenzen dabei auszutesten. Zwei, drei Schläge später wäre sie dann zumindest schlauer.
"Ich kannte einmal jemanden, der den Straßenkindern der Stadt regelmäßig zu essen gegeben hat, weil ihm sein kleiner Sohn verstorben ist. Unterrichtest du diese Kinder aus einem ähnlichen Grund, Herr?" erkundigte sich die Sklavin deswegen in einem ebenso leisen und unschuldigen Tonfall, wie sie auch zuvor gesprochen hatte. -
Erfahrung im Unterrichten hatte sie also nicht. "Nun, das wirst du schon lernen," sagte ich mit einem aufmunternden Lächeln, während ich in die Mitte des Hofes ging.
Dann kam auch schon die nächste Frage, die mich erstmal stehen bleiben ließ. Ich hatte mehr als einen Grund. Meine Verpflichtung als Gelehrter war sicher der wichtigste, der Tod meiner Familie war möglicherweise auch ein Grund, ebenso wie die Auslöschung einiger Familien, die gegen mich als Statthalter in Han intrigiert hatten. Doch würde ich ihr alle Gründe nennen? Meine Verpflichtung zur Ehrlichkeit zwang mich fast dazu. Andererseits bedeutete Ehrlichkeit in meiner Weltsicht, dass Weglassen keine Lüge war. "Ich unterrichte die Kinder, weil ich in einem fernen Land zum Gelehrten ausgebildet wurde. Zu den Pflichten eines Gelehrten in diesem fernen Land gehört es, denen Bildung zu geben, die danach fragen. Denn nur durch Bildung kann der Mensch die Harmonie erkennen und in Harmonie leben. Außerdem lohnt es sich hier am meisten. Ich habe auch noch weitere Gründe, über die ich aber jetzt nicht reden werde."
Ich sah kurz zu Alsuna. "Ich denke, ich zeige dir zumindest kurz, wo was ist. Das da," ich zeigte auf das Gebäude zur Linken, "ist das Hygiene-gebäude. Da findest du links das Balneum und rechts die Latrine. Die Latrine wird übrigens ständig durchspült." Dann zeigte ich auf das Gebäude zur Rechten. "Das da ist das Vorratsgebäude. Davor befindet sich die Kochecke. Und das Gebäude direkt vor uns," ich deutete auf die große Halle, "ist die große Halle, der zentrale Versammlungsort. Da drin unterrichte ich auch. Alles so weit klar?"
Und dann fiel mir noch etwas ein. "Und, bitte, nenne mich nicht "Herr". Das klingt so... ungewohnt."
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Wie erwartet würde das Unterrichten bald auch zu ihren Tätigkeitsfeldern gehören. Da sie sich noch nie in diesem Bereich ausprobiert hatte, vermochte sie natürlich auch noch kein Urteil darüber abzugeben, ob dies eine formidable Idee war. Die nötige Geduld würde sie gewiss aufbringen können, bislang hatte ihr Umfeld schon genug davon eingefordert. Wahrscheinlich waren selbst dreißig unruhige Kinder nichts im Vergleich mit Hermione, ihren Wünschen, Ansprüchen und Angewohnheiten. Und die hatte sie Tag und Nacht um sich haben und ertragen müssen. Kein wirklicher Vergleich.
Alsunas Hände wanderten langsam hinter sie auf den Rücken und verhakten dort die Finger locker ineinander, während sie den Antworten ihres Herrn äußerlich gelassen lauschte. Anscheinend bekam sie es hier mit einem Menschen und seinen ehernen Prinzipien zu tun, welche groß und mächtig neben ihm aufragten und wie abgesonderte, eigenständige Geister wirkten, ihn stets umgebend und sein gesamtes Handeln und Denken beeinflussend. Die Pflichten eines Gelehrten.. soso. Interessant.Mit durchaus interessiertem Blick folgte Alsuna den Gebäudeerklärungen. Keine Sklavenunterkünfte. Und normalerweise sollte man dies einer neuen Sklavin als Allererstes mitteilen. Nunja, sie würde einfach erst einmal abwarten. Und hoffen, dass keiner der kleinen Schüler sich an ihrem Besitz zu schaffen machte. Dies könnte unangenehme Situationen zur Folge haben.
Am Ende der kurzen Informierung nickte die Sklavin leicht zum Zeichen, dass sie bislang alles verstanden hatte. Von jemandem wie ihr wurde erwartet, dass er rasch verstand und das Verstandene auch umzusetzen wusste. Daran hatte es ihr bislang eigentlich nicht gemangelt.„Ich verstehe deine Aussage bezüglich der Bildung. Mein ehemaliger Herr Memnos wurde auch nicht müde zu betonen, wie dankbar die germanischen Sklaven sein können, dass man sie hier Zivilisation lehrt und von ihren barbarischen Sitten befreit. ‚Harmonie‘ nannte er es zwar nicht, aber wahrscheinlich meinte er das ebenso wie du.“
Beinahe schien ihr Blick nach Erkundung der Gebäude den seinen zu treffen, sank jedoch vorzeitig wieder etwas ab und festigte sich erneut auf der Halspartie ihres Gegenübers.
„Aber du bist nun mein neuer Herr. Wie sollte ich dich sonst nennen? Vielleicht ‚mein Gebieter‘?“ -
"Nein, ich denke, dass dein ehemaliger Herr das anders meinte als ich. Bildung muss immer das Gemeinwesen unterstützen. Und Chancen eröffnen. Der Gebildete muss die Chance zum Aufstieg haben. Ganz wichtig ist auch die Erkenntnis, dass es keine Freiheit geben kann. Für niemanden. Nicht einmal der Herrscher ist frei, denn er muss dem Volk dienen. Macht befreit nicht, Macht bindet. Alles Wirken muss auf das Wohl der Gesellschaft ausgerichtet sein. Nur so können wir Menschen über uns hinaus wachsen und unsere selbstsüchtigen Verhaltensweisen überwinden." Na, hoffentlich hatte ich sie jetzt nicht verschreckt.
Gebieter? "Was? Äh... nein, ganz sicher nicht, nein... nein... ich bin doch kein Partherfürst. Nein, nicht "Gebieter". Nein... ähm..." Ja, aber wie sollte sie mich denn jetzt nennen? Das war gar nicht so einfach. "Weißt du, ich habe nicht allzu viel Erfahrung mit Sklaven. Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass es mir unmöglich ist, Menschen als Dinge anzusehen." Wie würde Meister Kong wohl das Verhältnis von Herr zu Sklave einordnen? Vater zu Kind oder eher Herrscher zu Untertan? Vermutlich eher Letzteres. "Ich denke, dass es eine Art Herrscher-zu-Untertan-Beziehung ist, die uns verbindet. Da wäre es dann angemessen, mich mit meinem Titel anzusprechen. Das wäre dann "Jìnshì". Natürlich ergeben sich aus dieser Beziehung auch gegenseitige Pflichten. Am besten erläutere ich dir die gegenseitigen Rechte und Pflichten heute abend."
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Ja, sogar höchst wahrscheinlich hatte der alte Memnos es anders gemeint, als ihr neuer Herr dies gerade darzustellen versuchte. Memnos hatte eher selten mit weisen Predigten um sich geworfen, ganz besonders nicht gegenüber Sklaven. Aber auch sonst tendierte er nicht gerade zu einer solchen Art, sich zu geben. Achilleos hier schien im Gegensatz dazu förmlich überzuquellen mit Theorien und Philosophien und sogenannten Wahrheiten, die er mit dem Brustton der Überzeugung von sich gab. Allmählich begann Alsuna zu verstehen, was sich ein gewisser Händler bei dieser Schenkung, die für seine Verhältnisse höchst ungewöhnlich war, eigentlich gedacht hatte.
‚Jinshi‘... sie wusste nicht einmal zu sagen, aus welcher Sprache dieser Begriff stammte. Doch auch ansonsten musste sie ihre gesamte Konzentration aufbringen, um seine Worte als das memorieren zu können, was dieser Mann damit tatsächlich aussagen wollte. ‚Herrscher-zu-Untertan‘... so genau wusste Alsuna nicht zu sagen, ob dies nun ein Anlass zur Freude für sie sein sollte. Andererseits hatte sie gelernt, dass sie für die freudigen Ereignisse in ihrem Leben die alleinige Verantwortung trug, da man dies unmöglich ihrem Herrn, selbst wenn er ‚Jinshi‘ genannt werden wollte, überlassen konnte.“Jinshi...“ wiederholte sie folgsam, um sich an die Aussprache dieses Wortes zu gewöhnen. “Nun... sicher werde ich dich ‚Jinshi‘ nennen, so du dies wünschst. Du bist schließlich mein Herr.“
Kurz hob sich ihre rechte Hand, um eine verlorene kupferrote Strähne zurückzustreichen. Sie wirkte einen Moment verunsichert, fing sich jedoch wieder.“Es mag sein, dass mein früherer Herr dies anders meinte als du, doch weswegen sollte ein ungebildeter Mensch nicht in Harmonie leben können? Bildung kann möglicherweise auch gerade das sein, was einen davon abbringt oder abhält, in Harmonie leben zu können. Ich zumindest kann nicht sagen, dass mir meine Ausbildung Harmonie gebracht hätte. Vielleicht gibt es Bildung, die zur Harmonie führt, und andere, die einen eher davon fortbringt. Ich würde nicht beurteilen können, ob die Bildung, die ich vermitteln kann, am Ende mehr nützt oder schadet. Wenn ich Bildung vermittele, setze ich dann nicht diejenigen, die ich lehre, herab, weil ich davon ausgehe, dass sie ohne meine Hilfe nicht harmonisch leben könnten? Zudem gäbe es auch noch zu definieren, was Harmonie ist, und dies kann so glaube ich nur jeder Mensch für sich selbst definieren. Aber... vermutlich hab ich dir nur nicht recht folgen können... Jinshi.“ Sie deutete eine leichte Verneigung zur Entschuldigung an. Ohnehin wollte Achilleos eigentlich mit seinem Unterricht fortfahren.
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"Hmm..." machte ich erstmal nachdenklich. Ganz gleich, welche Gründe Memnos hatte, Alsuna loswerden zu wollen, mir gefiel ihre Art. Ich würde sicher einige wunderbare Diskussionen mit ihr haben. Und was konnte man sich mehr wünschen? "Deine Art zu denken gefällt mir. Ich denke, dass wir öfter mal die eine oder andere Debatte führen sollten. Zum Frühstück oder nach dem Abendessen oder sonst, wenn Zeit ist. Ich will dir gar nichts vormachen, meine Erkenntnis, die ich aus den Lehren, die mir bekannt sind, ziehe, ist auch noch unvollständig. Das wird sie wohl auch immer bleiben. Zur Bildung fällt mir da noch ein Zitat ein: "Zi Hia sprach: »Wer die Würdigen würdigt, so daß er sein Betragen ändert, wer Vater und Mutter dient, so daß er dabei seine ganze Kraft aufbietet, wer dem Fürsten dient, so daß er seine Person drangibt, wer im Verkehr mit Freunden so redet, daß er zu seinem Worte steht: Wenn es von einem solchen heißt, er habe noch keine Bildung, so glaube ich doch fest, daß er Bildung hat.« Das ist aus den Lunyu des Meisters Kong, erstes Buch, siebentes Kapitel." Ich sah lächelnd an. "Bildung hat also nicht unbedingt etwas mit dem zu tun, was die Griechen als Bildung bezeichnen. es geht mehr um richtiges Verhalten. Vielleicht verhalten sich Menschen instinktiv richtig. Doch es gibt sicher viele, die das nicht tun. Und denen muss man beibringen, was richtiges Verhalten ist."
Womit ich dann auch schon bei der nächsten Sache angelangt war, die mir wichtig war. "Da ich versuche, mich selbst stetig zu verbessern, bitte ich dich, mich dabei zu unterstützen." Ich lächelte freundlich. "Ja, du hast schon richtig verstanden, ich bitte dich darum. Denn das gehört zu den Dingen, die man Untertanen nicht befehlen kann. Wenn es mir an Bescheidenheit mangelt, dann weise mich darauf hin. Wenn ich arrogant bin, dann weise mich ebenfalls darauf hin. Nicht in der Öffentlichkeit, sondern privat. Aber weise mich auf jeden Fall darauf hin."
Ich ging nun wieder los, langsamen Schrittes auf die große Halle zu.
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Sie sollten Debatten führen? Sie beide? Meinte er das ernst? Auf Alsunas Stirn zeichneten sich kurz feine, aber misstrauische Falten ab, die sich erst wieder glätteten, als sie sich ihrer bewusst wurde. Für gewöhnlich tat man so manches, um ihr jede Gelegenheit für eine längere Rede zu nehmen, und das nicht unbedingt grundlos. Wenn man sie ließ, begann sie zu ‚nagen‘ wie es Memnos auszudrücken pflegte, abgeleitet von diesem Begriff variierten ihre Spitznamen je nach dem Grad der Wut zwischen ‚Maus‘ und ‚Ratte‘. Sie pflegte also metaphorisch gesprochen alles ‚anzunagen‘, was man ihr erzählte; sie hinterfragte, kehrte um, kramte nach Gegenargumenten und konnte mit dieser Taktik den Leuten ganz gerne einmal gehörig auf den Geist gehen. Und es benötigte schon einiges an Geschick, dabei in ihren engen Grenzen zu bleiben, gegen kein Gebot der Höflichkeit zu verstoßen, aber trotzdem etwas vorzubringen, das ihren Gesprächspartner irritierte. Natürlich gefiel es ihr sehr, ihre Gesprächspartner zu irritieren, zumindest jene, die nicht zu ihren Herrschaften zählten. Es befand sich keine nette Absicht dahinter, denn Alsuna wollte nicht wirklich nett dabei sein. Höflich, ja, unterwürfig auch, aber nicht nett. Von Sklaven wurde in der Regel auch nicht erwartet, dass sie ‚nett‘ waren. Niemandem würde diese Charaktereigenschaft etwas nutzen.
Doch nur weil ihr erster Ansatz eines ‚Nagens‘ hier scheinbar Wohlgefallen ausgelöst hatte, bedeutete dies noch lange nicht, dass ihr gerade ein wahrer Wohltäter gegenüber stand. Er mochte es in weitschweifige Worte wickeln und seltsam klingende Meister und deren Bücher zitieren, aber er war immer noch ihr Befehlsgeber und sie immer noch in der niederen Position. In gewissem Sinne hatte sie ihn zu unterhalten und ihm zu gefallen. Blieb die Frage, ob ihr der Hang zu Diskussionen auch weiterhin so zusagen würde, wenn ihr Herr sie auf einmal von sich aus zu halten wünschte. Doch wahrscheinlich fiele es ihr äußerst schwer, diese altvertraute Angewohnheit von heute auf morgen aufzugeben. Sie besaß inzwischen eine recht ansehnliche Übung darin. Vielleicht sollte sie weniger allgemein plauschen, als vielmehr persönlichere Themen wählen und anschubsen. So offen und menschenfreundlich und... ‚nett‘ sich dieser Mann auch gab, er besaß ganz gewiss ebenso seine Schwächen und alten Narben wie jeder andere auch. Der Frage nach dem Grund für seinen Unterricht war er ausgewichen, wenn er es auch höflich ausgedrückt hatte. Sie besaß nach wie von kaum eine Ahnung davon, wie sich ihr Herr die Beziehung zwischen ihnen tatsächlich vorstellte, denn einige hübsche Worte genügten dafür bei Weitem nicht aus.
Und nun befahl er ihr auch noch, ihn darauf hinzuweisen, wenn er sich ‚arrogant gebärdete. Wie stellte er sich das denn vor? ‚Jinshi, du warst aber eben fürchterlich arrogant zu diesem Mann, nun schäm dich aber mal ordentlich.‘ Besaß er keine Freunde oder sonst jemanden, der sein Vertrauen erlangt hatte und ihm Fehltritte dieser Art mit einem Klaps auf den Hinterkopf weit weniger offiziell mitteilte?
“Verzeih mir, Jinshi“, begann sie aus diesem Grunde, während sie ihm zur großen Halle folgte, “aber es obliegt mir nicht zu beurteilen, ob dein Verhalten unbescheiden oder arrogant ist. Ich bin dazu auch gar nicht imstande. Zudem scheinst du mir zu weise und pflichtbewusst, um überhaupt Gefahr zu laufen, einen Weg einzuschlagen, der deinen Prinzipien widerspricht.“ Empfand sie es als arrogant, wenn er ihr gegenüber von Lunyus sprach? Nein, höchstens als seltsam weil eigentlich übertrieben und unangemessen, aber wenn er es denn tun wollte... er war ihr Herr, verdammt!
“Diesbezüglich solltest du vielleicht einen Freund fragen, der dir gleich ist. Ich bin mit allem einverstanden, was du sagst und tust.“
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