Müßiggang ist aller Laster Anfang...

  • Nach einem augiebigen Gähnen streckte ich beide Arme in die Höhe. Es knackte hölzern irgendwo in meinem Nacken und ich verzog das Gesicht. Heute war also diese Verschlagtür dran. Ich tigerte zur Küche, schlabberte meinen morgendlichen Hirsebrei und durchbohrte diesen Dummbratz von Koch mit einem scharfen Blick, als er mir die zweite Schale verweigerte und behauptete, ich solle doch erstmal arbeiten für mein Essen. Es half alles nichts, und die Blöße, vor diesem Kerl mit seinem Zwirbelbart zu betteln, wollte ich mir nicht geben. Also war ich kurz darauf unterwegs zum Geräteschuppen bei den Stallungen, um das passende Werkzeug auszusuchen.


    Einen Hammer, einige Nägel und eine schmale Holzlatte später, betrat ich das nach Stroh und Pferden duftende Gebäude und blinzelte in das staubige Zwielicht. Pfeifend suchte ich die kaputte Verschlagtür auf und musterte sie. Irgendso ein Gaul hatte scheinbar ausgekeilt und dabei das Holz splittern lassen, wie ich sah, als ich mich in der leeren Box hinkniete und die halbhohe Tür begutachtete. Mit meiner Latte - der aus Holz - kam ich da wohl nicht weit. Da musste mehr Holz her. Aber jetzt in die Stadt gehen und Latten kaufen? Mürrisch trat ich iins Stroh und seufzte. Ich hatte Hunger, verdammt! Der konnte doch so einem gutaussehnden, stattlich gebauten Kerl wie mir nicht einfach so ne Mädchenportion geben! Pah. Und arbeiten sollte ich für mein Frühstück...da würde der sehen, was er von hatte. Der stand ja selbst nur dauernd hinter seinem Herd und machte so Kinkerlitzchen. Ich gab der Tür einen Tritt und setzte mich ins Stroh. So sann ich über mein Leben nach...


    ...genau zwei Minuten. Dann erfüllten Sägegeräusche den Stall. :D

  • Es war nicht sein Begehr, die Ställe zu überprüfen, es war nur Zufall, welcher ihn dort nahe vorbei gehen ließ, womöglich auch ein untrügliches Gespür für die Drückebergerei des Alltages. Doch die Geräusche, welche aus der Pferdebox drangen, waren unüberhörbar, zudem war Sciurus nie geneigt, irgendetwas zu überhören, es sei denn, es hatte mit seinem Herrn zu tun.


    Selig lag der stämmige Hüne namens Nordwin im Stroh und schlief, als gäbe es sonst nichts auf der Welt als Schlaf. Sciurus kannte bereit seinen Namen, kannte seinen Herrn, kannte seine Herkunft - und nun kannte er auch sein Wesen. In Sciurus' Welt gab es nur zwei Arten von Sklaven - gute und schlechte. Nordwin war eines der schlechten Exemplare, dies stand fest, und diese galt es zu brechen, bis sie ihren Aufgaben nachkamen, oder dafür Sorge zu tragen, dass sie den Haushalt verließen. Sciurus trat neben den Leib und stieß mit seinem Fuß in dessen Seite.
    "Auf die Füße mit dir, buono a nulla! In diesem Haus gibt es keine Faulenzerei!"

  • Schummrige Watte umgab mich, nach Stroh riechende, leise Geräusche waren um mich herum - bis ein penetranter Fuß mich aus dem leichten Schlaf riss, indem er sich vehement in meine Seite bohrte. Ich dachte nicht nach. Wenn ich das getan hätte, dann wär es wohl nicht passiert, weil ich diesen komischen Kautz, den selbsternannten Rächer der faulen Sklaven dann wohl erkannt hätte. Aber noch ehe ich überhaupt richtig sah, wer mich da piesakte, hatte ich den Fuß gegeriffen und rumgedreht. Ein purer Reflex, sonst nichts! Wenn Sciurus also dem Schmerz in seinem Fußgelenk entgehen wollte, würde er instinktiv nachgeben und sich so fallen lassen, dass der Fuß entlastet würde. 8)


    Nachdem ich also ordentlich feste seinen Fuß herumgedreht rumgedreht hatte, starrte ich den Sklaven an, den ich nun erkannte. "Scheiße." Und diesmal meinte ich es wirklich ernst. Nicht nur, dass er mich beim Faulenzen erwischt hatte... Das war der Leibsklave vom Hausherrn, diesem freudlosen Flavier mit den ernsten Falten (und damit meine ich nicht die Toga). Und wenn Sciurus dem DAS petzte... "Das wollt' ich nicht. Ehrlich", beeilte ich mich also zu sagen und wälzte mich herum auf alle Viere, um nach dem Vilicus zu sehen.

  • Wenn er sich außerhalb der Villa in der Stadt bewegte war Sciurus' Körper stets voller Spannung, jederzeit bereit zum Sprung, jederzeit bereit zu Angriff und Verteidigung, und so er sich unter der Stadt bewegte genügte bereits die kleinste Regung, um ihn bei Gefahr in Aktion zu versetzen. Innerhalb der Villa, der flavischen Mauern jedoch, war der Sklave nicht auf einen Angriff gefasst. Es war ein Fehler, eine grobe Nachlässigkeit, wie er sich eingestehen musste, doch er hatte nie geglaubt, dass ein Bewohner der Villa es wagen würde, ihn anzugreifen, nicht einmal die Herren würden Hand an ihn legen, ohne dass sein eigener Herr dazu sein Einverständnis gab. Einzig sein Herr selbst mochte für ihn in diesem Hause eine Gefahr darstellen, doch Gracchus war niemals eine Bedrohung gewesen.


    Noch im ersten Moment, als der Sklave seinen Fuß gepackt hatte, verdrehte er ihn bereits in unnatürlicher Weise, doch Sciurus folgte der Bewegung nicht, ließ sich nicht fallen, spannte eher noch dagegen an. Er hatte schon weitaus schlimmeres ertragen und Schmerz war nichts, was ihn reagieren ließ, und da dies in diesem Falle dem von der Natur vorgesehenen Selbsterhaltungstrieb gänzlich entgegen strebte, blieb ihm nichts weiter übrig als den Nachhall des Berstens in seinen Ohren zu vernehmen, noch ehe der Schmerz sich durch die Wade empor durch das Bein ausbreitete und in seinem Kopf angelangte.
    "Vaffanculo!" ließ er sich zu einem lauten Fluch hinreißen, welcher eine Dohle auf dem Dach des Stalles aufschrecken und in über ihre verlorene Ruhe erbostem Schrei empor fliegen ließ.


    Nordwin ließ von seinem Fuß ab und Sciurus suchte rückwärts zu weichen, doch bereits die erste Berührung mit dem Boden ließ neuerlichen Schmerz durch seinen Fuß zucken, so dass er mehr zurück hüpfte als trat, bis er die Bretter der Wand in seinem Rücken spürte.
    "Das wirst du bereuen", knurrte er, und in seinem Blick zeigte sich die Kälte, welche stets von seinem gesamten Wesen Besitz hatte, doch selten so deutlich zu Tage trat.

  • Das war schon ein zäher Bursche, dieser Sciurus. Aber dass er ausgerechnet hier reinspazieren musste, wenn man gerade mal ein bisschen döste? Es war ja nicht so, dass ich besonders faul war oder so. Im Gegenteil, ich hatte sogar recht viel zu tun, wenn man es genau bedachte. Die ganzen Muckis kamen schließlich nicht von ungefähr. Und handwerklich war ich eben auch nicht gerade unbedarft. Nur von Grünzeug sollte ich mich besser fernhalten, das hatte Kassandra damals schon festgestellt. Doch zurück zur Situation.


    Sciurus ließ den Schmerz meines Fehlgriffs lieber über sich ergehen, als sich ins Stroh fallen zu lassen. Was sagte mir das über ihn? Dass er entweder Schmerz gewohnt war, ihn mochte - dagegen sprach aber seine Reaktion - oder einfach eine ziemlich grottige Reaktionsgeschwindigkeit hatte. Egal was es war, es half mir hier nicht weiter. Hastig rappelte ich mich auf und kam auf ihn zu, wie er da so an Holzwand lehnte. Ja, doch, man konnte meine Miene durchaus als zerknirscht bezeichnen. Zumindest, bis er meine Ehre seinem rüden Fluch befleckte. "Was?" echote ich perplex. Ich sollte...was tun? Woah, schlagartig war ich auf hundertachtzig. Klar, sein Klumpfuß tat ihm weh, aber dann sowas zu sagen, wo ich mich doch e n t s c h u l d i g t hatte?! Das ging zu weit. Ich blickte ihn grummelnd an. "Mach das doch selber, uran!" schnaubte ich, dann drohte er mir. Das ging ja mal gar nicht. "Hör mal, Jungchen, das war keine Absicht, verstanden? Sowas nennt man Reflex! Also mach mal halblang, ja?" Na klasse, wenn der das nun Epicharis steckte, las die mir wieder stundenlang die Leviten. Warum passierte nur immer mir so ein Mist?

  • Unbeeindruckt von Nordwins Beleidigung, wie auch seinem Tonfall stierten Sciurus' Augen in die seines Gegenübers. "Es mag deinem germanischen Reflex entsprechen, dich beim Anblick von Stroh schlafen zu legen, aber du bist hier nicht in Germania. Ich werde dafür sorgen, dass dir deine Reflexe ausgetrieben werden, sowohl dieser, als auch der, fremdes Eigentum zu beschädigen." Eine Spur von Drohung lag in seinen Worten, obgleich dies überflüssig war, denn die Tatsachen sprachen für sich.

  • "Germanische Re...?" Überrascht starrte ich Sciurus an, mir blieb das Wort im Halse stecken. Das war genug! "Ich bin schon eine Ewigkeit nicht mehr in Germania gewesen, du Möchtegernrömer. Du kannst dir solche Kommentare also sparen. Bemüh dich lieber drum, dass dieser Barbar von Koch einem ein anständiges Essen gibt, wenn man hier gescheit arbeiten soll! Was ist das überhaupt, ein Gallier? Bei dem Fraß hier ist das doch kein Wunder, dass man nach zehn Schritten vor Schwäche einschläft!" Was dachte der sich eigentlich? Und wie der mich ansah. Als wollte er mich an die Stallwand nageln. Aber nicht mit mir. "Und du brauchst dir gar nicht einbilden, mir irgendwas austreiben zu können. Leg dich mal mit meiner Herrin an, du, da wirst du dann sehen, was du davon hast." War ja nicht zu fassen. Ich hatte mich ernsthaft entschuldigt und der zog hier so eine Schau ab. Als wär er der Sklaventriezer höchstpersönlich, pah. Und fremdes Eigentum... Aber es sollte mich nicht wundern, dass dieses Würstchen so von sich sprach. Mir fiel der Hammer wieder ein. Aber nein, ich war kein hinterhältiger Mörder, schon gar nicht aus so nem nichtigen Grund heraus. Also zuckte nur mein Blick dorthin, wo der Hammer lag, ehe ich Sciurus wieder ansah.

  • "Ich bin Sklave, kein Römer" berichtigte Sciurus sein Gegenüber und fuhr dann nachdenklich fort, beinah als wäre Nordwin nicht mehr anwesend. "Wenn es an Schwäche liegt, dass du nicht arbeiten kannst, dann lohnt es sich vielleicht nicht mehr, dir deine Reflexe auszutreiben. Ein Verkauf wäre dann wesentlich effizienter, oder der Einsatz bei der nächsten Löwung." Er forcierte ihn und zu seinem Ärger über dieses Subjekt gesellte sich eine leise Verblüffung über dessen Ansichten. "Im Übrigen befindest du dich im Besitz des Flavius Aristides, und nicht ich werde mich mit jenem auseinander setzen, sondern mein Herr, Flavius Gracchus."


    Damit waren alle Worte gesagt, welche notwendig waren, sofern es Sciurus anbelangte, und er wollte an Nordwin vorbei treten. Doch schon der erste Schritt brachte ihn vor Schmerz wieder aus dem Gleichgewicht, er verzog seine Miene und stützte sich mit der Hand an den Brettern ab. Mehr noch als das temporäre Ärgernis des Sklaven bereitet ihm ein länger währendes Ärgernis in seinem Fuß Sorge, das ihn von seinen Aufgaben abhalten würde.

  • Verkauf? Löwung? Ich starrte diesen schmächtigen Kerl an. Und was redete der da? Besitz des...wie? Mein Mund klappte auf und aller Ärger war verpufft. Da war nur noch Verwirrung. "Moment mal, wie meinst du das? Und was soll das heißen, Besitz von Aristides?" Hatte Epicharis nicht gesagt, dass sich für uns alle nichts ändern würde? Für Minna und Fiona und mich?


    "Was...?" begann ich, als Sciurus irgendwie halb umkippte und ich mich genötigt sah, ihn an der Schulter festzuhalten. "Hör mal, es tut mir wirklich leid mit deinem Fuß. Wenn ich da was tun kann.... Aber was soll das heißen? Das mit dem Flavier, meine ich?" Ich gab es ja nur ungern zu, aber ein vages Grauen hatte mich gepackt. Ein Verdacht beschlich mich. Die Claudia war nun eine Flavia. Gehörte sie damit jetzt diesem Flavius?

  • In Sekunden ließ sich Sciurus seine Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Er konnte den Schmerz ignorieren, gleich wie stark er werden würde, und sich allein in den Sklaventrakt hinüber schleppen. Doch Sciurus hatte keinen Stolz, den er wahren musste, sein Denken und Handeln war auf Effizienz ausgelegt, und die Verletzung würde durch weitere Belastung nicht besser werden, im Gegenteil.
    "Hilf mir zurück ins Haus. Cosmas soll sich das ansehen." Sciurus mochte den griechischen Quacksalber nicht. Das war nicht weiter verwunderlich, denn Sciurus mochte niemanden. Doch Cosmas rangierte in seiner Kategorisierung noch unter unnützen Sklaven. Nach dem Verschwinden Leontias hatte der Arzt sich in der Villa eingenistet, um nicht zu Flavius Aetius zurück kehren zu müssen, und da sich keiner der Herrschaften für ihn erbarmte, verdiente er sich seine Mahlzeiten damit, dass er notgedrungen und widerwillig die kleineren und größeren Verletzungen behandelte, die im Alltag der Sklaven immer wieder vorkamen: Schnitte und Blessuren, manchmal Fieber, manchmal Knochenbrüche, Bisswunden und mehr.


    Ohne die Antwort Nordwins abzuwarten - er hatte sich immerhin bereits angeboten und zudem genug angerichtet, um sich weitere Schnitzer zu erlauben - stützte sich Sciurus auf die breite Schulter.
    "Die Ehe zwischen Aristides und Epicharis wurde cum manu durchgeführt. Das bedeutet, dass sie aus der Gewalt ihres Vaters in die Gewalt Aristides' übergegangen ist. Was sie besitzt, gehört ihm. Das umfasst auch den Haushalt, über den er nicht nur die rechtliche Gewalt inne hat, sondern für den er auch die Verantwortung trägt."
    Sciurus hätte seinem Tonfall nach ebenso gut über das Wetter sprechen können, das Essen der Herrschaften oder die in diesem Jahr übermäßige Zahl an Regenwürmern im Boden der flavischen Rosenbeete. Es bereitete ihm kein Vergnügen, dem anscheinend tatsächlich verdutzten Nordwin die Tatsachen unter die Nase zu reiben, denn entgegen aller Gerüchte bereitete es Sciurus kein Vergnügen andere zu quälen oder zu piesacken. Er erledigte nur seine Aufgaben, konsequent, effizient und ohne Rücksicht.
    "Das wiederum bedeutet, dass wenn du draußen Schaden anrichtest, Flavius Aristides dafür verklagt wird. Was er hernach mit dir anstellt, ist ihm überlassen, doch er muss das Bußgeld zahlen. Da das hier eine innerfamiliäre Angelegenheit ist, hat es für Aristides keine Konsequenz, für dich schon." Nordwin mochte sich noch tausend Male entschuldigen, es würde nichts an den Tatsachen ändern. Vielleicht würde es seine Bestrafung mindern, wenn er es glaubwürdig vor den Herrschaften tat, doch eine Strafe würde folgen, unbezweifelt.

  • Erst überlegte er wohl, dann stützte er sich auf mich. Obwohl der Kerl aussah, wie ein lukanisches Würstchen, erschien er mir doch recht schwer. Aber ich würde jetzt keine Schwäche zeigen, wär ja gelacht! Zwar hatte ich keine Ahnung, wer Cosmas nun wieder war, aber das war ja auch kein Wunder bei diesen ganzen Namen, die ich mir am besten sofort merken sollte. Ich sagte dazu also nichts mehr, sondern zog die Verschlagtür mit dem Fuß ein wenig weiter auf und bugsierte mich dann irgendwie mit Sciurus im Schlepptau raus auf den Gang. Gemeinsam hinkelten wir zur Tür, vor der ich dann ganz plötzlich ziemlich abrupt stehen blieb und Sciurus entsetzt ansah.


    "Also gehöre ich jetzt dem und nicht mehr ihr?" fragte ich verständnislos. So viel also zu dem Spruch, dass sich nichts für uns ändern würde, dachte ich lakonisch und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Epicharis hätte ich ja noch irgendwie um den Finger wickeln können, bei diesem Soldatenkerl würde das wohl aber ziemlich schwer werden. Der ließ sich sicher nicht mit einem lausbübischen Grinsen dazu bewegen, noch mal drüber wegzusehen. Wie, um meine Gedanken zu bestätigen, fügte Sciurus dann das mit der Bestrafung an. Allein der letzten drei Worte wegen hätte ich am liebsten seine schmierige Hand abgeschüttelt und ihn zum Haus zurück kriechen lassen. Aber das würde mir wohl nur noch mehr Ärger einbringen, und so zwang ich mich, auch die nächste Tür aufzumachen und dann mit Sciurus zur Villa zu humpeln, ohne noch etwas dazu zu sagen. Was auch? Ich fühlte mich zemlich beschissen. Fast gelähmt. Da hatte sie mich wohl verarscht, die Epicharis, dachte ich bitter. Ob Minna und Fiona das wussten?


    Wie dem nun auch immer war, ich musste also dringend mehr über diesen Ehemann in Erfahrung bringen. Jetzt bereute ich es, dass ich immer nur Mhm und Ja gesagt hatte, wenn Epicharis eine ihrer endlosen Lobhymnen auf Aristides gesungen hatte. Hätte ich mal besser zugehört! Nun musste ich Sciurus fragen. Was für eine Fahrlässigkleit. Ich räusperte mich. "Und wie ist er so? Dieser Flavier? Zu seinen Sklaven, meine ich." Irgendwas musste es doch geben, womit er zu bestechen war!

  • Die Frage nach dem Besitz beantwortete Sciurus nicht mit Worten, nickte nur und verschwendete keine Sekunde einen Gedanken daran, ob Nordwin neben ihm die Bewegung sah oder nicht. Es klang ohnehin nicht mehr nach einer ernst gemeinten Frage, nur nach einem Funken Hoffnung, der dem Zweifel verhaftet blieb und nach Negierung der Tatsachen heischte, die Sciurus weder gewillt, noch es ihm möglich war zu geben.


    Wieder verblüffte Sciurus die sprichwörtliche Blauäugigkeit Epicharis' Sklaven, der den Besitzer gewechselt hatte, ohne augenscheinlich davon zu wissen, der dazu nichts über seinen neuen Herrn zu wissen schien. Wie war Aristides? Sciurus kannte ihn nicht sonderlich gut, doch er kannte dessen Haushalt und dessen Besitz, der auch während seiner Dienstzeit im Militär stets in Rom geblieben war.
    "Er ist nicht grundlos grausam, doch er zeigt Härte, wenn es notwendig ist, und dann in jedem Maß, bis zum Todesurteil. Er hat während seines Militärdienstes ein paar seiner Sklaven selbst eingefangen und gebändigt." Sciurus bewunderte diese Kunst, denn gerade frisch eingefangene Sklaven waren meist überaus widerwillig.

  • Oh nein, ein Nicken! Ich fühlte mich wie geschlagen. Da gab es ja nur eine logische Erklärung: Epicharis hatte das sicher nicht mal selber gewusst. Sie hätte dann doch nie zugestimmt! Oder doch? Zweifelnd sah ich Sciurus an, was gar nicht mal so leicht ging, so schwer wie der sich machte. Wie ein Mehlsack. Und Mehlsäcke hatte ich schon öfter mal schleppen müssen...


    Da redete er auch endlich. Aha, Härte in jedem Maß. Ich schluckte - Todesurteil? Eingeschüchtert sah ich über die Schulter hinweg zu Sciurus, der sich schleppen ließ und dabei Schauermärchen erzählte. Militärdienst, ja, das wusste ich. Deswegen humpelte der arme Kerl ja auch. Allerdings...vielleicht sollte ich gar kein Mitleid mit ihm haben, wenn er sogar Sklaven töten ließ, wegen...ja, wegen was eigentlich? "Er hat schon mal das Todesurteil über wen gesprochen?" fragte ich nicht halb so geschliffen wie Sciurus sprach. Mir war nicht danach. Und außerdem verstand er mich auch so. "Warum? Also, was hat er gemacht? Oder sie."

  • Sie überquerten den Hof zur Villa hin, Sciurus kümmerte noch immer wenig, was im Kopf des anderen Sklaven vor ging, denn sein Fuß drängte sich immer wieder in den Vordergrund seines Bewusstseins und gleichsam damit etwaige Folgen. Seinem Herrn würde es gar nicht gefallen, wenn Sciurus in den kommenden Tagen ausfiel, davon abgesehen, dass es ihm ebenfalls nicht gefallen würde und er darob dafür Sorge tragen würde, dass es Gracchus um so weniger gefiel. Nordwins Bangen mochte durchaus gerechtfertigt sein.


    Ungerührt zuckte Sciurus mit der Schulter. "Flucht und Ungehorsam."
    Sciurus wusste natürlich, dass nicht Aristides das Todesurteil verhängt hatte, vermutlich nicht einmal davon wusste. Ein Gutteil seines Besitzes weilte in Baiae unter der Obhut seiner Mutter, und Flavia Agrippina war weitaus weniger sentimental bezüglich der Sklavenschaft. Denn im Gegensatz zu seinem Bruder Felix gehörte auch Aristides eher zu den diesbezüglich verweichlichten Herren, die ihren Sklaven viel zu viel erlaubten. Sciurus misste die Zeit, in welcher Flavius Felix noch das Regiment im Haushalt angeführt hatte, und mit diesem dessen Vilicus Sica. Seit deren Fortgang, erst des einen, dann des anderen, war es mit der Disziplin in der Villa nurmehr bergab gegangen.

  • Wo das eine mir noch einleuchtete, fragte ich mich beim zweiten schon, was da alles zu zählte. Ungehorsam war ich schließlich nicht gewesen, keine Socke hatte sich hingestellt und mir gesagt "Du, Nordin, wenn du jemals aufwachst und noch nicht ganz da bist und falls da ganz zufällig Sciurus neben dir steht... Mach alles, aber dreh ihm nicht den Fuß rum." Nee, so eine Anweisung hatte es nicht gegeben, also konnte man da doch schlecht von Ungehorsam sprechen. "Puh. Dann bin ich ja aus dem Schneider", erwiderte ich dem Hörnchen also gutgläubig und grinste ihn erleichtert an.


    Da erreichten wir den Säulengang und ich blieb unschlüssig stehen. "Öhm. Wo willsten du hin? Und wem soll ich bescheid sagen? Und wie hieß dieser Arzt doch gleich? Ich vergesse ständig die Namen", brummte ich und sah den Gang entlang. Es fehlte jetzt nur noch, dass ich diesem Cras...Gracchus bescheid geben sollte. Denn wenn es einen gab, vor dem ich massig Bammel hatte, dann war der das. Außerdem war es auch noch sein Sklave, den ich kaputt gemacht hatte. Naja, zumindest ein bisschen.

  • Sciurus ließ sich zu einem Grinsen hinreißen, bei welchem seine weißen Zähne sichtbar wurden, welches gleichsam eher dem Zähneblecken eines Raubtieres glich.
    "So manch ein Sklave in diesem Haus hat sich schon gewünscht, man hätte ihn wegen seines Vergehens gekreuzigt. Die flavischen Herren sind überaus phantasievoll, wenn es um die Sanktionierung ihres Eigentums geht."
    Sciurus hatte dies bereits am eigenen Leib erfahren, damals, unter Flavius Felix, welcher auch vor der Bestrafung der Sklaven seiner Verwandten nicht Halt gemacht hatte.


    "Aber vielleicht muss es dazu nicht kommen", sagte er ganz unbedarft, blickte sich im Säulengang um und wies mit dem Kopf auf eine der Bänke, die in regelmäßigen Abständen dort aufgestellt waren. "Dort hin." Er humpelte noch ein paar Schritt und ließ sich auf der Bank nieder.
    "Cosmas, er heißt Cosmas, wie der Kosmos, nur mit a." Vielleicht würde die Eselsbrücke etwas nützen, denn die Intelligenz eines Esels traute Sciurus dem Germanen durchaus zu - ebenso faul, aber zumindest nicht dumm. "Vermutlich lungert er irgendwo bei der Küche herum."

  • Ich gab mir Mühe, Sciurus' Worten zu folgen. Wie ein Sklave freiwillig so viele Fremdworte benutzen konnte, war mir echt unheimlich. Wenigstens wusste ich, was eine Sankt...dingens war. Ich fragte mich allerdings, wieso die Herrschaften fantasievoll im Bezug auf die Religion der Sklaven waren, immerhin hatte doch bei den Römern alles seine strikten Regeln, und ihr Getue mit den falschen Göttern sowieso. Nun ja, ich würde es vermutlich bald erfahren. Ich hatte allerdings nun weniger Schiss vor der Strafe, wenn der Herr meiner Herrin mich nur sa...kristeien würde. Oder wie auch immer.


    Ich stützte Sciurus beim Humpeln und brachte ihn so zu einer steinernen Bank, deren einer Fuß scheinbar der Frost nicht so bekommen hatte. Der geschwungene Stein hatte nämlich einen Riss. "Nicht dazu kommen? Wie meinst du das denn jetzt?" Das war ja aufregend - schlug mir Sciurus etwa einen - das Wort hatte ich in der Subura aufgeschnappt - Diehl vor? Verschwörerisch blickte ich mich um, aber niemand war zu sehen. Einen Kosmos mit a sollte ich suchen, so hieß der Arzt. "Alles klar. Du wartest hier. Ich bin gleich wieder da." Als ob der allein wo hinhumpeln könnte. Ob ich ihm neben dem Arzt auch was zu essen mitbringen sollte? Besser nicht, sonst würde mir das hinterher noch als Bestechungsversuch gewertet.


    Ich lief also los, hin zur Küche. Da drin befanden sich nur die Küchenhilfen und der Koch, der mich fragte, ob ich nichts besseres zutun hatte als ihm auf die Nerven zu gehen. Gut, den Punkt hatte er gewonnen. Ich schloss die Tür wieder und ärgerte mich, dass ich vergessen hatte, nach diesem Kometen zu fragen. Als nächstes warf ich einen Blick in den Essensraum der Sklaven. Da war aber auch keiner, sah man von der kleinen Brünetten ab, die die Fugen der Fliesen reinigte. Aber wenigstens wusste sie, wen ich suchte und wo ich ihn finden konnte. Nach einem ziemlich wirren Blick trat die Erkenntnis in ihre Augen, und sie sagte: "Ach, Cosmas meinst du! Sag das doch gleich...." und erklärte mir, wo ich ihn finden würde. Mit dem Arzt im Schlepptau kam ich also zu Sciurus zurück. "Da bin ich schon wieder", sagte ich überflüssigerweise. "Tuts denn noch sehr weh?"

  • Welch Fauxpas, der gute Grieche schreibt sich mit K...



    Kosmas, einst Leibarzt der Flavia Leontia, war überaus bewandert in den kleinen und großen Wehwehchen verzärtelter Patrizier, ein versierter Medicus zudem, dennoch hatte er es vorgezogen, nach Leontias Verschwinden nicht sein Glück in der weiten Welt zu suchen, sondern sich im flavischen Haushalt aushalten zu lassen. Sciurus vermutete den Grund dessen in der mysteriösen Vergangenheit des Griechen, doch obgleich er sich mehrmals bemüht hatte, mehr über diese herauszufinden, war es ihm nicht geglückt - ein Umstand, der ihn durchaus ein wenig verärgern konnte, so Sciurus überhaupt bei einer Lappalie zu solch einer Regung fähig war. Nordwin kehrte mit dem schweigsamen Medicus zurück, der nicht einmal seinem Patienten eine Frage stellte.
    "Sieh' dir meinen Fuß an und schau' nach, ob etwas gerissen oder gebrochen ist", wies Sciurus den Griechen an, der regungs- und wortlos in die Hocke ging, eben dies zu tun. Kosmas missbilligte es, sich um Sklaven kümmern zu müssen, auch wenn es Leibsklaven waren, doch ab und an war ein Opfer notwendig, seinen Status im Haus zu behalten.


    Sciurus blickte zu Nordwin empor, nach einem Anzeichen suchend, ob der Sklave seinen vorigen Wink verstanden und überdacht hatte, doch er konnte nichts aus dessen Augen ablesen, die so unbedarft durch die Welt blickten.
    "Wenn mein Herr erfährt, dass dies ein bedauerlicher Unfall war, brauchte er bei deinem Herrn keine Strafe zu fordern. Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich meinem Herrn eine solche Lüge auftischen kann." Er sprach völlig sorglos vor Kosmas. Der Medicus würde sich nicht in seine Angelegenheiten einmischen, gleichsam konnte er jedoch als Zeuge fungieren, so es eines Tages notwendig werden würde. Als Kosmas seinen Fuß ein wenig drehte, zuckte Sciurus' Leib zusammen und er biss die Zähne aufeinander, seinen Blick nicht von Nordwin wendend.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!