| Aedituus Caecus Niger
Caecus Niger überprüfte noch einmal das Innere des Tempels, verrückte ein, zwei Kerzen für das rechte Licht, und ließ seinen Blick zu dem Abbild des Dis Pater schweifen. Vor diesem, auf dem flachen, steinernen Altartisch, hatte er dafür Sorge getragen, dass für das Voropfer der Iunia ausreichend Platz war, wiewohl er sich dessen versichert hatte, dass die Öffnung mittig der kleinen Kuhle, in welche die Trankopfer hineingegeben wurden, frei war. Zugegeben kam es recht selten vor, dass etwa einige Krümel eines Opferkuchens, einige welke Blätter eines Kranzes oder auch eine Münze dort hinein fielen und den Abfluss verstopften, doch der Aedituus wollte an diesem Tage nichts dem Zufall überlassen. Zufrieden mit der Erscheinung der cella wandte er sich um, streute vor dem Ausgang noch einmal eine Handvoll Räucherung in eine kleine Schale voll glühender Kohle und verließ das Gebäude, ging die Stufen hinab. An dem Opferstein vor dem Tempel hatte sich bereits die kleine kultische Abordnung versammelt, welche für den Ablauf des Opfers vonnöten war - ein victimarius mit seinem scharfen Beil, ein popae mit dem schweren malleus, dem Hammer, zwei weitere Opferdiener für sonstig anfallende Handgriffe, zwei tibicines mit ihren Flöten und zwei ministri, die vermutlich noch aufgeregter waren als die Opferherrin, waren sie doch junge Knaben, deren Respekt dem Dis Pater gegenüber noch aus einer schaurigen Furcht vor der Unterwelt heraus geboren war. Daneben war der Ochse mit einem starken Seil an in den Boden eingelassene Ringe gebunden, sein kurzes, schon von Natur aus flächig sehr dunkles Fell mit funkelndem, schwarzfarbenen Kohlestaub eingerieben, zu welchem die rot- und weißfarbenen vittae und infulae um seinen Kopf sowie die wollene dorsula auf seinem Rücken trotz der aufkommenden Dämmerung sich noch kräftig abhoben, und auch die versilberten Hörner und Hufe glänzten noch weithin glitzernd im Abendlicht. Zu den Seiten hin hatte man zudem die Säumung des Tempeleingangs mit Feuerschalen erweitert, so dass auch der Vorplatz angemessen ausgeleuchtet würde sein, selbst dann noch, wenn die Sonne bereits hinter den Hügel Roms versunken war.
Beinahe hätte der Aedituus Iunia Axilla nicht wiedererkannt, schien doch ihr ganzes Wesen mit der düsteren Atmosphäre zu verschmelzen, die sich in Erwartung des Opfers um den Tempel hatte gelegt.
"Salve, Iunia Axilla!", grüßte Caecus die junge Frau und neigte dabei leicht den Kopf, ließ gleich hernach noch ein "Salve!" an die Begleiterin der Opferherrin gerichtet folgen.
"Es ist ein vorzüglicher Abend für ein Opfer und es ist alles vorbereitet. Möchtest du das Tier noch einmal begutachten?"