Alsuna wartete. Sie wusste nicht genau, worauf eigentlich, doch entschied sie sich in diesem Zweifelsfall lieber für etwas Negatives. Angesichts ihrer gerade durchgeführten Aktion war wohl auch kaum damit zu rechnen, dass Achilleos freudestrahlend seine Niederlage eingestehen würde und sie beglückwünschte für ihren unvergleichlichen Kampfstil, von welchem selbst er noch eine Menge würde lernen können. Zudem wusste sie gar nicht zu sagen, ob seine Niederlage ihr vordergründiges Ziel darstellte. Wollte sie gewinnen? Die Vorstellung erschien nach wie vor zu weit her geholt, um sie ernsthaft in Betracht zu ziehen und darüber einen Gedanken zu verschwenden. Er würde sie im nächsten Moment von sich werfen, nachdem er ihr zuvor einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe verpasst hatte, der ihren Kopf endgültig sprengte. Er war der Unbesiegbare, der Schlächter, der einsame Wolf, der für Gerechtigkeit sorgte. Und in dieser Welt durfte eine Sklavin eben nicht auf solche Art ihren Herrn besiegen. Im Grunde durfte sie es nicht einmal ausprobieren. Sie hatte ihn tätlich angegriffen, mehrmals, beleidigt, ebenfalls mehrmals, ihn völlig respektlos behandelt und ihn verspottet. Selbst der pazifistischste dominus hätte dies alles nicht einfach so hingenommen, erst recht nicht jemand wie Achilleos. Womöglich sah er ihre Auseinandersetzung bis zu einem gewissen Punkt als 'spielerisch' und nicht ernst zunehmen an, bis sie alles dafür getan hatte, dass er sie ernst nahm.
Bereute sie? Nein. Vieles in ihrem Leben bereute sie, vornehmlich und immer wieder das stille Erdulden. Was sie als gute Sklavin gekennzeichnet hatte, doch der Begriff 'gute Sklavin' stellte wohl die größte Beleidigung dar, welche man sich vorzustellen vermochte. Sie war eine schlechte, eine hundsmiserable, eine unerträgliche und abgrundtief unbrauchbare Sklavin. Es war die reinste Musik, sich diese Begriffe vor Augen zu führen.
Immer noch schnell atmend und mit bis zum Zerreißen angespannten Muskeln wartete Alsuna auf das Unausweichliche, bereit, auf jede Bewegung von ihm zumindest mit einem schnellen Zucken zu reagieren - viel mehr würde sie wahrscheinlich auch nicht mehr tun können. Zudem machte sich ihr Kopf zunehmend bemerkbar, denn auch ihr Gegner besaß einen nicht zu verachtenden Dickschädel. Auf das, was nun folgte, war sie indes nicht im Geringsten vorbereitet gewesen, abgesehen von einigen Wunschträumen in Seifenblasenform.
Sie hatte gewonnen? Bedeutete dies...er gab auf? Für einige Augenblicke war die Germanin der festen Überzeugung, dass er nun seinerseits eine Finte anwandte. Alleine diese Worte aus seinem Munde klangen... unpassend. Da sie nach wie vor den Blickkontakt mied, vermochte sie seine gegenwärtige Stimmung daraus nicht abzulesen, doch sein Tonfall klang... anders als sonst. Meinte er das etwa ernst? Irritation machte sich in ihr breit, parallel zu der Erkenntnis, dass ihre kleinen, dreckigen Tricks eigentlich überhaupt nicht zu seinem Charakter passten. Ansonsten wäre er auch wohl kaum derart glatt auf sie hereingefallen. Und es war seltsam, obgleich sie seine Augen nicht sah, spürte sie sie auf seltsame Weise dennoch. Er war wütend. Wirklich wütend.
"Ach, solange du oben landest, ist es also ein guter, gefälliger Angriff, lande ich aber oben, bist du zu Tode beleidigt?" Sie klang zugegeben ein wenig trotzig, abseits des leisen Keuchens, aber wenn das hier kein Trick war und er sie auch nicht absichtlich hatte gewinnen lassen, musste sie sich auf eine ordentliche Verhärtung der Fronten gefasst machen. Was ihr gerade aber kräftigst wo vorbeiging.
Mit einem anfänglich energischen, dann jedoch zunehmend etwas müder werdenden Ruck zog sie ihre Hände zurück und verschränkte die Arme ebenfalls vor dem Brustkorb. Falls er schon zu einer so kindischen Schmollgeste tendierte, dann sie aber erst recht! Wenn es ihm irgendwie Befriedigung verschaffte, durfte er sie gerne mit einem Ruck von sich stoßen, wahrscheinlich gierte er bereits mit jeder Faser seiner verwundeten Ehre danach. Sie hingegen veränderte ihre Haltung auf ihm nur insoweit, als dass sie etwas bequemer wurde.
"Also Ehre und Philosophie und Bildung und das ganze Tamm-Tamm hin oder her, am Ende bist du doch nur ein ganz einfacher Mann, der es nicht ausstehen kann, von einer kleinen, schwachen Frau besiegt zu werden. Vermutlich brennst du gerade förmlich darauf, mir den Kopf abzuschlagen, um deinen gekränkten Stolz mit meinem Blute zu heilen, oder wie auch immer du es ausdrücken willst. Bitte, mach doch. Ich rechne schon die ganzen letzten Stunden ständig damit, von dir umgebracht zu werden. Und das wird ehrlich lästig. Eigentlich wollte ich dir danken, aber ich nehme an, an so etwas 'Tiefgeistigem' bist du gar nicht mehr interessiert. Und du würdest es ohnehin nicht verstehen. Deckt sich eben nicht mit deiner Welt. Zum Glück, möchte man annehmen. Denn ansonsten wärest du jetzt wahrscheinlich tot."
Ein wenig übertrieben, aber Alsuna fehlte die Geduld für differenzierende Kleinigkeiten wie ihrem Willen zu Mord und Totschlag.