Ungemütlich war das Wetter an diesem Morgen. Kalt und trübe war es und nur die vereinzelten Sonnenstrahlen, die hier und da durch die grauen Wolken lugten, ließen erahnen, dass es wenigstens nicht regnen würde. Dazu kam ein eisiger Wind, der umherwehte und dabei den kahlen Bäumen die letzten Blätter wegblies. Man musste wohl schon etwas eigenartig veranlagt sein oder einen gewissen Hang zur Melancholie haben um bei diesem Wetter einen Spaziergang machen zu wollen. So waren auch nur wenige Menschen an diesem Vormittag in dem kleinen Park anzutreffen. Eine von ihnen war Aurelia Minervina, auf der sowohl das Eigenartige als auch das Melancholische zutraf. Begleitet wurde sie von zwei Sklaven, die ihr in gebührenden Abstand folgten und auf sie Acht gaben.
Obgleich Minervina normalerweise Kälte möglichst zu umgehen versuchte, hielt sie diesmal nichts von einem Spaziergang ab, denn sie erhoffte sich, dass die kühle Luft ihr half um wieder auf klare Gedanken zu kommen. Fernab von der aurelischen Villa würde sie sicher in aller Ruhe nachdenken können. Tiefe Trauer hatte sich in letzter Zeit über sie gesenkt und Minervina wusste nicht, wie ihr geschah. Es gab keinen Anlass betrübt zu sein und doch spürte sie diese innere Leere. War es eine Laune der Götter? Oder gar eine Prüfung?
Während sie gemessenen Schrittes daherschlenderte, fiel ihr Blick immer wieder auf die bunten Herbstblätter, die wild zerstreut auf dem Boden lagen. Selbst nachdem sich die Bäume ihr Herbstgewand abgelegt hatten, konnte Minervina immer noch eine gewisse und zugleich skurrile Schönheit in dem kahlen Geäst der Bäume erkennen. Genau genommen sah sie immer etwas Schönes in der Natur, war die Patrizierin doch sehr naturverbunden.
Nach einiger Zeit kam sie an einer halbrunden Marmorbank an und sie ließ sich auf dieser nieder. Ein leichter Windhauch lies einige feine Haarsträhnen durch ihr Gesicht wehen. Begierig sog sie die reine Luft durch die Nase und genoss dabei die Stille, die sie umgab. Ihre Augen blickten derweil resigniert in die Ferne.
Wer möchte, darf sich gerne dazusetzen und mich aufmuntern