Das Officium des Senators Sedulus

  • "Natürlich, Quintus, ich werde mich um Helena kümmern, wir sehen uns ja später alle bei der Cena." Serrana nickte ihrem Mann, der Anstalten machte, sein Officium zu verlassen, zu und wandte sich dann wieder dem neuen Hausgast zu. "Ein blaues Kleid, hm....ich denke, da werden wir ganz bestimmt etwas passendes finden. Wenn du magst, können wir gemeinsam ein Bad nehmen, damit du dich ein bisschen von der anstrengenden Reise erholen kannst, und danach zeige ich dir das Haus. Bis dahin können die Sklaven schon mal eins der Zimmer für dich fertig machen. Platz haben wir hier ja Gott sei Dank genug. Na, was meinst du? Wollen wir hinunter in die Bäder gehen?" Oder möchtest du lieber erst etwas essen?

  • Ich betrachtete Serrena mit tiefer Zuneigung, sie war wirklich ein herrlicher Mensch. Oh ja ich hätte wirklich Lust auf ein ausgibiges Bad. Die Reise war anstrengend und ich musste alles zu Fuß gehen. Ich glaube ich bekomme den Staub und Dreck überhaupt nicht mehr weg. Es ist so widerlich.Ich lief schnell zu Serrena hin und umarmte sie. Sie war wie eine große Schwester oder wie eine Mutter für mich und ich liebte sie dafür.

  • Antias versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt er war. Das hier war keine gemauerte Unterkunft, sondern vielmehr ein Tempel. Ein kühler, luftiger, stiller Tempel, in dem weder gerannt noch gebrüllt wurde und in dem er sich derb und schmutzig zu fühlen begann. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie grobschlächtig und unkultiviert er auf wahre Römer wirken musste.Vielleicht eines Tages … wohin war der germanische Sklave plötzlich verschwunden? Antias wurde noch mulmiger zumute.

  • Sedulus musterte den Gast eindringlich. Dann begann er.


    Salve. Du bist Germanicus Antias? Wie kann ich dir weiter helfen?


    Der Senator deutete auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch.


    Setz dich doch bitte. Möchtest du etwas Trinkbares? Es ist doch recht warm draußen nicht wahr.


    Sedulus war gespannt was der Germanicus zu sagen hatte.

  • Nun erst konnte Antias im wohltuenden Halbdunkel Germanicus Sedulus hinter seinem Schreibtisch entdecken. Die gepflegte Umgangsform des Senators beruhigte und verunsicherte ihn gleichermaßen. Setzen? Noch nicht. Antias trat gemessenen Schrittes an den Tisch, neigte den Kopf und versuchte sich an einem unbefangenen Lächeln. Mäßig erfolgreich.


    „Salve verehrter Senator Sedulus, ich danke dir ergebenst für die große Ehre deiner sicher ausgesprochen knapp bemessenen Zeit.“ salbaderte Antias während ihn die eigenen Worte in seinem Kopf verhöhnten. Na wunderbar, dein Geschwätz ist öliger als die Locken eines Griechen. „Mein Name ist Titus Germanicus Antias. Als Spross aus dem entfernten Zweig des Markus Germanicus Victorinus komme ich von Mogontiacum her, möchte dir meine Aufwartung machen und um deinen allerorts hoch geschätzten ..“ jetzt ging ihm dann langsam die Luft aus, „.. weisen Rat bitten.“


    Endlich setzte er sich.

  • Sedulus winkte Teutus herbei der zwei Gläser mit verdünnten Wein befüllte.


    So knapp ist meine Zeit gar nicht.


    Lächelte Sedulus.


    Aus Mogontiacum sagst du? Dort habe ich meine Kindheit verbracht. Erzähl später ein wenig von der Stadt.
    Du möchtest einen Rat von mir? Na dann lass hören. Vielleicht kann ich dir ja sogar weiter helfen. Doch zuvor trink einen Schluck.


    Er deutete auf das Glas verdünten Weines.

  • „Ich danke dir, Senator.“
    Nachdem er ein paar Schlucke von dem erfrischenden Getränk genossen hatte, fühlte er sich wie neu geboren. Ein kultivierter Mann, dachte Antias, ein Mann mit Würde, den Göttern sei Dank.
    So, und jetzt? Wo anfangen? Senator Sedulus war augenscheinlich ein viel beschäftigter Mann, sollte Antias ihn mit Erzählungen über sein Leben in Mogontiacum langweilen? Ihn mit Geschichten über seinen Vater und dessen einzigen Stolz – die Gens – überschütten? Ihm den eher minderwertigen Ring des Victorinus überreichen, ohne darüber im Bilde zu sein, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis der Senator zu Antias Urahn stand?


    „Da meine engere Familie .. wie du vielleicht weißt .. nahezu ausgestorben ist, ..“ begann Antias stockend. „ .. und ich daher die Gens .. und so natürlich dich, Senator .. als übergeordnete Autorität betrachte ..“ Hör auf damit, du Ochse! So geht das nicht! Der Mann hat zu tun! Wenn du so weiter machst, sitzt du an den Saturnalien noch hier.
    Antias nickte einsichtig und bedachte Senator Sedulus mit einem entschuldigenden Lächeln.


    „Vergebung, Senator. Die .. äh .. Rhetorik ist nicht mein Fach. Kurz gesagt, ich weiß nicht, was ich sinnvolles und ehrenhaftes aus meinem Leben machen soll und erbitte deinen Ratschlag dazu. Sehr kurz gesagt...“

  • Sedulus nickte. Er kannte zwar nicht alle Verwandtschaftsgrade und Verhältnisse auswendig, doch hatte er so einiges mitbekommen.
    Er lächelte um seinem Gast die Nervosität zu nehmen die man deutlisch spüren konnte.


    Was hast denn bisher getan und was würde dir liegen?


    Wollte Sedulus wissen. Denn nur so konnte er Antia helfen.

  • „Nun ..“
    Antias nahm sicherheitshalber noch einen tiefen Schluck. Ob nun aus Weisheit oder aus Intuition, der Senator war zielsicher auf den Kern des Problems vorgestoßen.
    „Getan .. nichts, was auch nur annähernd einen Sinn ergeben hätte. Ich muss gestehen, dass ich bislang nicht besonders ehrenhaft gelebt habe, und seit mein Vater als verschollen gilt, ist mir mein Leben vollends entglitten.


    Anstatt mich – wie er es getan hat – wenigstens zu bemühen, unserem Namen Klang zu verleihen, habe ich mich nur treiben lassen und dabei mit der Zeit völlig vergessen, dass es einmal sein Traum gewesen war, das Haus Germanica zu ähnlicher Größe wachsen zu sehen wie das der Julia oder Flavia. Wer weiß, was geworden wäre, hätte mein Vater seine Dienstzeit ihn Ehren beenden können. Sein Sohn jedenfalls war bisher keine große Zierde, weder für die Familie, noch die Gens, noch für Rom – und das betrübt mich inzwischen zutiefst.


    Der einfachste Weg wäre für mich wohl der Weg in die Legion gewesen, dazu hätte ich Mogontiacum nicht einmal zu verlassen brauchen. Aber das wäre wieder nur eine Entscheidung aus Bequemlichkeit gewesen, nur für den täglichen Teller Puls und vielleicht eine schattige Parzelle am Ende meiner Tage, ohne Weitsicht, ohne Ziel .. und damit muss endlich Schluss sein!“


    Erschrocken bemerkte Antias, dass sich seine Hände zu Fäusten geballt hatten. Tief durchatmend lehnte er sich zurück und begann sich zu entspannen.


    „Wie schon gesagt, es gibt keine Familie mehr, der ich Ehre machen könnte. Es gibt nur noch den Namen, die Gens. Und du repräsentierst für mich das Ansehen und die Autorität des Hauses. Wenn ich dir also in irgendeiner künftigen Funktion – sei es in der Legion oder anderswo – von Nutzen sein kann, lass es mich wissen. Du kannst dir meiner Loyalität sicher sein."

  • Sedulus wußte im ersten Moment nicht was er sagen sollte. Antias hatte also eher wenig aus seinem bisherigen Leben gemacht allerdings war er bereit, dies zu ändern.


    Nun gut... Was würdest du also vorziehen, Arbeiten im zivilen Bereich oder doch eher beim Militär. Was denkst du ist für dich besser? Oder vielleicht gar im religiösen Bereich? Möglichkeiten gibt es viele, es liegt nur an dir. Wenn ich kann, dann versuche ich zu helfen wo ich kann.


    Er hatte ja inzwischen auch nur noch seinen Namen. Ein wirklich atraktiven Posten so schien es Sedulus würde er hier in Roma wohl nicht mehr abbekommen.


    Hast du denn schon einen Patron?


    Ob sich Sedulus eine solche Bürde noch einmal antuen sollte? Aber gut, er wollte nicht zu vorschnell entscheiden und erst einmal das weitere Gespräch abwarten.

  • Antias war erleichtert. Offensichtlich hatte der Senator seinen Redeschwall nicht als bloße Aufdringlichkeit und Zeitverschwendung empfunden. Er war inzwischen mehr als froh, sich nicht auf ein Gespräch mit Germanicus Avarus versteift zu haben. Blieb nur noch, Senator Sedulus davon zu überzeugen, dass er keine Last für ihn sein wollte.


    „Natürlich habe ich mich in der Stadt umgehört. Aus meist nutzlosem Tratsch und primitiver Polemik konnte ich dennoch heraushören, dass die Gens Germanica zusehends an Einfluss und Bedeutung zu verlieren scheint. Zum einen soll das an den gehäuften Todesfällen der jüngeren Familiengeschichte liegen, zum anderen an den Umtrieben der alten Häuser, die mein Vater stets nur Aeneas' Sackläuse genannt hat.
    Wenn das so ist, dürften der zivilen Laufbahn eines Germanicus momentan deutliche Grenzen gesetzt sein, ob mit oder ohne Patronat. In der Legion wäre dieser Dünkel zumindest weniger ausgeprägt, und ein Patron nicht unbedingt vonnöten. Oder sehe ich das völlig falsch?“

  • Sedulus war erstaunt.


    Ach, ist dem so? Dann sollte sich die Gens doch mal wieder daran machen, und sich wieder in Erinnerung bringen, nicht wahr?!


    Gerüchte, es gab nichts Schlimmeres.


    Nun, selbst in der Legion kann es von Nutzen sein, wenn man einen Patron weiß, der einen Namen hat oder gar eine einflussreiche Familie. Du möchtest also zur Legion oder vielleicht in eine der anderen Truppengattungen?

  • „Du hast recht, Senator.“ Antias kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    Deswegen war er hergekommen: Sedulus besaß unter vielem anderen Eigenschaften auch Weitsicht, eine Gabe, die bei Antias noch nicht zu wahrer Blüte gelangt war.


    „Das habe ich nicht bedacht. Natürlich, auch die Legion ist letztlich nicht frei von fein gesponnenen Beziehungsnetzen. Sich auf einen Patron berufen zu können, muss ja noch lange nicht bedeuten, ihn auch um Unterstützung zu bitten. Das letzte, was ich sein möchte, wäre ein Klotz am Bein meines Patrons.“


    Antias dachte ein paar Augenblicke an das Lagerleben bei der Zweiten Germanica zurück. Sein Vater hatte ihm damals den Umgang mit Pilum, Scutum und Gladius gezeigt, ihm von Manövern und Paraden erzählt – alles mit Stolz und Begeisterung.


    „Es wird wohl tatsächlich das klügste sein, mich zu den Adlern zu melden. Fragt sich nur wo? In der hiesigen Garnison wird es wenig Glorie zu erlangen geben, hier dürfte sich mein Dienst darauf beschränken, die Sänften fettärschiger Senatorengattinen zu eskortieren ....“
    Götter! Antias wich das Blut aus den Wangen und schoss ihm stattdessen in die Ohren.
    „Verzeih Senator .. ich .. äh .. das sollte nicht etwa eine Schmähung deines Standes .. du weißt hoffentlich, wie ich das gemeint habe?“


    Wenn Antias Sedulus nicht völlig falsch eingeschätzt hatte, wusste der das sehr wohl.

  • Sedulus lächelte.


    Ich weiß was du meinst.


    Nickte er langsam.


    Nun, dass würde ich so nicht unterstreichen. Ich selbst habe bei den Cohortes Urbanae gedient und ich muß sagen, mir war es eigentlich nicht langweilig. Allerdings hatte ich auch einen guten Freund mit dem ich mich recht gut verstanden hatte. Allerdings liegt die letzte Entscheidung bei dir Germanicus Antias. Da kann ich dir nicht bei helfen.


    Und so war es auch.


    Wobei es bei der II. mit Sicherheit auch nicht schlechter sein wird.

  • Antias nickte versonnen vor sich hin. Den Weg zurück nach Mogontiacum und damit zur Zweiten hatte er sich durch seinen Schwur selbst verstellt. Pflichten gab es aber hier wie dort zu erfüllen.


    „So sei es denn, Senator.“ entgegnete Antias entschlossen. „Mich bei einer Einheit zu melden, in der du gedient hast, kann mir nur eine Ehre sein. Die Cohortes Urbane also. Mogontiacum muss warten.“


    Die Erleichterung darüber, endlich eine Entscheidung gefällt zu haben, trieb Antias endlich ein unverkrampftes Lächeln auf die Züge.
    „Sollte es mir gelingen, mich an dieses Klima zu gewöhnen, werde ich auch mit allen anderen Widrigkeiten fertig, und was Freunde betrifft, vielleicht finden sich noch ein paar weitere unbeholfene Landeier in den Reihen der Cohortes.“


    Entspannt griff er nach dem Becher und ließ sich den Rest des verdünnten Weines genießerisch in die Kehle rinnen. Da fiel ihm der Ring wieder ein. Nun allerdings, nachdem Germanicus Sedulus sich Antias' Anliegen mit nobler Geduld und Höflichkeit gewidmet hatte, erschien es ihm plötzlich unpassend und albern, dem Senator einen abgegriffenen Ring zur Verwahrung aufzudrängen.


    „Ich bin dir zu Dank verpflichtet, Senator Germanicus Sedulus. Alles, womit ich mich für den Moment erkenntlich zeigen kann, ist dir nochmals meine Loyalität zu versichern. Scheue dich nicht, mich beim Wort zu nehmen. Morgen früh werde ich mich also draußen an den Castra einfinden.“

  • Sedulus winkte ab.


    Sicherlich wirst du. Man kann sich so ziemlich an alles gewöhnen.


    Auch Sedulus nahm nun einen Schluck des verdünnten Weines.


    Hast du denn schon eine Bleibe gefunden? Wenn nicht, kannst du gerne hier im Hause übernachten. So kannst du dich auch ein wenig frisch machen.


    Schlug Sedulus vor in der Hoffnung, dass Antias kein Betrüger oder sonstiges Gesokse war.


    Du bist mir zu nichts verpflichtet. Schließlich bist du kein Klient von mir.


    Erwiderte der Senator.

  • Das war gütiger als er zu hoffen gewagt hatte. Antias lächelte etwas verlegen.
    „Um ehrlich zu sein .. ich habe tatsächlich noch keinen Ort, an dem ich meine letzte zivile Nacht verbringen könnte. Meine bisherige Bleibe – eine dumpfe Taberna in der Suburia – habe ich heute morgen fluchtartig verlassen, weil mich zwei versoffene Gallier allnächtlich um den Schlaf gebracht haben.“


    Aber konnte er tatsächlich annehmen? Oder war das nur eine Höflichkeitsfloskel, die der Form nach unterbreitet- aber grundsätzlich dankend abgelehnt wurde? Nein, wohl kaum. Senator Sedulus war kein Mann, der leere Reden drosch.


    „Nun .. wenn es wirklich keine Umstände macht, wäre ich hocherfreut und sehr geehrt. Zumal meine Nächte nun wohl für lange Zeit recht kurz und unbequem werden dürften.“

  • Ja, dieses Viertel kann schon ungemütlich werden, vorallem in der Nacht. Dann wird dich Teutus hier zum Gästezimmer bringen.


    Sedulus deutete auf seinen Sklaven der hinter ihm stand.


    Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen Germanicus Antias?


    Fragte Sedulus höflich nach. Vielleicht gab es ja noch etwas was sein Gegenüber loswerden wollte.

  • „Das ist sehr gütig, ich danke dir, Senator.“


    Ob er noch etwas loswerden möchte? Vielerlei. Sein Kopf war noch immer voll von Fragen. Manche hatten sich von selbst beantwortet, andere waren hinzugekommen. Wie man sich bei den Cohortes am besten verhielt zum Beispiel, ob er dem Senator Nachricht über seine Entwicklung zukommen lassen sollte, ob der den Sohn des Marcus Germanicus Varus zumindest als fernen dünnen Zweig am Baum der Gens anerkannte .. ob, ob, ob …


    Aber Senator Sedulus war nicht dazu da, um Antias die Suche nach den Antworten des Lebens abzunehmen. Ganz davon abgesehen, dass es auf manche Fragen wohl keine endgültigen Antworten gab.


    „Was steckt hinter Macht und Ansehen?“
    Die Frage überraschte Antias selbst. Aus welchem Winkel seines verschlungenen Geistes war das jetzt so plötzlich hervorgebrochen?


    „Nur der Selbstzweck? Oder macht es einen Menschen besser und glücklicher?“

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